Schlagwort: zwischen welten

  • Mehr Freiheit im Tod – Rheinland-Pfalz reformiert Bestattungsgesetz

    Wusstest du, dass in Rheinland-Pfalz Totenasche bald nicht mehr zwingend auf Friedhöfen beigesetzt werden muss? Das hat der Ministerrat Anfang Dezember in einer neuen Regelung des Bestattungsgesetzes beschlossen. Mit der Zustimmung der verstorbenen Person können Privatpersonen die Urne nun zu Hause aufbewahren oder die Asche unter bestimmten Bedingungen, z. B. in einem Fluss, verstreuen. Außerdem werden Erdbestattungen ohne Sarg für alle möglich – nicht mehr nur aus religiösen Gründen.

    Zwar stehen die endgültige Entscheidung des Landtags im Frühjahr und eine Anhörung des Bundesverbands der Bestatter*innen sowie der Kommunen noch aus, doch bis Sommer 2025 könnte das neue Gesetz in Kraft treten.

    Warum ist das wichtig?

    Das bisherige Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz, wie auch in anderen Bundesländern, ist über 40 Jahre alt und spiegelt die Bedürfnisse einer veränderten Gesellschaft kaum wider. Angesichts des steigenden Wunsches nach vielfältigen Bestattungsformen und der wachsenden Beliebtheit der Feuerbestattung (80 % der Fälle) war eine Reform dringend notwendig. In anderen europäischen Ländern sind diese neuen Bestimmungen bereits üblich.

    Die sogenannte „Beisetzungspflicht“ ist in Deutschland stark umstritten. Tatsächlich wird die Nichteinhaltung „nur“ als Ordnungswidrigkeit behandelt und kaum kontrolliert, da die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Es ist also über komplizierte Umwege heute schon möglich, die Asche mit nach Hause zu nehmen, und manche Bundesländer erlauben die Mitnahme und Verstreuung der Asche unter bestimmten Voraussetzungen bereits. Doch nur wenige Menschen wissen davon. Für viele, insbesondere für marginalisierte Gruppen, fehlen oft die notwendigen Kontakte, um ihre Bestattungswünsche umzusetzen.

    Das ist einer der Gründe, warum viele ihre Verstorbenen nach wie vor (wenn möglich) in ihre Heimat überführen oder sie reisen ins europäische Ausland (Niederlande, Schweiz), um ihren Angehörigen eine Bestattung gemäß ihren kulturellen und spirituellen Wünschen zu ermöglichen. Von Politiker*innen und in den Medien wird das abfällig als „Bestattungstourismus“ bezeichnet, obwohl es für viele Menschen eine absolute Notwendigkeit ist und viele Probleme schafft.

    Hinzu kommt, dass in Deutschland Seebestattungen nur in bestimmten Gebieten und unter militärischem Protokoll durchgeführt werden. Für Geflüchtete, die vor militärischer Gewalt flohen, ist das ein großer Affront. Doch für Religionen, wie den hinduistischen, in denen Flussbestattungen praktiziert werden, ist diese Reform eine große Erleichterung, sowohl spirituell und emotional als auch organisatorisch und finanziell.

    Abgesehen von individuellen Präferenzen und spirituellen Bedürfnissen, bietet die Tuchbestattung eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative. Man muss aber beachten, dass bei Tuchbestattungen weiterhin Holz verwendet (Stichwort: Verwesungsprozess) und meistens ein Sarg für die Aufbewahrung und Transport zum Grab benötigt wird. Hier gibt es also noch Optimierungsbedarf.


    Herausforderungen und Chancen

    Die Reform ist damit nicht nur eine gesetzliche Anpassung, sondern auch ein Akt der Anerkennung individueller Lebensrealitäten und der Gleichberechtigung, insbesondere marginalisierter Gruppen. Damit respektiert das neue Bestattungsgesetz die Vielfalt der Bestattungsrituale und -bedürfnisse, die in Deutschland längst schon Realität ist.

    Gleichzeitig entstehen neue Herausforderungen: Wie werden Urnen zu Hause sicher aufbewahrt? Wo und wie entstehen gemeinsame Orte des Gedenkens? Kommunen müssen sich auf sinkende Einnahmen einstellen.

    Eine Hoffnung ist, dass diese Entwicklung und Diversifizierung der Bestattungspraktiken neue Formen des Gedenkens und Begegnens schaffen, zum Beispiel auf den Friedhöfen, die sich jetzt schon auf die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft einstellen müssen (siehe letzter Newsletter).

    Stimmen zur Reform

    In den sozialen Medien wird die Reform überwiegend positiv aufgenommen. Viele begrüßen die Abschaffung der Bestattungspflicht als überfällig, betonen die Bedeutung von Friedhöfen als Trauerorte und/oder fordern Wahlfreiheit bei der Bestattungsform. Die Hoffnung ist groß, dass andere Bundesländer nachziehen.

    Die Kirche kritisiert die Gesetzesänderung als Bruch mit der bisherigen Bestattungskultur. Sie sieht den Schutz der Totenruhe gefährdet, dass Angehörige die Asche „in Besitz nehmen“ könnten und gemeinsame Gedenkorte verloren gehen.

    Umweltschützer*innen bemängeln, dass bei der Einäscherung Schwermetalle wie Chrom freigesetzt werden können, die hochgiftig, wasserlöslich und umweltschädlich sind. Diese Stoffe kommen aus Materialien wie Zahnfüllungen, Implantaten, Schmuck oder chromgegerbtem Leder in Särgen und Kleidung. Obwohl deutsche Krematorien strengen Umweltauflagen unterliegen und moderne Filter die Risiken reduzieren, können sich nicht alle Krematorien solche Filter leisten. Die Filter müssen zudem als Sondermüll gelagert werden. Ein komplexes Thema, das mehr Aufmerksamkeit benötigt.


    Viele feiern die Neuerungen als „liberalstes Bestattungsrecht Deutschlands“ und ich teile die Freude über diese überfälligen Lockerungen. Es gibt aber immer noch viel zu tun, damit alle Menschen würdevoll und selbstbestimmt in Deutschland bestattet werden können.

  • Friedhöfe – ein Spiegel der Gesellschaft und des Wandels?

    Vor ein paar Wochen war ich auf der Friedhofsverwalter*innen-Tagung im Sepulkralmuseum in Kassel und habe einiges über den schlechten Zustand der Friedhöfe in Deutschland gelernt.

    Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel ist ein kulturgeschichtliches Museum, das sich den Themen Sterben, Tod, Bestattung, Trauer und Gedenken im deutschsprachigen Raum widmet. Bei dieser Tagung kamen Expert*innen und Verwalter*innen aus Kirche und Kommune zusammen, um die aktuellen Herausforderungen und Handlungsansätze im Bereich der Friedhofsverwaltung zu diskutieren.

    Das zentrale Thema der Tagung war: Ein Drittel der Friedhöfe in Deutschland steht unter kirchlicher Verwaltung, die immer mehr an Beliebtheit verlieren und vielerorts vor Schulden zu ersticken drohen.

    Es ging um Themen wie den Rückgang von Ehrenamtlichen, finanzielle Engpässe für notwendige Sanierungen (viele Gebäude sind denkmalgeschützt), Imageprobleme der Kirchen sowie den demografischen Wandel und den Verlust kirchlicher Mitglieder. Sogenannte moderne und alternative Bestattungsformen wie Feuerbestattungen und Friedwälder sind eine ernstzunehmende Konkurrenz. Es wird damit gerechnet, dass zwei Drittel der Fläche auf Friedhöfen bis 2050 nicht mehr gebraucht werden. Das liegt vor allem daran, dass immer weniger Menschen Erdgräber wollen (teilweise nur noch 20 Prozent), und dadurch viel Fläche auf den Friedhöfen frei wird. Es ist daher dringend notwendig, Pläne für die jetzt schon immer leerer werdenden Friedhöfe zu machen.

