Schlagwort: Zusammenleben

  • „Wir müssen Begegnungen schaffen“

    Eine zwölfköpfige Freiwilligenkoordination, zu der auch Kathrin Rupprecht und Hanno Witte gehören, begleitet bei f & w seit 2005 Ehrenamtliche, die Projekte für Geflüchtete anbieten. Aufgeteilt nach Stadtbezirken unterstützen sie bei der Durchführung und fungieren als Schnittstelle zwischen den 150 Standorten (davon 120 für Geflüchtete) und den Engagierten. Im Interview erzählen die beiden von ihren Aufgaben, der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Schwierigkeiten, die durch die aktuelle Pandemie entstanden sind.

    kohero: In welchen Bereichen können Freiwillige arbeiten?

    Hanno Witte: Bei f & w sind sie in allen Geschäftsbereichen tätig. Wir begrüßen es, wenn sie sich in den Standorten für Geflüchtete an sich engagieren. Die Vereinbarung gilt dann auch nur für diesen einen speziellen Standort. Das heißt, die Menschen, die sich engagieren wollen, können sich mit ihren Ideen an uns in der Freiwilligenkoordination oder an die Mitarbeitenden vor Ort wenden, um zu besprechen, was dort möglich ist.

    Kathrin Rupprecht: Es gibt ein E-Paper, in dem die Standorte nach Bezirken aufgeteilt sind. Es gibt fast keine Nachbarschaft, in der es keine Einrichtung von f & w gibt. Wir arbeiten sehr gerne damit, weil man in den Profilen sieht, an welche Ansprechpartner man sich wenden kann. Wir versuchen, flexibel auf jede Idee zu reagieren. Das setzt keine Qualifikationen seitens der Engagierten voraus. Es geht darum, dass man offen ist und eine gute Idee hat oder schaut, was vor Ort noch angeboten werden kann.

    HW: Es gibt die Möglichkeit, eine befristete Vereinbarung zu treffen. Wir sprechen von einer „Schnupperphase“. Man kann für einen begrenzten Zeitraum bei uns tätig werden und sich erst einmal ausprobieren.

    kohero: Wie gehen sie auf potenzielle Freiwillige zu?

    KR: 2015 gab es unglaublich viele Engagierte, die uns kontaktiert haben und helfen wollten. Damals mussten wir nicht suchen, denn durch die Flüchtlingskrise war die Bereitschaft sehr hoch. Das hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Wir waren deshalb unter anderem auf Stadtteilfesten vertreten, um die Einrichtungen dort sichtbarer zu machen. Wenn wir Integration fördern wollen, dann müssen wir Begegnungen schaffen. Und das geht am besten durch freiwilliges Engagement. Die beiden Dinge gehen also Hand in Hand.

    HW: Hohe Qualitätsstandards und das Wertschätzen von Engagement sind immens wichtig. Außerdem schließen wir uns mit anderen Trägern zusammen und unterstützen uns gegenseitig.

     

    „Freiwilliges Engagement soll immer ergänzend stattfinden.“

    kohero: Gibt es Freiwillige, die später als Hauptamtliche arbeiten?

    KR: Ich persönlich war erst eine Freiwillige bei f & w und habe gesehen, dass dort Stellen ausgeschrieben waren. Darauf habe ich mich dann beworben. Solche Biografien gibt es auf jeden Fall, es ist aber keinesfalls standardisiert. Dazu muss ich noch sagen, dass viele Freiwillige, die sich bei f & w engagieren, bereits aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden sind und daher viel Zeit für ein Engagement haben.

    HW: Eine zentrale Frage ist: Wie können wir freiwilliges Engagement begleiten, sodass es möglichst langfristig ist? Dabei unterstützen und beraten wir.

    kohero: Wie sehr können Haupt- und Ehrenamtliche, trotz der unterschiedlichen Rollen, zusammenarbeiten?

    HW: Besonders bei unseren Freiwilligen-Treffen in den Unterkünften kommen die beiden Gruppen zusammen. Hier beziehen wir auch gerne andere Akteure aus dem jeweiligen Stadtteil mit ein.

    KR: Neben den Treffen unterstützen wir als Hauptamtliche und Ansprechpartner*innen die Freiwilligen auch mit Fortbildungen. In der Zusammenarbeit ist es wichtig, einen Rollenunterschied zwischen Ehren- und Hauptamtlichen zu machen. Das Verhältnis ist nicht mit dem einer/s Angestellten zu vergleichen. Uns ist wichtig, dass keine Abhängigkeitsbeziehungen entstehen. Freiwilliges Engagement soll immer ergänzend stattfinden.

    kohero: Im Ehrenamt arbeiten überwiegend ältere Menschen und das Programm von f & w ist auf ein langfristiges Freiwilligen-Engagement ausgerichtet. Doch wie langfristig ist es in der Realität?

    KR: Die Vereinbarungen, die bei uns geschlossen werden, können jederzeit beendet werden. Viele ältere Freiwillige sind lange aktiv. Bei den Jüngeren ist ein kurzfristigeres Engagement beliebter. Das sind Student*innen und Berufseinsteigende, die eine flexiblere Form von Engagement brauchen. Wir versuchen, darauf einzugehen. Trotzdem wünschen wir uns eine gewisse Beständigkeit in unseren Einrichtungen. Andererseits ist der Bedarf bei uns sehr hoch. Besonders junge Geflüchtete freuen sich über den Austausch mit Gleichaltrigen. In unseren Vereinbarungen halten wir fest, in welchem Rahmen der/die Freiwillige sich engagieren möchte, damit er/sie in dieser Zeit auch versichert ist. Außerdem können wir in der Koordination den sogenannten Hamburger Nachweis für freiwilliges Engagement ausstellen.

     

    „Der persönliche Kontakt spielt einfach die größte Rolle.“

    kohero: Fördern & Wohnen ist ein Tochterunternehmen der Stadt und eine Anstalt des öffentlichen Rechtes (AöR). Ist die Stadt Hamburg oder f & w selbst die treibende Kraft hinter dem sozialen Auftrag, den Sie vertreten?

    KR: Freiwilliges Engagement gehört bei f & w seit Jahren dazu. Als städtisches Unternehmen stimmen wir und mit der Stadt Hamburg ab, werden also aktiv in die Entscheidungen mit einbezogen. Bei uns finden Workshops zur Weiterentwicklung des Unternehmens statt.

    kohero: Lassen Sie uns zum Schluss noch kurz über die aktuellen Situation sprechen. Wir haben gesehen, dass Sie viele Projekte für Freiwillige angeboten haben, um sich von Zuhause aus einzubringen. Wie wurde das angenommen?

    HW: Wir haben viele Rückmeldungen zu den neuen Engagement-Möglichkeiten bekommen. Es ging zum Beispiel darum, Spiel- und Bastel-Kits für Kinder in Unterkünften zusammenzustellen. Trotzdem lebt unser Freiwilligen-Engagement natürlich von den persönlichen Begegnungen, dem Austausch und den Menschen, die dabei aufeinandertreffen können. Momentan hat das eine andere Qualität. Das aktuelle Engagement kann die ursprüngliche Form nicht ablösen. Das Persönliche spielt einfach die größte Rolle.

    Wer sich engagieren will, findet hier weitere Infos:

    Natalia und Noa studieren beide Modejournalismus und Medienkommunikation in Hamburg und schreiben nebenbei für kohero.

  • Über den Tellerrand – Kochen verbindet

    Kochen verbindet: Über den tellerrand Hamburg ist ein Integrationsprojekt des Vereins „Die Insel Hilft e.V.“,  das sprichwörtlich durch den Magen geht: Menschen verschiedener Kulturen kochen und speisen zusammen. Über den tellerrand wurde 2013 in  Berlin gegründt und ist seither in über 30 Städten in Deutschland aktiv. Seit 2019 findet an einem Tag jeden Monat ein „Kochabend mit Freund*innen“ statt. Es geht vor allem darum Menschen und Nachbarn zusammenzubringen, damit sie gemeinsam kochen, Freundschaften schließen und Spaß haben.

