Schlagwort: Zusammenleben

  • Barmherzigkeit als Bewegung des Herzens – Teil 2

    Barmherzigkeit – was bedeutet das für das Leben von Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt? Für eine zweiteilige Weihnachts-Reportage hier im kohero Magazin sind wir dieser Frage nachgegangen. Mit weiteren Stimmen aus verschiedenen Ländern wird in dieser Ausgabe der gestern begonnene Beitrag fortgesetzt.

    So unterschiedlich die hier gesammelten Erfahrungsberichte auch sein mögen – deutlich wird dabei immer wieder, wie Barmherzigkeit zu spürbaren und wirksamen Veränderungen führt. Denn es geht dabei nicht nur um fromme Wünsche oder gute Gefühle. Ganz konkret fordert Barmherzigkeit zum Handeln und Helfen heraus. Sie sensibilisiert die Sinne für die Bedürfnisse von Körper und Seele und macht einen Unterschied inmitten von lebensfeindlichen und zerstörerischen Einflüssen und Bedrohungen.

     Unterdrückung und Terror sind unbarmherzig

    Bei Tee und Kerzenschein habe ich mich mit Sajad Allah Dad im Advent dazu ausgetauscht. Seine Kindheit hat er in Afghanistan verbracht. Es folgten viele Jahre im Iran. Schließlich die Flucht. Seit 2011 lebt er nun in Deutschland.

    Barmherzigkeit, so seine Überzeugung im Rückblick auf mehr als 40 Lebensjahre, ist unverzichtbar für unser Zusammenleben. Gerade in schwierigen Situationen hat er im Miteinander von Menschen immer wieder erlebt, was es heißt, Not zu teilen, Hilfe anzunehmen und andere zu unterstützen: in Afghanistan und im Iran, auf der Flucht und schließlich in Deutschland. Es sind vor allem die persönlichen, oft überraschenden Begegnungen, die ihm da einfallen. Und die sich selbst in der größten Bedrängnis unvermutet ereignen können.

    Zugleich kennt er aber auch die andere Seite. Wo Unterdrückung und Terror, Egoismus und Machtgier die Oberhand gewinnen, wo Religion durch Gewalt entstellt und missbraucht wird – da zeigt das Leben seine grausamen und unbarmherzigen Seiten. Dennoch, so glaubt Sajad, bleibt Barmherzigkeit immer und überall eine Möglichkeit, die Gutes bewirkt und Veränderungen anstoßen kann – von Mensch zu Mensch.

    Barmherzigkeit ist eine Bewegung des Herzens

    Für Gino Victor Ruoso ist Barmherzigkeit ebenfalls eine elementare und unverzichtbare Erfahrung – aktuell ganz besonders vor dem Hintergrund der Corona-Krise. Er ist in Deutschland geboren, lebt aber schon seit seiner Kindheit in Italien. Unter dem Eindruck der Ereignisse dieses Jahres ist ihm Barmherzigkeit umso intensiver als Wert, Sinn und Sehnsucht bewusst geworden. Er berichtet:

    Ich bin fest davon überzeugt, dass Barmherzigkeit das wichtigste Wort der Welt ist: Alle wichtigen religiösen Kulturen des Planeten haben es aufgenommen und laden dazu ein, es zu praktizieren. Barmherzigkeit ist eine Bewegung des Herzens. Es ist ein Weitwerden der Seele, um den anderen mit seiner Verletzlichkeit willkommen zu heißen.

    Gerade dieses Jahr hat es sich mehr denn je als notwendig erwiesen, sich dem täglichen Leiden zu nähern, das durch die Pandemie verursacht wird: wie viele Tränen, wie viele vorzeitige Todesfälle, wie viel Schmerz nach dem Tod für diejenigen, die gesehen haben, wie ihre Lieben weggenommen wurden, ohne sie überhaupt verabschieden zu können.

    Ohne Barmherzigkeit würde ich mich leer fühlen

    Ich weiß nicht, ob ich es in diesen harten Monaten genug geübt habe, aber ich weiß, dass nur Barmherzigkeit mir geholfen hat, mein Urteilsvermögen nicht zu verhärten, Meinungen beiseite zu legen und zumindest ein wenig in Wissenschaft und Politik zu vertrauen. Damit immer weniger Menschen der Gefahr ausgesetzt sind, krank zu werden.

    Ich habe in diesen Monaten viele verschiedene Gefühle erlebt. Aber nur Barmherzigkeit möchte ich bewahren. Angst, Wut, Zweifel können ohne wirklichen Verlust verschwinden. Aber ohne Barmherzigkeit würde ich mich leer fühlen. Ich weinte mit meiner Familie über herzzerreißende Szenen, die wir gesehen haben. Und trauerte um Menschen, die gegangen sind. Ich habe mich freiwillig engagiert, um so viel wie möglich zu helfen und versucht, das Beste herauszuholen, um die langen Wochen im Haus zu ertragen. Aus Mitgefühl für die Schwächsten unserer Familie: die Kinder, Enkelkinder, Mutter und Schwiegereltern, die im Alter von 80 Jahre diese ernsten Ereignisse miterleben müssen und so viele Freunde gehen sehen.

    Wir haben uns als Menschen nie nötiger gebraucht

    Engagement und die Bereitschaft, sich zu bewegen, ist auch für Franka-Maria Andoh in Accra/Ghana ganz wichtig – besonders in diesem Jahr – um Barmherzigkeit wirklich erfahrbar werden zu lassen. Sie berichtet:

    Kürzlich hat mir der Französischlehrer meiner Tochter eine Nachricht über WhatsApp gesendet. Es war eine Predigt eines nigerianischen Priesters, der interessanterweise Pater Blessing genannt wurde. Er benutzte zwei Wörter im nigerianischen Pidgin-Englisch, um mitfühlende Menschen zu beschreiben. Er nannte sie Leute mit „sorgenden Herzen“. Jemand mit „sorgendem Herz“, erklärte er, beendet die Dinge nicht mit Worten des Mitgefühls, sondern mit Taten. Es sind engagierte, handlungsorientierte Leute, die dafür sorgen, dass andere in der Not auch wirklich Hilfe bekommen.

    Ich mochte seine Erklärung, genau zur rechten Zeit in einem Jahr, das die Leute so sehr herausfordert. Aber die Frage für mich ist, was wir angesichts der Herausforderungen gelernt haben.

    Auf echtes Mitwirken kommt es an

    Ich kann nur mit meinen Gedanken sprechen: Wir haben uns als Menschen nie nötiger gebraucht. Nicht nur für gesellschaftliche Zusammenkünfte, gemeinsame Vergnügungen oder Arbeit, sondern um mitfühlend, um barmherzig zu sein und uns umeinander zu kümmern. Wenn du ein „sorgendes Herz“ für andere hast, wirst du das tun, was beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einfach erscheint: Du möchtest nicht nur dich selbst schützen, sondern auch andere. Wenn wir ein „sorgendes Herz“ haben, schaffen wir eine Welt, in der wir nicht vorbeigehen, wenn wir jemanden in Not sehen. Wir halten inne, um zu helfen und etwas zu bewirken.

