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  • Israel und Syrien: Verhandlungen unter US-Vermittlung – Chance auf Frieden oder Fortsetzung des Konflikts?

    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu informierte den US-Sondergesandten für Syrien, Tom Barrack, über seinen Wunsch, Verhandlungen mit der neuen syrischen Regierung unter Ahmad al-Scharaa aufzunehmen. Die USA sollen als Vermittler fungieren. Laut einem hochrangigen israelischen Beamten strebt Netanjahu „ein aktualisiertes Sicherheitsabkommen an, das schließlich zu einem vollständigen Friedensabkommen mit Syrien führen soll“. Der Beamte erklärte, al-Scharaa sei „moderater als bisher angenommen und nehme keine Befehle aus Ankara entgegen“. Israel sei der Ansicht, dass „die Annäherung der syrischen Regierung an Washington und Riad in seinem eigenen Interesse“ liege.

    Laut dem Bericht nahm Netanjahus Regierung bereits vor Monaten über Mittelsmänner Kontakt mit Syriens neuer Führung auf – später kam es zu geheimen Treffen in Drittländern. Auslöser war ein diplomatischer Paukenschlag: Die Trump-Regierung hob bei einem Treffen mit al-Scharaa in Saudi-Arabien alle US-Sanktionen gegen Syrien auf – sehr zum Ärger Israels. Offiziellen Angaben zufolge brachte dieser Kurswechsel Washingtons Jerusalem zum Umdenken. Ziel sei nun eine rasche Normalisierung der Beziehungen.

    Doch wer soll Geld nach Syrien bringen, solange israelische Bomben fallen und das Abkommen von 1974 zum Truppenabzug von Israel ignoriert wird? Trump fordert von Präsident al-Scharaa harte Zugeständnisse: die Vertreibung aller Terrorgruppen, den Sieg über den IS und den Beitritt zu den Abraham-Abkommen. Doch echter Frieden braucht vor allem eines – ein Ende der israelischen Angriffe.

    Rote Linien für Israel

    Eine israelische Quelle bestätigte, dass die Verhandlungsdelegation den USA klare „rote Linien“ vorgelegt hat: keine türkischen Militärstützpunkte in Syrien, kein iranischer oder Hisbollah-Einfluss auf syrischem Boden und eine vollständige Entmilitarisierung Südsyriens. Israel werde seine Truppen so lange im Land halten, bis ein Abkommen diese Bedingungen garantiert und US-Truppen die UN-Mission an der Grenze verstärken.

    Auch die Golanhöhen sind ein heikles Thema in den Verhandlungen. Doch israelische Regierungskreise rechnen mit mehr Flexibilität bei al-Scharaa als beim Vorgängerregime – vor allem, seit Trump Israels Souveränität über das Gebiet anerkannt hat. „Ich kann Ihnen versichern, dass die Vision des Präsidenten nicht nur eine Hoffnung, sondern ein erreichbares Ziel ist“, sagte Barak über die Plattform X, nachdem er Präsident Trump und Außenminister Marco Rubio über die Einzelheiten seines Besuchs informiert hatte.

    Wie Israel Angriffe rechtfertigt

    Israel rechtfertigt seine Angriffe mit einer angeblichen „Lektion“ aus den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023: Jede islamistische Gruppe an der Grenze sei eine existenzielle Bedrohung, die präventiv bekämpft werden müsse. Inoffizielle Erklärungen führen diesen Krieg auf Netanjahus Wunsch zurück, sein Image als Kriegskommandeur zu wahren und sich der Verantwortung für Israels Versagen vom 7. Oktober zu entziehen – unter dem Vorwand, dass Kriegszeiten keine Ermittlungen oder Rechenschaftspflicht zulassen. Sollte er gezwungen sein, den Krieg in Gaza zu beenden, kann er auf Syrien, den Libanon, Jemen und sogar den Iran als Schauplätze verweisen, um weitere Militäroperationen zu rechtfertigen. Israel untermauert seine Ansprüche mit der Behauptung, es müsse die syrischen Drusen vor angeblicher Verfolgung durch die neue Regierung schützen.

    Illegale israelische Militäreinsätze in Südsyrien – Tote, Verhaftungen und Planierarbeiten

    Am vergangenen Donnerstag meldete das israelische Militär die Verschleppung von mutmaßlichen Hamas-Mitgliedern bei einer Operation in Beit Jann im Süden Syriens. Ein Sprecher des syrischen Innenministeriums erklärte gegenüber Reuters, bei der Razzia in Beit Jann seien sieben Personen festgenommen worden. Sie bestritten ihre Zugehörigkeit zur Hamas und betonten, es handele sich um Zivilisten aus der Region. Eine Person sei durch israelisches Feuer getötet worden. In einer weiteren Entwicklung rückten Besatzungstruppen in die Nähe der Stadt Khan Arnabeh vor und richteten einen Kontrollpunkt in der Provinz Quneitra ein. Außerdem setzt Israel zum dritten Tag in Folge die umfangreichen Planierarbeiten in den Wäldern der Stadt Jubatha al-Khashab im Norden von Quneitra fort. Die Wälder von Jubatha al-Khashab gehören zu den größten Waldgebieten im Süden Syriens. Auch das Naturschutzgebiet Jubatha al-Khashab und der 184 Hektar große al-Schahar-Wald mit über 30.000 Bäumen werden weiter zerstört.

  • Aufhebung der US-Sanktionen gegen Syrien – Was bedeutet das für die syrische Bevölkerung?

    Die US-Sanktionen gegen Syrien begannen 1979, als Hafiz al-Assad, der Vater von Baschar al-Assad, an der Macht war. In den folgenden Jahrzehnten wurden sie schrittweise ausgeweitet – insbesondere ab 2011 mit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs. Einen Wendepunkt markierten die sogenannten „Caesar-Leaks“ von 2014: Ein geflohener syrischer Militärfotograf veröffentlichte Tausende von Bildern, die die systematische Folter und Tötung von Häftlingen in den Gefängnissen des Assad-Regimes dokumentierten. Diese Enthüllungen führten 2020 zur Verabschiedung des Caesar Syria Civilian Protection Act, mit dem die USA umfassende wirtschaftliche Sanktionen verhängten, um das Regime für seine schweren Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.

    Warum will Trump jetzt die Sanktionen aufheben?

    Bei einem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der saudischen Hauptstadt Riad sagte Trump, er wolle Syrien „eine neue Chance“ geben. Er betonte, dass die Sanktionen ihre Funktion erfüllt hätten, es nun aber an der Zeit sei, Syrien beim Wiederaufbau zu unterstützen. Saudi-Arabien und die Türkei sähen in der neuen syrischen Führung unter Präsident Ahmad al-Sharaa eine Möglichkeit, den iranischen Einfluss in der Region einzudämmen. Die Europäische Union hatte bereits im Februar 2025 einige ihrer Sanktionen gelockert, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Finanzen.

    Syrien schöpft Hoffnung

    Die syrische Bevölkerung reagierte mit Freude und öffentlichen Feiern auf die Ankündigung der USA. Viele sähen darin eine Chance, die tiefe wirtschaftliche Krise zu überwinden. Die Übergangsregierung sprach von einem „Wendepunkt“ und hoffe auf Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Dienste. Auch die Syrischen Demokratischen Kräfte sehen die Entscheidung als Möglichkeit zur Stabilisierung des Landes. Unterstützung kam zudem aus mehreren arabischen Staaten – darunter Katar, Kuwait, Bahrain, Jordanien, Palästina, Jemen, Libanon und Libyen –, die in der neuen Entwicklung eine Chance für mehr regionale Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung sehen.

    Die Aufhebung der Sanktionen könnte Syrien wieder Zugang zum globalen Finanzsystem verschaffen, Investoren anlocken, Überweisungen erleichtern und die Integration in regionale Märkte fördern. Wirtschaftsminister Al-Schaar betonte, dass die Aufhebung eine wichtige Chance für Syriens wirtschaftlichen Wiederaufbau sei. Er erklärte, dass die syrische Regierung ein Modell anstrebe, das Investitionen anzieht, den privaten Sektor stärkt und die Infrastruktur erneuert. Ein erfolgreicher Wiederaufbau des Landes beruhe Al-Schaar zufolge nun auf der Zusammenarbeit von Staat, Gesellschaft und Privatwirtschaft, um langfristige Stabilität und wirtschaftliches Wachstum zu fördern.

  • Historischer Wendepunkt? – Trump, Abbas, Aoun und al-Sharaa treffen sich in Riad

    Nach übereinstimmenden Berichten der Times hat Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) Ende letzter Woche eine hochrangige „Mini-Gipfel-Konferenz“ für Dienstag in Riad vorgeschlagen. Eingeladen sind US-Präsident Donald Trump, Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, Libanons Staatsoberhaupt Michel Aoun sowie Syriens Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa. Offiziell sprechen alle Seiten nur von „laufenden Gesprächen“, doch saudische und syrische Quellen sehen das Treffen als bereits so gut wie sicher an.
    Laut einem exklusiven Bericht der britischen Times wird US-Präsident Trump während seiner gerade begonnenen Golfreise in Saudi-Arabien einen bilateralen Termin mit al-Sharaa einschieben. Der syrische Übergangspräsident, der nach dem Sturz Bashar al-Assads im Dezember die Amtsgeschäfte übernahm, steht weiterhin auf der US-Terrorliste, doch Trump signalisiert Bereitschaft, das langjährige Sanktionsregime zu überdenken.