    Und natürlich geht es auch darum, Gerichte aus anderen Ländern und andere Kulturen kennenzulernen. Vom Kleinkind bis zur Oma sind alle willkommen. Das Organisationsteam kauft vorab zusammen mit einem hauptverantwortlichen Koch-Team ein. Kochen tun wir dann alle zusammen unter dem Motto: gemeinsam schnippeln, kochen, essen und spülen. Da nicht jede*r gleich viel in der Küche helfen kann oder will, bleibt auch Zeit für Spiele, nette Gespräche und spontane Ideen.

    Werbung für die Veranstaltung

    Am 12.02.2020 nahm ich an einer Kochveranstaltung des Frauenkreises von Über den tellerrand  Hamburg im Goldbekhaus teil, an der insgesamnt etwa 28-30 Frauen teil. Die Werbung für die Veranstaltungen wird per Facebook und Email gemacht. Ich bekam die Einladung per Email und musste mich anmelden, aber für die Frauen-Koch-Abende es gibt auch eine WhatsApp-Gruppe, durch die alle Frauen informiert werden. Als ich beim Frauenabend teilgenommen habe, waren Frauen aus verschiedenen Ländern wie Afghanistan, Iran, Deutschland, Argentinien, Frankreich, Syrien dabei.

    Inhalt der Kochveranstaltung:

    1. Vorstellungsrunde (dieses Mal gab es Kartoffelpuffer und jede musste vorstellen welches Gericht aus Kartoffeln sie mag.)
    2. Die Teilnehmer werden in vier Gruppen eingeteilt und jede Gruppe war für das Kochen oder die Zubereitung der Speisen verantwortlich.
    3. Es gab eine Vorspeise, eine Hauptspeise, eine Nachspeise und einen Salat.

    An meinem Abend gab es als Hauptspeise Kartoffelpuffer mit Salat und Sauce zum Dippen mit Kokos-Milchreis als Nachtisch.

    Ich traf viele Leute in der Runde, z.B. eine Frau, die für den NDR arbeitet. Nachdem wir uns besser kennengelernt hatten, haben wir bemerkt, dass wir viele gemeinsame Freunde haben. Dann war da auch noch eine Frau namens Monika mit ihrer zehn Jahre alten Tochter Lupi aus Argentinien. Ihre Tochter liebt das Kochen und die Mutter erzählte, dass das Mädchen recht gut kochen kann: Sie könne Eier kochen und Kaffee machen.

    Die Dame, die die Kartoffelpuffer gemacht hatte, heißt Azam, kommt aus dem Iran und lebt seit ein und halb Jahren in Hamburg. Sie hatte vor einem Jahr mit Über den tellerrand Hamburg Kontakt aufgenommen und ist seitdem aktiv. Bis jetzt hat sie mehr als sechs Gerichte für die Kochveranstaltungen bei Über den tellerrand Hamburg gekocht.

    Weitere Veranstaltungen

    Sie möchte auch weiter machen/ kochen für die Veranstaltungen. Darüberhinaus hat sie noch andere Pläne für die Zukunft, z.B. Koch-Workshops für Menschen, die kochen lernen möchten, bei ihr zu Hause zu geben. Azam sagte, dass sie sehr dankbar dafür sei, dass es hier in Deutschland solche Kochveranstaltungen gibt, bei denen die Menschen zusammenkommen und zusammen kochen Und die dabei helfen, neue Gerichte aus anderen Ländern zu lernen. Solche Veranstaltungen helfen auch den Flüchtlingen ihr Heimweh zu überwinden, oder den Menschen, die allein leben, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und die Einsamkeit zu vergessen.

    Ich werde zusammen im kommenden Monat mit dem Über den tellerrand Hamburg -Team afghanische Abende organisieren, mit Essen und Tanzen.

    Bleibt  dran!

     

    Dieser Artikel wurde mit Tilla Lingenberg in Schreibtandem- Projekt des Flüchtlingmagazins geschrieben.

     

     

  • Eine Geschichte vom Leben geschrieben

    In einer Kolumne greift der Arbeitskreis jeden Monat eine Geschichte von Weggefährten, Tandems und Patenschaften auf – aktuell in der Form von Interviews mit Tandems, die sich über Patenschaftsorganisationen gefunden haben. Sie machen Mut, denn sie bestätigen: Treffen sich zwei (oder drei) innerhalb eines Tandems, gewinnen Alle! Im Flüchtling-Magazin zeigen wir euch ein paar dieser Gespräche. Dieses Mal die des Tandems Axel und Shahabedin.

    Interview von Rose-Marie Hoffmann-Riem

    Ein bekanntes Sprichwort lautet: Die besten Geschichten schreibt das Leben. Unsere heutige GelingensGeschichte beweist, dass mehr als ein Korn Wahrheit in diesem Spruch steckt. Denn diese Geschichte berührt und muntert auf, sie holt uns auf den Boden der Tatsachen und lässt uns gleichzeitig hoffen. Letztendlich zeigt sie auch, wie wichtig es ist, dass Menschen sich gegenseitig unterstützen und, dass die kleinen Gesten oft die wichtigsten sind.

    In unserer Kolumne greifen wir jeden Monat die Tradition des Geschichten Erzählens auf, denn sie funktioniert überall gleich – sie bringt Menschen zusammen. Unsere Geschichten machen Mut, denn sie bestätigen: Treffen sich zwei, gewinnen Alle!

    DAS TANDEM

    Mein Name ist Axel, ich bin 46 Jahre alt, von Beruf Journalist und schon seit fast vier Jahren Flüchtlingsbegleiter. Shahabedin war mein erster Kontakt vor vier Jahren.

    Mein Name ist Shahabedin, ich bin 20 Jahre alt. Ende Dezember 2014 bin ich nach Deutschland gekommen. Da war ich gerade 16 Jahre alt. Zurzeit mache ich eine Ausbildung, davor habe ich meinen ersten Schulabschluss bestanden.

    BHFI: Ihr habt Euch in der Kollaustraße* kennengelernt?

    Shahabedin: Ja, aber zuerst war ich über einen Monat lang in der Sengelmannstraße.** Da waren wir so ungefähr achtzig Personen in dieser Basketballhalle. Wir hatten aber schon ein eigenes Bett, abgetrennt mit Laken.

    BHFI: Und die Kollaustraße war auch für unbegleitete Minderjährige?

    Axel: Ja, genau. Die Mitarbeiter von der Sengelmannstraße haben die Jungs Ende 2014 meistens von der Polizei übernommen. Die wiederum haben die Jugendlichen in der Regel am Hauptbahnhof aufgelesen. Später in der EVE 1 (Kollaustraße) war das dann schon alles organisierter mit Zwei- und Dreibettzimmern.

    Shahabedin: Ja, das war sehr viel besser – und – in der Kollaustraße konnten wir dann selbst kochen.

    Axel: Und mittlerweile ist er ein ganz, ganz toller Koch. (beide lachen)

    Shahabedin: Ja, das habe ich alles in Deutschland gelernt. Ich habe fast einen Monat nur Pommes gegessen, ich konnte ja nicht kochen. Langsam habe ich alles gelernt.

    DAS KENNENLERNEN

    BHFI: Und ihr habt euch in der Kollaustraße kennen gelernt, weil du, Axel, dort als Flüchtlingshelfer schon im Einsatz warst?