    Wir haben ein Sprichwort in Ghana, das besagt: „Was nützt es, in ein Haus zu kommen, wo ein krankes Kind liegt, und zu fragen, warum das Kind nicht in die Klinik gebracht worden ist.“ Es ist ein Sprichwort, das in der Gemeinschaft ein Empfinden für echtes Mitwirken fördert, statt nur zu beobachten und zu kommentieren.

    Ich glaube, wir alle brauchen ein „sorgendes Herz“, um unsere schöne Welt mit Liebe, Freundlichkeit und Barmherzigkeit zu erfüllen. Ein „sorgendes Herz“, das sich nach vorn wendet, wird den Unterschied in unserem Leben ausmachen.

     

  • Barmherzigkeit als Kompass – Teil 1

    Der Blick zum abendlichen Himmel über dem Hafen führt vorbei an Weihnachtsdeko und Rettungsring: Hoffnungsleuchten und Nothelfer. Erinnerungen an das Schöne wie Verletzliche in diesem Jahr, an erfahrene Bedrohung wie Barmherzigkeit – hier und anderswo, auf der Flucht, in Zeiten der Pandemie…

    Barmherzigkeit? Zum alltäglichen Sprachgebrauch gehört das Wort eher nicht. Mag sein, dass es für einige einen etwas altertümlichen Klang hat. Und manche, die mit der deutschen Sprache noch nicht so vertraut sind, lesen es hier vielleicht zum ersten Mal. Aber von der leisen Kraft der Barmherzigkeit erzählt, darauf gehofft und danach gehandelt – das haben vermutlich sehr viele schon. Denn Menschen verbinden einen reichen Wort- und Erfahrungsschatz mit dem, was Barmherzigkeit bedeutet – überall und in allen Sprachen der Welt.

    Barmherzigkeit – ein Weihnachtswort?

    Barmherzigkeit gehört zu den zentralen Begriffen der Sozialethik und der Religionen. Im Islam, Judentum, Christentum und bei den Bahai wird Barmherzigkeit zugleich als eine herausragende Eigenschaft Gottes angesehen. Und als solche taucht sie in den heiligen Schriften an vielen Stellen auf – besonders auch im Kontext der Überlieferungen rund um die Geburt von Jesus von Nazareth. Barmherzigkeit – ein Weihnachtswort also für das Jahr 2020? Ein Jahreswechselwort in einer Zeit, in der das Leben durch die Pandemie eine weltweite Erschütterung erfahren hat?

    Danach haben wir Menschen in und aus verschiedenen Teilen der Welt gefragt. Für das kohero Magazin waren sie bereit, ihre persönlichen Erfahrungen mit Barmherzigkeit in verschiedenen Lebenssituationen und Regionen der Welt zu beschreiben – hier nun (z.T. ins Deutsche übersetzt) nachzulesen als zweiteilige Sammlung von Geschichten und Gedanken für die Weihnachtstage 2020.

    Barmherzigkeit ist Warmherzigkeit

    Yilmaz Holtz-Ersahin ist einer von ihnen. 1972 in Hinis bei Erzurum (Ost-Türkei) geboren, ist er aufgewachsen in einer kurdisch-armenisch-türkischen Kultur. Seit 1991 lebt er in Deutschland. Auf die Frage nach seinen persönlichen Erfahrungen mit Barmherzigkeit, antwortet er mit einer Erinnerung an das, was er als Kind in seinem Heimatdorf erlebt hat:

    Barmherzigkeit ist Warmherzigkeit und hat in meiner alten Kultur sehr viel mit Wärme und Menschlichkeit untereinander wie auch gegenüber der Natur und allen Lebewesen zu tun. Als ich Kind war, hatten wir nicht so viel, also keine großartigen Produkte, die industriell hergestellt wurden. Wir lebten ohne Strom in den von Kerzenlichtern beleuchteten Flachdachhäusern mit kleinen Fenstern in dem kleinen Wohnzimmer mit Blick auf die hohen schneebedeckten Berge. Wir sehnten uns immer nach der Wärme der Menschen in diesen kalten kargen Landschaften. Denn wir wussten nicht viel über die Vielfalt der Waren, die in Industriegesellschaften glücklich machen. Was uns glücklich machte, war die menschliche Wärme.

    Barmherzigkeit ist eine zärtliche Berührung aus Liebe zu den Kindern, den älteren oder schwachen Menschen. Die Warmherzigkeit war in den Worten zu spüren. Die Geschichten, Märchen, Mythen oder die Überlieferungen, die wir von unseren Großeltern oder Geschichtenerzählern hörten, waren für uns Botschaften der Barmherzigkeit.

    Zwischen dem Guten und dem Bösen unterscheiden

    Natürlich waren nicht alle Märchen oder Erzählungen voller Barmherzigkeit. Es gab darin auch das Böse oder Menschen mit schlechten Absichten. Unsere Aufgabe war es, zwischen dem Guten und dem Bösen zu unterscheiden. Für uns gehörte zur Barmherzlichkeit das Wissen um diesen Dualismus und das Erkennen des Guten.

    In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, haben sich die Dorfbewohner der 50 Häuser in den langen Wintermonaten untereinander versorgt. Wenn einer kein Zucker hatte und der andere viel Tee, haben sie die Sachen untereinander getauscht. Man schämte sich nicht, den Nachbarn zu fragen oder zu sagen: Ich habe nichts zu essen oder keine Kartoffeln. Mir fehlen bestimmte Lebensmittel oder bestimmte Gewürze, Zutaten – was auch immer. Die Dorfbewohner tauschten ihre Sachen, bis der Schnee schmolz und die ersten Blumen sich aus der Erde emporhoben. Es war das Tauschen der Dinge, das Tauschen der Ideen und Gespräche, was diese Menschen glücklich machte.

    Es herrschte in unserem Dorf der Glaube, dass Hasen beziehungsweise Kaninchen heilige Tiere seien, die man nicht jagen oder schlagen, nicht schlachten und essen durfte. Wenn sie sich aus Angst vor den Jägern mit anderem Glauben aus anderen Dörfern von den Bergen retten wollten, sind sie oft in unser Dorf gekommen. Unser Dorf war Zufluchtsort für alle Hasen in dieser Natur. Und wir haben sie gerettet und geschützt.  Das war für uns zum Beispiel auch eine Barmherzigkeit der Natur gegenüber. Natürlich durften diese Jäger nicht in unser Dorf reinkommen, um sie zu jagen. Sie genossen eine Immunität und hatten Schutz.