    Witkoff drängt auf „Bruch mit Konventionen“

    Trumps Nahost-Sondergesandter Steve Witkoff gilt als Spiritus Rector der Initiative. Nach Angaben der Times sieht er in einem persönlichen Treffen „eine Chance, diplomatische Traditionen aufzubrechen“ und durch handfeste Abkommen politischen Fortschritt zu erkaufen.
    Laut der Zeitung Wall Street Journal hat al-Sharaa dem Weißen Haus bereits einen Brief übermittelt, in dem er ein bilaterales Gespräch am Rande von Trumps Golfreise anregt. Als Signal der Ernsthaftigkeit ließ Damaskus zuletzt ausländische Dschihad-Kommandeure festnehmen und stellte das Schicksal des in den USA vermissten Journalisten Austin Tice als Prüfstein für künftige Kooperation.

    Rohstoffe, Trump Tower, Sicherheit Israels – damit wird gelockt

    Al-Sharaa will westlichen – insbesondere amerikanischen – Konzernen exklusive Zugriffs- und Förderrechte für Syriens bislang kaum erschlossene Erz- und Seltene-Erden-Vorkommen einräumen. Nach dem Vorbild großer ukrainischer Bergbaukonzessionen erwartet Damaskus im Gegenzug eine spürbare Lockerung der Caesar-Sanktionen. Innenpolitisch argumentiert Trump, ein solcher Deal erschließe der US-Wirtschaft neue Lieferquellen abseits Chinas.
    Zu den PR-trächtigen Offerten gehört der Bau eines Trump Tower in Damaskus. Für Riad wäre das ein Signal, dass Syrien sich aus der iranisch-chinesischen Umarmung löst und sich stattdessen in eine von Saudi-Arabien moderierte, US-freundliche Ordnung einfügt.
    Die vielleicht weitreichendste Zusage betrifft Israels Sicherheit: Al-Sharaa sei „grundsätzlich offen“, in der Nähe der von Israel 1967 besetzten Golanhöhen jede schwere Bewaffnung abzuziehen und eine begrenzte israelische Präsenz zu tolerieren. Langfristig könnte Syrien das nächste arabische Land mit formellen Wirtschafts- und Sicherheitsabkommen mit Israel werden.

    Was Damaskus dafür verlangt

    Die syrische Seite knüpft ihre Kooperationsbereitschaft an mehrere zentrale Bedingungen. Im Vordergrund steht ein schrittweiser Abbau westlicher Sanktionen, insbesondere der Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT und die Wiederaufnahme westlicher Technologie- und Energiekooperationen, etwa im Bereich Öl- und Gasförderung. Hinzu kommt die Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung: Die Aufhebung der Terrorlistung von Übergangspräsident al-Sharaa und die diplomatische Anerkennung der neuen Übergangsregierung sind aus Sicht Damaskus unerlässlich. Auch eine internationale Finanzierung des Wiederaufbaus – in Form von Krediten für Infrastrukturmaßnahmen – zählt zu den Hauptanliegen der syrischen Seite.

    USA und Iran sind skeptisch

    Gleichzeitig birgt das Vorhaben erhebliche politische Fallstricke. In den USA ist die Skepsis gegenüber einem Kurswechsel groß – Teile der Trump-Administration, darunter etwa DNI Tulsi Gabbard, warnen vor einem „Blankoscheck“ an einen ehemaligen HTS-Kommandeur. Auch iranischer Widerstand zeichnet sich ab: Teheran könnte den Deal torpedieren, um seinen strategischen Einfluss in Syrien zu bewahren. Israel wiederum betont seine roten Linien: Die Regierung in Jerusalem fordert verlässliche Sicherheitsgarantien und unterstreicht ihre Haltung mit jüngsten Luftschlägen nahe Damaskus – ein deutliches Signal für das Eskalationspotenzial der Lage.

    Im Zentrum des geplanten Gipfels steht eine umfassende Kernagenda, die sich auf mehrere Themenbereiche verteilt: Fragen der regionalen Sicherheit, wie der Einfluss Irans, die Rolle der Hisbollah oder eine entmilitarisierte Pufferzone auf den Golanhöhen, stehen ebenso im Fokus wie die wirtschaftliche Dimension – hier geht es um saudische Investitionen, US-Know-how und mögliche Sonderwirtschaftszonen. Auch die Palästina-Frage, insbesondere der Zeitpunkt und die Modalitäten einer möglichen US-Anerkennung, sowie der Umgang mit bestehenden Sanktionen – etwa dem Caesar Act – sollen besprochen werden. Für letztere ist ein stufenweiser Abbau vorgesehen, gekoppelt an konkrete Reformnachweise. Schließlich bleibt auch die Kurdenfrage zentral: Die Autonomiebestrebungen im Nordosten Syriens kollidieren mit den Sicherheitsinteressen der Türkei – ein Balanceakt mit geopolitischer Sprengkraft.

    Kurswechel bei internationalen Reaktionen

    Der katarische Premier- und Außenminister äußerte sich in der Washington Post zur Rolle seines Landes und unterstrich die Notwendigkeit eines Kurswechsels: „Die Handlungsfähigkeit der neuen syrischen Regierung ist aufgrund des bestehenden Sanktionsregimes stark eingeschränkt. Wir streben eine Verständigung mit den USA an, um die Sanktionen gegen die Übergangsregierung in Syrien aufzuheben.“

    Zeitgleich sicherte sich Übergangspräsident al-Sharaa Unterstützung auf europäischer Ebene: In Paris wurde er mit militärischen Ehren empfangen. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte an, die für den 1. Juni geplante Verlängerung der EU-Sanktionen zu blockieren – allerdings nur unter der Bedingung messbarer Fortschritte in Menschenrechts- und Sicherheitsfragen, wie Le Monde berichtet.

    US-Präsident Trump erklärte am Montag, dem 12. Mai, er ziehe eine Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien in Betracht, nachdem der türkische Präsident Erdoğan das Thema zur Sprache gebracht hatte. Kurz vor seiner Reise in die Golfstaaten sagte Trump laut Reuters:
    „Wir könnten die Sanktionen gegen Syrien aufheben, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Viele haben mich darauf angesprochen, denn die derzeitigen Sanktionen geben ihnen keine echte Chance. Wir wollen sehen, wie wir ihnen helfen können.“

    Auch aus Israel kommen veränderte Töne. Außenminister Gideon Sa’ar sagte:
    „Israel möchte gute Beziehungen zur neuen syrischen Regierung. Natürlich haben wir Sicherheitsbedenken, aber wir streben Stabilität an. Bestimmte Maßnahmen gegenüber Minderheiten wecken unser Misstrauen, dennoch sind unsere Absichten gut: Wir wünschen Sicherheit und Stabilität.“

    Wendepunkt in der Geschichte?

    Ob das Gipfeltreffen tatsächlich stattfindet, wird sich voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Stunden entscheiden, wenn Präsident Trump sein Programm in Riad finalisiert. Sollte der Gipfel scheitern, verbleiben die Parteien bei indirekten Gesprächen. Gelingt jedoch der diplomatische Durchbruch, könnte der 14. Mai 2025 als historischer Wendepunkt in die Geschichte eingehen – als jener Tag, an dem ein langjähriger Erzfeind Washingtons zum potenziellen Partner im Nahen Osten wurde.


  • SGMA – Syrisch-deutsche Ärzt*innen reisen für Wiederaufbau nach Syrien

    Es ist 9 Uhr morgens am 15. April. In der Universitätsklinik Aleppo herrscht gespannte Vorfreude – denn heute wird eine Delegation aus Deutschland erwartet. Gemeinsam mit den Ärzt*innen vor Ort sollen komplizierte Operationen durchgeführt werden. Die Familie eines Patienten ist nervös. Man hat ihnen gesagt, der Eingriff sei riskant. Eine komplizierte Operation steht auf dem Programm – ein Eingriff, der in Aleppo normalerweise nicht durchgeführt wird, weil die dafür notwendigen Instrumente fehlen.

    Doch heute wird sich das ändern, denn Dr. med. Wehab Khayat, HNO-Facharzt und Leiter einer Praxis sowie mehrerer HNO-Abteilungen in Siegen, ist gemeinsam mit seinem Kollegen Zo Alfakar Hamo im Rahmen der SGMA-Initiative in Aleppo angekommen.

    Seit dem Sturz von Assads Regime im Dezember letzten Jahres lebt bei vielen Syrer*innen wieder Hoffnung auf. Hoffnung, dass Frieden kommt. Hoffnung, dass ein neues Syrien entsteht. Viele, die im Exil leben – auch hier in Deutschland – wollen nicht länger nur aus der Ferne zusehen. Sie möchten zurückgehen, helfen, aufbauen. So entstand die Idee für SGMA – die Syrian German Medical Association: eine Gruppe syrisch-deutscher Fachärztinnen und Fachärzte, die ihr Wissen und ihre Erfahrung für den Wiederaufbau Syriens einsetzen wollen.

    Wie steht es heute um das Gesundheitssystem in Syrien? Die Antwort darauf ist leider eindeutig: Es liegt am Boden. Nach Jahren des Krieges und systematischer Vernachlässigung hat das Assad-Regime kaum in medizinische Infrastruktur investiert – nicht einmal an zentralen Einrichtungen wie der Universität Aleppo. Viele Geräte sind seit Jahren defekt, moderne Ausstattung fehlt komplett. Veraltetes OP-Werkzeug erschwert den Ärztinnen und Ärzten ihre tägliche Arbeit massiv. Gerade deshalb ist der Einsatz von Initiativen wie SGMA so entscheidend: Sie versuchen, die medizinische Versorgung wieder aufzubauen.