    Axel: Nein, ich hatte die Sozialbehörde angeschrieben und gesagt, ich würde mich gerne um jemanden kümmern, der dort in dem Jugendheim keine richtige Beachtung findet. Die Hauptamtlichen müssen sich natürlich eher um die kümmern, die verhaltensauffällig sind und besonders viel Aufmerksamkeit brauchen. Ich wollte mich gerne um die kümmern, die dadurch ein bisschen zu kurz kommen. Und genauso war das mit Shahabedin, als ich ihn kennenlernte.

    BHFI: Und wie muss ich mir das denn vorstellen, bist du auf Shahabedin zugegangen und hast gesagt „Hallo, ich bin Axel“?

    Shahabedin: Nein, das war nicht so. Wir hatten immer donnerstags ein Gespräch mit unserer Betreuerin. Axel war in unserem Kreis eingeladen und wir konnten ihn alle kennenlernen.

    Axel: Ich habe einfach versucht, mit Shahabedin irgendwie zu reden. Er konnte ein bisschen Englisch.

    Shahabedin: Mein Englisch war ja nicht so gut, ich habe meistens den Translator von meiner Muttersprache in Englisch genutzt.

    Axel: Eigentlich habe ich mehr mit dem Smartphone gesprochen als mit Shahab. (Beide lachen immer noch sehr über dieses erste gemeinsame Erlebnis.) Ich habe mich neben ihn gesetzt und wir haben dann versucht, mit Händen und Füßen zu reden. Und dann haben wir uns für die folgende Woche zum Spazierengehen verabredet.

    Shahabedin: Ich musste mit den Betreuern fast sechs Monate mit Händen sprechen. Wir hatten immer samstags in der Kollaustraße Unterricht, aber das war nur eine Stunde. Und das war mit 20 Leuten so laut und man konnte nicht so richtig lernen. Auf meinen Deutschkurs habe ich fast zwei Monate gewartet. Aber nach sechs Monaten konnte ich dann schon ein bisschen was sagen.

    KEIN „NORMALER“ AFGHANE

    Axel: Für Shahabedin kam noch die Schwierigkeit dazu, dass er ein usbekischer Afghane ist und das ist eine andere Sprache als das „normale“ Afghanisch. Es gibt keinen einzigen Dolmetscher hier in Hamburg für dieses usbekische Afghanisch. Das erste halbe Jahr wurde ihm immer gesagt: Du bist doch Afghane, unterhalte dich doch mit den anderen Afghanen. Aber das konntest du gar nicht.

    BHFI: Wie war das denn für dich, Shahabedin? Da kommt ein Deutscher und sagt, ich habe Interesse daran, dich zu unterstützen.

    Shahabedin: Ich habe am Anfang gedacht, Axel ist eine Person vom Amt. Er will irgendwas rausnehmen (verbessert sich) ich meine, rauskriegen, habe ich gedacht. Aber ich habe mir gesagt, egal. Bis hierher habe ich es geschafft und das ist eine weitere Chance. Ich habe gedacht, Hauptsache, ich bin in Deutschland.

    Ich glaube, vielleicht das war für Axel auch schwer, das erste Mal mit einem Flüchtling Kontakt zu haben. Für uns ist es auch nicht einfach, wenn ein Deutscher so einfach kommt, um dann Kontakt zu machen. Für beide Seiten ist es nicht einfach. Und danach ist es wie Familie gewesen. Und jetzt bin ich offen mit Axel, offen wie mit meiner Familie.

    BHFI: Ihr kennt euch jetzt drei Jahre?

    Shahabedin und Axel wie aus einem Mund:

    Nein, fast vier Jahre. (Sie strahlen sich beide an)

    Axel: Er hat mir so viele Sachen von seiner Heimat erzählt, die ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte. Usbekisches Afghanistan ist der oberste Norden von Afghanistan, zehn Stunden von der Hauptstadt Kabul entfernt. Eine wirklich ganz andere Welt.

    BHFI: Kannst du ein Beispiel nennen?

    Shahabedin: Ich hatte keine Chance richtig zur Schule zu gehen, das war einfach nur ein Dorf und es gab keine Möglichkeiten. In Deutschland gibt es auch Dörfer, aber man kann alles finden. Alle müssen zur Schule, es gibt ein Krankenhaus. Aber bei uns, muss man in ein anderes Land oder in eine andere Stadt gehen, wenn man krank wird. Und es war einfach sehr gefährlich. Wenig Sicherheit, es war nicht so einfach.

    Axel: Also eigentlich ist deine Geschichte sehr… (guckt ihn fragend an), darf ich die Geschichte in zwei Sätzen erzählen? (Shahabedin nickt) Also eigentlich hat Shahabedin mit seinem couragierten Verhalten einen Terroranschlag verhindert im Regierungsviertel in Kabul. Dadurch, dass er geflüchtet ist, konnten die Taliban diesen Anschlag nicht ausführen. Sie haben deshalb ein großes Interesse, ihn zu finden. (Lange Pause)

    Das ist der Hintergrund. Deswegen musste er weg. (Wendet sich zu ihm:) „Als du weg musstest, wusstest du gar nicht, was Europa ist“.

    Shahabedin: Ich wusste nicht, wohin ich gehen werde. Ich bin einfach mitgefahren. Nach fast vier Monaten bin ich in Deutschland angekommen. Es war um zwölf Uhr in der Nacht und es hat nur geregnet. Ich wusste nur, ich bin in Hamburg und dann sind zwei Polizisten gekommen. Es war alles geschlossen wegen Silvester, und sie haben mich in eine Wohnung gebracht. Silvester 2015 habe ich in dieser Wohnung erlebt.

    Ich habe nur aus dem Fenster geguckt und wusste nicht, was das ist, was da los ist. Aber ich war ja im Zimmer in Sicherheit und nicht draußen. Bei uns in Afghanistan ist es so, wir hören immer die Anschläge jeden Tag. Aber hier feiert man so… Diese Geräusche sind für uns nicht so schön. Wir haben das viel in der Kindheit gehabt.

    Ein anderes Beispiel ist Wasser. Ich wohne in Blankenese. Und viele sagen, oh, an der Elbe. Aber das ist für mich nicht interessant. Ich habe im Wasser nichts Schönes erlebt. Ich war auf der Flucht im Wasser. Das Boot war kaputt und ich war drei Tage im Wasser, ohne Trinken, ohne alles. (Lange Pause)

    Ja, das vergisst man nicht, ich versuche es zu vergessen. (Lange Pause)

    Wir machen eine Pause, trinken Tee, reden ohne Mikrofon.

    NEUES LAND, NEUE SPRACHE, NEUE SCHULE

    BHFI: Ich würde gerne ein bisschen von deiner Geschichte weiter hören: Sechs Monate Deutschkurs und dann Schule.

    Shahabedin: Zum ersten Mal jetzt in einer fremden Sprache Schule. Ganz fremd, ich konnte doch so wenig. Und dann hat Axel ganz viele Sachen organisiert. Ich habe eine Nachhilfe mit Lukas. Wir treffen uns immer freitags zum Lernen. Eigentlich wohnt Lukas in Berlin, aber er studiert hier und hilft mir so viel.

    Axel: Als ich merkte, dass Shahabedin da Hilfe braucht, ich aber nicht so der tolle Nachhilfelehrer bin, bin ich zu den Schülerpaten.***  gegangen. Lukas hat ja gesagt und seitdem haben wir das Thema Nachhilfe gut im Griff. Seit zwei Jahren arbeitet er jetzt mit ihm.

    Shahabedin: Lukas studiert Bauingenieur in der Uni. Das ist nicht einfach, und trotzdem macht er mit mir drei Stunden. Deswegen habe ich meinen Abschluss so gut geschafft. Wegen ihm habe ich eine gute Note bekommen in Englisch. Er war drei Jahre in Australien und kann gut Englisch und jetzt brauche ich das auch in der Berufsschule. Letzte Woche war ich bei ihm, ich wollte eine Präsentation machen auf Englisch. Dann hat er eine Stunde ein Rollenspiel gemacht, auf Englisch. Ich war Arzt und er war Patient.