    Über die eigene Bequemlichkeit hinausschauen

    An ein Erlebnis, das noch nicht so lange zurück liegt, erinnert sich Ellen Lindsey Awuku, eine junge Frau, die in Ghana lebt. Sie erzählt:

    Barmherzigkeit bedeutet für mich, über unsere eigenen Bedürfnisse, Leiden oder Bequemlichkeiten hinauszuschauen und die Bedürfnisse anderer zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, um ein Lächeln auf ihre Gesichter und Wärme in ihre Herzen zu zaubern. Dabei denke ich besonders an eine persönliche Erfahrung mit Barmherzigkeit in diesem Jahr:

    Es gab einen Vorfall Anfang dieses Jahres, ungefähr zur gleichen Zeit, als die Pandemie begann. Ich war in meinem Zimmer, als ich von draußen viel Geschwätz hörte. Also ging ich hin, um einen Blick darauf zu werfen. Draußen sah ich einen Mann, der furchtbar krank aussah und möglicherweise schon seit vielen Tagen hungerte. Er brauchte offensichtlich Hilfe. Aber die Leute kümmerte das wenig. Manche reagierten abfällig, da er als Alkoholiker bekannt war. Ich fragte, warum alle nur dastanden, während der Mann hier dem Tode nahe schien. Die meisten antworteten, dass er es so verdient hätte. Da dachte ich: Das kann nicht sein. Menschen, die in Not sind, müssen unterstützt werden, egal welche Entscheidungen sie getroffen haben.

    Nähe schenken am Ende eines Lebens

    Ich ging zu einem Mann, der Erste Hilfe angeboten hatte, während ich selbst Sicherheitsvorkehrungen traf und holte ihm dann etwas zu essen. Ich rief nach dem Krankenwagen, aber der verzögerte sich. Also rief ich die Polizei an. Aber sie sagten nur, sie sollten ihn ins Krankenhaus bringen, da seine Familie nicht bekannt war. Kein Taxi war bereit, ihn aufzunehmen, weil er so verwahrlost aussah.

    Also suchte ich ein paar Klamotten für ihn zusammen und rief weiter den Krankenwagen. Es war schon ziemlich spät. Also suchte ich für ihn einen Platz zum Schlafen und deckte ihn zu, damit er sich die ganze Nacht über ein wenig warm fühlte. Oft kam ich, um zu sehen, ob es ihm gut ging. Und ich rief weiter nach dem Krankenwagen. Glücklicherweise kam der Krankenwagen dann endlich am Morgen. Leider starb der Mann kurz nach Erreichen des Krankenhauses.

    Es war herzzerreißend, das erleben zu müssen. Denn morgens noch schien es ihm etwas besser zu gehen. Ich denke oft daran, wie die Geschichte ausgegangen wäre, wenn alle um ihn herum ein wenig mitfühlend gewesen wären und sich rechtzeitig um ihn gekümmert hätten. Aber ich bin auch froh, dass ich ihm etwas Hilfe anbieten und bei ihm sein konnte am Ende seines Lebens. Auch wenn es nicht gelungen ist, sein Leben zu retten.

    Wir brauchen einen neuen Kompass

    Einen weiteren Aspekt zum Thema „Barmherzigkeit“ bringt Daniela Skokovic aus Serbien mit ein. Ihr ist es wichtig, dass Barmherzigkeit sich nicht allein auf eine mitfühlende Haltung anderen Menschen gegenüber beschränkt, sondern ebenso Verantwortung und Achtsamkeit für die Natur mit umfasst. Sie schreibt:

    In diesen Tagen, in denen wir in neuer Weise unter den Bedingungen eines “gefahrvollen” Lebens und der Angst vor unsichtbaren Feinden leben, müssen wir über die wichtigsten Prinzipien unseres Lebensraums nachdenken. Das Zusammenleben in unserer Zeit ist gewissermaßen von Barmherzigkeit geprägt – durch Mitgefühl für andere Menschen, aber mehr noch für die Natur: Liebe üben, sich achtsam und respektvoll um alle verlassenen Lebewesen kümmern, sauberes Wasser, frische Luft – das sind die Ziele für ein normales zukünftiges Leben. Die Natur erinnert uns ständig daran, mitfühlender damit umzugehen! Wir sind nicht allein auf diesem Planeten! Wir brauchen einen neuen Kompass, ein “an Barmherzigkeit orientiertes Herz” für die richtige Richtung auf unserem Lebensweg.

    Mit weiteren Geschichten und Gedanken aus Afghanistan, Italien und Afrika folgt morgen, am 25. 12., der zweite Teil dieses Weihnachts-Beitrags zum Thema „Barmherzigkeit“.

     

  • „Wir wollen unser gemeinsames Leben vorantreiben.“ 

    Der 34-jährige Ishaq Qureshi kam 2015 mit seiner Frau und seinem Sohn aus Afghanistan nach Deutschland. Heute leben sie in einer Wohnung in Burgwedel bei Hamburg.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Aktuelle Wohnsituation

    Ich lebe mit meiner Frau und meinem Sohn in einem vierstöckigen Gebäude im Hamburger Stadtteil Burgwedel. Nach fünf Jahren des Wartens und Suchens haben wir dieses Mehrfamilienhaus finden können. Im April dieses Jahres sind wir endlich in eine neue Wohnung gezogen und leben jetzt dort. Das Haus gehört zu einem modernen Gebäudekomplex, welcher neben dem Burgwedeler Bahnhof erbaut worden ist.

    Manchmal hören wir die Züge, aber es ist besser als früher. Die Kosten für unsere jetzige Wohnung belaufen sich auf 800 Euro im Monat, womit wir sehr zufrieden sind. Ich verstehe mich sehr gut mit meiner Frau und meinem Sohn. Meine Frau und ich kümmern uns nicht nur gemeinsam um die Erziehung, wir stimmen auch darin überein, dass wir unser gemeinsames Leben vorantreiben wollen. 

    In unserem Haus leben viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Alle von ihnen leben in Familien. In den ersten Tagen half ich vielen von ihnen, ihre Habseligkeiten in die Wohnungen zu tragen, um sie kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Das Leben in einer Wohnung hat eine andere Etikette und Kultur als das in einem Einfamilienhaus.

    Regeln im Mehrfamilienhaus

    Es gibt spezielle Regeln. In den ersten Tagen wussten wir nicht, was für Regeln wir zu befolgen hatten. Aber mit der Hilfe meiner Frau übersetzten wir uns sie ins Persische und fanden heraus, was die Regeln verlangen und was nicht. Meistens werden die Regeln von allen befolgt, aber manchmal hören unsere Nachbarn laute Musik. Wir tolerieren dies und werden nicht wütend, aber weil wir selbst eher ruhig leben, hoffen wir, dass unsere Nachbarn sich bald ändern.

    Ich mag es nicht, mit meinem Nachbarn zu streiten und Unbehagen zu verursachen. In unserem Haus besteht ein Problem mit der Abfalltrennung, wofür es eine Regelung gibt, die aber kaum einer beachtet. Da so viele Nachbarn nicht auf die Mülltrennung achten, haben wir beschlossen, dass wir nächsten Monat einen freundlichen Rundbrief schreiben, in welchem wir alle darum bitten, auf dieses Problem zu achten. Denn die Sauberkeit der Umwelt hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit.