     

    Rechts: Dr. Sidra Al-Najjar, im fünften Studienjahr in Aleppo; neben ihr Wahhab Al-Khayyat.
    Rechts: Dr. Sidra Al-Najjar, im fünften Studienjahr in Aleppo; neben ihr Wahhab Al-Khayyat.

     

    Rückkehr mit Erfahrung – ein emotionaler Moment

    Der Moment des Wiedersehens ist emotional. Die syrisch-deutschen Ärzt*innen werden mit offenen Armen, Umarmungen und Lächeln empfangen. Auch Dr. Kaisar Mansour, Leiter der HNO-Abteilung der Universitätsklinik Aleppo, ist vor Ort – sichtlich stolz auf seine ehemaligen Studierenden, die nun als Fachärzte aus Deutschland zurückkehren, um zu helfen.

    „Was ich heute fühle, lässt sich kaum in Worte fassen. Es macht mich stolz zu sehen, wie sich meine ehemaligen Studierenden entwickelt haben – mit großer Erfahrung und Fachkompetenz. Ich danke den Ärztinnen und Ärzten von SGMA, die uns mit medizinischen Geräten und ihrem Wissen unterstützen. Ich wünsche mir, dass noch mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Exil zurückkehren, um den Menschen hier zu helfen. Syrien braucht euch“, sagt der Leiter der HNO-Abteilung in Aleppo, während sich das Operationsteam auf den bevorstehenden Eingriff vorbereitet.

     

    Ein Gerät, das lange fehlte

    Dr. Khayat und Dr. Hamo haben nicht nur Instrumente, sondern auch ein wichtiges medizinisches Gerät mitgebracht: ein ABR-Gerät (Auditory Brainstem Response). Es dient dazu, die Reaktionen des Hörnervs und Hirnstamms auf akustische Reize zu messen – besonders wichtig in der HNO-Diagnostik. Im Raum herrscht spürbare Freude, denn ein solches Gerät gibt es in der Universitätsklinik Aleppo seit Jahren nicht mehr. Das alte Modell ist seit langer Zeit defekt – und bisher konnte es nicht ersetzt werden.

    Es handelt sich um eine endoskopische Nasennebenhöhlenoperation. Beim Patienten hatte sich jedoch infolge einer durch die Nebenhöhlen verursachten Entzündung ein Loch an der Schädelbasis gebildet. Um diesen Eingriff durchzuführen, fehlt es – wie Dr. Khayat erzählt – nicht an Personal, sondern an Ausrüstung.

    Nach einer Weile kommt die Entwarnung: „Die Operation ist gut verlaufen. Wir konnten die Nasennebenhöhlen vollständig reinigen, haben dabei auf die Augen geachtet, und die Schädelbasis war unversehrt. Während des Eingriffs erklärten wir den Kolleginnen hier vor Ort jeden Schritt – ihr Interesse war groß. Diese Art von Operation wurde bisher nicht durchgeführt, da das nötige Equipment fehlte. Doch hoffentlich können die Ärztinnen sie schon bald eigenständig anwenden“, sagt Dr. Wehab Khayat.

     

    Bei der Übergabe des ABR-Geräts
    Bei der Übergabe des ABR-Geräts

     

    Lernen von den Rückkehrern

    Sedra Najar befindet sich im fünften Jahr ihres HNO-Studiums in Aleppo und ist begeistert von der Zusammenarbeit mit Dr. Wehab Khayat:„Heute haben wir die Schritte der endoskopischen Nasennebenhöhlenchirurgie gelernt – wie man die Kieferhöhle erreicht, dann die Keilbeinhöhle und die Siebbeinzellen, und wie man alle Nebenhöhlen gründlich reinigt“, erzählt sie im Gespräch. Sie hofft, eines Tages auch in Deutschland ihre Kenntnisse weiter vertiefen zu können.

    Alle Ärztinnen und Ärzte von SGMA engagieren sich rein ehrenamtlich – auch die Operationen in Syrien wurden vollständig durch Spenden ermöglicht. Fachleute beschreiben die Situation des syrischen Gesundheitssystems als alarmierend. Der Bedarf an Unterstützung ist groß, und Organisationen wie SGMA leisten einen unverzichtbaren Beitrag, um die medizinische Versorgung im Land zumindest teilweise wiederherzustellen.

    Während Dr. Wehab Khayat in der Universitätsklinik Aleppo komplexe Operationen durchführt, sind seine Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zeitgleich in weiteren Städten wie Latakia, Idlib, Homs und Damaskus im Einsatz. Ihr gemeinsames Ziel: medizinische Hilfe dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

  • Vertrauliche Papiere zu Syriens Zukunft

    Das Nachrichtenmagazin Al‑Majalla konnte die Papiere einsehen und ihre wichtigsten Punkte verifizieren. Zusammengenommen zeichnen sie das Bild eines fragilen, aber realen Verhandlungspfads, an dessen Ende sowohl wirtschaftliche Entlastung für Syrien als auch sicherheitspolitische Zugeständnisse an die USA stehen könnten.

    Ein Forderungskatalog aus Washington

    Das umfangreichste der drei Papiere stammt aus dem US‑Außenministerium. Darin stellt die amerikanische Regierung  – gestützt von Sicherheitsbehörden und Teilen des Kongresses – acht Bedingungen, die Damaskus innerhalb von sechs Monaten erfüllen soll. Erst danach würden die Vereinigten Staaten eine zweijährige Lockerung ausgewählter Wirtschaftssanktionen erwägen.

    Zu den Kernforderungen gehören:

    • ein öffentliches Verbot aller palästinensischen Milizen und ihrer politischen Aktivitäten in Syrien

    • der ungehinderte Zugang von UN Inspekteuren zu sämtlichen Chemiewaffenanlagen

    • die Zustimmung zu gezielten US‑Antiterror‑Operationen auf syrischem Boden

    • die Einstufung der iranischen Revolutionsgarden und der libanesischen Hisbollah als offizielle Terrororganisationen

    Für Damaskus sind besonders zwei Punkte schwierig: das generelle Politik‑ und Waffenverbot für palästinensische Gruppierungen und die offene Einflugschneise für US‑Drohnen. Beide Forderungen berühren das Selbstverständnis der neuen syrischen Führung als souveräner Staat.

    Syrische Gegenreaktion

    Außenminister Asʿad aš‑Šaibānī hat Anfang April schriftlich geantwortet. Sein Brief erkennt Fortschritte in mehreren Bereichen an: So verspricht Damaskus, sämtliche Chemiewaffen­bestände aus der Assad‑Zeit endgültig zu deklarieren und eine Suche nach den 14 vermissten US‑Bürgern zu unterstützen. Auch beim Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat signalisiert Syrien Kooperationsbereitschaft.

    Unverhandelbar seien hingegen das aktive Mitspracherecht bei allen künftigen US‑Militäroperationen und der Verbleib palästinensischer Flüchtlings­organisationen, solange sie keine bewaffneten Aktivitäten auf syrischem Territorium ausübten. Damit stellt Damaskus klar, dass es zwar zu Zugeständnissen bereit ist, seine regionale Bündnispolitik aber nicht vollständig aufgeben will.

    Das UN‑Modell: eingefrorene Gelder als Hebel

    Das dritte Dokument, verfasst von UN‑Vizegeneralsekretär und Ex‑Vizepremier Abdallāh ad‑Dardārī, schlägt einen technisch‑finanziellen Ausweg vor. Demnach könnte das Entwicklungs­programm der Vereinten Nationen (UNDP) rund 500 Millionen US‑Dollar an syrischen Staatsgeldern, die seit 2011 auf europäischen Konten blockiert sind, treuhänderisch verwalten. Die Mittel sollen in exakt definierte Projekte für Energie, Wasser und Infrastruktur im Landesinneren fließen. Auf diese Weise würden die Gelder weder direkt der syrischen Regierung zufließen noch gegen bestehende US‑Sanktionen verstoßen.

    Während westliche Diplomaten den Plan als „sinnvollen ersten Schritt zur Vertrauensbildung“ loben, warnt ein hoher EU‑Vertreter, zusätzliche Verwaltungs­ebenen könnten den Geldabfluss verlangsamen und neue Konfliktlinien öffnen. Dennoch haben die UN damit ein Konzept auf den Tisch gelegt, das beiden Hauptakteuren – Washington und Damaskus – politische Deckung bieten könnte.

    Bereits kommende Woche reist eine syrische Delegation unter Leitung von Finanzminister Muḥammad Yasir Barnīya und Zentralbankchef ʿAbd al‑Qādir Ḥusriyya nach Washington, um an den Frühjahrstagungen von Weltbank und IWF teilzunehmen. Parallel will Saudi‑Arabien auf dem gleichen Forum eine Syrien‑Runde ausrichten und plant, Rückstände von 15 Millionen Dollar bei der Weltbank zu begleichen. Das würde den Weg für neue IDA‑Kredite in Höhe von bis zu 300 Millionen Dollar frei machen – Geld, das vor allem in die marode Stromversorgung fließen soll.

    Wie geht es weiter?