    BHFI: Wenn du jetzt in der Ausbildung bist, schließe ich daraus, du hast die Schule gut gepackt.

    Shahabedin: Ja, die Schule habe ich mit einem Durchschnitt von 2,1 geschafft (beide total stolz). Es war für mich nicht einfach. Englisch und Mathematik habe ich alles bei null angefangen. Ein deutscher Schüler kann zehn Jahre zur Schule gehen, und ich musste das hier in zwei Jahren schaffen. In Afghanistan bin ich zu keiner richtigen Schule gegangen.

    Axel: Er hat mir das mal erzählt. Das war ein Raum für alle Schüler, egal wie alt, alle auf dem Fußboden und dann kam irgendjemand vorbei und hat ein bisschen Unterricht gegeben. Die einzige Qualifikation, die der da vorne haben musste, er musste auch acht Jahre in diesem Raum gewesen sein. Dann war er automatisch Lehrer.

    Shahabedin: Und jetzt in der Berufsschule, mit meinen Klassenkameraden, die haben Abitur oder meistens Realschulabschluss und ich bin dabei!! (Er sagt es mit sehr viel Nachdruck.)

    BHFI: Welche Ausbildung machst Du jetzt?

    Shahabedin: Ich mache jetzt Zahnmedizinischer Fachangestellter und später will ich weiter… (ein bisschen zögerlich, aber doch bestimmt).

    Axel: Ich habe einfach meinen Zahnarzt gefragt, ob Shahabedin nicht ein Praktikum machen kann.

    Shahabedin: Für meinen Chef war das auch nicht leicht. Da kommt ein Ausländer und weiß nicht, wie so eine Praxis funktioniert. Aber er hat trotzdem Ja gesagt. Dann habe ich erst mein Schülerpraktikum dort gemacht und auch das zweite Praktikum im Sommer und dann, ja… Manche Patienten denken erst, dass ich hier geboren bin. Und sie fragen oder wir unterhalten uns. Dann merken die, dass bei der  Sprache ein bisschen fehlt. Na, ein bisschen viel. Dann fragen sie, wie lange ich in Deutschland bin und dann erzähle ich. Und sie sagen „Das hast du gut gemacht, mach weiter so!“

    DER BERUFSWUNSCH

    BHFI: Gibt es einen bestimmten Grund, warum du ausgerechnet diesen Beruf gewählt hast?

    Shahabedin: Dort, wo ich herkomme, gibt es keinen Zahnarzt und es war schwer, in ein Krankenhaus zu kommen. Deswegen habe ich gesagt, irgendwie will ich mit Patienten und Medizin arbeiten. Ich möchte in einer Zahnarztpraxis arbeiten. Das war mein Wunsch. Später, wenn ich Abitur machen kann, kann ich da weitermachen. Es gibt viele Möglichkeiten. Aber erst wollte ich jetzt diese Ausbildung machen. Ich hätte auch weiter zur Schule gehen können. Meine Noten waren nicht so schlecht. Aber trotzdem habe ich gesagt, mache ich eine Ausbildung, das ist besser, auch wegen Asylantrag und so (guckt zu Axel)?

    Axel: Ja, das war der andere Grund, es ist halt einfach sicherer, wenn man eine Ausbildung macht.

    Shahabedin: Ich habe eine Ablehnung bekommen und ja, …

    Axel: Wir mussten zweieinhalb Jahre warten. Er hat das erste Mal eine Ablehnung bekommen, weil das Bundesamt ihm nicht geglaubt hat. Und das war eine ganz, ganz schlimme Situation. Ich war mit bei dieser Anhörung dabei. Jeder Geflüchtete kann eine Vertrauensperson benennen, und ich war dabei.

    Das war eine ganz, ganz schlimme Erfahrung dort, diese Befragung, dieses Verhör, kann man schon sagen. Sie haben ihm nicht geglaubt, aber wir wussten ja, dass seine Geschichte stimmt und haben dann Klage eingereicht. Vor einem Monat, also jetzt im November 2018, waren wir vor dem Verwaltungsgericht, und dann hat die Richterin noch im Gerichtssaal gesagt, dass er Schutz bekommt. Alles haben sie jetzt geglaubt und es war bewiesen. (selbst jetzt noch, beide atmen hörbar auf, als sei es gestern gewesen). Aber zweieinhalb Jahre mussten wir echt zittern und es war eine schwere Zeit.

    EINFACH WIE FAMILIE!

    Shahabedin: Als ich meine Ablehnung bekommen habe, habe ich gesagt: Egal, Hauptsache ich bin in Deutschland, in Sicherheit, ich mache einfach weiter, sonst hätte ich weder Ausbildung noch Schule geschafft.

    Axel: Er war echt sehr stark. Gut, aber es gab immer mal Tage oder Abende, wo wir ihn wieder ein bisschen aufbauen mussten, wenn er bei uns war. (Zu ihm gewandt) „Manchmal hattest du so Nächte, die waren nicht gut, aber wir haben es irgendwie immer wieder geschafft, dass du am nächstenTag zur Schule gegangen bist und dann immer weiter, weiter“.

    Shahabedin: Wie Familie …

    Axel: Das war mir auch ganz wichtig, gerade auch nach der Ablehnung, denn ich wusste ja, dass seine Geschichte stimmt. Mich hat das auch so geärgert, ich war so wütend. Na, ja und dann haben wir so diese zweieinhalb Jahre gemeinsam durchgestanden. Und im Gerichtssaal, da war außer mir auch noch ein kleiner Fanclub mit, das war am Ende sehr schön.

    BHFI: Ich kann mir vorstellen, das war der größte Moment, als die Richterin sagte …

    (Beide können gar nicht so richtig antworten, die Gesichter sprechen einfach Bände.)

    Shahabedin: Jetzt kann ich auch Führerschein machen. Jetzt geht das alles mit dem positiven Bescheid.

    Axel: Er durfte sich ohne dieses Dokument bei der Fahrschule anmelden und auch das Seminar machen. Aber um eine Prüfung zu beantragen, brauchte er jetzt dieses Dokument. Und das hat er jetzt seit zwei Wochen. Da hängt einfach viel dran.

    BHFI: Jetzt kommen die guten Nachrichten hintereinander weg.

    (Es wird viel gelacht während dieses Interviews, die große Erleichterung ist so spürbar.)

    Shahabedin: Ich habe so viel Glück gehabt, dass ich Axel kennengelernt habe. Wenn ich das mit anderen Flüchtlingen vergleiche, die haben es so schwer, eigentlich wenig Chancen. Es ist schwer, so eine Person wie Axel zu finden. Aber man muss sich halt auch selbst Mühe geben und trotzdem braucht man Unterstützung im fremden Land, ohne Sprache, das ist nicht einfach.

    BHFI: Ja, normalerweise geht ganz viel über Sprache, wenn man jemanden kennenlernt. Und hier hat man nur das Gefühl, will ich dem trauen oder nicht.

    Axel: Und wenn man dann die ganze Vorgeschichte sieht von Shahabedin, die Gründe der Flucht, das war alles hochdramatisch. Auch die Flucht selbst – er war mehrfach in Lebensgefahr– und kommt dann nach Deutschland, nach Hamburg. Dann ist es schon schwer, Vertrauen zu überhaupt irgendjemanden zu finden.

    VON POMMES ZUM ESSEN FÜR FREUNDE

    Shahabedin: Aber jetzt ist Axel meine Familie, ich kenne seine Familie, seine Freunde. Ich bin ein Teil von Axels Familie. Ich habe mit ihnen Kontakt, ich übernachte bei ihm. Und wenn ich einmal Stress habe, dann habe ich jemanden, dem ich das sagen kann. Hauptsache wir sind zusammen und können reden miteinander.

