Schlagwort: Wahlen

  • Wir waren auf einer AfD-Wahlveranstaltung im Hamburger Rathaus

    Alle Gesellschaftsschichten sind anwesend

    Bei der Einlasskontrolle wurde ich – ein Mensch mit fernöstlichen Wurzeln – mehrmals durchsucht. Der Türsteher war jedoch authentisch und sympathisch. Er vertraute mir an, dass er Angst vor Übergriffen hätte: „Leider kommt es sehr oft vor, dass man uns gegenüber gewalttätig wird.“ Als ich den Saal betrete, hetzt Dr. Bernd Baumann, Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD Hamburg, gerade gegen Migranten. Dementsprechend sind mir die Blicke der Gäste mehr als unangenehm.
    Anschließend betritt Prof. Dr. Meuthen das Podium. Mit ihm hat die AfD einen rhetorisch geschickten Redner gewonnen.

    AfD Plakat zur Wahl-Veranstaltung

    Er versteht es, die Massen mitzunehmen. Seine Taktik besteht darin, ein Gemeinschaftsgefühl zu bilden und Hetzreden gegen den „Schurkenstaat Merkel“ und die „gegenwärtige Kartellpolitik“ zu halten. Als Volkswirt unterstützt er seine Thesen durch Zitate bekannter Wirtschaftswissenschaftler wie Milton Friedman und Auguste von Hayek. Ein Blick in den Rathaussaal verrät, dass alle Gesellschaftsschichten anwesend ist. Den meisten begegnet man morgens auf dem Arbeitsweg. Auch Rentner und junge Erwachsene hören dem Redner gebannt zu. Es sind Frauen und Männer, die verstanden werden wollen und nun das Gefühl haben, gehört zu werden. Da kommt es gerade richtig, dass Prof. Dr. Meuthen anspricht, was viele Anwesende denken – und zwar, dass Deutschland sich durch die aktuelle Flüchtlingspolitik selbst deformiere.

    Die Regierung lasse das Volk im Stich

    Die AfD sei mehr mutig als ausländerfeindlich. Immerhin erfordere es viel Mut, sich gegen die Mehrheitsmeinung zu stellen und „seinen Mund auf(zu)machen“. Es könne nicht sein, dass ein Flüchtling mit vielen „Scheinidentitäten vom Staat unterstützt werde, während deutsche Rentner Pfandflaschen sammeln müssen.“

    Es wird die Frage gestellt, ob die Regierung noch dem eigenen Volk diene. Die Regierung lasse das Volk aktuell im Stich und steuere Deutschland auf eine kulturelle Kernschmelze zu. Die AfD wolle mit ihrer Partei Deutschland wieder in die Normalität führen. Dies bedeute eine geordnete Kultur ohne Muslimen, die vielmehr Macht statt kulturelle Akzeptanz in Deutschland anstrebten, so Prof. Dr. Meuthen. Diese Standpunkte haben mir die Meinung der AfD zum Thema Integration von Flüchtlingen klar verdeutlicht.

    Wunderbare Welt der Rhetorik: Mit der AfD fühle ich mich sicher

    Nach dem Veranstaltungsbesuch verstand ich besser, weshalb die AfD eine so große Anhängerschaft gewinnen konnte. In seiner Rede betonte Dr. Prof. Meuthen, dass er mit den Leuten, die abgeschoben werden sollten, nicht alle Migranten meine.

    Diejenigen, die bereits gut integriert sind und jahrelang in die Sozialkassen zahlen, gehörten zu Deutschland. So fühle ich mich fast wohl in der AfD: Auch mit meinem Migrationshintergrund bin ich willkommen und alle werden dazu aufgerufen, gegen die kulturelle Kernschmelze, Korruptionspolitik und für ein souveränes Deutschland zu sein. Dies gehe am besten mit der Unterstützung der AfD.

    Es ist erschreckend, wie leicht die AfD Massen begeistern kann. Ein Blick in die Runde von fast 500 Besuchern verrät: Gerade bei den unteren Schichten gibt es sicher viele Gründe, weshalb sie von der aktuellen Regierung enttäuscht sind. Es ist leicht, an der Unzufriedenheit anzudocken, um sie durch raffinierte Rhetorik auf die Seite der AfD zu ziehen.