    Trotz aller Klagen wurde aber auch klar, dass viele Friedhöfe kaum wirtschaftlich betrieben wurden und es wenig zusätzliche Einnahmequellen außer der Friedhofsgebühren gibt. Ich war überrascht, als ich erfahren habe, dass Friedhöfe nicht durch Kirchensteuern finanziert werden. Als Argument wurde genannt, dass die Kirchen öffentliche Pflichtaufgaben übernehmen und die Kirchensteuern deshalb nicht zweckentfremdet werden dürfen. Ich frage mich, ob den Kirchen der Tod so wenig wert ist und was die Mitglieder dazu sagen.

    Zudem wurde klar, dass viele Bürger*innen und Bestatter*innen nicht wissen, was kommunale und kirchliche Friedhöfe alles bieten, weil diese kaum Öffentlichkeitsarbeit leisten. Es fehlen auch vielerorts innovative Ideen, um die Friedhöfe für die Öffentlichkeit attraktiver zu machen.

    Alle waren sich einig, dass Friedhöfe wieder mehr als wichtige Bestandteile unserer Gemeinschaft wahrgenommen werden sollten. Immer mehr Friedhofsverwaltungen verstehen, dass der Trend in Richtung öffentlicher Friedhöfe geht, die Orte der Rituale und Gemeinschaft für alle Bürger*innen sind, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.

    Ich kann dem nur zustimmen, denn ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und für mich sind Friedhöfe eine grüne Lunge und ein Ort der Ruhe in der Stadt. Schon als Kind bin ich gerne mit meinen Großeltern auf den Waldfriedhof gegangen, wo unsere Vorfahren liegen. Ich habe Eicheln gesammelt, bin den Eichhörnchen hinterhergerannt und habe mir die Namen der Gräber angeschaut. Außerdem erinnern uns Friedhöfe ständig an eine Realität, die viele, vor allem privilegierte Menschen im Alltag gerne verdrängen: dass jedes Leben einmal endet.

    Ich habe auf der Tagung mehrfach gehört, dass „Bestattungskultur ein Spiegel der Gesellschaft ist“. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Toten bestatten, ist ein direktes Abbild der gesellschaftlichen Werte. Jedoch habe ich wenig Bewusstsein dafür gespürt, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist, deren Bevölkerung von verschiedensten Bestattungskulturen und -bedürfnissen geprägt ist.

    Friedhöfe sind weltweit zentrale Orte, an denen man trauern, sich erinnern und zusammenkommen kann. In vielen Kulturen und Religionen haben Erdgräber und Friedhöfe nicht an Bedeutung verloren und der Anteil dieser Menschen in Deutschland wächst stetig. Viele Gemeinschaften, vor allem auch mit migrantischem Hintergrund, schätzen die Möglichkeit, ihre eigenen Rituale und Traditionen zu pflegen.

    Einige hier aus der Newsletter-Community haben mir geschrieben, dass sie aus religiösen Gründen keine Zugänge zu den Friedhöfen haben, die direkt in ihrer Nähe sind. Ich habe schon aus allen Teilen Deutschlands gehört, dass es nur einen einzigen (wenn überhaupt) Friedhof für muslimische Gräber oder andere Religionen in der Stadt gibt und sie deshalb große Strecken zurücklegen müssen, um ihre Verstorbenen zu besuchen und zu betrauern. Ich frage mich, ob diese Realitäten genügend mit in die Kalkulationen und Zukunftspläne der kommunalen und kirchlichen Friedhofsverwaltungen einbezogen werden. Denn das sollten sie.

    Es wäre nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch gesellschaftlich gewinnbringend, Friedhöfe für die Öffentlichkeit stärker zu öffnen und inklusivere und transkulturelle Räume zu schaffen. Selbst wenn religiöse und institutionelle Bedürfnisse zurückgehen, gibt es für viele im Tod immer noch ein starkes rituelles und spirituelles Bedürfnis, dem Friedhöfe gerecht werden können und müssen.

    Hast du Gedanken, Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge, die dir beim Lesen dieses Newsletters kamen oder die du gerne im Newsletter sehen würdest? Sei ehrlich!

    Schreibe mir gerne deine Antworten an anjuli@kohero-magazin.de oder über Instagram @deathindiaspora. Ich antworte auf jede Nachricht und freue mich, dich kennenzulernen!

    Liebe Grüße

    Deine Anjuli

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  • Erd-, Feuer- oder Sozialbestattung?

    Zurück aus der Sommerpause werde ich ab heute die verschiedenen Bestattungsformen und -gesetze, die es in Deutschland gibt, vorstellen. Hier gibt es viel Unwissenheit und Fragen in der gesamten Bevölkerung und diese Lücke möchte ich versuchen zu schließen. Im Rahmen dieser Einführung werde ich dann auch auf das für heute angekündigte Thema Zeit und Bestattung eingehen. Außerdem möchte ich anhand einiger Beispiele aufzeigen, welche Probleme Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte bei den jeweiligen Bestattungsformen haben.

    Grundsätzlich gibt es in Deutschland zwei Bestattungsarten: die Erdbestattung und die Feuerbestattung. Heute werde ich dir die Besonderheiten und Unterschiede der beiden Bestattungsarten vorstellen, in den nächsten Newslettern wird es dann detaillierter.

    Erdbestattung

    Die Erdbestattung ist eine der ältesten Bestattungsformen, u.a. auch im christlich geprägten Deutschland. In Deutschland gibt es eine lange Tradition und klare rechtliche Vorgaben für Bestattungen, daher sind Bestatter*innen in der Regel für deren Durchführung verantwortlich. Das Konzept der Bestattungsinstitute, wie wir es heute in Deutschland kennen, ist für viele Menschen aus anderen Ländern nicht oder wenig bekannt und in Deutschland erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden.

    Die verstorbene Person wird, nachdem sie von den Angehörigen oder Bestatter*innen versorgt und angekleidet wurde, in einem Sarg oder Tuch in der Erde auf einem Friedhof beerdigt. Vor der Bestattung gibt es meistens eine Abschiednahme und eine Trauerfeier. Die Abschiednahme kann dort stattfinden, wo die Person gestorben ist oder es die Angehörigen wünschen. Das kann im Krankenhaus, zu Hause, im Pflegeheim, Krematorium, Gebetshaus, in der Halle auf dem Friedhof oder beim Bestattungsinstitut sein.

    Meist wird dabei die verstorbene Person im (geschlossenen oder offenen) Sarg aufgebahrt, es gibt Reden über das Leben und den Charakter der Person, und man nimmt gemeinsam Abschied. Nach den Bestattungen gibt es oft einen sogenannten „Leichenschmaus“, bei dem sich die Trauergemeinschaft zusammensetzt, mit einem Essen der verstorbenen Person gedenkt und in ihrer Trauer nicht alleine ist.

    Gräber haben in Deutschland oft eine Ruhezeit von 15 bis 25 Jahren, in denen das Grab bezahlt und gepflegt werden muss. Danach kann das Grab verlängert oder aufgelöst werden. Erdbestattungen sind oft am teuersten, wegen der Kosten für den Grabstein, die Grabpflege und auch die Friedhofsgebühren sind höher als bei einer Feuerbestattung.