    BHFI: Jetzt musst du mir nochmal was zum Kochen erzählen. Also Pommes Frites am Anfang, aber das ging ja nicht die ganze Zeit.

    Shahabedin: Ich kann jetzt vieles. Ich erzähle jetzt über Lukas. Lukas ist vegan. Er isst kein Fleisch, keine Milch, keine Milchprodukte und so. Wenn er zu mir kommt, dann gucke ich im Internet. Indisches Essen ist meist ohne Fleisch. Manchmal kommt seine Freundin mit und dann kochen wir. Erstmal lernen wir zwei oder drei Stunden und dann essen wir zu dritt. Letzten Donnerstag war ich bei ihm und da haben wir auch was Veganes gekocht. Aber für seine Freundin mache ich afghanischen Reis mit Köftka (Hackfleischklößchen).

    Axel: Shahabedin sagt jetzt so einfach „und dann mache ich den Reis dazu“. Aber er macht den besten Reis der Welt. Sowieso ist afghanischer Reis superlecker, und wenn Shahabedin ihn macht, dann ist unten im Topf immer so eine kleine Schicht, die ein bisschen knackig und härter ist und eben total lecker schmeckt.

    Und die Gerichte aus diesen Ländern – er kann auch die ganzen Sprachen aus diesen Ländern. Also er kann indisch, er kann türkisch, er ist echt ein Sprachtalent. Wir waren kürzlich beim Inder gemeinsam essen und er spricht mit den Indern, genauso wie er mit den Afghanen und den Persern spricht und den Türken.

    Shahabedin: Bei uns ist türkisch praktisch wie indisch. Nicht so ganz, aber kann man verstehen. In der Kollaustraße waren zwei Betreuer aus der Türkei, da habe ich türkisch gesprochen. Und Dari habe ich einfach auch in Deutschland gelernt. Und jetzt kann ich das alles wieder. Aber Deutsch ist nicht einfach, die anderen Sprachen habe ich leichter gelernt. Die deutsche Sprache ist schwer.

    BHFI: Wir machen hier dieses Interview zusammen, ich gebe mir keine Mühe, langsam zu sprechen, …

    Shahabedin: Ich verstehe alles, aber ich mache trotzdem so viele grammatikalische Fehler. Und jetzt in der Berufsschule bekommen wir die Unterlagen wie alle anderen Klassenkameraden auch. Das sind Deutsche, die verstehen natürlich alles. Aber wir haben keine Grammatik oder Deutschunterricht, wir lernen wie normale Berufsschüler. Eigentlich wollte ich noch einmal einen Deutschkurs besuchen, um noch besser zu werden, aber ich schaffe es zeitlich nicht. Ich arbeite von 8 bis 18 Uhr. Dann habe ich Nachhilfe. Dann ist die Zeit vorbei.

    WENN IHR VOR PUBLIKUM WÄRT?

    BHFI: Ich möchte noch eine Schlussfrage stellen. Bitte stellt euch vor, wir hätten hier jede Menge Publikum. Was würdest du zu dem Publikum sagen, was wirklich wichtig ist, was ihr zukünftigen Tandems empfehlen würdet.

    Shahabedin: Viele deutsche Menschen haben Angst, dass wir vielleicht etwas Schlimmes machen. Aber so stimmt das nicht. Zum Beispiel gibt es von tausend Leuten einen Schlimmen, aber alle anderen sind ganz normale Menschen. Manchmal bin ich in der U-Bahn, und ich sitze neben jemanden und der steht auf und setzt sich auf die andere Seite. Ich bin nicht so ein anderer Mensch, aber solche Menschen gibt es auch.

    Aber das muss man akzeptieren. Die hören in den Nachrichten etwas Schlimmes über Ausländer und die denken, alle sind so. Aber das stimmt nicht. Für die Leute, die nach Deutschland kommen ist es schwer, wenn man in einem Jahr alles schaffen soll. Es ist so eine andere Kultur, da muss man helfen, einen Weg zu finden.

    Ich kenne so viele Menschen, meine Freunde, die studieren hier und machen eine Ausbildung. Es ist doch auch für Deutschland das Beste, wenn man einem Jungen oder Mädchen den Weg organisiert, eine Ausbildung zu machen. Hier in Deutschland haben wir viele Berufe, für die es keine Mitarbeiter gibt. Zum Beispiel in der Altenpflege. Wir brauchen Menschen, die eine solche Ausbildung machen. Wenn man das will, dann muss man das unterstützen.

    Axel: Shahabedin konnte ganz viel alleine machen, aber es gab immer so kleine Momente, wo er dachte: „Wie soll ich das jetzt noch schaffen?“ Und dann war ich zur Stelle und das ist auch schön, wenn man sieht, man muss nicht riesig was organisieren und trotzdem hilft man einem anderen Menschen entscheidend weiter, wirklich entscheidend. Und es ist kein großer Zauber. Einfach nur, was Shahabedin ja vorhin schon sagte, einfach nur dieses reden, was mich als Pate auch extrem vorangebracht hat, den Horizont erweitert hat, das ist unglaublich.

    Shahabedin: Ich wusste überhaupt nicht, wie das geht, diese Kultur in Deutschland. Ich habe so viele Informationen bekommen und jetzt weiß ich viel. Und Axel weiß auch über Afghanistan über meine Kultur, wie das alles läuft. Das finde ich auch gut.

    BHFI: Vielen herzlichen Dank.

    Dieser Artikel wurde auf BHFI veröffentlicht.

     

  • Hallo miteinander

    Hallo Anna,

    Heute habe ich einen Termin mit einem „Bio“ Deutschen, meine Verlobte war auch dabei. Als wir ihn gesehen haben, hat sie ihre Hand ihm gegeben. Aber er lehnte ab, und er hat gesagt „Seit Corona kam, grüße ich niemanden mehr mit der Hand.“ Ich habe das nicht verstanden. Und die Frage war, ob ich das akzeptieren sollte, obwohl ich es nicht verstehe, oder ob ich es erst verstehen sollte und danach das akzeptieren? Das ist worüber wir nachdenken sollten.*

    Wir haben seine Entscheidung total akzeptiert, ohne sie zu verstehen, weil das seine Entscheidung war und weil wir in einem demokratischen System leben und jeder Freiheit hat. Aber es erinnert mich an eine andere Diskussion…

    Wir hätten ihm auch sagen können, dass wir in Deutschland leben und dass Herr de Maizière uns die deutschen Werte erklärt hat. Wie er gesagt hat, ist ein sehr wichtiger deutscher Wert, dass wir mit der Hand in Deutschland grüßen und alle Leute, die in Deutschland leben, auch dazu zwingen. Und eigentlich sollte die Bild Zeitung sofort darüber berichten, dass jemand nicht die Hand gibt und die Debatte über diese respektlose Art nochmal anfangen.

    Die Debatte wäre dann, dass alle „Bio“ Deutschen die nicht mit der Hand grüßen, gegen unsere Werte sind. Dann sollten sich schnell auch die Politiker dazu äußern, damit der Bundestag noch diesen Monat versucht ein neues Gesetz zu machen und alle Leute, die hier nicht die Hand geben, ihren deutschen Pass verlieren…

    Diese Geschichte könnte so passieren, aber die Frage ist, warum sollte es so sein? Warum sollten wir nicht einfach die Entscheidung von allen Leuten akzeptieren und Toleranz üben?

    Hallo Hussam,

    Ich denke, das Motiv war in dieser Situation ein besonderes… es geht darum, sich (und andere) vor einer Krankheit zu schützen. Trotzdem gebe ich dir Recht: Man misst in Deutschland oft mit zweierlei Maß. Sobald es um Religion geht – und hier vor allem um den Islam – sind viele Leute sehr empfindlich. Dabei geht es oft um Symbole.