    Außenminister aš‑Šaibānī wiederum reist Ende April nach New York, um bei einer Sitzung des Sicherheitsrats die syrische Flagge zu hissen. Die USA haben seine Visums­privilegien bereits herabgestuft, erkennen die neue Regierung aber weiterhin nicht offiziell an. Beobachter werten den Auftritt dennoch als Testlauf dafür, wie weit die Normalisierung gehen kann.

    Unklar bleibt, ob das Weiße Haus genügend innenpolitische Rückendeckung hat. Im Nationalen Sicherheitsrat drängen Hardliner wie Sicherheitsberater‑Stellvertreter Sebastian Gorka auf maximale Distanz zu Damaskus, während Außenminister Marco Rubio und die CIA einen pragmatischen Ansatz favorisieren, der Syriens neuen Kurs gegen den Einfluss Teherans nutzen will. Diese offene Flügel­tür in Washington könnte zur größten Unbekannten der kommenden Monate werden.

    Das Problem ist, dass die USA bislang keinen klaren Plan für Syrien haben und viele Länder der Region versuchen, auf diesen künftigen Plan Einfluss zu nehmen. Das zeigt, dass Trump an Syrien kein großes Interesse hat. Dadurch bleibt die Lage für die neue syrische Regierung unsicher, weil sie nicht weiß, wie sie reagieren soll. Beide Seiten – die USA und Syrien – sollten daher intensiver miteinander verhandeln und Vertrauen aufbauen.

     

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    News Update

    Anerkennung der Kurd*innen

    Die Autonome Verwaltung Nord‑ und Ostsyrien pocht weiter auf eine dezentrale, demokratische Staatsordnung, beharrt auf der Einheit Syriens und fordert die offizielle Anerkennung der Kurd*innen. Vermittelte Gespräche mit Damaskus laufen; innerkurdische Einigkeit gilt als Voraussetzung für faire Repräsentation.

    Humanitäre Hilfe für Schwangere nötig

    Schwangere sind in Vertriebenenlagern Nordwest‑Syriens durch Armut, Unterernährung und den Ausfall von 40 % der Gesundheitszentren bedroht. Expert*innen fordern Not‑Entbindungsstationen und mobile Kliniken.

    Wiederaufbau von Schulen

    Nur 70 von rund 8 000 zerstörten Schulen sind instandgesetzt. Fehlende alte Baupläne verzögern die Sanierung weiterer Gebäude.

    Türkische Investitionen

    Die türkische Regierung wirbt um schnelle Investments in stillgelegte syrische Häfen und Anlagen; zudem wird ein umfassendes türkisch‑syrisches Wirtschaftsabkommen (Investitionsschutz, Banken, Zölle) vorbereitet.

    Initiative „Nabḍunā Wāḥid“
    Über 80 in Deutschland tätige syrische Ärzt*innen reisen für kostenlose Operationen und Wissenstransfer ins Land.

    Öl-Abkommen:

    Das Öl-Abkommen zwischen SDF und Damaskus (70 % Erlöse an Regierung, 30 % lokal) ist unterzeichnet. Die tatsächliche Übergabe der Felder steht noch aus.

    Internationale Präsenz:

    USA reduzieren ihr Syrien‑Kontingent schrittweise von etwa 2000 auf weniger als 1000 Soldaten.

    Rückkehr von Geflüchteten:

    Libanon arbeitet mit Damaskus an strukturiertem Rückkehrplan. Rund 24 % der syrischen Geflüchteten in Libanon zeigen Rückkehrbereitschaft.

    Governance:

    Syriens Kommunal‑ und Umweltminister wirbt für stärkere Bürgerbeteiligung und gerechte Verteilung von Entwicklungsprojekten.


    Übergangspräsident al‑Schaar macht seinen Bruder zum Generalsekretär des Präsidialamts

    Übergangspräsident Ahmad al‑Schaar ernennt seinen Bruder Maher zum Generalsekretär des syrischen Präsidialamts – ein Schlüsselposten, der Termine, Erlasse und die Koordination mit Behörden steuert.

    Maher al‑Schaar lebte viele Jahre in Russland, arbeitete dort als Arzt, absolvierte 2004 in Woronesch die Facharztausbildung für Gynäkologie und Geburtshilfe.

    Schon im Dezember, nach dem Sturz des Assad‑Regimes, machte Ahmad seinen Bruder zum kommissarischen Gesundheitsminister – ein Schritt, der in Syrien Kritik auslöste; die neue Ernennung sorgt erneut für Diskussionen.


    Israel–Türkei: Neuer Koordinationsmechanismus zur Vermeidung militärischer Kollisionen in Syrien

    Israel und die Türkei haben sich bei einem Treffen in Aserbaidschan auf einen ständigen Mechanismus geeinigt, um direkte Zusammenstöße ihrer Streitkräfte in Syrien zu vermeiden.

    Unterschiedliche Signale: Öffentlich warnt Ankara vor israelischen Luftangriffen, sendet aber diplomatisch das Signal, keinen offenen Konflikt mit Tel Aviv zu suchen. Israel betrachtet die Türkei dennoch als Wettbewerber in der Region.

    Israels „rote Linien“: Israel will seine täglichen Luftschläge in Syrien fortsetzen und kündigt an, jede Stationierung neuer ausländischer Truppen oder türkische Basen (etwa bei Palmyra) als Überschreitung roter Linien zu werten. Ein Wiederaufbau der syrischen Armee werde nicht geduldet.

    Beziehungsstatus: Beide Länder betonen, nicht im Krieg zu sein. Israel zeigt sich offen für einen Neustart der Beziehungen, hält aber offene Koordinationskanäle für essenziell, da Präsident Erdoğan bislang kein Entgegenkommen signalisiere.

    Erdoğans Position: Der türkische Präsident stellt sich öffentlich hinter die syrische Regierung, lehnt eine Teilung Syriens unter dem Vorwand des „Terrorismus“ ab und warnt alle Akteure, die Stabilität Syriens zu gefährden. Die Türkei werde weitere „Korridor‑Projekte“ – ähnlich dem früher verhinderten YPG‑Korridor im Norden – unterbinden.


    UNDP startet 2,9‑Mio.-$‑Pilot für subventionierte Kleinkredite und Finanz­inklusion in Syrien

    Das UN‑Entwicklungsprogramm (UNDP) unterzeichnete mit vier syrischen Banken (First MicroFinance Bank, BEMO Saudi Fransi Bank, Credit and Development Bank, National Microfinance Bank) ein Abkommen über 2,9 Mio. US‑$, um erstmals subventionierte Zinssätze in Syrien zu testen und mehr als 1600 Kleinkredit­nehmern Zugang zu Finanzierung zu verschaffen.

    Ziel: Förderung inklusiven Wirtschaftswachstums, Vertiefung der finanziellen Inklusion und Verbesserung der Lebensgrundlagen.

    Hintergrund: UNDP schätzt, dass Syrien über 50 Jahre brauchen wird, um das Vorkriegs­wirtschaftsniveau zurückzugewinnen; der Konflikt kostete bislang rund 800 Mrd. US‑$ BIP.

    Internationale Unterstützung: In Washington sollen kommende Woche Schritte diskutiert werden, um Syrien wieder an Weltbank und IWF heranzuführen; Saudi‑Arabien und die Weltbank richten dazu ein Treffen aus.

    Sanktionen als Hemmnis: UN‑Untergeneralsekretär ʿAbdallāh ad‑Dardārī betont, breite Sanktionen blockierten Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe; dennoch erhielt das UNDP eine US‑Ausnahmegenehmigung, um bis zu 50 Mio. US‑$ für die Reparatur des Kraftwerks Deir ʿAli zu mobilisieren.

    Weltbank‑Rückstände beglichen: Saudi‑Arabien hat 15 Mio. US‑$ an ausstehender syrischer Weltbank‑Schuld beglichen – Voraussetzung dafür, dass die Weltbank Syrien künftig wieder über ihre IDA‑Schiene für Niedrigeinkommens­länder unterstützen kann.

  • Mohamad Nour Aldghim – Engagement für Syrien

    Von der Revolution in Syrien zur politischen Bildungsarbeit in Schwerin: Mohamad Nour Aldghim floh 2015 aus Syrien, er verlor viel, aber schuf auch Hoffnung und Neues. Heute ist er eine wichtige Stimme für die syrische Gemeinschaft in Deutschland und engagiert sich mit seiner Initiative „Wiederaufbaukanäle Syriens e.V.“ für konkrete Hilfe und langfristige Perspektiven.

    „Was man von außen sieht, ist ein Mohamad. Aber im Inneren sind es zwei.“ Dieser Satz beschreibt nicht nur die psychologische Erfahrung eines Geflüchteten, er ist auch ein Schlüssel zum Verständnis dessen, wie Mohamad Nour Aldghim die Welt sieht und wie er sie zu verändern versucht. Geboren in Dscharjanaz (Jarjanaz), einer Stadt in der syrischen Provinz Idlib, erlebte er die Revolution 2011 als Student. Von Beginn an war er Teil der Protestbewegung gegen das Assad-Regime, organisierte Demonstrationen und beteiligte sich an zivilgesellschaftlicher Koordination. 2012 wurde er verhaftet und drei Monate lang in syrischen Gefängnissen gefoltert.

    „Nach meiner Freilassung wog ich nur noch 43 Kilogramm Haut und Knochen.“ Diese Erfahrung habe ihn nachhaltig geprägt. Als sich die Sicherheitslage in seiner Heimatstadt 2015 dramatisch verschlechterte und der IS immer näher rückte, blieb ihm keine Wahl: Er floh. „Es war die bitterste Entscheidung meines Lebens“, reflektiert er heute.