    Die muslimischen Gemeinden in Deutschland haben nach jahrelangem Kampf durchgesetzt, dass seit einigen Jahren eine Erdbestattung auch ohne Sarg möglich ist. Die verstorbene Person wird dann meist trotzdem in einem Sarg zum Grab und dort von den Angehörigen ins Grab getragen.

    Feuerbestattung

    Ebenso hat die Feuerbestattung eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte, auch in Europa. Erst durch die Verbreitung des Christentums ging diese stark zurück und erwachte dann im 19. Jahrhundert wieder durch koloniale Einflüsse, sowie die Säkularisierung, Industrialisierung und Urbanisierung in Europa.

    Die verstorbene Person wird in einem hochfunktionalen Krematorium eingeäschert und die Asche in einer Urne beigesetzt. Dazu werden die verbrannten Überreste der verstorbenen Person von sämtlichen Überresten (Metallen, Grabbeigaben), die nicht in die Urne dürfen oder passen, getrennt und anschließend in einer Aschemühle gemahlen. Eine Feuerbestattung ist ohne Sarg technisch und rechtlich aktuell nicht möglich in Deutschland. Bei der Feuerbestattung kann die Trauerfeier vor und/oder nach der Einäscherung stattfinden. Nach der Einäscherung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Bestattung der Asche in der Urne: Rasengrab, Blumengarten, Ruhewald, Kolumbarium, Baum, Luft, See.

    Eine Feuerbestattung ist meistens günstiger als eine Erdbestattung. Der meist einfache Sarg ist günstig und die Friedhofsgebühren sind niedriger. Das ist unter anderem ein Grund, weshalb in Deutschland mittlerweile zwei Drittel aller Menschen feuerbestattet und nur ein Drittel erdbestattet werden.

    In Deutschland gibt es verschiedene Bestattungsformen, die von den individuellen Wünschen der Verstorbenen oder ihren Angehörigen, aber auch von sozialen oder finanziellen Gegebenheiten abhängen.

    Bei anonymen Bestattungen wird die verstorbene Person ohne namentliche Kennzeichnung in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Das gilt für Erd- und Urnenbestattungen. Angehörige nehmen an der Beisetzung nicht teil und wissen nicht, wo die Urne beerdigt wurde (es gibt Ausnahmen bei halb-anonymen Bestattungen). Oft gibt es keine besondere Grabpflege. Viele wählen diese Form aus finanziellen Gründen, weil sie keinen Gedenkort haben oder sich nicht um eine Grabpflege kümmern wollen.

    Sozialbestattung

    Sozialbestattungen finden statt, wenn die verstorbene Person oder ihre Angehörigen die Bestattungskosten nicht tragen können. In diesen Fällen übernimmt das Sozialamt die notwendigen Kosten und entscheidet über die Art der Bestattungen. Die Sozialbestattung deckt nur eine sehr einfache und schlichte Feuerbestattung mit den notwendigsten Leistungen (z. B. Trauerfeier, Blumenschmuck, namentliche Nennung) ab. Möchte man eine Erdbestattung, muss man dies meist beantragen und begründen, dass dies aus religiösen, kulturellen oder persönlichen Gründen notwendig ist.

    Das Ordnungsamt veranlasst Bestattungen, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums (i. d. R. 8 Tage) keine Angehörigen gefunden werden oder sich weigern, die Bestattung zu bezahlen. Gründe dafür gibt es viele: Kontaktabbruch, Angehörige sind im Ausland oder nicht gemeldet. Diese Bestattung erfolgt oft auf einfachste Weise (anonyme Feuerbestattung), um die Kosten gering zu halten, denn diese werden von der Gemeinde bzw. der Kommune getragen und können deshalb stark voneinander variieren. Meistens finden hier Sammelbestattungen einmal im Monat statt. Wenn später Angehörige gefunden werden, müssen sie eventuell für die Kosten aufkommen. Besonders arme, vereinsamte Menschen, die schon zu Lebzeiten marginalisiert wurden, werden auf diese Weise bestattet.

    In Deutschland werden jährlich etwa 10–15 % der Bestattungen als Sozial- oder Ordnungsamtsbestattungen durchgeführt. Die Zahl solcher Bestattungen ist in den letzten Jahren aufgrund sozialer und ökonomischer Faktoren gestiegen, insbesondere in Großstädten, wo Anonymität und Armut häufiger sind. Dazu haben auch strukturelle Faktoren wie die Abschaffung des Sterbegelds der Krankenkassen im Jahr 2004 beigetragen. Dieser Rückzug des Staates und Gesundheitssektors aus dem Sterben und die zunehmende individuelle Verantwortung für das Sterben machen es immer mehr Menschen in Deutschland schwer, eine würdevolle und selbstbestimmte Bestattung zu erhalten.

    Wenn jemand in seinem Heimatland bestattet werden möchte, muss der Verstorbene auf dem Land- oder Luftweg überführt werden. Hierfür sind bestimmte Dokumente (Totenschein, Sterbeurkunde, Leichenpass) erforderlich und der Verstorbene muss in einem speziellen luftdichten Zinksarg überführt werden. Wurde die Person davor in Deutschland kremiert, ist die Überführung in der Urne wesentlich billiger und einfacher. Die Kosten variieren stark je nach Land und in vielen müssen Genehmigungen beim Konsulat eingeholt werden.

    Die sogenannte Reerdigung ist eine neue Bestattungsart. Der Körper eines verstorbenen Menschen wird dabei in einem Schnellverfahren zersetzt, sodass nichts als fruchtbare Erde zurückbleibt. In Deutschland sind Reerdigungen aktuell nur in Schleswig-Holstein möglich.

    In anderen Ländern sind viele weitere Bestattungsformen möglich und die Gesetzeslage ist viel offener und flexibler. In Deutschland sind die meisten Sonderformen nicht oder nur unter Umständen und Hilfe von Bestattungsinstituten und Behörden umsetzbar.

    Call to Action

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    Ich antworte auf jede Nachricht und freue mich, dich kennenzulernen!

    Im nächsten Newsletter werde ich dir ein paar deutsche Bestattungsgesetze vorstellen, die die Bestattungsformen und -ausführung regeln und sich in jedem Bundesland unterscheiden. Diese Bestattungsgesetze regulieren die Parameter von Leben und Tod und können besonders für Menschen, deren Bestattungstraditionen oder -wünsche davon abweichen, sehr einschränkend und belastend sein.

    Hast du Gedanken, Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge, die dir beim Lesen dieses Newsletters kamen oder die du gerne im Newsletter sehen würdest? Sei ehrlich!

    Liebe Grüße

    Deine Anjuli

     

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  • Gemeinsam eine Plattform für Trauerbegleitung schaffen

    Hallo zur fünften Ausgabe von zwischen welten!

    Nachdem es in den letzten zwei Newslettern um sehr persönliche Erfahrungen von mir ging, wollen wir heute gemeinsam aktiv werden.

    Ich träume schon seit Ewigkeiten von einer Open Access Plattform und Karte, bei der wir Adressen und Anlaufstellen von Personen und Institutionen in Deutschland sammeln, die uns und anderen bei den Themen Trauer und Bestattungen unterstützen können. Diese Liste soll Adressen beinhalten, die gerade für marginalisierte Menschen und Gruppen zielgruppengerechte unterstützende Erfahrungen anbieten.