    Nicht die Hand zu geben wird als Respektlosigkeit, v.a. gegenüber Frauen gewertet. Das Problem ist, dass sich die meisten Menschen aber nicht wirklich mit der Stellung der Frau im Islam befassen wollen. Nein, man beseitigt einfach die Symbole, indem man z.B. dafür sorgt, dass alle sich brav die Hand geben. Denn sonst wäre man sehr schnell an dem Punkt, wo man sich generell mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern beschäftigen müsste. Und dann wird es unbequem.

    Hallo Anna,

    Ja du hast recht. Ich hatte diese kleine Geschichte auch auf Facebook veröffentlicht und habe dort ein paar Kommentare bekommen, dass man nicht zwischen Äpfeln und Bananen vergleichen kann. Aber hier möchte ich nicht vergleichen, sondern Fragen stellen. 

    Die Frage hier ist nicht was die Motivationen sind, aber wie ich (oder du) mit diesem Thema umgehen? Ich frage mich, wann wir Toleranz gegen andere Werte, von anderen Kulturen zeigen sollten? Warum sind wir so sensibel wenn es um andere und andere Kulturen geht? Ist die Angst das Problem, oder die Unwahrheit, oder Vorurteile, oder… ? 

    Hallo Hussam,

    Stimmt, die Frage, wie man damit umgehen kann, ist wirklich nicht einfach. Ich wäre auch vor den Kopf gestoßen, wenn mir jemand den Handschlag verweigert, weil ich eine Frau bin. Aber: Man kann entweder vom Besten oder vom Schlechtesten im Menschen ausgehen. Mein Gegenüber könnte ein Frauenhasser sein.

    Oder er ist einfach mit bestimmten Werten aufgewachsen, für die er erstmal nichts kann. Werte kann man reflektieren und darüber diskutieren. Das funktioniert aber nicht, indem ich jemanden zum Handschlag zwinge! Sondern nur, indem man sich kennenlernt und miteinander spricht. Oder was denkst du? Was wäre eine gute Lösung?

    Hallo Anna,

    Die Lösung sollte von beiden Seite kommen. Toleranz und Respekt füreinander. Meine Werte sind nicht wichtiger als deine Werte.

    Oder, was sagt ihr dazu?

    *Seit dem Ereignis sind ein paar Wochen vergangen. Heute ist es selbstverständlich, sich in der aktuellen Lage nicht mehr die Hand zu geben, sondern Abstand zu halten. Natürlich auch für uns.

    Diese Diesig hat mit Anna Heudorfer  geschrieben.

  • Wer sind die Flüchtlinge?

    Das Land hat sich verändert, was auch zu einer politischen Spaltung führte. Anfangs konzentrierte die Politik sich darauf, die Geflüchteten sicher in Deutschland unterzubringen. Schon das war eine große und nur schwer zu bewältigende Aufgabe. Jetzt müssen wir das Zusammenleben lernen.

    Flüchtlinge waren überall: Im Osten, Westen, Norden und im Süden. Die Bahnhöfe, die Turnhallen und die Camps waren voll. Sogar das Open-Air Flüchtlingslager mitten in Berlin war voll. In jeder Straße sah man Dutzende von ihnen. Für die meisten Deutschen waren wir alle gleich und hatten nur einen Namen: Asylsuchende.

    Was uns unterscheidet

    Ich war einer von diesen Menschen. Aber wer sind sie wirklich, die Flüchtlinge? Es gibt keine klare Definition von Flüchtlingen. Wir unterscheiden uns in unseren Traditionen, unserer Kultur, der ethnischen Zugehörigkeit und in der Religion. Wir haben unterschiedliche politische Orientierungen, Lebensstile, Akzente, Sprachen, Körpergröße und Augenfarbe. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Als nicht-religiöser Syrer und sunnitischer Muslim musste ich 2015 mit 9 unterschiedlichen und mir völlig fremden Personen in einem Zimmer schlafen. Davon waren zwei jesidische Kurden, einer Schiit aus Afghanistan, zwei Christen aus Syrien, einer aus Somalia und sogar einer aus Albanien. Von den übrigen zwei wusste ich die Nationalität nicht, da sie kein Englisch sprachen.

    Was uns verbindet

    Wir waren wie ein Salat in einer Schüssel. Ich lernte während meines Aufenthalts in der Unterkunft Gebärdensprache. Wir waren wirklich multikulti. Hinter jedem Flüchtling steckt eine Geschichte und diese Geschichten des Krieges, des Schmerzes bringen uns zusammen. Die traurige Asylreise von der Flucht bis zur Ankunft, vom Deutschlernen über die Integration bis zur Arbeitssuche bringt uns als Flüchtlinge zusammen. Die Warteschlange vor der Ausländerbehörde und dem Jobcenter macht uns ohne Zweifel zu Gleichgesinnten. Abends weinen wir, weil wir unsere Verwandten, Eltern, Familien vermissen und dann träumen wir schlecht. Die Flucht ist weder Option noch Traum. Als mich meine Lehrerin in der Schule fragte, was ich einmal werden will, war meine Antwort Pilot .Ich habe nicht geantwortet, dass ich ein Flüchtling im Traumland Deutschland sein will.

    Was euch mit uns verbindet

    Habt ihr einen von diesen Flüchtlingen getroffen? Habt ihr mit ihnen geredet? Ich bin sicher, dass ich die Hälfte der Unterhaltung bereits kenne, obwohl ich das Gespräch nicht gehört habe. Die Flüchtlinge sind traumatisiert. Sie haben schlimme und schöne Erinnerungen an die Heimat. Außerdem stehen sie hier unter Druck. Viele sind auf der Suche nach einer Wohnung, weil sie keine Lust haben, im Heim mit neun Personen in einem Zimmer zu leben.

    Ich kenne viele, die davon träumen, ihre Kernfamilie (Ehefrau und die Kinder) nachholen zu dürfen. Etliche nehmen an den Sprachkursen teil. Viele absolvieren Praktika und leisten alles Mögliche, um den richtigen Weg in Deutschland zu finden. Viele haben jetzt Arbeit und zahlen Steuern. Nach 5 Monaten in Deutschland war ich beim ZDF und ich wurde gefragt, was ich in Deutschland machen will. Meine Antwort war: „Ich will Steuern zahlen!“ Nach zwei Jahren Steuern zahlen darf ich mich ein bisschen beschweren: Die Steuern sind sehr hoch in Deutschland.

    Sowohl die Geflüchteten als auch die Deutschen kommen mit viel Neuem und Fremdem in Berührung. Daher verstehe ich die Ängste der Deutschen. Sie fürchten Islamisierung, Extremismus und Terrorismus und eine mögliche Veränderung der Lebensweise in Deutschland. Diese Ängste und die zukünftigen Herausforderungen müssen gemeinsam und frühzeitig angegangen werden. Wir müssen gegenseitigen Respekt voreinander zeigen und Toleranz lernen und üben. Die Kinder der Migranten müssen die deutschen Gesetze und die Verfassung als die wichtigste Grundlage des Zusammenlebens in Deutschland verstehen. Denn Deutschland wird ihre Heimat sein.

  • An einem Tag in der Mensa

    Ein Mädchen stellte sich neben mich und schaute auch auf die Karte. Ich schätze, sie war eine Studentin. Wir sind gleichzeitig weggegangen. Sie lief vor mir. Plötzlich habe ich gemerkt, dass sie mich aus den Augenwinkeln anschaute und nervös weiterlief. Da habe ich sofort vertanden, dass sie denkt, dass ich sie verfolge. Mir ist bewusst, dass ich schwarze Haare und einen dunklen Hautteint habe. Sie dachte wohl: „Was macht dieser Flüchtling?“ oder „Warum verfolgt er mich?“.