     

    Neuanfang in Schwerin

    In Schwerin begann für Mohamad ein neues Kapitel. Doch das Ankommen war nicht einfach: ein Spagat zwischen Integration und Identitätsbewahrung, zwischen Trauma und Tatendrang. Er war in der Sozialarbeit tätig, beriet Betroffene rechter Gewalt, engagierte sich für politische Bildung und wurde zu einem wichtigen Ansprechpartner für viele Geflüchtete. Gleichzeitig begann sein Engagement in der Lokalpolitik. Ohne Parteibindung, aber mit klarem Kompass.

    Sein politisches Denken sei dabei von der Erfahrung, ausgeschlossen zu sein, geprägt. Er kritisiert etwa die langsamen Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse: „Ich kenne über 300 pädagogische Fachkräfte, die aufgegeben haben, weil sie jahrelang auf die Anerkennung ihrer Abschlüsse gewartet haben. Das ist ein Verlust für uns alle.“ Mohamad äußert auch Kritik an der Art, wie in Deutschland und Europa über Syrien gesprochen wird: „Kaum war das Regime gestürzt, wurde hier über Abschiebungen diskutiert. Statt zu fragen: „Wie können wir helfen, Stabilität aufzubauen?“ Er fordert mehr Differenzierung, mehr Verständnis für die komplexe Lage vor Ort und mehr Anerkennung für das Engagement syrischer Menschen in Europa.

     

    Gezielte Hilfen für Syrien

    Mohammed Nour Aldghim gründete den Verein “Wiederaufbaukanäle Syriens e.V.” mit, der aus einer kleinen Gruppe entstanden ist und heute rund 3.600 Menschen vernetzt.  Viele von ihnen haben einen syrischen Hintergrund und Fachkenntnisse in Medizin, Bildung oder Technik. Ziel des Vereins ist es, die Hilfe für Syrien zu bündeln und gezielter zu organisieren – gemeinsam statt einzeln. Ein Schwerpunkt ist die Medizin. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Partnerorganisationen sollen medizinische Fachkräfte regelmäßig in syrische Krankenhäuser reisen. Außerdem werden Geräte repariert und neue Hausarztpraxen aufgebaut. Weitere Projekte betreffen psychologische Beratung, Bildung für Kinder und Jugendliche sowie nachhaltige Energieversorgung. Der Verein arbeitet mit verschiedenen Akteuren vor Ort zusammen, darunter auch staatlichen Institutionen. Laut Mohamad sei das notwendig, weil viele Nichtregierungsorganisationen in Syrien überlastet seien oder keine genauen Daten zu den Bedarfen liefern könnten.

    Trotz aller Schwierigkeiten glaubt Mohamad an die Zukunft Syriens. Er berichtet von Gesprächen mit Menschen vor Ort, die nicht auf Rache aus sind, sondern auf Sicherheit, Teilhabe und eine Rückkehr in Würde. „Die Hoffnung ist da, weil die Menschen sie geschaffen haben.“

    Sein Ziel: Eine Gesellschaft, die aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Eine Zivilgesellschaft, die aus den Trümmern der Diktatur eine Demokratie aufbaut. Und eine internationale Gemeinschaft, die diesen Weg solidarisch begleitet. Mohamad Nour Aldghims Geschichte erinnert daran, dass Engagement nicht an Grenzen endet.

  • Israel und Türkei ringen um Einfluss in Syrien

    Oberflächlich betrachtet wirkt die syrische Landkarte wie ein zerrissenes Mosaik – doch unter der Oberfläche tobt ein geostrategisches Tauziehen, das längst über Syriens Grenzen hinausgeht. Israel bombardiert, die Türkei verhandelt, der Iran wartet – und die internationale Gemeinschaft schaut meist schweigend zu.

    Seit Monaten häufen sich die israelischen Luftangriffe auf militärische Ziele in Syrien. Laut verschiedenen Quellen waren es über 740 Angriffe allein in den letzten vier Monaten. Kein einziger davon galt als Reaktion auf eine konkrete syrische Provokation, sondern scheint viel mehr ein Ausdruck eines strategischen Kalküls: Syrien soll keine militärische Struktur mehr aufbauen können, keine Einheit, keine Verteidigung. Denn ein zerschlagenes Syrien kann als Sicherheitsgarantie für Israel wirken.

    Im Fokus der Angriffe stehen insbesondere die südlichen Provinzen Kuneitra, Daraa und as-Suwaida. Dort fordert Israel offen eine Entmilitarisierung, was als ein klares Signal an Damaskus und Ankara verstanden werden kann: Diese Region soll ein „sicherer Gürtel“ im Schatten der Golanhöhen bleiben. Und wer versucht, dieses Kräfteverhältnis zu verschieben, dem drohen direkte Angriffe.

     

    Israel plant Einflusszonen, Türkei möchte Militärbasen

    Die hebräische Zeitung Jedi’ot Acharonot bringt es auf den Punkt: Israel will Syrien in Einflusszonen aufteilen. Der Süden soll unter israelischer Kontrolle stehen, der Osten unter amerikanischer, der Norden unter türkischer und die Küste bleibt russisch. Der Rest? Eine Übergangsverwaltung, bis eine neue syrische Ordnung etabliert ist – möglichst schwach, fragmentiert und kalkulierbar.

    Doch während Israel bombardiert, positioniert sich die Türkei diplomatisch. Nach dem Besuch von Ahmad Al Sharaa in Ankara und der Unterzeichnung eines Verteidigungsabkommens mit der neuen syrischen Führung bereitet sich die Türkei auf eine langfristige Präsenz vor, auf militärischer, politischer und wirtschaftlicher Ebene. Es geht nicht mehr nur um den Kampf gegen die PKK/YPG, sondern um Einfluss auf die neue syrische Armee, auf die Grenzregionen und auf das künftige Machtzentrum in Damaskus.

    Berichten zufolge plant Ankara den Aufbau eigener Militärbasen in Syrien. Offiziell wird geschwiegen, inoffiziell aber ist für viele klar: Die Türkei will eine syrische Armee aufbauen, die mit türkischer Militärdoktrin und Infrastruktur ausgestattet ist. Eine sunnitische, loyale Struktur – als Gegengewicht zur iranischen Präsenz und als Teil eines größeren regionalen Plans.

    Diese Entwicklungen bleiben in Tel Aviv nicht unbeobachtet. Israels Verteidigungsminister Yisrael Katz richtete eine offene Drohung an Damaskus: Sollte Syrien der Türkei den Zugang ermöglichen und damit Israels Sicherheitsinteressen gefährden, werde man „einen hohen Preis“ zahlen. Nur Stunden später folgten die Angriffe auf die Militärflughäfen in Homs, Hama und auf die T4-Basis.

    Die Botschaft war klar: Israel wird keine türkischen Militärbasen dulden. Nicht in Hama, nicht in Homs, nicht im Süden. Was Ankara als Verteidigungsarchitektur bezeichnet, interpretiert Tel Aviv als direkte Bedrohung seiner strategischen Lufthoheit. Die Folge: Tote auf dem Flugfeld, Zerstörung ganzer Anlagen und wachsende Spannungen.

     

    Zivilist*innen leiden

    Die Eskalation erreicht nun auch die zivile Ebene. In der Provinz Daraa wurden durch israelische Angriffe neun Zivilist*innen getötet, 23 verletzt. Die Angriffe auf das westliche Umland, auf den Jarabiya-Damm, lösten in der lokalen Bevölkerung Proteste und Wut aus – ein Novum, denn erstmals stießen israelische Truppen so tief in diese Region vor. Gleichzeitig versucht Israel, jede Bewegung der Türkei in Syrien im Keim zu ersticken. Die Jerusalem Post zitierte einen hochrangigen israelischen Beamten mit den Worten: „Ein türkischer Flugplatz in Syrien ist eine strategische Bedrohung.“ Damit richtet sich Israel nicht mehr nur gegen syrische Militärpräsenz, sondern auch offen gegen die türkische.

    Doch was treibt diese aggressive Haltung? Die Antwort liegt in der Angst vor einer sunnitisch-islamischen Achse, geführt von der Türkei – von Damaskus über Jordanien bis Gaza. Israel befürchtet ein neues Syrien, dessen Armee nicht mehr neutral, sondern Teil eines türkisch geprägten Machtblocks wäre — ähnlich wie Hamas im Süden und Hisbollah im Norden.

    Die türkische Seite hält sich diplomatisch bedeckt. Außenminister Hakan Fidan betonte zuletzt, man strebe keine direkte Konfrontation mit Israel an. Doch er machte auch klar: Die Türkei wird gemeinsam mit der syrischen Übergangsregierung gegen IS-Reste und gegen die PKK vorgehen, notfalls auch militärisch. Israels Angriffe hingegen würden die Stabilität in Syrien untergraben und den Wiederaufbau gefährden.

    Die USA beobachten das Ganze mit Sorge — und vielleicht auch mit Kalkül. Denn während Israel und die Türkei ihre Muskeln spielen lassen, könnten die USA als Vermittler auftreten. Laut Jedi’ot Acharonot ist sogar eine amerikanisch koordinierte Einflussaufteilung im Gespräch. Eine stille Neuordnung Syriens mit russischer Küste, türkischem Norden, israelischem Süden und amerikanischem Osten.