    Warum träume ich davon? In einer Zeit, in der wir zunehmend die Kraft von Netzwerken und Schwarmintelligenz erkennen und brauchen, bietet eine solche Plattform die Möglichkeit, Menschen und Institutionen miteinander zu vernetzen, um gemeinschaftlich voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Plattform würde einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützung bieten, der es allen ermöglicht, schnell und unkompliziert die Hilfe zu finden, die sie brauchen.

    Ein wichtiger Aspekt ist die Erhöhung der Sichtbarkeit bestehender Angebote. Viele Menschen und die Mehrheitsgesellschaft sind sich gar nicht bewusst, wie vielfältig die Unterstützungsmöglichkeiten bereits sind. Das zeigt auch, dass die Bedürfnisse und Herausforderungen marginalisierter Gruppen sowie das breite Spektrum der Trauerbegleitung keine Randerscheinungen sind.

    Die Plattform könnte auch dazu beitragen, das Bewusstsein für die besonderen Herausforderungen und unterschiedlichen Praktiken von marginalisierten Gruppen zu schärfen. Dadurch wird nicht nur die Sichtbarkeit erhöht, sondern auch die Sensibilität für kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede gefördert. Vor allem in den Städten Deutschlands gibt es kaum mehr „homogene“ Menschengruppen. Das kann bedeuten, dass wir uns über Communities und Familien hinweg vernetzen, weil uns andere Identitätsmerkmale in bestimmten Situationen eher verbinden und im Vordergrund stehen.

    Durch die Transparenz und Qualitätssicherung, die eine solche Plattform bieten würde, blieben die Informationen stets aktuell und flexibel anpassbar. Dies trägt zur Sicherheit und Verlässlichkeit der angebotenen Hilfe bei. Gleichzeitig fördert die Plattform Empowerment und gesellschaftliche Teilhabe, indem sie Menschen die Möglichkeit gibt, selbstbestimmt auf unterstützende Ressourcen zuzugreifen oder Lücken zu erkennen.

    Letztlich strebe ich nach einer nachhaltigen Lösung, die nicht nur im Moment der Bestattung, sondern auch langfristig in der Trauerbegleitung wirkt und so den Menschen auf ihrem gesamten Trauerweg zur Seite steht.

    Mit Adressen und Anlaufstellen meine ich folgende: Trauerbegleitung, Trauer- und Selbsthilfegruppen, Hospize, Bestattungsinstitute, Death Doulas, Krematorien, Friedhöfe, andere Bestattungsorte, religiöse Einrichtungen und Ansprechpartner*innen, Telefonseelsorge, Wohlfahrtsverbände, Trauercafés, Vorsorgeberatung, künstlerische und kreative Angebote für Trauernde, Literatur, Übersetzer*innen, usw.

    Unter marginalisierten Menschen und Gruppen verstehe ich u. a.: Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, LGBTQIA+, Menschen mit Behinderungen, von Armut und Einsamkeit betroffene Personen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit psychischen Erkrankungen.

    Nutze dieses Formular, um die Adressen und Anlaufstellen, inklusive Kontaktdaten und warum du sie empfiehlst, einzutragen. Wenn wir ein paar Adressen gesammelt haben, erstelle ich daraus eine öffentlich zugängliche Datenbank und interaktive Karte.

    Danke für deine Teilnahme und das im Namen von allen, die von diesem Projekt profitieren! Mit diesen Informationen können wir gemeinsam daran arbeiten, dass alle Menschen in Deutschland selbstbestimmt und würdevoll bestattet werden.

    Ich habe auch Neuigkeiten aus meinem Leben. Ich arbeite seit Anfang August an einer Studie für die ahorn Kultur GmbH, in der ich die Erfahrungen von unterschiedlichen marginalisierten Menschen und Gruppen in Bezug auf Bestattungen in Deutschland und Nachbarländern sammle. Dafür werde ich in den nächsten Monaten in Deutschland herumreisen, um Menschen und Institutionen zu treffen und zu interviewen. Ich werde euch in diesem Newsletter von diesen Begegnungen und was ich gelernt habe, berichten.

    Schreib mir, wenn du Fragen oder Anregungen hast, oder dich persönlich treffen und austauschen möchtest. Ich freue mich, von dir zu hören!

    Liebe Grüße und bis in zwei Wochen

    Deine Anjuli

  • 10 Learnings aus meinen Erfahrungen mit Bestattungen

    Ich möchte den letzten Newsletter nicht einfach so stehen lassen. Was ich mit dir geteilt habe, soll in einen Kontext gepackt werden, um von dort aus auf unserer Reise zwischen den Welten weiterzugehen. Heute möchte ich deshalb meine 10 Learnings aus meinen persönlichen Erfahrungen mit Bestattungen an dich weitergeben.

    1. Die Bedeutung von Ritualen

    Der physische und ritualisierte Umgang mit dem Tod meiner indischen Großmutter hat mich stark beeinflusst. Rituale, die Zusammengehörigkeit, Identitäten und Übergänge markieren, sind in Deutschland nur noch wenig verbreitet, ob am Ende oder zu vielen anderen Zeitpunkten des Lebens. Wir lernen kaum, kleine oder große Abschiede zu verarbeiten, zu spüren und zu betrauern. Es gibt wenig Raum und Austausch darüber. Rituale helfen dabei, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren, den Verlust zu verarbeiten und eine Verbindung zu den Verstorbenen zu bewahren. Hier können wir über Grenzen hinweg voneinander lernen und gemeinsam neu gestalten.

    2. Bestattungsgesetze in Deutschland

    Die Bestattungsgesetze in Deutschland sind, auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, christlich geprägt und veraltet. Sie stellen viele Menschen vor teils unüberwindbare Hürden. Es gibt viele offene Fragen: Wer macht diese Gesetze und wer prüft sie? Im Hinblick auf die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte wie Religionsfreiheit (Art. 4) und Würde des Menschen (Art. 1) erleben marginalisierte Personen und Gruppen hier einige Verletzungen.

    3. Migrant*innen und Bestattungen

    Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte gehören noch immer zu einer marginalisierten Gruppe in unserer Gesellschaft und ihre Bedürfnisse werden von Behörden und Bestattungsinstitutionen wenig beachtet. Auch viele „alternative“ Bestatter*innen und die sogenannte „Death Positivity Bewegung“, die neue Wege in der Bestattungsbranche gehen wollen, scheinen die Interessen migrantischer Communities kaum zu beachten und thematisieren.

    4. Wem gehört der Verstorbene?

    Ich habe oft das Gefühl, dass in Deutschland verstorbene Personen nicht den Angehörigen gehören, sondern schnell in fremde und verschlossene Hände und Räume kommen. Was passiert mit den Verstorbenen in diesen Räumen? Bestatter*innen nehmen viel Arbeit ab, aber es fehlt an vielen Stellen an Offenheit und Transparenz. Viele Angehörige wünschen sich hier mehr Autonomie und Gestaltungsfreiheit. Das betrifft auch die Räume, in denen wir sterben und Abschied nehmen. Die meisten Menschen sterben in Deutschland in Krankenhäusern, obwohl das die wenigsten wollen. Gerade diese Räume und Infrastruktur sollten für eine würdevolle und angenehme Abschiednahme entsprechend gestaltet werden.