    Sie lief durch die erste Tür des Gebäudes, wo sich die Mensa befindet. Dort bin ich auch hineingelaufen. Ich merkte, sie war irritiert, dass ich in die gleiche Richtung ging. In der Schlange der Mensa stand ich hinter ihr und wartete, um einen Kaffee zu bestellen. Ich habe Angst in ihren Augen gelesen. Sie fragte sich sicherlich: „Warum verfolgt er mich?“ und „Was macht er in der Mensa?“.  Sie stand noch neben mir, während sie auf ihre Bestellung wartete. Dann kam ich an die Reihe.

    Der Mensa-Angestellte fragte mich, was ich wolle und ob ich Student sei oder den normalen Preis bezahle. Ich erwiderte, dass ich kein Student sei. Das Mädchen hörte, was ich sagte. Als ich zu ihr schaute, sah ich große Angst in ihren Augen. Sie setzte sich an einen Tisch. Ich mich auch, an den gewohnten Platz meines Treffpunktes fürs Deutschlernen. Während ich saß, habe ich mir gedacht, dass ich mich ganz normal und wie üblich benehmen sollte.

    Ich sagte mir, dass ich in Deutschland bin. Es tut mir wirklich leid, dass sie so empfindet. Das kann ich auch verstehen. Trotzdem sollte es mir nicht wichtig sein, was sie denkt, da ich keinen Fehler gemacht habe. Die Hauptsache ist, dass ich ihr nicht schade, ansonsten sollte es mir keine Kopfzerbrechen bereiten.

     

  • Zusammenleben ist nicht schwer!

    Menschen sind ihrer Verschiedenheit gleich

    Menschen werden mit unterschiedlichen Gesichtszügen, Körperformen, Denkweisen und Prioritäten im Leben geboren, aber was uns zusammenhält, ist verstehen, lieben und einander in jeder Lebenszeit zu halten. 

    Das Zusammenleben beginnt bei unserer Familie, geht über Schule, Studium und Beruf. Die bewusste Bindung zu integrieren, miteinander zu kommunizieren und eine freundliche Umgebung in unserer Familie, unseren Freunden und Kollegen zu schaffen – all das wird sich in der Gesellschaft und somit weiter im Land verbreiten.  

    Aneinander annehmen und mit Respekt begegnen

    Toleranz gegenüber dem Anderen ist ein wichtiges Element, um Menschen in einer gastfreundlichen Umgebung zusammenleben zu lassen. Auch wenn wir als Beispiel eine Familie nehmen, ist keines der Familienmitglieder in jeder Hinsicht gleich, aber was sie zusammenleben lässt, ist die Liebe und Akzeptanz, die sie füreinander haben.  

    Ich persönlich fühle mich so gut, wenn ich als Flüchtling eine Reaktion bekomme, dass ich unabhängig von meinem Herkunftsland, meiner Religion, meinen sozialen und politischen Unterschieden, die ich mitbringe, akzeptiert und respektiert werde.

    Das Gefühl der Zusammengehörigkeit schafft Liebe

    Es gibt viele Initiativen von Freiwilligen und gemeinnützigen Organisationen, die sich für die Überwindung bestimmter Probleme einsetzen, und es ist ein willkommenes Zeichen der deutschen Bürger. 

    Jeder Mensch sollte ein Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Land und ein Gefühl der Interaktion miteinander, ohne Hass, entwickeln. Nur dann werden wir dazu in der Lage sein, zusammen zu leben, und der Prozess der gegenseitigen Annahme wird leichter sein

    Übersetzung von Mara Kleinert von Endlich auf Deutsch.

  • Es geht nicht um Dankbarkeit

    Aber es geht nicht um Dankbarkeit. Es geht um den respektvollen Umgang miteinander, nicht zu verwechseln mit Akzeptanz. Akzeptanz ist ein sich über den anderen stellen: „Du hast eine Eigenart, die mir nicht gefällt, aber ich akzeptiere dich.“ Das ist mir zu wenig. Alle Menschen sind Menschen. Als Mensch sollte man Menschen nicht akzeptieren, sondern respektieren, sie achten wie sich selbst. Egal woher jemand kommt, welche Vergangenheit er hat, alle Menschen haben die gleichen unterbewussten Träume und Wünsche. Man möchte in Frieden leben, seine Liebsten nicht verlieren, gesund bleiben, glücklich und ohne Ängste in die Zukunft blicken…

    Ich verstehe die Welt und die Menschen nicht mehr

    Wenn nur jeder sich dieses bewusst machen würde, gäbe es weniger zwischenmenschliche Probleme. Aber zu viele schauen nur darauf, wer am meisten zu bieten hat. Wir befinden uns in einer Zeit, die mir Angst macht. Ich verstehe die Welt und Menschen nicht mehr. Ich suche und weiß nicht, wonach. Weil es mich unendlich traurig macht, wie selbst Menschen, die augenscheinlich alles verloren haben, so wenig Demut an den Tag legen und Menschen wie Gegenstände austauschen, um den eigenen, stetig steigenden Ansprüchen gerecht zu werden.

    Desillusioniert hat mich, dass es Ansprüche sind, durch die Kinder in anderen Ländern verhungern müssen. Diese Rücksichtslosigkeit und permanente Forderung nach immer mehr ist katastrophal. Selbst dem Grauen entronnen ist der Mensch noch in der Lage über Leichen zu gehen, seine Familie zu verkaufen, nur um seinen Status Quo verbessern zu können.

    Es gab eine Zeit, in der mein Herz schwer war, ich nachts oft nicht schlafen konnte. Eine Zeit, in der ich meine Arbeit vernachlässigte, um etwas zu tun, zu helfen. Jahre, viele Jahre. Auch jetzt noch. Und ich spüre, daran zu zerbrechen. Nicht, weil es über meine Kräfte geht. Es macht mein Herz kaputt. Jetzt möchte ich nur noch jedes leidende Kind auf der Welt in den Arm nehmen und mich für die Erwachsenen entschuldigen, sie trösten, schützen.
    Es tut mir leid, dass ich keine rosarote Geschichte erzählen kann. Es wird dem nicht gerecht, wie die Realität aussieht.  Es gibt Ausnahmen. Aber gefühlt werden die weniger. Sollte es einen Gott geben, bitte ich ihn, den Menschen zu zeigen, was sie mit dem Geschenk anrichten, das ihnen gegeben wurde: das Leben und die Liebe.

    Wir alle brauchen Mut und Kraft

    Fraglich ist, wer die Dinge richtig sieht. Es sind individuelle Sichtweisen, geprägt durch Eigenerfahrung und auch Einstellung (die wieder bedingt durch Erfahrung und Charakter oder mentale Verfassung recht fragil ist).
    Ob es förderlich ist, meine Gedanken zu veröffentlichen? Mit niemandem aus meinem Bekanntenkreis oder Umfeld werde ich meine Desillusion teilen. Wir alle brauchen Mut und Kraft, Hoffnung, um positiv nach Vorne zu schauen. Egal, wie sehr das Innere zerfressen ist, Schweigen ist aus Rücksichtnahme und Vernunft der bessere Weg, um es anderen nicht noch schwerer zu machen. Einige befinden sich schon am Abgrund. Was würde bei denen solche Gedanken auslösen?
    Wie auch immer die eigenen Gefühle und Gedanken sind, an erster Stelle steht die Verantwortung.
    In Ihnen habe ich das Gefühl, einen starken Menschen gefunden zu haben, dem beide Seiten bekannt sind. Und die „Anonymität“ hilft zu überbrücken. Dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, es zu lesen, bin ich sehr dankbar. Sie helfen mir damit sehr.