    Schlussendlich bedeutet die Angehörigkeit zu der AfD die Bekenntnis zu einer faschistoiden Einstellung. Bereits aus „Die Welle“ von Morton Rhue kennt man diesen Mechanismus: Anhänger eine Gruppe entwickeln ein so großes Gemeinschaftsgefühl und hohe Identifikation mit den aufgestellten Werten, dass sie aufhören eigenständig zu denken und kritisch zu hinterfragen. So sollte man nicht vergessen, dass die Angst vor der “kulturellen Kernschmelze“ auch bedeutet: Man sendet Hilfebedürftige zurück in ein Land, in dem der Tod auf sie wartet. Ansonsten wären sie nicht geflüchtet. Kritisch zu hinterfragen an dem Vortrag von Prof. Dr. Meuthen wäre daher unter anderem: Werden deutsche Bürger den Flüchtlingen gegenüber wirklich vernachlässigt und an welchen Punkten kann man ansetzen, um ein souveränes Deutschland zu erzielen?

     

  • Interview mit Bernhard Stietz-Leipnitz von der LINKSfraktion

    Im Interview mit Bernhard Stietz-Leipnitz

    Welches ist Ihrer Meinung nach die größte gesellschaftliche Herausforderung in den kommenden vier Jahren?

    Wir müssen uns dafür einsetzen, alle zusammen, dass wir wieder eine friedliche, solidarische und vor allem sozial ausgeglichene Gesellschaft kriegen, die wir nicht mehr haben. Der Sozialstaat ist in den letzten 20 Jahren schon wieder abgebaut worden, die Vermögensverhältnisse haben sich sehr zu Gunsten der Reichen und zu Lasten der Armen verschoben und das müssen wir rückgängig machen.

    Bernhard Stietz-Leipniz

    Die Frage ist auch: Wie können Sie es schaffen?

    Wir, die Partei „Die Linke“, können es gar nicht schaffen, ebenso wenig wie das die CDU, die SPD oder irgendjemand sonst schaffen kann. Es wird immer, insbesondere in Wahlkämpfen, so getan, als könnten die Parteien dieses oder jenes für diesen Staat erreichen. Das ist Quatsch. Parteien können sich dafür einsetzen, dass sich die Bedingungen in dieser Gesellschaft verändern. Dass Menschen besser in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Sich politisch zu engagieren, indem sie zunächst einmal eine vernünftige Lebensgrundlage haben. Zweitens eine vernünftige Ausbildung und drittens Zugang zur jeglichen Form von Kultur haben. Das ist das, wo wir die Rahmenbedingungen schaffen können, nicht was wir machen können.

    Beispiel Arbeitsmarkt: Die Linke kann keine Arbeitsplätze schaffen, genauso wenig wie die anderen oder der Senat. Arbeitsplätze schaffen können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die irgendetwas in dieser Gesellschaft produzieren und dafür Menschen brauchen, mit denen sie das produzieren. Das macht nicht der Bundestag, das macht nicht der Senat, das macht doch keine Partei. Das machen Menschen. Sei es im Dienstleistungsbereich, sei es in produzierenden Bereich. Die können Arbeitsplätze schaffen, die sollten dazu ermuntert werden. Für die Rahmenbedingungen können dann Parteien hier im Bundestag arbeiten.

    Wie können Sie Menschen motivieren und überzeugen?

    Wir brauchen wieder einen Sozialstaat, der diesen Namen verdient und dafür müssen wir sorgen. Zum Beispiel müssen sich die Steuergesetze erheblich ändern. In Moment es ist ja so, dass die untere Hälfte dieser Gesellschaft, was die Steueranlast angeht, das Meiste aufbringt. Und dass diejenigen, die richtig viel Kohle haben, bzw. richtig viel Kohle verdienen, davon vergleichsweise wenig abgeben müssen. An der Stelle muss etwas passieren.

    Es muss eine grundsätzliche Steuerreform geben, das ist etwas, wofür man sich Mehrheiten suchen muss. Steuern sind etwas, wo auf verschiedenen Ebenen die jeweiligen Parlamente die Entscheidungshoheit haben. Also für bestimmte Steuern der Bundestag, für andere die Landtage, für einige wenige sogar die Gemeinden – da muss etwas passieren. Und wir müssen insbesondere dafür sorgen, dass eben diejenigen, die stark sind und breite Schultern haben, was das Finanzielle angeht, in dieser Gesellschaft erheblich mehr an den Kosten, die in diesem Staat anfallen, beteiligt werden. Die müssen einfach mehr abgeben.