    5. Herausforderungen zwischen den Generationen

    Viele junge Menschen zweiter und nachfolgender Generationen reagieren offen auf meine Arbeit und Forschung, denn auch sie fragen sich: Wie gehe ich mit der Religion und Kultur meiner Familie um, besonders im Kontext des Todes? Wie bereite ich mich darauf vor und mit wem rede ich darüber, wenn die Eltern nicht offen dafür sind oder ich kaum Zugang zu Wissen und Ressourcen habe? Wie navigiere ich dieses „Zwischen den Welten Sein“-Gefühl? Dafür Räume und Netzwerke zu schaffen, ist eins meiner großen Ziele.

    6. Vorbereitung und Vorwissen

    In Notsituationen, wie dem Tod eines geliebten Menschen, können Menschen meist nur noch reagieren. Zudem sind Gefühle wie Schuld und Scham in Abschied und Trauer ständige Begleiter. Leider profitieren viele Menschen weltweit von dieser Verletzlichkeit, sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht. Der Tod wird in vielen Kontexten als religiöses Machtinstrument missbraucht. Es braucht daher Vorbereitung und -wissen, um in diesen Momenten selbstbestimmt und bewusst Entscheidungen treffen zu können. Und es braucht eine Community oder Personen, die einen emotional und organisatorisch unterstützen.

    7. Grauzonen und Macht in der Bestattungsbranche

    Es gibt viele sogenannte „Grauzonen“ in der deutschen Bestattungsbranche und -gesetzen. Das bedeutet, vieles ist möglich, was auf den ersten Blick nicht erlaubt ist. Dies ist auch ein häufiger Grund, den viele Bestatter*innen nennen, um am Status quo nichts zu ändern. Die Frage ist aber: Wer hat Zugang zu diesen „Grauzonen“? Denn, wer diese Zonen navigiert, hat die Macht darüber zu entscheiden, wer rein und raus darf.

    Gerade marginalisierte Personen und Gruppen bleiben hier ausgeschlossen. Für viele von ihnen ist die Bestattungsindustrie in Deutschland fremd, ein Labyrinth, durch das nur Bestatter*innen führen können. Diese Machtasymmetrie gilt es zu durchbrechen. Wie können wir das erreichen? Indem wir uns Wissen aneignen, neue Formen der Kommunikation nutzen, Netzwerke aufbauen und gemeinsam neue Konzepte entwickeln.

    8. Unterschiede in der Trauerkultur

    Nach dem Tod meiner Großeltern in Indien verbrachten wir viel Zeit gemeinsam, tauschten Geschichten aus und teilten unsere Trauer. In Deutschland hingegen werden Angehörige in dieser schweren Zeit und vor allem danach häufiger allein gelassen. Größere Familien oder Communities helfen, die Trauer gemeinsam zu tragen. Es besteht ein großer Bedarf daran, Strukturen und Netzwerke sowohl innerhalb als auch über marginalisierte Communities hinaus aufzubauen.

    9. Die Rolle von Geschlechtern in Bestattungen

    Bestattungen sind weltweit stark von (binären) Geschlechterrollen geprägt. Denn die Bestattungsindustrie in Deutschland ist sehr männlich, und in vielen Kulturen und Religionen sind Frauen von der Teilnahme an Bestattungen ausgeschlossen. Das kann zu Konflikten führen, vor allem wenn es nur weibliche* Nachfahren gibt. Auch queere Personen und Communities stoßen deshalb vielfach auf Hindernisse. Diesem Thema möchte ich in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken und auch hier im Newsletter behandeln.

    10. Wer oder was ist „die Norm“?

    Du hast dich beim Lesen meines letzten Newsletters vielleicht bei dem Gedanken ertappt, wie „primitiv“, „grausam“ oder „hart“ die Rituale in Indien sind. Das wurde mir schon mehrfach von westlich geprägten Menschen gespiegelt, als ich ihnen davon erzählt habe. Reflektiere daher einmal, weshalb du so abgeschreckt bist und warum du glaubst, dass deine Lebenswelt als „normal“ gilt und die der anderen nicht. Es kann hilfreich sein, sich mit verinnerlichten, versteckten Rassismen zu beschäftigen. Auch ich tue das.

     

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  • Warum beschäftige ich mich mit dem Sterben?

    Heute gibt es kein Interview, denn ich werde euch heute meine ganz persönlichen Erfahrungen mit den Bestattungen meiner Großeltern in Deutschland und Indien teilen. Nachdem ich in den letzten beiden Newsletter-Ausgaben über viel Theorie geschrieben habe, finde ich es wichtig, euch einen Blick hinter die Kulissen von „zwischen welten“ zu gewähren und euch tiefer in meine Geschichte und Motivation für diese Arbeit mitzunehmen.

    Ein Hinweis: Ich werde sowohl emotional als auch detailliert über die physischen Prozesse der Tode und Bestattungen in meiner Familie erzählen. Wenn du dich im Moment nicht danach fühlst, dann lies den Newsletter vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt oder mit anderen Menschen gemeinsam.

    Meine deutschen Großeltern

    Als ich sechs Jahre alt war, starb mein Opa in Deutschland plötzlich an einem Herzinfarkt. Seine Tochter, meine Mutter, fand ihn 4 Tage später tot in der Wohnung. Sie rief sofort den Notarzt und mein Opa wurde wenig später in einem schwarzen Leichensack von den Bestattern abgeholt. Meine Mutter träumt bis heute von diesem furchtbaren Anblick und Moment.

    Sie bat unseren katholischen Pfarrer, meiner Oma, die damals im Krankenhaus lag, seelischen Beistand zu leisten. Er weigerte sich und meinte, das gehöre nicht zu seinen Aufgaben. Wir sahen meinen Opa erst zur Beerdigung wieder. Auf dem Friedhof gab es eine sogenannte Aufbahrung, bei der sich alle, die wollten, von ihm am offenen Sarg verabschieden konnten. Ich war sechs und neugierig und wollte ihn sehen oder zumindest wissen, wohin alle anderen Leute gingen. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie meine strenggläubigen christlichen Pateneltern mir verboten, hineinzuschauen. Ein Kind habe dort nichts zu suchen, meinten sie.

    Auch am Grab versuchte ich hineinzublicken, um zu sehen, wo mein Opa nun war. Danach gab es einen sogenannten „Leichenschmaus“, bei dem sich alle Trauergäste in einem Restaurant zusammenfanden und über meinen Opa und sein Leben sprachen. Danach gingen alle ihre getrennten Wege und unsere kleine Kernfamilie blieb mit ihrer Trauer allein.

    Vor 10 Jahren, als ich 24 Jahre alt war, starb meine Oma in Deutschland nach kurzer Krebserkrankung im Krankenhaus. Meine Mutter, die bei ihr gewesen war, rief mich direkt frühmorgens an und fragte, ob ich mich von ihr noch im Krankenhaus verabschieden wolle. Ich solle mich beeilen, sie müssten das Bett räumen.

    „Dieser warme Moment in diesem kalten Raum berührt mich bis heute sehr“

     

    Es war das erste Mal, dass ich eine verstorbene Person sah. Unter Tränen fragte ich meine Mutter, ob ich meine Oma berühren könne. Natürlich. Hinterher schämte ich mich für diese Frage. Ich hatte Schuldgefühle, dass ich bei ihrem letzten Atemzug nicht dabei und meine Mutter allein gewesen war.

    Wir riefen die Schwester meiner Oma an und fragten sie, ob sie sich auch von ihr verabschieden möchte. Ich holte sie ab und als wir ankamen, hatten sie das Bett meiner Oma schon frisch bezogen und sie in einen „Abschiednahmeraum“ gebracht. Dieser Raum befand sich im Keller des Krankenhauses; ein fensterloser, gefliester, neonlichtgefluteter Raum, in dem meine Oma mit einem Tuch bedeckt in der Mitte auf einem Tisch lag. Ihre Schwester ging langsam auf sie zu, berührte liebevoll ihre Wange und sagte „Ach, meine Kleine.“ Dieser warme Moment in diesem kalten, sterilen Raum berührt mich bis heute sehr.