    Der lange Weg bis zur Wohnung in Burgwedel

    Derzeit stehen 75 Quadratmeter zur Verfügung. Und das reicht uns. Aktuell wird unsere Miete vom Jobcenter  bezahlt. Außerdem macht meine Frau eine Ausbildung, von der wir hoffen, dass wir damit die Kosten nach ihrem Abschluss selbst bezahlen können. 2015 kamen meine Frau, mein Sohn und ich aus Herat, Afghanistan nach Hamburg. Damals waren wir im Geflüchtetenlager Neugraben untergebracht. Nach einer Weile wurden wir in eine Wohngemeinschaft an der Hallerstraße transferiert. Dann wieder in andere Räume in der Nähe von Duvenacker in Hamburg.

    Das Leben hier war bisher wirklich hart. Es gab keine Regeln und niemand kümmerte sich darum, welche aufzustellen. Wir mussten es einfach ertragen. Dreimal stürzte mein Sohn während er mit dem Fahrrad fuhr und von anderen Kindern belästigt wurde. Ihm brachen Zähne aus und wir gingen mit ihm ins Krankenhaus. Dort fühlten wir uns unbehaglich.

    In dieser Zeit bewarb ich mich bei 54 Gebäuden. Bei 24 von ihnen bekamen wir eine Einladung zur Besichtigung. Wir gingen hin und uns gefielen sie, aber wir wurden nicht angenommen, da es viele Bewerber gab und der Eigentümer die Wohnung nur an jemanden vermietete, der unabhängig ist und arbeitet. Nicht aber an uns. Da uns das Jobcenter unterstützte, war dies für den Eigentümer inakzeptabel.

    Ich habe von vielen Einwanderern gehört, dass sie für 3.000 Euro ein Zuhause auf dem Schwarzmarkt fanden. Auch uns wurde das angeboten, aber ich wollte es nicht tun und den Umfang des Fehlverhaltens erhöhen. Keine Deutschen haben uns geholfen, ein Zuhause zu finden. Als wir welchen sagten, dass wir ein Haus suchten, sagten sie uns: „Es ist schwierig, ein Haus in Hamburg zu finden. Warten Sie.“ Oder: „Ich kann Ihnen keines anbieten.“

    Ausblick

    Zur Zeit bin ich sehr froh, dass wir ein unabhängiges Zuhause haben und ein ruhiges Leben führen können.  Ich hoffe sehr, bald in den Arbeitsmarkt eintreten zu können und meinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. In meinem Heimatland war ich Journalist und habe über 10 Jahre Nachrichten recherchiert, Fotos gemacht und für Magazine geschrieben. In diesen Arbeitsbereich würde ich gerne zurückkehren. 

  • “Diese Wohnung ist wie mein Land”

    Abudi ist 47 Jahre alt und kommt aus Syrien. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einer Wohnung in der Nähe der Neuen Flora.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir etwas über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du alleine oder mit anderen zusammen? Gefällt es dir in deiner Wohnung?

    Unsere Wohnung liegt in der Mitte von Hamburg. Ich lebe hier mit meiner Frau Kinana und unseren drei Kindern zusammen. Ich habe zwei Töchter und einen Sohn. Zur Schule sind es nur zwei Minuten. Supermärkte sind auch in der Nähe. Wir sind hier sehr zufrieden. 

    Seit wann seid ihr hier in Hamburg und wie verlief eure Wohnungssuche?

    Früher hatten wir eine Wohnung direkt am Mittelmeer. Ich war Ingenieur in Syrien, während des Krieges sind wir in den Libanon. Von dort haben wir mit UNICEF ein Flugzeug nach Deutschland genommen. Am 06. April 2014 sind wir in Deutschland angekommen. Danach kamen wir direkt in eine Flüchtlingsunterkunft. Das war ein Haus in dem in einigen Einheiten noch Menschen wohnten, die nicht ausziehen wollten, aber auch nicht Geflüchtete als Nachbarn haben wollten. Wir haben dort sehr schlechte Erfahrungen mit alten Menschen gemacht.

    Damals waren wir neu in Deutschland und diese Begegnung hat uns sehr erschrocken. Unsere Wohnung wurde kontrolliert, wir durften zum Beispiel nichts an die Wände hängen. Aber ich aber dort auch ein Ehrenamt begonnen und Fahrräder repariert. Das war früher in Syrien mal mein Hobby. Die zweite Unterkunft war neu und es gab viel Platz für die Kinder zum Spielen. Aber dort durften wir nicht lange bleiben, dann mussten wir umziehen. Wir mussten immer weiter suchen, waren oft bei der SAGA und standen schon auf vielen Wartelisten. Leute dort haben uns gesagt: 30.000 andere Personen warten auch auf eine Wohnung. Wir haben mehr als fünf Jahre nach einer Wohnung gesucht.

    Als wir neu in Deutschland waren, konnten wir kaum Deutsch – dafür wollten wir eine Nachhilfelehrerin. Darüber haben wir Christine kennengelernt. Seitdem ist sie häufig bei uns und unterstützt uns auch per Telefon, WhatsApp und so weiter. Sie ist ein Teil der Familie. Mit ihr gemeinsam haben wir uns bei der Wohnbrücke angemeldet. Durch sie haben wir eine Wohnung gefunden, in der wir bleiben können. Jetzt wohnen wir seit einigen Wochen hier. 

    Was gefällt euch am meisten an der Wohnung?

    Wir mögen alles an unserer Wohnung. Es ist toll, dass die Schule so nah ist. Der Ort ist toll, wir wohnen mitten in der Stadt. Und die Wohnung ist groß, zu fünft haben wir auf 95 Quadratmetern genug Platz. Alles funktioniert, Wasser und Heizung. 

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Es ist nicht so leicht einen Parkplatz zu finden, aber ich habe mir jetzt einen Parkausweis besorgt. Eigentlich ist alles in Ordnung. 

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Diese Wohnung ist wie mein Land, wie meine Heimat. Ich musste fliehen. Aus meiner Wohnung möchte ich jetzt nicht mehr weg. Weil ich diese Wohnung gefunden habe, kann ich auch noch mehr erreichen. Ich kann arbeiten und erfolgreich sein, weil ich hier so zufrieden bin. 

    Wie viel kostet deine Wohnung im Monat?

    Warm bezahlen wir 1225 Euro. Wir haben drei Zimmer und einen Balkon. 

    Wie viel würdet ihr bezahlen, wenn ihr es euch aussuchen könntet?

    So 800 oder 900 Euro. 

    Wie ist der Kontakt zu Mitmenschen im Haus?

    Wir sind besonders froh über die Nachbarn, sie sind sehr freundlich. Niemand schaut uns komisch an, alle reden nett mit uns. Als ich den Parkausweis brauchte, hat mir mein Nachbar dabei geholfen. In Syrien habe ich 100 Meter vom Meer entfernt gewohnt – aber die Menschen haben einander gehasst. Meine erste Frage bei der Wohnungsbesichtigung war “Wie sind die Nachbarn?”.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

    Die Vermieterin ist sehr nett. Sie hat selbst früher in dieser Wohnung gewohnt. Wir verstehen uns gut. 