    Doch was bedeutet das für Syrien selbst? Michael Horowitz, Analyst für die Nachrichtenseite majalla.com, sieht in dieser Entwicklung die Gefahr, dass Syrien erneut auseinander gerissen wird – nicht durch Bomben, sondern durch Pläne. Die neue syrische Führung sei gezwungen, sich auf externe Partner zu stützen, vor allem eben auf die Türkei. Was als „Partnerschaft“ beginnt, könnte sich bald zu einer strategischen Abhängigkeit enwickeln.

    Syrien ist heute weniger ein souveräner Staat als Schauplatz multipler Interessen. Die Luftangriffe, die politischen Abkommen und die diplomatischen Drohungen zeigen, wie fragil die syrische Zukunft ist. In dieser Gemengelage droht die Region erneut in eine Spirale der Eskalation zu rutschen. Wie das ausgeht, ist noch ungewiss.

  • Was kommt nach der Euphorie?

    In der letzten Folge habe ich von vielen traurigen Dingen aus Syrien berichtet. Das kommt vielleicht unerwartet, insbesondere wenn man die Beiträge von Syrer*innen in den sozialen Medien betrachtet, die ins Land zurückgekehrt sind. Dort war eher Thema, wie sehr viele Syrer*innen unter Heimweh leiden und wie sie nicht glauben können, dass Assad tatsächlich gestürzt wurde.

    Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich Damaskus etwas später besucht habe. Viele Syrer*innen sind direkt nach Assads Sturz dorthin gereist, als noch große Freude herrschte und die Menschen vor lauter Euphorie andere Probleme nicht wahrnahmen. Damals war die Hoffnung auf Veränderung sehr groß, nicht nur im politischen Bereich, sondern auch in für die Wirtschaft und die Gesellschaft.

    Ein arabisches Sprichwort lautet: „rahat alsukrat wajat alfikra“, was auf Deutsch etwa bedeutet: „Die Trunkenheit ist verflogen und der Gedanke kam.“ Damit meine ich, dass nach der anfänglichen Euphorie über Assads Sturz nun der Zeitpunkt gekommen ist, die Probleme und die schwierige wirtschaftliche Lage in Syrien zu erkennen und darüber nachzudenken, wie man Lösungen dafür finden kann. Dabei wird deutlich, wie sehr Syrien zerstört ist und wie viele Herausforderungen und Probleme vor der Tür stehen. Es braucht schnelle und gemeinsame Lösungen, aber auch langfristige und durchdachte Konzepte.

    Wo sind die Frauen in Damaskus?

    Damaskus hat sich ebenfalls verändert. Ich fragte meine Brüder: „Wo sind die Damaszener Frauen? Ich sehe sie kaum noch.“ Mein Bruder meinte, man müsse nur auf die Straße schauen. Nach zwei Stunden verstand ich. Vor dem Krieg sah man in Syrien wesentlich mehr Frauen auf der Straße, besonders in der Nähe der Universität oder dort, wo mein Bruder und ich uns aufhielten. Die meisten dieser Frauen trugen kein Kopftuch.

    Das lag nicht unbedingt daran, dass in Syrien generell wenige Frauen Kopftuch tragen, sondern eher daran, dass es – wie auch in Deutschland – nicht leicht ist, mit Kopftuch eine gute Arbeitsstelle zu finden. Es gibt zum Beispiel keine Moderatorinnen, Schauspielerinnen oder Sängerinnen mit Kopftuch. Viele Frauen mit Kopftuch arbeiten stattdessen in Behörden, während es in der Privatwirtschaft sehr schwierig ist, eine Stelle zu bekommen.

    Zudem kommen viele Frauen, die aus Dörfern oder anderen Städten stammen und häufig kein Kopftuch tragen, nach Damaskus, um Arbeit zu finden oder an der Uni zu studieren. Die meisten davon gehören Minderheiten an. Generell, so heißt es, seien die Menschen in den Dörfern weniger konservativ als die in der Stadt. Das ist anders als in Deutschland. Beispielsweise sind die „echten“ Damaszener konservativer als Leute aus den umliegenden Dörfern oder anderen ländlichen Gebieten in Syrien. Warum das so ist, ist eine lange Geschichte und man müsste dafür wohl Sozialwissenschaftler*innen hinzuziehen … Ich kann das auf jeden Fall nicht allein erklären.

    Viele Frauen sind nach Assads Sturz zu ihren Familien und Dörfer zurückgekehrt, weil die Lage unsicher wurde und auch, weil die Angst unter den Minderheiten in Syrien gerade groß ist – selbst wenn nicht eingetroffen ist, was Assads Propaganda behauptete. Assad sagte immer, nur seine Regierung könne die Minderheiten schützen, und ohne ihn würde das Blut der Minderheiten auf den Straßen fließen. Das ist so nicht geschehen, aber die Angst besteht nach wie vor und es braucht Zeit, bis das Vertrauen wächst.

    Das Problem ist, dass Israel und Iran dieses gefährliche Thema für ihre Zwecke nutzen. Israel sieht sich als Beschützer der Drusen, und Iran versucht, die Angst der alawitischen Gemeinschaft auszuschlachten, damit sie gegen die neuen Machthaber in Damaskus kämpfen. Leider gibt es täglich mehr Angriffe auf die neue syrische Polizei, oder wie die neue Regierung sie nennt: al-amn al-aam (auf Deutsch „öffentliche Sicherheit“). Das verschärft die Lage in Syrien, wo viele ausländische Akteure derzeit versuchen, das Land aufzuteilen. Diese Gefahr entsteht durch Angst und fehlendes Vertrauen zwischen den Minderheiten und der neuen Regierung, die sich als Vertreterin der Mehrheit sieht.

    Neue Zivilgesellschaft

    Aber genug von den schlechten Nachrichten: In vielen Städten, Bezirken und Dörfern übernimmt die Zivilgesellschaft zunehmend eine größere Rolle, weil der Staat nicht mehr richtig funktioniert. Dabei wird die Zivilgesellschaft mitunter stärker als der Staat selbst: Ihre Unterstützung ist nicht nur notwendig, damit sie ihre eigenen Aufgaben erfüllen kann, sondern auch, damit der Staat überlebt.

    In vielen Dörfern und Städten werden zahlreiche NGOs gegründet. Leider ist das noch nicht überall der Fall, denn die sogenannte „NGO-Kultur“ ist in Syrien teilweise neu – bedingt durch das Assad-Regime, das die gesamte Zivilgesellschaft zerstört hat. Es braucht eine umfangreiche mediale Berichterstattung, um diese Kultur zu verbreiten. Syrerinnen und Syrer in Nordsyrien oder in der Türkei, im Libanon und in Jordanien haben viele NGOs gegründet und erhalten beträchtliche Unterstützung. Doch selbst diese größeren Organisationen können nicht überall in Syrien tätig sein, da ihnen dazu die Ressourcen fehlen. Außerdem lebt nicht in jeder Stadt ein Teil der Bevölkerung im Exil, der Geld schicken könnte.

    Diese NGOs werden hauptsächlich von jungen Freiwilligen getragen. Die finanziellen Mittel kommen unter anderem von syrischen Exilanten, die entweder wohlhabend sind oder sich zumindest in einer stabilen Lebenssituation befinden. Sie senden nicht nur Geld an ihre Familien, sondern unterstützen auch die neu entstandenen NGOs. Diese kümmern sich beispielsweise um die Straßenbeleuchtung mithilfe von Solaranlagen, da es pro Tag oft nur zwei bis drei Stunden Strom gibt. Sie unterstützen arme Familien, versorgen Witwen und Kinder mit Lebensmitteln und teilweise auch mit finanzieller Hilfe.

    Außerdem bauen sie Schulen wieder auf, reparieren Straßen und kümmern sich, sofern möglich, um Grünflächen (obwohl es in syrischen Städten aufgrund von Korruption nur sehr wenige Gärten und Parks gibt). Sie verschönern auch Hauswände mit Graffiti, sammeln Müll ein und stellen den Rathäusern Mittel für Benzin und Diesel zur Verfügung, damit diese arbeitsfähig bleiben.

    Ich habe sogar gehört, dass sie inzwischen auch jenen Menschen finanzielle Hilfe leisten, die in Behörden beschäftigt sind, jedoch kein Gehalt von der Regierung erhalten. Die neue Regierung ist nicht in der Lage, alle Staatsbediensteten zu bezahlen. Katar und Saudi-Arabien wären zwar bereit, die Gehälter von über 900.000 Beschäftigten zu übernehmen (was rund 130 Millionen US-Dollar monatlich kostet), doch laut Reuters steht dies in Zusammenhang mit einer rund 400-prozentigen Erhöhung der Löhne für viele Angestellte des öffentlichen Dienstes.

    Welche Rolle spielt Trump?

    Allerdings besteht die Sorge vor US-Sanktionen. Leider warten alle auf Trumps Plan, da die USA aufgrund der Sanktionen gegen Syrien – die wegen Assads Krieg gegen sein eigenes Volk verhängt wurden – großen Einfluss haben. Diese Sanktionen sind ein starkes Druckmittel gegenüber der neuen, von HTS gebildeten Regierung. Die erste Bedingung, damit die USA diese Sanktionen lockern, lautet, dass die neue Regierung aus unterschiedlichen Gruppen und Parteien bestehen soll. Doch das ist nur der erste Schritt, um die Sanktionen aufzuheben.