    Wir brauchen eine Vermögenssteuer, wir brauchen eine vernünftige Erbschaftssteuer, wir brauchen unter Umständen sogar so etwas wie eine Vermögensabgabe. Dass Milliardäre dann vielleicht mal zwei Prozent von ihren Milliarden abgeben, das tut denen nicht weh. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme, dafür gibt es noch keine Mehrheiten, aber wir streiten dafür.

    Aber Milliardäre schaffen doch Jobs und Arbeitsplätze?

    – Tun sie nicht! (lacht)

    Dann nehmen sie das Geld aus ihren Banken und flüchten ins Ausland?

    Die meisten Milliardäre wissen schon was sie daran haben, dass sie hier ansässig sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Milliardär auf die Idee kommt, mit seinen Milliarden sich künftig in Damaskus anzusiedeln. Und genauso wenig wird er sich in Nordkorea oder sonst wo ansiedeln. Stichwort: Das Kapital ist ein scheues Reh, wird ja immer gesagt. Ich glaube schon, dass es durchaus möglich ist. Natürlich in einer vernünftigen Form, es geht nicht um Enteignen von Vermögen. Bei manchen Konzernen sehe ich das anders, Vermögen soll nicht enteignet werden.

    Aber sie sollen in ganz anderer Weise als bisher dazu beitragen, dass die Infrastruktur gesichert werden kann, von der ja vor allem diejenigen, die Milliarden haben, profitieren. Es kann ja nicht sein, dass die Brücken bröckeln und langsam zusammenbrechen, weil angeblich der Staat kein Geld hat, um sie in Stand zu halten. Da müssen dann diejenigen, die da mit ihren Maserati drüber fahren wollen, vielleicht auch mal einen etwas größeren Beitrag dazu leisten. Das ist unsere Grundhaltung dazu.

    Ja, konkrete Maßnahme: In erste Linie die Steuern. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die Gefahr laufen, wirklich abgehängt zu sein, eine Mindestsicherung kriegen. Wir sind dafür, dass Hartz IV in der vorhandenen Form abgeschafft wird. Dass wir eine Mindestsicherung kriegen in diesem Land, die bei 1050 EUR liegt, mehr als das Doppelte von Harz IV zur Zeit. Wir wollen dafür sorgen, dass es eine Mindestrente gibt: 1250 EUR soll jemand, der sein Leben lang gearbeitet hat, mindestens haben. Und nicht darauf angewiesen sein, beim Sozialamt Aufstockung zu beantragen, wie es ja jetzt bei Vielen der Fall ist.

    Gerade Frauen, die ihr Leben lang halbtags gearbeitet haben und dann eine Rente von 480 EUR haben. Die sind eigentlich darauf angewiesen, zum Sozialamt zu gehen und Aufstockung auf die jetzige Mindestsicherung, die bei etwa 800 EUR liegt, zu beantragen. Die meisten tun das aber nicht, sondern hungern. Wie gesagt: Finanzierung über Veränderung der Steuerpolitik. Was Renten und Krankenversicherung angeht, sind wir dafür, dass nicht mehr nur diejenigen einzahlen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis sind, sondern tatsächlich alle. Kranken- und Rentenversicherung entsprechend ihren Einkommen einzahlen, das würde schon mal eine ganze Menge Probleme lösen. Wenn Beamte, Bundeskanzlerin, freischaffende Ärzte, Rechtsanwälte, in dem entsprechenden Umfang einzahlen würden, stünden Renten und Krankenversicherung ganz anderes da und die Beiträge können sogar sinken.

    Wie kann Deutschland gegen die Gefahr von Terrorismus und Rechtsextremismus vorgehen?