    An die Beerdigung kann ich mich kaum erinnern, nur an die Menschen, die uns an dem Tag begleiteten und dass der Pfarrer kaum gerade stehen konnte und beinahe ins Grab gefallen wäre (er war Alkoholiker). Auch nach diesem Tag gingen wir alle unsere getrennten Wege und blieben mit unserer Trauer allein, von meiner Oma wurde nur noch wenig gesprochen.

    Meine indischen Großeltern

    Im Februar 2020, kurz vor der Pandemie, starb meine Ammaji (meine Oma väterlicherseits) unverhofft während einer Operation in Delhi in einem Krankenhaus. Mein Vater saß im Flieger nach Delhi, als sie starb, in der Hoffnung, sie lebend nach Hause zu holen. Obwohl ich den nächsten Flieger buchte, war klar, dass ich meine Ammaji nicht mehr sehen würde, denn nach der Tradition meiner hinduistischen Familie musste ihre Seele in weniger als 24 Stunden von ihrem Körper erlöst werden.

    Dennoch wollte ich so schnell wie möglich bei meiner Familie und meinem Vater sein. Als er ankam, wurde seine Mutter noch am selben Tag auf einem „traditionellen“ Holzscheiterhaufen unter freiem Himmel verbrannt. Es war pures Glück, dass er rechtzeitig (und gleichzeitig auch nicht) in Delhi angekommen war, um als ältester Sohn die Bestattungsriten durchzuführen.

    Als ich am nächsten Tag in Delhi ankam, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Früh am Morgen fuhren wir, die älteren Männer der Familie und wir Enkelkinder zum Ghat (Verbrennungsstätte), um die Überreste zu holen und sie zum Fluss Ganga zu bringen. Es war der Wunsch unserer Väter, dass auch die weiblichen Enkelkinder daran teilnehmen, was sonst unüblich ist.

    „Ich realisierte das erste Mal wirklich, wo wir waren und was passiert war“

     

    Nur wenige Stunden nach meiner Ankunft in Delhi stand ich also an der Stelle, an der meine Ammaji am Tag zuvor verbrannt worden war. Mir zog es den Boden unter den Füßen weg; ich realisierte das erste Mal wirklich, wo wir waren und was passiert war. Mein Vater erhielt vom Pandit (Priester) Anweisungen, wie er die Riten durchzuführen hatte, und alle anderen standen um die Überreste meiner Ammaji herum und beobachteten die Prozedur.

    Mein Vater war wie versteinert und befolgte die Anweisungen des Priesters wie ein Roboter. Ich konnte diesen Anblick kaum aushalten, also setzte ich mich hinter ihn und legte ihm meine Hand auf den Rücken, um ihm zu zeigen – ich bin da. Die Brüder meines Vaters folgten meiner Geste.

    Wenig später beobachtete ich, wie meine Cousins und Cousinen die Knochen unserer Großmutter mit ihren Händen aus der noch warmen Asche herausholten und sie in eine Schale mit Milch legten. Diese Schale wurde meinem Vater übergeben, damit er die Knochen seiner Mutter mit seinen Händen rituell waschen sollte. Die meisten dieser Rituale dienen wohl dem Zweck, den Übergang der Verstorbenen in das nächste Leben zu erleichtern. Es ist daher wichtig, wie, wann und von wem sie durchgeführt werden.

    Die gereinigten Überreste meiner Ammaji wurden in eine Plastiktüte gegeben und wir fuhren zum Fluss Ganga.

    Bei dieser Fahrt hielt mein Vater die Überreste seiner Mutter in seinem Schoß und bereitete sich darauf vor, sie den heiligen Wassern zu übergeben. Wir mieteten ein Boot, das uns in die Mitte des Flusses brachte, und streuten dort ihre Überreste und Rosenblätter in den Fluss.

    Wenig später kauften wir bei einem Essensstand um die 50 Mahlzeiten und verteilten diese an die ärmere Bevölkerung des am Fluss liegenden Dorfes. Ein Moment, der meiner frommen Ammaji sehr gefallen hätte und bei dem wir als Familie aus unserer Trauer in den Kreislauf des Lebens zurückgeholt wurden. Auf dem Rückweg hörten wir die Lieblingssongs meiner Großmutter im Auto. Die Songs hatte meine Cousine in eine Spotify-Playlist gepackt, die mich immer an diese schmerzvolle und wunderschöne Fahrt erinnern wird.

     

    „Es war das erste Mal in unserem Leben, dass unsere Familie an einem Ort war.“

     

    Wir blieben noch zwei weitere Wochen in Delhi, in denen meine Cousins und Cousinen Geschichten von unserer gemeinsamen Großmutter erzählten, mit der sie im Gegensatz zu mir aufwachsen durften. In dieser zweiwöchigen Trauerzeit durften uns keine Verwandten besuchen, denn wir sollten uns komplett auf unsere Trauer und die Kernfamilie konzentrieren, was uns viel Raum und Zeit zum Austausch ließ. Es war das erste Mal in unserem Leben, dass unsere Familie an einem Ort war.

    Nur ein Jahr später, im April 2021, starb mein Babaji (Großvater) in Delhi an einer COVID-Infektion. Es war der Beginn der zweiten und tödlichsten Infektionswelle in Delhi. Bilder von überfüllten Krankenhäusern und Krematorien in Delhi gingen um die Welt. Inmitten all dieser Ereignisse versuchte meine Familie, die selbst mit COVID infiziert war, die Bestattungsriten ohne Hilfe durchzuführen. Ein paar Tage später hätten mein Cousin und meine Cousine fast ihre Eltern wegen COVID verloren.

    In dieser Zeit saß der Rest der Familie, der tausende Kilometer oder durch die Ausgangssperren von ihnen getrennt war, tagelang am Handy, angstvoll und gleichzeitig sehnsüchtig auf die nächste Nachricht wartend. Schuldgefühle und die Angst um unsere Familie überdeckten darum auch die Trauer um unseren Babaji.

    „Ich versuche hier nun meinen eigenen Weg zu finden“

     

    Vor einem Jahr war ich das erste Mal seit dem Tod meines Babajis wieder in Indien, und es war mir ein tiefes Bedürfnis, den Tempel meiner Großeltern mit meinem Vater aufzusuchen und uns dort von ihnen zu verabschieden.

    Beim Schreiben dieses Textes merke ich, wie der Tod meiner Ammaji am meisten Platz einnimmt. Und so ist es auch für mich persönlich. Nach ihrem Tod kam ich nach Deutschland, die Pandemie brach aus und ich habe einige Dinge in meinem Leben überdacht und umgeworfen.

    Am meisten hat mich persönlich die Frage beschäftigt, wie ich die Bestattungsrituale für meinen Vater in Deutschland umsetzen könnte. Aus der Erfahrung der Bestattungen, die ich bisher in Deutschland gesehen hatte, erkannte ich, dass es einige Hürden geben würde. Zudem werde ich als einzige Tochter und mit so gut wie keinem familiären Netzwerk hier in Deutschland, wenn es so weit kommt, relativ auf mich allein gestellt sein. Da ich nur wenig mit dem religiösen Glauben und den kulturellen Praktiken meiner indischen Familie aufgewachsen bin, und das Thema Tod und Sterben in meiner Familie ein ziemlich großes Tabu ist, versuche ich hier nun meinen eigenen Weg zu finden.