    Gibt es viele Regeln? Hast du diese alle von Beginn an verstanden?

    Überall gibt es Regeln in Deutschland. Aber hier gibt es keine Verbote oder so. Es gelten normale Regeln wie in jedem Haus, dass man nachts leise ist usw. Aber da müssen wir nicht drüber streiten. Wir respektieren die Nachbarn und sie respektieren uns. 

    Willst du in den nächsten Jahren in Hamburg bleiben?

    Ich fange jetzt an zu arbeiten, als Elektriker. In Syrien habe ich als Ingenieur gearbeitet. Im Gegensatz zu Syrien spielt die praktische Erfahrung hier eine viel größere Rolle. Dort werden Jobs nur anhand der theoretischen Ausbildung vergeben. Ich habe in Homs bei den Stadtwerken gearbeitet und dort Materialeinkäufe getätigt. Aber mit meinen Händen konnte ich nicht arbeiten – deshalb freue ich mich jetzt darauf.

    Die letzten zwei Jahre habe ich dafür eine Umschulung gemacht. Sie wurde vom Jobcenter bezahlt. Das ist eine große Chance für mich. Die Handwerkskammer hat mich gut beraten. Ich hätte auch meinen Ingenieur hier anerkennen lassen können, aber die Arbeit als Ingenieur hier ist anders als in Syrien. Vielleicht gehe ich später zurück dorthin, dann könnte ich dort auch als Elektriker arbeiten.

     


    Mehr zum Thema in unserem Video:

  • „Ich bin sehr glücklich in meiner Wohnung“

    Rama ist 23 Jahre alt und kommt aus Syrien. Seit Anfang 2016 lebt sie in Hamburg, zuerst in Unterkünften von „fördern und wohnen“ und jetzt in einer eigenen Wohnung in Uhlenhorst.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du da alleine oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

    Ich wohne alleine und bin sehr glücklich in meiner Wohnung.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Ich wohne in der Nähe der Außenalster und ich habe sehr viele Freundinnen, die nicht weit weg wohnen.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Ich hätte gerne einen Balkon. Die Wohnungen hier sind für mich wie „Streichhölzer“. Ich bin in Syrien in einer sehr großen Wohnung in einem Dorf in der Nähe von Damaskus aufgewachsen. Unserer Wohnung war offen für die Luft und wir hatten einen großen Balkon. Im Prinzip haben wir auf diesem Balkon gelebt. Abends trafen wir uns als Familie dort. Dieses Gefühl habe ich von zuhause mitgenommen. Deswegen mag ich Balkone sehr gerne. Sie sind eine Erinnerung an meine erste Heimat.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Privatsphäre. Wegen des Kriegs habe ich meine Heimat verlassen müssen und erst in dieser Wohnung habe ich mich wieder heimisch gefühlt. Am 1.3.2017 habe ich diese Wohnung gefunden und dieser Tag war besonders, weil ich meine neue Heimat gefunden habe. Als der Krieg in Syrien bei uns ankam, musste ich aus meiner ersten Heimat (die Wohnung, wo ich aufgewachsen bin) flüchten. Wir mussten bei Verwandten leben. Seither habe ich keine Privatsphäre erlebt, bis ich meine Wohnung gefunden habe. Leider wurde die Wohnung meiner Kindheit wegen des Kriegs zerstört. Ich denke oft an meine Kindheitserfahrungen oder -erlebnisse aber ich weiß auch, dass ich das sie wegen des Kriegs verloren habe, weil es diese Wohnung nicht mehr gibt.

    Wie viel kostet deine aktuelle Wohnung im Monat?

    Ca. 525€ warm.

    Wie ist der Kontakt zu Mitmenschen im Haus?

    Am Anfang gab es keinen Kontakt, da ich die deutsche Sprache nicht verstand. Inzwischen gibt es Nachbarschaftsaustausch. Dabei habe ich einige nette Bekanntschaften gemacht. Meine deutsche Freundin, die mir geholfen hat die Wohnung zu finden, lebt im gleichen Gebäude. Die Menschen dort sind ein bisschen älter, aber sehr nett, und ich habe auch sehr viele Freunde gefunden, die in der Nähe leben.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

    Sie sind hilfreich, nett und sind immer erreichbar.

    Gibt es viele Regeln, welche du nicht auf Anhieb verstanden hast, z.B. ein Putzplan für das Treppenhaus, Müllabholung oder Mülltrennung?

    Diese Punkte werden alle von der Verwaltung geregelt. Den Mietvertrag mit den Hausregeln habe ich am Anfang nicht verstanden.

    Wenn du dir die Miete aussuchen könntest – wie viel würdest du bezahlen?

    Da ich die Mietpreise nicht kenne, kann ich mich dazu nicht äußern.

    Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

    26 Quadratmeter.

    Wohnst du aktuell in einer Wohnung von Fördern und Wohnen?

    Nein.

    Wie lief deine Wohnungssuche in Hamburg?

    Trotz vieler Wohnungsbesichtigungen bekam ich  keine Wohnung aufgrund meiner Herkunft und/oder dem Jobcenter. Ich habe sieben Monate gesucht und ich habe alle möglichen Wohnungen auf Englisch angeschrieben, aber ich habe keine Antworten bekommen. Man sagte mir immer, dass man meistens durch Kontakte eine Wohnung bekäme. Und so war es auch.☺ Eine Bekannte half  mir bei meiner jetzigen Wohnung. Kontakt und Glück ist das Rezept, um eine Wohnung in Hamburg zu bekommen. Ohne meine Bekannte hätte ich keine Wohnung bekommen können.

    Wie bist du nach Hamburg gekommen?

    Ich war im Flüchtlingslager Bramsche und durch die Computerauswahl kam ich nach Harburg zu „fördern und wohnen“. Am 17.1.2016 war der erste Tag für mich in Hamburg und da sollte ich in Bergedorf in einer Spielhalle für vier Monate leben. Danach war ich in einem anderen Camp für ein Jahr. Die Mitarbeiter waren sehr nett, aber leider hatte ich keinen Platz für meine Privatsphäre oder zum Lernen.

    Und wie ging es dann weiter?

    Danach war ich in mehreren Lagern, die zu Fördern und  Wohnen gehörten.

    Wo hast du überall schon gewohnt?

    Bergedorf und Harburg.

    Wie war das für dich?

    Am Anfang war es ein großes Auffanglager und danach war ich in einem Container (8qm) mit je vier Frauen. Es gab keine Privatsphäre.

    Wie fühlt es sich an, in Hamburg eine Wohnung zu suchen?

    Ich fühlte mich einsam, da ich die deutsche Sprache anfangs nicht gut verstand. Niemand hat uns gesagt, auf was wir bei der Wohnungssuche achten müssen.

    Willst du in den nächsten Jahren hier bleiben?

    Ja☺

    Wie liefen Wohnungsbesichtigungen für dich ab?

    Ich habe die öffentlichen Besichtigungen wahrgenommen, weil auf den festen Terminen keine Antwort via Email zurück kam.

    In Studien ist klar geworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder  Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du  ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Nein.