    Heute heißt es wieder „Kopf hoch und lächeln“, obwohl man wahlweise weinen oder sich zurückziehen möchte. Aber 2 Brüder haben sich lange nicht mehr gesehen und so setzt man sich ins Auto, um beide für kurze Zeit zusammenzubringen.
    Mehr kann man leider nicht tun.

    Und einen Tag später: kein Danke. Weder für die  600 km Fahrt, nicht für das bemühende Gespräch mit dem Betreuer des Bruders, noch für das Geld oder Smartphone und schon gar nicht für die Gedanken. Selbstverständlichkeiten, für die man kein überschwängliches Danke möchte. Nur ein kleines Lächeln, ein klein wenig Achtung. Ich möchte nicht die anschliessenden, teils verletzenden, Reaktionen und Sticheleien ausführen. Zurück bleibt die Frage: Warum machst du das? Es ist einer der Fälle, die unter anderem meine Ratlosigkeit und Desillusion speisen.

    Die Ausnahmen lassen mich weiter machen
    Natürlich, es gibt Ausnahmen. Wenn auch in Relation gering, lassen sie mich weitermachen. Mir wurde schon gesagt, ich wäre dumm, weil ich trotz der negativen Erfahrungen weitermache, auch weil ich genau den Menschen weiterhelfe, die nicht nur undankbar sondern respektlos und anmassend mir gegenüber sind.
    Die Hoffnung, dass eine gute Tat mehr bewirkt als schlechte und die Menschen dadurch irgendwann in ihrem Leben Achtung vor anderen lernen, sind wahrscheinlich der Motor. Aber, egal, ob der andere eine Frau ist, eine andere Nationalität hat, ungläubig oder unwissend ist. Respekt und Achtung ist keine Einbahnstraße, dann klappt es auch mit der Integration.

    Zum Thema Integration: dieses Wort und die Grundgedanken zum Thema finde ich irreführend und nicht förderlich. Wer in einer Gesellschaft, Kultur leben möchte, der muss sich nicht integrieren und muss auch nicht integriert werden. Er wird automatisch Teil der Gesellschaft. Willkommener wären mir individuelle Förderungen, die nicht jeden Tag in der Öffentlichkeit hochgepriesen werden müssen, um sich als Gesellschaft selbst zu profilieren.
    Wie gesagt, es sind alles Menschen. Als solcher sollte man sich gegenseitig respektieren und nicht, als hätte der andere irgendeine Krankheit oder eine sich selbst ausgrenzende Erscheinung.

  • Was bedeutet Menschheit?!

    Das höchste Ziel aller Gemeinschaften und Gesellschaften ist es (oder sollte es sein), die Menschen zu schützen (Humanität). Und um die Menschen zu schützen, muss man zwangsläufig auch die geschaffene Natur, in der sie leben, bewahren (Naturalismus).
    Daraus folgt, dass das Schützen der Menschen gleich dem Schützen der Natur ist, also eine Koexistenz zwischen den Menschen und der Natur besteht.
    Es ist auch klar definiert, dass die Menschheit alle Menschen – egal welchem Geschlecht, welcher Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder Glaubensrichtung sie angehören – meint.

    Die Grundsätze der Menschheit

    Gleichheit ist der erste Grundsatz der Menschheit, Brüderlichkeit ist der zweite, Liebe und Freundschaft ist der dritte Grundsatz der Menschheit.
    Unter Berücksichtigung der ersten drei Grundsätze sollte kein Platz mehr für Hass, Diskriminierung und Feindschaft zwischen den Menschen oder in der Menschheit insgesamt bleiben. Es gibt jedoch eine kleine Anzahl von Leuten, die leider zur Familie der Menschheit gehören, die von Hass, Feindschaft, Unwissen, Vorurteilen und Diskriminierung erfüllt sind.

    Die Aufgabe der großen Mehrheit der Gesellschaft ist es, diese von Hass erfüllte Minderheit der Menschen den richtigen Weg zu zeigen und sie aufzuklären. Dies ist auch einer der Grundsätze der Menschheit.
    Im Hinblick auf das höchste Ziel, die „Menschen zu schützen“, ist es unsere Pflicht, Kriege, Feinschaft, Hunger sowie Flüchtlingswellen auf der Welt zu bekämpfen und zu verhindern.
    Den Menschen, die aus Krieg, Leid und Not geflüchtet sind, und bereits bei uns angekommen sind, müssen wir helfen. Wir müssen ihnen ihre menschliche Würde wiedergeben und ihnen ein zu Hause schaffen.

    Daher ist auch der gemeinsame Kampf aller hier lebenden Menschen in Deutschland gegen die Abschiebungen der Menschen (Flüchtlinge) in ihre Herkunftsländer, in denen Krieg herrscht, und in denen ihnen der Tod droht (aktuell Afghanistan) ein absolut gerechtfertigter Vorgang und somit human.

  • Syrische Flüchtlinge bedanken sich in Celle

    Die Akzeptanz der unterschiedlichen Lebensformen ist eine wichtige Grundlage der westlichen Gesellschaft. Wir lieben das Leben in seiner ganzen Vielfalt und sind auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung. Das Recht auf Asyl ist in erster Linie eine humanitäre Frage.

    Eine Initiative mit großer Wirkung

    Die Idee zu unserer Aktion entstand, als wir die wichtige Rolle des deutschen Volkes für die Flüchtlinge erkannten. Viele Deutsche haben sich um uns gekümmert und haben viel Zeit investiert, um uns zu helfen. Diese Initiative ist eine einfache Möglichkeit darauf zu antworten und ihnen für ihre großen Bemühungen danke zu sagen.

    Zum Glück war das Wetter sehr schön und wir konnten am Schloßplatz in Celle alles in Ruhe vorbereiten. Es waren viele Leute dort und wir fanden, dass die deutsche Gesellschaft vielfältig ist. Es gab Leute, die von dieser Idee begeistert waren, welche, die einen Migrationshintergrund haben oder selbst Flüchtlinge sind, sowie solche, die gegen Flüchtlinge sind. Jede Gruppe hat anders reagiert.

    Unterschiedliche Menschen, verschiedene Reaktionen

    Die erste Gruppe waren Deutsche, von denen es zwei Fraktionen gab. Ein Teil der Menschen hatte keine Ahnung und wollte auch nicht wissen, was passiert ist und weshalb wir das machen. Sie lehnten uns einfach ab. Der andere Teil hat sich gefreut und unsere Geschenke gerne akzeptiert. Diese Menschen waren interessiert, fragten, was vorgefallen sei, und wollten mehr Informationen darüber. Sie waren begeistert und haben zu uns gesagt „herzlich willkommen“.

    Die zweite Sorte von Menschen waren jene mit einem Migrationshintergrund. Sie waren auch sehr freundlich und versuchten direkt zu sagen, dass sie auch Flüchtlinge waren. Sie fanden, dass diese Aktion toll ist und Deutschland ein menschliches Land ist, wo alle Leute friedlich leben können.

    Die dritte Gruppe akzeptierte uns nicht. Dabei habe ich einen Mann getroffen, der zu mir sagte: „Sorry, ich kann das nicht akzeptieren, weil ich dafür bin, dass alle Flüchtlinge nach Hause geschickt werden müssen.“ Ich habe ihm dafür gedankt, dass er seine Meinung frei äußert.
    Zwar ist er frei, aber wir sind auch frei. Damals habe ich meinem Gott gedankt, dass wir in Deutschland leben, wo die Meinungsfreiheit ein Teil des Gesetzes ist.

    Zum Schluss gab es leider auch Leute, die uns Geld geben wollten. Was schade ist, weil die Idee unserer Gemeinschaft nicht verstanden worden ist.

    Auf dem Bild von links nach rechts:  Karam Kasem, Mais Ibrahem, Tammam Kahil.

kohero-magazin.com