    Dieser Newsletter ist ein Teil dieses Weges und ich freue mich sehr, dass du dabei bist.

     

     

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  • Welche Gemeinsamkeiten haben Flucht und das Sterben?

    Auch, wenn die Erfahrungen und Prozesse „Migration/Flucht“ und „Sterben“ von jedem Menschen individuell erlebt werden, weisen sie überraschend viele Gemeinsamkeiten auf, die das Sterben für Migrant*innen und Geflüchtete in Deutschland erschweren. Welche Gemeinsamkeiten gibt es und warum es wichtig ist, sich mit diesen Überschneidungen auseinanderzusetzen?

    „Übergänge spielen eine zentrale Rolle“

    Übergänge spielen in beiden Prozessen eine zentrale Rolle, sei es zwischen verschiedenen Welten, Identitäten oder Zugehörigkeiten. Während Migrant*innen und Geflüchtete nach einem neuen Ort suchen, an dem sie sich niederlassen oder (über-)leben können, müssen Sterbende oder Angehörige entscheiden, wo und wie sie bestattet werden möchten.

    Viele stellen sich die Frage (wenn sie das Privileg haben zu wählen!): Möchte ich bei meiner (Kern-)Familie bestattet werden, an einem Ort, der mir vielleicht immer fremd geblieben ist, oder möchte ich meine Ruhestätte bei meinen Ahnen, in meiner Heimat finden, selbst wenn dort niemand mehr lebt, den ich kenne? Was lasse ich zurück? Manche wünschen sich in diesem letzten Übergangsprozess ein finales Ankommen nach einer langen Reise.

    Identitäten sind nicht nur komplex, sondern sie verändern sich auch mit äußeren und inneren Einflüssen. Migrant*innen und Geflüchtete versuchen, ihren Platz in der Welt neu zu definieren, ihre verschiedenen Identitäten, alte und neue, zu integrieren und zu navigieren. Genau so blicken am Ende des Lebens viele Menschen auf ihr Leben zurück, hinterfragen Entscheidungen und Lebenskonzepte, oder auch den Sinn der eigenen Existenz und des Lebens. Aber auch der Verlust der Autonomie und zunehmende Abhängigkeiten können Veränderungen in der Selbstwahrnehmung beeinflussen.

    Hinzu kommt, dass sich Menschen in kollektivistischen Kulturen weniger als abgegrenztes Individuum verstehen, sondern als Teil eines Kollektivs (Familie, Religions- oder ethnische Gruppe). Ihre Beziehungen und Gemeinsamkeiten mit anderen sind stärker mit der eigenen Persönlichkeit verbunden, als es bei individualistischen Kulturen der Fall ist. Gerade hier kann der Verlust einer nahestehenden Person starke Rollenveränderungen und Transformationen in der Identität bedeuten.

    Die Lebens- und Sterberealitäten von Migrant*innen und Geflüchteten bleiben häufig im Verborgenen, sind unsichtbar. Bewegungen wie Black Lives Matter versuchen, diese Realitäten sichtbarer zu machen. Der Versuch, sich dieser Unsichtbarkeit zumindest im Tod, in der Trauer zu widersetzen, sich zu verbinden, bedeutet häufig, der Welt zu kommunizieren: Diese Person hat gelebt und es gibt hier Menschen oder eine ganze Community, die diese Person geliebt haben. Bestattungsrituale signalisieren daher auch Zugehörigkeit und Widerstand gegen Fremdbestimmung.

    Kultur und Religion spielen sowohl in der Flucht- und Migrationsgeschichte als auch im Tod eine bedeutende Rolle. Sie können der Grund sein, weswegen Menschen vertrieben wurden und nach Deutschland kamen. Sie können der Anker in der Fremde sein, oder der Grund, warum man immer zerrissen bleibt.

    „Beide Erfahrungen markieren eine ungewisse Reise“

    Und selbst wenn wir im Leben nur wenig mit der Religion oder Kultur, mit der wir uns identifizieren oder von außen identifiziert werden, zu tun haben, werden diese Aspekte im Sterbe- und Trauerprozess wichtig. Sie geben vielen Menschen Halt und Orientierung, und oft ist es ein (letzter) Versuch, sich einem Ort, einer Kultur, einer Gemeinschaft zu verorten und zugehörig zu fühlen. Für viele Migrant*innen und Geflüchtete markieren Gräber daher auch den Endpunkt ihrer Migration.

    Wir merken, sowohl bei der Migration und Flucht als auch beim Sterben sind die Bedingungen von Mobilität, Improvisation und Ungewissheit allgegenwärtig. Die Flucht und Reisen in ein fremdes Zuhause, der Aufbau eines neuen Lebens, all das ist ungewiss. Für die Sterbenden und ihre Hinterbliebenen bestehen viele Unsicherheiten: Was kommt nach diesem Leben? Wie wird das Leben ohne die geliebte Person? Beide Erfahrungen markieren eine ungewisse Reise, wobei der Ausnahmezustand sowohl beim Tod als auch bei der Flucht und Migration anhalten kann.

    Sowohl in der Fremde als auch im Tod, den wir auch als das ultimativ Fremde betrachten können, erleben wir Ausschlüsse und das Ziehen von Grenzen. In Zeiten von Krankheit und Tod wird noch deutlicher, wer als „fremd“ betrachtet wird, und die Grenzen und Bedeutungen von Gemeinschaften und Gastfreundschaft werden hinterfragt. Von wem erhält man Unterstützung, wer legt einem Steine in den Weg? Denken die bestehenden Systeme die schwächsten und jüngsten Mitglieder der Gesellschaft mit? Gemeinschaften sind essenziell, um die Flucht, das neue Leben zu meistern, die Trauer zu verkraften und der Einsamkeit etwas entgegenzusetzen.

    In meiner Forschung bin ich auf viele Tabus in Bezug auf den Tod von marginalisierten Menschen gestoßen. Sei es, dass die Lebens- und Sterberealitäten von Migrant*innen und Geflüchteten in Deutschland kaum Beachtung finden, oder dass in vielen Familien und Gemeinschaften kaum über den Tod gesprochen wird. Nicht nur die geografische Distanz, sondern auch kulturelle oder religiöse Tabus, können es erschweren, wichtige Themen vorher zu besprechen und Entscheidungen im Voraus zu treffen. Das kann dazu führen, dass es bei vielen Menschen eine Art „rituelles und religiöses Unwissen“ gibt.

    „Beide Erfahrungen und Prozesse bergen auch Hoffnung“

    In meiner Forschung haben mir Leute, vor allem jüngere, berichtet, dass sie sich kaum mit den Bestattungspraktiken ihrer Religion und Kultur auskennen oder Zugang dazu haben, weil in ihrer Familie nicht darüber gesprochen wird. Das macht sie in dieser Ausnahmesituation verletzlicher und abhängiger von der Unterstützung anderer.

    Ich glaube, die offensichtlichste Gemeinsamkeit ist die Erfahrung von Verlusten und Abschieden, von Menschen, vom eigenen Leben, von Bekanntem, Vertrauten, Orten, Erinnerungen, Möglichkeiten, Zukünften …

    Ich merke, das ist für mich der emotional schwierigste Punkt, weil diese Liste endlos und schmerzhaft ist. Ihr könnt es euch gut vorstellen und daher höre ich an diesem Punkt auf.