    Welche Rolle spielt die Wohnung, damit du dich gut in dieser Gesellschaft integrieren  kannst?

    In meiner Gesellschaft ist eine Wohnung eine Heimat. Es geht nicht um Prestige. Die Wohnung ist der erste Schritt zur Integration. Aber die Frage ist, was Integration bedeutet. Integration ist für mich Freundschaft und Kontakt mit den Anwohnern. Die Sprache ist das Werkzeug dafür. Und durch die Wohnung habe ich das geschafft.

     


    Mehr zum Thema in unserem Video:

  • Unsere Nachbarn sind so unsympathisch

    Sorour ist 19 Jahre alt und kommt aus dem Iran. Mit ihrer Familie lebt sie in einer Dreizimmer-Wohnung in Harburg.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.

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    Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du allein oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

    Ich wohne mit meiner Familie in einer Dreizimmer-Wohnung. Ich mag diese Wohnung, weil sie uns vor der Flüchtlingsunterkunft gerettet hat. Das heißt, sie ist die allererste Wohnung, die wir in Deutschland gemietet haben. Mir gefällt es, dass unsere Gegend relativ ruhig ist.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Ich mag, dass die Wohnung in der Nähe der Bushaltstelle ist. Ich muss morgens nicht so viel laufen, um den Bus zu erreichen, obwohl das meistens trotzdem nicht klappt, weil ich oft zu spät bin.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Ich finde es ärgerlich, dass unsere Nachbarn so unsympathisch sind. Sie beschweren sich immer direkt bei unserem Vermieter wegen Kleinigkeiten wie den Geruch des Essens. Sie verstehen nicht, dass man mit einem anderen kulturellen Hintergrund auch mal etwas anderes als Kartoffeln isst. Oft kommt eine Nachbarin ohne unsere Erlaubnis in unseren Garten und kritisiert, wie wir die Pflanzen gießen. Vor dem Umzug hat uns unser Vermieter erzählt, dass die Nachbarn nicht so begeistert waren, dass wir Geflüchtete sind. Ehrlich gesagt denke ich, dass das Problem weder unser Essen noch das richtige Gießen der Blumen ist.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Diese Wohnung bedeutet für mich, dass ich mich nach einer stressigen Zeit an einem Ort ausruhen kann, wo man mich mit meinem Kater und meinen Büchern in Ruhe lässt. Das ist jedoch meistens nicht der Fall, weil ich zu Hause die Briefe verschiedener Ämter lesen und beantworten muss, die die Flüchtlinge nicht in Ruhe lassen.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieter*innen?

    Gott sei Dank, habe ich davon nicht viel, sonst wäre ich längst irre.

    Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

    Wir haben ca. 83 Quadratmeter zur Verfügung.

    Wie fühlt es sich an, in Hamburg eine Wohnung zu suchen?

    Dazu kann ich nur sagen, die Suche nach einer Wohnung in Hamburg ist genau so kompliziert, stressig und sinnlos langwierig wie ein Asylantrag. Wenn man Glück hat, findet man nach ein paar Monaten das Dach über dem Kopf. Sonst muss man ewig auf ein Wunder warten.

    Willst du in den nächsten Jahren hierbleiben?

    In dieser Wohnung bleiben wir nur bis zum Ende Oktober. In Hamburg bleibt meine Familie sicherlich. Ich bleibe bis April in Hamburg und dann schaue ich, wo ich Zusagen zum Studium bekomme.

    In Studien ist klargeworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Nach meiner Erfahrung mit meinen jetzigen Nachbarn glaube ich das auch. Das ist leider sehr traurig. Ich weiß leider nicht, wie sich die Lage künftig ändert, falls sie sich ändert. Ich hoffe nur, dass das Finden einer Wohnung in Hamburg irgendwann für Menschen mit Nachnamen wie meinem einfacher wird. Hoffen darf man ja.

     


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  • „Wir müssen viel Rücksicht nehmen“

    Hani ist 27 Jahre alt und kommt Syrien. Bevor er nach Deutschland kam, hat er bereits einige Zeit in Jordanien gelebt. Hani lebt in einer Unterkunft von „fördern und wohnen“ in Hammerbrook.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du da alleine oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

    Ich lebe in einem Camp in Hammerbrook, in einem Container – im Sommer ist es sehr heiß darin. Wir teilen eine Wohnung mit einer anderen Familie, also das Bad und die Küche. Ich wohne zusammen mit meiner Mutter in einem Zimmer. Das ist nicht so toll. Es ist einfach ein bisschen komisch, mit seiner Mutter in einem Raum zu schlafen. Wir haben auch vorher zusammengelebt, hatten aber eigene Zimmer. Aber wir können es nicht ändern. Wir haben versucht, eine eigene Wohnung zu finden, aber das ist in Hamburg sehr schwierig.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Mir gefällt im Moment nichts an unserer Unterkunft.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Ich habe keine Privatsphäre. Es ist alles sehr eng.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Mein Zuhause ist der Ort, wo ich mich ausruhen kann, ein sicherer und bequemer Ort. Wenn man traurig oder verärgert ist, fühlt man sich besser, sobald man zuhause ist. Für mich ist es so: Mein Leben organisiert sich, wenn ich zuhause bin, weil ich mein Zuhause organisieren kann. Im Moment ist das aber nicht möglich. Ich kann nicht selbst entscheiden, wann ich was mache. Wenn ich z.B. Wäsche waschen will, kann ich das nur zu bestimmten Zeiten tun.

    Wie viel kostet deine aktuelle Wohnung im Monat?

    Im Moment zahlt das Jobcenter meine Miete, aber wenn ich einen Job finde, muss ich selbst dafür aufkommen. Es ist sehr teuer. Für unser Zimmer müssten wir fast 1000 EUR im Monat bezahlen.

    Wie ist der Kontakt zu Mitmenschen im Haus?

    Die Familie ist nett, aber wir müssen sehr viel Rücksicht nehmen, um friedlich zusammenzuleben. Manchmal bleiben meine Mutter und ich in unserem Zimmer, um zu essen, weil die andere Familie kocht. Manchmal esse ich den ganzen Tag gar nichts, weil die Küche besetzt ist. Es ist außerdem nicht ganz einfach, weil wir unterschiedliche Kulturen haben. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache und manchmal verstehen wir uns auf Englisch nicht so gut. Sie kommen aus Somaila.

    Im Gebäude neben uns leben obdachlose Menschen. Oft ist es laut und die Leute trinken oder nehmen Drogen. In der Corona-Zeit gab es Gerüchte, dass dort 300 Menschen mit dem Virus infiziert waren. Wir haben ständig Polizei und Feuerwehr dort gesehen. Für Kinder ist diese Situation schwierig.

    Ich habe aber auch einen guten Freund im Camp. Und meine Mutter trifft sich öfters mit den Nachbarinnen im Hof.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieter*innen?