    Die große Frage ist, ob die USA überhaupt einen Plan für Syrien haben. Wenn ja, welchen? Was wollen die USA von Syrien? Welche Interessen verfolgen sie dort? Ist es weiterhin das Interesse, Minderheiten zu schützen, eine vielfältige Regierung zu fördern und den Einfluss Russlands einzudämmen?

    Oder verfolgt die USA ganz andere Interessen, wie Reuters berichtet, indem sie Israel darin bestärken, dass die russische Präsenz in Syrien durch Militärstützpunkte in Tartus und Latakia bestehen bleibt? Israel fürchtet die türkische Macht in Syrien und sieht darin eine große Gefahr. Indem Russland in Syrien präsent bleibt, könnte ein Gleichgewicht gegen den türkischen Einfluss geschaffen werden.

    Hast du weitere Fragen zu meiner Reise nach Syrien? Dann schreib mir gerne.

     

    PS: Ramaden Kareem. Ob du fastest oder nicht, wir laden dich zu einem gemeinsamen Fastenbrechen am 13.3. bei uns im Büro ein.
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  • Eine Woche in Syrien

    Letzte Woche war ich in Damaskus. Deshalb konnte ich auch keine neue Folge veröffentlichen – sorry dafür. Es war das erste Mal seit über zehn Jahren, dass ich seit meiner Flucht wieder dort war. Im Oktober letzten Jahres hatte ich in meiner Kolumne für die taz (Hamburger, aber Halal) über diese zehn Jahre auf der Flucht geschrieben. Damals plante ich mein Leben – und auch mein Sterben – in Hamburg, weil ich überzeugt war, Damaskus nie wiedersehen oder besuchen zu können. Auch meine Familie dort zu treffen, schien unmöglich.

    Ursprünglich wollte ich mich deshalb im Februar diesen Jahres mit meinen Eltern in Jordanien verabreden. Aber das Schicksal hatte andere Pläne. Assads Regime wurde am 8. Dezember tatsächlich gestürzt und viele Syrer*innen haben das gefeiert. Denn, wie ich immer sagte: „Syrien bekommt seine Kinder zurück.“ Alhamdulillah, oder auf Deutsch: Gott sei Dank. Viele Syrer*innen möchten jetzt so schnell wie möglich zurückkehren, aber es war schwierig, eine passende Reisemöglichkeit zu finden.

    Ich wollte nicht über den Libanon reisen und dachte zuerst an einen Flug über Doha nach Damaskus, was aber über 13 Stunden gedauert hätte. Dann prüfte ich die Verbindung nach Istanbul, aber da hätte ich einen Tag bleiben müssen. Doha war außerdem sehr teuer. Über den Libanon wiederum wurde Syrer*innen die Einreise verweigert. So überlegte ich den ganzen Dezember und Januar hin und her.

    Dann erzählte mir mein Freund und Kollege Ahmad al-Shiehabi, dass er vom 14. bis zum 21. Februar eine Reise über den Libanon nach Syrien gebucht hat. Ich sagte sofort: „Ich komme mit!“ Am 21. Januar buchte ich mein Ticket. Doch danach kamen all die beunruhigenden Gedanken: Was, wenn es nicht klappt und ich meine Eltern in Damaskus doch nicht sehen kann? Nach zehn Jahren hatte ich einfach keine Geduld mehr, weitere 24 Tage zu warten. Diese 24 Tage waren die längsten meines Lebens. Jeden einzelnen Tag spürte ich, wie sich das Warten in die Länge zog.

    Das ist auch einer der Gründe, warum ich nicht viel über meine Reise gesprochen habe: Ich war emotional völlig durcheinander und machte mir Sorgen um viele Kleinigkeiten, die man sonst gar nicht beachtet. Aber so ist es nun mal, wenn ein Besuch nach so langer Zeit vor der Tür steht – bis heute kann ich es kaum glauben. Es wirkt immer noch wie ein Traum.

    Gleichzeitig hatte ich Angst, dass mein neuer Charakter nicht mehr zu meiner Familie und meiner Stadt passen würde. In den letzten zehn Jahren habe ich so viel erlebt, was mich geprägt und verändert hat. Auch meine Familie und Damaskus haben unendlich viel mitgemacht – natürlich haben auch sie sich verändert.

    Was außerdem ziemlich verrückt und irgendwie schicksalhaft ist: Seit 2019 hatte ich keinen gültigen Pass mehr. Fünf Jahre wartete ich, um endlich einen Pass zu bekommen. Und als ich meinen deutschen Pass erhalten habe, ging meine erste Reise direkt in meine Heimat Damaskus. Viele Syrer*innen wollen ebenfalls erst dann in die Heimat zurück, wenn sie einen deutschen Pass haben, weil sie Angst haben, dass sich in Syrien alles verändert hat und das Land viel Zeit für den Wiederaufbau braucht.

    Jetzt, wo ich nach fünf Jahren endlich wieder reisen darf, kehre ich also in meine Heimat zurück. Das empfinde ich als ein sehr faszinierendes Schicksal.

    Ahmad und ich sind schon um zwei Uhr nachts zum Flughafen gefahren, obwohl unser Flug erst um 6:45 Uhr ging. Wir konnten einfach nicht schlafen und dachten, es sei besser, direkt am Flughafen zu warten. Dort sahen wir viele Syrer*innen, die ebenfalls über Beirut nach Syrien reisten.

    Interessant war, dass die libanesische Polizei zuerst meinen deutschen Pass nahm und dann meinen syrischen Pass sehen wollte, obwohl dieser gar nicht mehr gültig war. Ich fragte nach dem Grund und die Polizisten erklärten, dass sie von allen Araber*innen mit westlichen Pässen zusätzlich den Originalpass verlangen, weil im westlichen Pass weder der Name des Vaters noch der Mutter vermerkt wird. In Syrien sind neben dem eigenen Vor- und Nachnamen auch die Namen der Eltern zu finden.

    Anschließend sagte mir einer der Polizisten, Deutschland würde mir den deutschen Pass wieder abnehmen. Ich antwortete darauf, dass das nicht stimme. Er erwiderte, Syrer*innen würden den deutschen Pass verlieren, wenn sie zurückkehrten, weil sie ja angeblich nicht mehr als Geflüchtete gelten könnten – schließlich gäbe es in Syrien keinen Krieg mehr. Ich erwiderte nichts, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, und weil er das Ganze auch noch schadenfroh lächelnd äußerte.

    Wir sind dann mit einem sehr alten Auto vom Flughafen nach Beirut gefahren. Syrische Autos dürfen nicht bis zum Flughafen durchfahren, und da wir ein syrisches Taxi bestellt hatten, mussten wir uns außerhalb des Flughafengeländes abholen lassen.

    Auf dem Weg passierten wir Al-Dahiya al-Janubiya, ein Viertel, das ursprünglich als Siedlung gebaut wurde, aber durch israelische Angriffe stark beschädigt ist. Dort leben auch Anhänger der Hisbollah. Wir wollten Fotos machen, doch der Fahrer warnte uns. Als Syrer könnten wir schnell als Spione verdächtigt werden. Deshalb verzichteten wir lieber darauf.

    Schließlich fuhr ich durch Beirut und sah, wie alt und heruntergekommen die Stadt mittlerweile ist. Beirut ist nicht mehr die ehemals pulsierende Metropole des Nahen Ostens, sondern nur noch eine verlassene, alte Stadt. Beirut war lebendig, auch im Bürgerkrieg in den 70er und 80er Jahren. Ich hoffe, dass sie mit der neuen Regierung zu dieser Lebendigkeit zurückkehren kann.

    Nach mehr als drei Stunden erreichten wir endlich die Grenze. Unser Fahrer scherte sich nicht um Verkehrsregeln – er tat einfach alles anders, als man es normalerweise tun würde. Doch nicht nur er fährt so, alle verstoßen gegen die Straßenverkehrsordnung.

    An der syrischen Grenze lief alles gut. Die neuen Grenzbeamten stempelten unsere Pässe schnell und schon waren wir in Syrien. Auf der Grenze wollte ich zur Toilette – aber sie war total dreckig und kaputt, sie funktionierte gar nicht. Als ich das sah, war ich ziemlich verärgert. Wie kann man so eine Toilette hier zurücklassen, wo sie doch das Erste ist, was Besucher*innen zu Gesicht bekommen? Dann verstand ich jedoch: Ganz Syrien ist wie diese Toilette. Assads Regierung, der Krieg und die Korruption haben das Land zerstört – nicht nur funktionsunfähig gemacht, sondern auch verschmutzt.

    Nach 14 Stunden Reise war ich endlich bei meiner Familie und konnte meine Eltern, meine Schwestern und meine Verwandten wiedersehen. Sie empfingen mich mit zagharid  (eine Art lauter Freudenrufe, die Frauen bei Hochzeiten oder Geburten anstimmen, um ihre Freude auszudrücken – meist sind es ältere Frauen, die auf diese Weise feiern).

    Meine Familie lebt nicht direkt in Damaskus, sondern eine halbe Stunde außerhalb in einem Ort namens Al-Diyabiyah. Al-Diyabiyah ist ein kleiner Ort in der Nähe von Sayyida Zaynab – einem wichtigen schiitischen Wallfahrtsort, an dem auch die Hisbollah bis zum 8. Dezember großen Einfluss hatte. Lange herrschte der Krieg auch dort und erst 2018/19 durften die Menschen nach Al-Diyabiyah zurückkehren. Viele Wohnungen waren völlig ausgeraubt, sogar die Stromkabel aus den Wänden gestohlen. Jetzt versuchen die Bewohner*innen, ihre Häuser langsam wiederaufzubauen. Doch die Menschen haben kein Geld, weder für den Wiederaufbau, noch für Essen und für die Heizung.