    Und doch – beide Erfahrungen und Prozesse bergen auch Hoffnung. Auf ein besseres, sichereres Leben. Ein Wiedersehen mit denen, die vor einem gegangen sind, oder auch die Befreiung von einem langen Leidensweg. Die Möglichkeit auf eine bessere Zukunft, eine neue Chance. Ein danach.

    Wie wir aus den Beispielen im vorherigen Newsletter gesehen haben, müssen marginalisierte Menschen selbst im Tod einige Kompromisse eingehen, die den Verlust eines geliebten Menschen oder das eigene Lebensende noch verschlimmern können. Ähnlich verstärken sich die Erfahrungen und Prozesse der Migration und Flucht mit denen des Sterbens in ihren Überschneidungen und Gemeinsamkeiten. Sie bringen viele ähnliche emotionale, psychologische und soziale Herausforderungen mit sich und verstärken deshalb ihre Intensität und Bedeutung gegenseitig.

    Das bedeutet schlussendlich, dass marginalisierte Menschen oft viel größeren und komplexeren Leiden und Hürden am Lebensende und beim Verlust eines Menschen entgegenstehen, als es die Mehrheitsgesellschaft tut. Und genau deshalb braucht es mehr Aufmerksamkeit für diese Lebensrealitäten und Erfahrungen, in der Mehrheitsgesellschaft und auch den betroffenen Familien und Communities selbst.

    Call to action

    Welcher der Punkte heute hat dich am meisten berührt oder angesprochen? Welche Gemeinsamkeiten hast du schon erfahren und welche fehlen?

    Schreibe mir gerne deine Antworten an anjuli@kohero-magazin.de oder über Instagram @deathindiaspora.

    Ich antworte auf jede Nachricht und freue mich, dich kennenzulernen!

     

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  • zwischen welten – Leben und Sterben in der Fremde

    Herzlich willkommen zur ersten Newsletter-Ausgabe von zwischen welten – Leben und Sterben in der Fremde!

    Ich freue mich sehr, dass du dich für die Themen hier öffnest, Informationen und den Austausch suchst. Ich selbst habe lange nach solchen Menschen und Räumen gesucht, in denen die Themen Leben und Sterben in der Fremde offen, kritisch, inklusiv und sensibel besprochen werden, um dann diese Räume einfach selbst zu kreieren. Dieser Newsletter soll so einen Raum und eine „Community“ für den Austausch und die Wissensvermittlung schaffen. Dabei spreche ich von „Community“ im Sinne einer Gemeinschaft von Menschen, die sich den Herausforderungen des Lebens und Todes in der Fremde stellen.

     

    Darf ich mich dir vorstellen?

    Mein Name ist Anjuli. Ich beschäftige mich professionell, ehrenamtlich und wissenschaftlich mit den Themen Tod und Sterben, vor allem den Lebensrealitäten von marginalisierten Menschen wie Geflüchteten und Migrant*innen und ihren Familien und Gemeinschaften in Deutschland. Ich bin seit mehr als drei Jahren ehrenamtliche Sterbebegleiterin, habe Erfahrungen in der Bestattungsbranche, und zuletzt mein medizinanthropologisches Masterstudium mit einer Studie abgeschlossen, in der ich Hindus zu ihren Bestattungserfahrungen und -praktiken in Deutschland interviewt habe. Das Ziel meiner Arbeit ist es, Lebensrealitäten zu verstehen und sichtbarer zu machen, um den Austausch darüber zu fördern und dadurch gesellschaftspolitische Veränderungen anzustoßen. Und genau das möchte ich mit diesem Newsletter erreichen.

    Vielleicht kennst du mich schon durch mein Interview beim curry on! Podcast dieses Jahr (eine der meistgehörten Folgen) oder meinen deutsch- und englischsprachigen @deathindiaspora Instagram Account, in dem ich Einblicke in meine akademische Forschung und persönliche Erfahrungen gebe. Der Account wird in Zukunft auch dazu genutzt, den Newsletter sichtbarer zu machen und mit euch und untereinander in Kontakt zu treten.

     

    Wieso beschäftige ich mich so intensiv mit diesen Themen und was ist der Mehrwert dieses Newsletters für dich?

    Meine persönlichen Erfahrungen aus den Bestattungen meiner christlichen Großeltern in Deutschland und meiner hinduistischen Großeltern in Indien haben mich für diese Themen sensibilisiert und ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie unterschiedlich Menschen mit den Erfahrungen von Sterben und Tod umgehen und wie verschieden die Lebensrealitäten und Systeme sind, in denen diese Erfahrungen stattfinden und sie prägen. Für Menschen, die im Exil und in der Fremde leben, sowie ihre Nachkommen, treffen im Tod verschiedene Welten aufeinander – Hier und Dort, Leben und Tod. Für diese Menschen und all jene, die sich für dieses Leben und Sterben zwischen den Welten interessieren, ist dieser Newsletter.

    Aus meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung, sowie meiner Forschung habe ich erlebt, dass die Bestattungsindustrie und -systeme in Deutschland Rahmen und Normen vorgeben, die viele Menschen als sehr einschränkend bzw. diskriminierend erfahren. Selbst im Tod müssen marginalisierte Menschen daher Kompromisse eingehen, die den Verlust eines geliebten Menschen oder das eigene Lebensende noch verschlimmern können.

    Das Tabu um diese Themen innerhalb der Familien und Gemeinschaften, sowie die geringe Repräsentation von marginalisierten Menschen, machen den Tod in Deutschland für viele Geflüchtete und Migrant*innen zu einem „stillen Leiden“. Ich möchte mit diesem Newsletter diese Stille aufbrechen, und mit den Inhalten Menschen dazu ermächtigen, diese Tabus und Diskriminierung zu aufzubrechen.

     

    Wie ist der Newsletter aufgebaut?

    Der Newsletter wird alle 2 Wochen, immer samstags um 8 Uhr in deiner Mailbox landen. Zu Wort kommen hier auch Menschen, die persönliche oder professionelle Erfahrungen mit dem Leben und Sterben in der Fremde haben. Ich werde außerdem Links und Informationen teilen, die für dich von Interesse sein könnten.

     

    Dabei bist auch du gefragt!

    Deine Gedanken und Erfahrungen können und sollen hier ihren Platz finden! Da es bisher kaum Forschung oder öffentliche Diskussionen zu diesen Themen gibt, möchte ich dich ermutigen, diese entsprechend zu teilen. Als „Community“-Newsletter sollst du die Inhalte selbst mitgestalten, indem du deine Stories und Gedanken mit mir und anderen teilst, sowie mögliche Fragen und Themen vorschlägst, die dann in den Newsletter einfließen.

     

    Call to Action

    Ich werde dir in jedem Newsletter einen „Call to Action“ mitgeben, welchen du bis zum nächsten Newsletter erarbeiten, diskutieren, reflektieren kannst. Du kannst deine Erfahrungen dann gerne mit mir und anderen teilen, in der Hoffnung, dass daraus wieder neue Erkenntnisse und Themen entstehen.

     

    Der heutige Call to Action ist:

    „Erzähl mir, wer du bist und was du von diesem Newsletter erwartest.“

    Klick dazu einfach unten auf den lila Button und fülle meine Fragen kurz aus. Als Willkommensgeschenk nehme ich deine Fragen, Anregungen und Erfahrungen mit auf die Themenliste auf. Ich antworte auf jedes Feedback und freue mich, dich kennenzulernen!

     

    Zu den Fragen (~ 3 Minuten)

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