    Der Hausmeister ist ein bisschen unangenehm. Er kommt einfach rein, ohne zu klopfen. Er hat einen Schlüssel, sogar zu unseren Zimmern. Sie kommen zu jeder Tageszeit rein. Einmal hat sich meine Mutter gerade umgezogen und der Hausmeister wollte die Tür öffnen. Ich sagte, er sollte warten, aber er meinte, er wollte uns einen neuen Schrank bringen. Ich musste ihn überreden, draußen zu bleiben bis meine Mutter fertig war. Ein anderes Mal nahmen sie unsere Haustür mit, um sie zu reparieren und brachten sie bis zum nächsten Tag einfach nicht mehr zurück, weil sie es vergessen hatten. Das Sozialmanagement ist aber sehr hilfsbereit. Wenn man z.B. zum Arzt muss, unterstützen sie dabei, einen Termin zu vereinbaren.

    Gibt es viele Regeln?

    Es gibt einige Regeln. Stell nichts in den Weg zwischen den Zimmern und der Küche, stell nichts anderes außer dem Tisch und den Stühlen in die Küche. Man darf auch keine eigenen Möbel aufstellen.

    Wenn du dir die Miete aussuchen könntest – wie viel würdest du bezahlen?

    Es kommt auf mein Gehalt an. Wenn ich viel verdiene, kann ich auch viel bezahlen.

    Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

    Unser Zimmer ist ungefähr vier auf sechs Meter groß, schätze ich. Man hat nicht viel Platz, um Sachen unterzubringen. Der Schrank ist sehr klein und in der Küche hat man nur ein Regal zur Verfügung. Die meisten Leute stellen ihre Koffer und Taschen zusätzlich auf den Schrank oder legen sie unter das Bett.

    Wie lief deine Wohnungssuche in Hamburg?

    Ich habe es bei der Saga Wohnungsgenossenschaft versucht, aber bisher hat es nicht geklappt. Ich hatte Unterstützung bei der Wohnungssuche von meinen beiden Mentoren. Für meine Mutter und mich ist es wahrscheinlich trotzdem ein bisschen einfacher als für große Familien, weil wir nicht viel Platz brauchen.

    Wie bist du nach Deutschland gekommen? Und wie ging es dann weiter? Wo hast du überall schon gewohnt?

    Wir kamen aus Jordanien nach Deutschland. Wir sind nicht über das Meer geflohen, sondern kamen durch das Resettlement-Programm des UNHCR. Wir sind nach Kassel geflogen und waren zuerst im Camp in Friedland. Dort hat man nur ein sehr kleines Zimmer und teilt Küche und Bad mit ungefähr 100 Leuten. Am Tag unserer Ankunft kamen noch drei weitere Flugzeuge an, aus der Türkei, aus dem Libanon und aus Ägypten. Das waren also jede Menge Leute.

    In Jordanien haben sie uns vorher gefragt, wo wir in Deutschland hinwollen. Wir sagten “Hamburg”, weil mein Bruder hier lebt. In Friedland blieben wir zwei Wochen. Danach wurden wir mit dem Bus nach Hamburg gebracht. Das war alles sehr gut organisiert. Eine Sache haben sie uns in Jordanien aber nicht gesagt. Wir hatten dort Kurse, in denen wir etwas über Deutschland gelernt haben. Sie sagten uns, von Friedland aus werden wir in unsere eigene Wohnung gebracht, nicht in ein weiteres Camp.

    Willst du in den nächsten Jahren hier bleiben?

    Ja, ich liebe Hamburg. Die Menschen hier sind nett und lächeln immer. Die jüngere Generation ist sehr offen gegenüber Ausländern und die meisten sprechen Englisch. Im Moment hilft mir das sehr, weil ich noch nicht gut Deutsch spreche.

    In Studien ist klar geworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Nein, ich denke nicht, dass das einen Unterschied macht. Wahrscheinlich ist es schwieriger für Studierende mit einem ausländischen Namen, die ein WG-Zimmer suchen. Ich kann mir vorstellen, dass viele Deutsche lieber mit anderen Deutschen zusammen wohnen wollen. Aber wenn man eine Wohnung sucht, glaube ich nicht, dass das ein Problem ist.

     


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  • In der Unterkunft ist alles provisorisch

    Heba ist 32 Jahre alt und kommt aus Ägypten. Mit ihren Kindern lebt sie in einer Unterkunft von „fördern und wohnen“ in Neuenfelde.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du da alleine oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

    Ich lebe mit meinen drei Kindern in einem Camp am Rand der Stadt. Wir leben hier seit mehr als einem Jahr. Uns stehen zwei Container zur Verfügung, aber wir schlafen nachts alle zusammen in einem. Die Kinder trauen sich nicht alleine im anderen Zimmer zu sein. Wir teilen uns das Bad und die Küche mit 10 anderen Menschen auf diesem Stockwerk. Die Verständigung ist nicht einfach, ich spreche Arabisch, aber viele Familien hier nicht. Ganz vorne im Camp stehen Münzwaschmaschinen.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Ich mag nichts an dieser Wohnung.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Wir fühlen uns hier nicht wohl, alles ist provisorisch. Außerdem liegt die Wohnung sehr weit außerhalb. Mein Sohn fährt morgens 35 Minuten mit dem Bus bis zur Schule. Und er ist der einzige von hier, er fährt also alleine. Meine Tochter braucht 20 Minuten mit dem Bus, sie ist in der ersten  Klasse. Seine Freunde wollen meinen Sohn hier nicht besuchen kommen. Bis zum Hamburger Hauptbahnhof brauchen wir fast zwei Stunden. Und zu Fuß laufen wir mehr als 30 Minuten bis zum nächsten Supermarkt.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Ich lebe jetzt seit sechs Jahren in Deutschland, aber durch diese schwierige Situation fällt es mir schwer anzukommen und mich zuhause zu fühlen. Der Vater meines Kindes darf wegen der Corona-Pandemie nicht zu Besuch kommen. Ich fühle mich hier nicht wohl.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

    Es gibt Sozialarbeiter, die hierher kommen. Aber sie helfen nicht, sondern machen vieles noch schlimmer.

    Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

    Ungefähr 20 Quadratmeter für uns vier zusammen. Nachts schlafen wir aber alle gemeinsam auf 10 Quadratmetern.

    Wieviel kostet die Wohnung?

    1700 Euro kosten beide Zimmer zusammen.

    Wo hast du in Hamburg schon gelebt?

    Davor habe ich drei Jahre in einer Erstaufnahme-Unterkunft gelebt, nur für Frauen und Kinder. Dort war es viel besser. Aber die Unterkunft wurde geschlossen, deswegen mussten wir hierher umziehen. Diese Unterkunft hier sollte auch geschlossen werden, hier gibt es zu viele Probleme.

    Wie fühlt es sich an, in Hamburg eine Wohnung zu suchen?

    Ich habe eine gesucht und auch eine Wohnung gefunden. In der Innenstadt, viel größer und günstiger als hier. Aber ich darf nicht umziehen, wir haben keinen guten Grund und kommen deswegen nicht auf die Warteliste. Das ist kompliziert und hängt damit zusammen, dass ich aus Ägypten komme und deswegen in Deutschland nur geduldet bin.