    Al-Diyabiyah ähnelt einer Siedlung, die zum Teil illegal errichtet wurde. Hier leben auch Geflüchtete, die 1968 von den Golanhöhen vertrieben wurden, als Israel Syrien, Ägypten und Jordanien angregriffen hatte. Sie hatten damals alles verloren und suchten hier eine neue Heimat. Auch meine Familie stammt aus dem Golan, weshalb Vertreibung, Flucht, Leid und Verlust eine große Rolle in meinem und dem Leben vieler Familien hier spielen.

    Am Samstag fuhr ich dann in die Stadt Damaskus selbst – und war enttäuscht, weil ich das Damaskus meiner Erinnerung, mit seinem Zauber, nicht wiederfand. Dieses Damaskus existiert nicht mehr. Stattdessen sah ich eine alt gewordene, schmutzige Stadt, die ihre Geschichte und Erbe nicht mehr tragen kann, sondern von Armut, Traurigkeit und Unrat gezeichnet ist. Es hat mich sehr mitgenommen, das zu sehen.

    Überall erkannte ich Müdigkeit, Elend, Traurigkeit und Hunger in den Gesichtern der Menschen. Viele Kinder arbeiten auf der Straße, verkaufen Kleinigkeiten, betteln um Geld – vermutlich haben sie ihre Eltern verloren. Dieses Damaskus, das ich nun erlebte, ist definitiv nicht das Damaskus, das ich kannte. Früher war die Stadt voller Würde, voller Leben, mit dem Duft teuren Jasmins in der Luft. Damaskus war einst reich. Damaskus war auch alt und mit jedem neuen Jahr wurde die Stadt schöner.

    Aber jetzt wird sie eher immer deprimierter, mutloser und bedrückter. Den Bewohner*innen von Damaskus wurde ihre Macht und Kraft geraubt, denn früher haben sie den Lebensmut durch ihre Stadt bekommen. Doch die Quelle ihres Mutes, die aus dem Herzen von Damaskus kommt, wurde ihnen genommen. Ich erkannte dieses Damaskus einfach nicht mehr wieder.

    Die Menschen sind ärmer geworden, und man sieht, wie sehr die Armut in Syrien insgesamt zugenommen hat. Überall gibt es Spuren von Zerstörung und Leid und man erkennt die Not in den Gesichtern der Kinder. Viele junge Männer starben nicht nur im Krieg, sondern erlagen Herzinfarkten – wahrscheinlich ausgelöst durch große Traurigkeit, Unterdrückung und Angst.

    Ich hatte gehofft, ein anderes Damaskus zu sehen – ein Damaskus, das voller Leben ist und das Blut seiner Geschichte in den Adern trägt. Aber nach zwölf Jahren Krieg ist so viel verloren gegangen. Die Stadt hat einen großen Teil ihrer Kinder verloren und ihres Stolzes eingebüßt. Diese älteste, einst so strahlende Stadt, die ein riesiges Erbe trug, wurde teilweise ihrer Geschichte beraubt und lebt nun in Trauer.

    Ich wünsche mir sehr, dass Damaskus schnell wiederaufgebaut wird, wenn die Sanktionen aufgehoben werden und neues Leben zurückkehrt. Es ist schmerzhaft, dass besonders Damaskus, die größte Stadt Syriens, so sehr leidet. Wie muss es dann erst in kleineren Städten wie Deir ez-Zor oder Hama aussehen? Ich glaube jedoch, nur die Zeit kann die Wunden von Damaskus heilen und ihm seinen Stolz zurückgeben. Ich hoffe, dass diese stolze Stadt, diese alte, starke Frau mit ihrer Geschichte, eines Tages in ihrer vollen Schönheit wieder aufersteht.

    Ich möchte die Folge an dieser Stelle beenden, werde aber in der nächsten Folge noch mehr darüber berichten, was ich in Syrien und Damaskus gesehen habe. Diese Woche war für mich sehr anstrengend, da ich nach einer langen Woche in Syrien jetzt viele Dinge erledigen musste. Ich entschuldige mich deshalb dafür, dass ich für diese Folge keine Nachrichten zusammengetragen habe. Ich werde jedoch versuchen, in einer weiteren Folge darauf einzugehen und die wichtigsten Neuigkeiten aus Syrien zu sammeln.

     

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  • „Unser gemeinsames Ziel sind Demokratie, Menschenrechte und Freiheit“

    Alaa Muhrez stammt aus der Stadt Homs in Syrien und lebt seit 2015 in Deutschland. Seit 2018 ist sie als Buchhalterin bei einem Rechtsanwalt und Steuerberater tätig und engagiert sich seit Jahren dafür, dass verschleierte Frauen bessere Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Neben ihrer Ausbildung zur Kulturvermittlerin hat sie in Ägypten als Mathematiklehrerin gearbeitet und schreibt gerne über Gedanken – etwas, das sie von ihrem Vater übernommen hat.

    Als die Nachricht vom Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember verkündet wurde, erlebte Alaa eine große Flut an Emotionen. „Ich lag im Bett und konnte nicht schlafen“, erzählt sie, „es waren sehr angespannte und schwierige Stunden, eine Mischung aus Angst, Freude und Hoffnung.“ Die plötzliche Wendung der Ereignisse war für viele Syrer*innen überraschend. „Ich dachte, ich wäre im Traum. Es war schwer zu realisieren, dass das jetzt wirklich passiert“, ergänzt sie.

    Mit etwas zeitlichen Abstand betrachtet Alaa die Situation nun reflektierter: „Ich plane, in den nächsten zwei bis drei Monaten nach Syrien zu reisen. Unsere größte Angst war, dass nach Assads Sturz ein neuer Krieg zwischen den verschiedenen Gruppen ausbrechen könnte. Doch das ist nicht passiert, und ich bin überzeugt, dass wir das Schlimmste überstanden haben.“

    Homs: Eine Stadt der Vielfalt und Herausforderungen

    Alaa stammt aus Homs, einer Stadt, die durch ihre ethnische und religiöse Vielfalt geprägt ist. „Die Lage dort ist komplex“, erklärt sie. „Viele Menschen sind misstrauisch gegenüber ehemaligen Assad-Loyalisten, und es fehlt an Solidarität. Doch die Zukunft wird zeigen, ob diese Wunden heilen können.“

    Ihre Reise nach Syrien ist vor allem von einem persönlichen Wunsch geprägt: „Ich habe meine Familie seit 14 Jahren nicht gesehen. Ich möchte wissen und fühlen, was es bedeutet, wieder zu einer großen Familie zu gehören.“ Besonders das Zuckerfest möchte sie mit ihren Liebsten feiern.

    Das Kopftuch und die Debatte um Selbstbestimmung

    Ein weiteres Thema, das Alaa am Herzen liegt, ist die Diskussion um das Kopftuch. In Syrien gibt es derzeit Kampagnen, die Frauen entweder zum Tragen des Kopftuchs ermutigen oder sie davon abhalten wollen. Alaa kritisiert beide Ansätze: „Jede Frau sollte das Recht haben, selbst zu entscheiden. Ob in Saudi-Arabien, wo Frauen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, oder in Deutschland, wo verschleierte Frauen in manchen Berufen diskriminiert werden – beide Extreme sind problematisch.“

    Persönlich hat sie nie daran gedacht, ihr Kopftuch für den Beruf abzulegen, obwohl sie sich der Herausforderungen bewusst ist: „Es gibt genug Statistiken, die zeigen, dass sichtbar muslimische Frauen bei Vorstellungsgesprächen oft benachteiligt werden. Aber für mich ist es eine Frage der Identität.“

    Aufklärungsarbeit und Einheit in der syrischen Diaspora

    Alaa nutzt insbesondere soziale Medien, um über Syrien aufzuklären. „Früher habe ich mich viel mit Frauenrechten und dem Kopftuch beschäftigt, aber jetzt konzentriere ich mich darauf, die Spaltungen in der syrischen Gesellschaft zu überwinden. Al-Assad hat Jahrzehnte damit verbracht, verschiedene Gruppen gegeneinander aufzuhetzen. Ich versuche, durch Aufklärungsarbeit Brücken zwischen diesen Gruppen zu bauen. Auch wenn ich nur 1 % der Menschen erreiche, ist das ein Erfolg.“

    Ihre Arbeit, die seit Jahren leistet, erfährt starke positive Resonanz. „Die Leute teilen begeistert ihre Meinungen und Erfahrungen. Das zeigt mir, dass es ein Bedürfnis nach Dialog gibt“, sagt sie. Auf die Frage, wie Exil-Syrer*innen zur Einheit beitragen können, betont Alaa die Bedeutung von Gesprächen: „Viele wissen nichts über die kurdische Kultur, was zu falschen Annahmen führt. Wir müssen mehr über diese Themen sprechen und gegenseitiges Verständnis fördern.“

    Zum Abschluss sendet Alaa noch eine Botschaft an alle Syrer*innen: „Seid offen und geduldig. Gebt einander eine neue Chance. Und an die Syrer in Deutschland: Nutzt euer Wahlrecht! Wir spielen eine wichtige Rolle in diesem Land. Unser gemeinsames Ziel sind Demokratie, Menschenrechte und Freiheit.“

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