    Wo würdest du gerne Wohnen?

    Ich würde gerne in der Nähe einer Schule, eines Supermarktes oder eines Spielplatzes leben. Ein bisschen zentraler. Das wäre toll.

    Willst du in den nächsten Jahren hier bleiben?

    Ich habe hier dreimal ein Praktikum gemacht und ein Jahr als Tagesmutter gearbeitet. Gerne würde ich Erziehungswissenschaften studieren. Meine Kinder sind in Deutschland aufgewachsen, mein jüngster Sohn ist hier geboren. Ich möchte auf jeden Fall bleiben. Aber im Moment wird uns mit Abschiebung gedroht.

     


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  • „Wohnung? – Es ist wie im Tierheim“

    Vahid ist 39 Jahre alt und kommt aus dem Iran. In Hamburg lebt er in einer Gemeinschaftsunterkunft und hat eine Zuflucht in seiner Kirchengemeinde.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir was über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du da alleine oder mit anderen? Gefällt es dir dort?

    Ich wohne offiziell in einem Heim. Ich darf mich aber im Moment aufgrund der Corona Pandemie in einer kleinen Wohnung mit Garten von meinem Kirchenverein aufhalten. Dort gefällt es mir und ich muss nichts bezahlen. Ich darf da aber sonst nicht jeden Tag übernachten. Normalerweise kann ich nur am Wochenende dort übernachten. Ich kann bei guten Wetter draußen schlafen oder die Tauben füttern. Ich gucke im Moment drei bis viermal in der Woche in den Briefkasten beim Heim, weil ich da gemeldet bin.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Ich mag an der Wohnung in Altona, dass ich einen Garten habe und dass ich dort Zeit und Ruhe habe deutsch zu lernen.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    In Altona gefällt es mir gut, aber im Heim gar nicht. Dort ist es wie im Tierheim. Es ist total schmutzig und ich möchte dort nicht auf die Toilette gehen oder etwas kochen. Ich kann dort nicht schlafen, weil es viele Kakerlaken gibt. Wenn ich das Licht ausmache, dann kommen alle Kakerlaken raus. Ich habe auch versucht mit dem Chef darüber zu reden.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Ich bin froh, dass ich einen Ort zum Schlafen habe. Es ist viel schlimmer für mich, dass ich meinen Sohn seit 3 Jahren nicht gesehen habe.

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieter*innen?

    Ich habe oft versucht, die Probleme mit der Sauberkeit anzusprechen. Aber es passiert nichts.

    Wie viele Quadratmeter hast du zur Verfügung?

    Im Heim habe ich 10 Quadratmeter mit einer anderen Person. In Altona weiß ich es nicht genau.

    Wie fühlt es sich an, in Hamburg eine Wohnung zu suchen?

    Ich bin noch nie so oft umgezogen in meinem Leben. Es ist total schwer. Ohne einen Makler geht es gar nicht, denke ich. Ich habe versucht über einen Makler an eine Wohnung zu kommen. Es gibt eine richtige “Wohnungsmafia”. Es ist mir schon passiert, dass ich viel Geld für eine Kaution bezahlt habe und dann keine Wohnung bekommen habe.

    Willst du in den nächsten Jahren hier bleiben?

    Ja, aber ich möchte es hinbekommen meinen Sohn wiederzusehen.

    In Studien ist klar geworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Ja, das ist so.

     


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  • „Wenn man hier leben muss, kann man sich nicht integrieren“

    Pshtiwan ist 34 Jahre alt und kommt aus dem Irak (Kurdistan). Heute lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft von „fördern und wohnen“ in Eimsbüttel.


    Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


    Kannst du mir etwas über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du alleine oder mit anderen zusammen? Gefällt es dir in deiner Wohnung?

    Momentan wohne ich in einem Flüchtlingsheim in Hamburg. Das Heim besteht aus 22 Unterkunftseinheiten, in denen mehr als 500 Personen untergebracht sind. Jedes Haus beinhaltet vier Wohnungen. Pro Wohnung gibt es drei Schlafzimmer, einen Aufenthaltsraum, eine Küche und ein Bad. Ich lebe zusammen mit fünf anderen Menschen in einer Wohnung und teile das Schlafzimmer mit einer weiteren Person. Die Lebensform gefällt mir überhaupt nicht. Es ist unvorstellbar.

    Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

    Die Umgebung gefällt mir sehr. Besonders den Stadtteil finde ich toll.

    Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

    Dass zwei Personen in einem Zimmer leben müssen.

    Was bedeutet deine Wohnung für dich?

    Sie ist für mich nur ein Platz zum Schlafen. Es ist besser, als auf der Straße zu übernachten.

    Wie viel kostet deine Wohnung im Monat?

    Das Sozialamt zahlt jeden Monat 590 € Miete pro Person. Insgesamt kostet eine Wohnung 3.540 € monatlich.

    Wie viel Quadratmeter Wohnfläche hast du zur Verfügung?

    Ca. 8 Quadratmeter.

    Wie ist der Kontakt zu Mitmenschen im Haus?

    Kontakt lässt sich schwierig herstellen, weil wir aus unterschiedlichen Nationen mit verschiedenen Kulturen kommen. 

    Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

    Die Mitarbeiter*innen von „fördern und wohnen“ sind sehr nett zu uns.

    Gibt es viele Regeln? Hast du diese alle von Beginn an verstanden?

    Die Hausregeln sind überall angehängt und ich halte mich daran.

    Wie bist du nach Hamburg gekommen und wie ging es danach weiter?

    Ich kam vor 33 Monaten aus dem Irak/Kurdistan. Soweit ich weiß, gibt es in Deutschland ein Flüchtlingsverteilungssystem. Dadurch werden alle Asylsuchenden auf die Bundesländer verteilt.

    Hattest du Hilfe von Ehrenamtlichen, z.B. bei der Wohnungssuche?

    Man hat mir beim Lernen der deutschen Sprache geholfen. Meine Muttersprache ist Kurdisch, außerdem spreche ich Persisch und Arabisch.

    Willst du in den nächsten Jahren in Hamburg bleiben?

    Ja, aber ich möchte nicht mehr in einem Flüchtlingsheim leben.

    Wie verläuft deine Wohnungssuche in Hamburg?

    Ich suche online auf Immobilienseiten. Bei Wohnungsbesichtigungen ist es sehr kompliziert, da es unglaubliche Anforderungen gibt. Jeder verlangt nach etwas, z.B. nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder einer Aufenthaltsgenehmigung.

    In Studien ist klar geworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Auf jeden Fall, dem stimme ich zu!

    Hilft dir deine Wohnung dabei, dich besser in die deutsche Gesellschaft zu integrieren?

    Nein, wenn man in einer solchen Unterkunft leben muss, kann man sich nicht integrieren. In der Tagesroutine lernt man die deutsche Sprache nur sehr schlecht. Aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass die Deutschen sich nicht so darüber beschweren würden, dass sich Flüchtlinge nicht weiterentwickeln oder integrieren.

     


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