    Eine sozial gerechtere Gesellschaft ist vor Rechtsextremismus und Populismus nach Art der AFD, NPD und Co sehr viel besser geschützt als eine, in der die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter aufgeht. Denn das ist der Nährboden für diejenigen, die Solidarität in Frage stellen und dann im Zweifel immer jemanden finden, auf den sie mit dem Finger zeigen können: Er frisst uns alles weg! Wenn es besser verteilt ist und alle vernünftig versorgt sind, eine Mindestsicherung haben, eine Mindestrente haben, dann ist der Nährboden viel schlechter, die kriegen dann keinen Fuß mehr auf den Boden.

    Terrorismus ist etwas Anderes. Terrorismus kriegt man nicht dadurch in Griff, dass diese Gesellschaft sozial gerechter gestaltet wird. Denn die da im Moment als Terroristen durch die Gegend laufen, haben keine sozialen Forderungen. Das war mal anders. Wir hatten hier mal die Rote Armee Fraktion, die hatte andere Ziele, die eigentlich gut waren. Aber die Mittel waren terroristische Scheiße.

    Terrorismus, da würde ich als Linker sagen, da muss man schon aufpassen, da muss man Menschen genau angucken, die sich in Richtung Salafismus usw. bewegen. Und da rechtzeitig eingreifen! Ganz ohne Sicherheitskräfte, die da aufpassen, wird, glaube ich, das Phänomen nicht in Griff zu kriegen sein. Anderseits, ist es grundsätzlich richtig, sich davon nicht so in Schrecken versetzen zu lassen. Dass man dabei bürgerliche Freiheiten opfert, das darf nicht sein. Generalüberwachung für alle, jedes Telefongespräch wird abgehört, Vorratsdatenspeicherung, das ist sicherlich nicht der Weg. Sondern wenn, dann muss man konkret im Einzelfall hingucken und tätig werden.

    Wie kann eine Integration für die 850.000 Geflüchteten in Deutschland erfolgen?

    Erstmal, indem wir das Problem ernst nehmen, nicht nur als Gegenstand von Sonntagsreden.
    Integration heißt für mich, alle die hierher kommen, müssen eine Chance haben, die Sprache zu erwerben, weil es ohne das gar nicht geht. Diese Erfahrungen haben alle, ohne Sprache ist man ziemlich hilflos. Und das darf auch nichts kosten. Jeder der hierher kommt, muss die Chance haben, die Sprache sich zu eigen zu machen. Dann es ist genauso klar, dass es nicht sein kann, dass jeder übermorgen abgeschoben wird.

    Der Geflüchtete muss arbeiten dürfen, und zwar sofort und ganz normal. Alle müssen gleichmäßigen Zugang zum Arbeitsmarkt kriegen. Die Geflüchteten sind hier in Deutschland und als solche haben sie das gleiche Recht, sich am Arbeitsmarkt zu beteiligen, am kulturellen Leben zu beteiligen, aber auch Steuern zu zahlen usw. Jeder hat die gleichen Rechte und damit die gleichen Pflichten.

    Steht die Bürokratie in Deutschland manchmal der Integration im Weg?

    Ich kann das nicht beurteilen. Aber ich fürchte, es gibt einmal gesetzliche Regelungen, die der Integration entgegen stehen: Nicht arbeiten dürfen, kein Recht auf Deutschkurs haben usw. Das sind gesetzliche, bürokratische Regelungen. Und es gibt wahrscheinlich Menschen in den Behörden, die das gar nicht so gut finden, dass sie hier sind. Und sich sehr zurückhalten und weniger für Integration tun als sie tun könnten. Der Verdacht liegt nah, aber das ist schwer beweisbar.

    Ist der Islam ein Teil von Deutschland?

    Würde ich differenziert beantworten. Es gibt 5 Prozent Muslime in Deutschland und natürlich gehören diese 5 Prozent zu Deutschland. Insofern, gehört auch die Religion Islam zum Deutschland. Was nicht zu Deutschland gehört, sind Menschen, die sagen, der Islam stehe über dem Grundgesetz. Da ist für mich eine klare Grenze. Genauso wenig wie die Römisch-Katholische Kirche oder Judaismus. Das ist die Grundlage unseres Zusammenlebens.

    Wie stehen Sie zum Thema Familienzusammenführung?

    Grundsätzlich sollen alle die hier sind, die Möglichkeit haben, ihre Familien nachzuholen und zwar diskriminierungsfrei. Das heißt, die müssen nicht schon zuhause Deutsch lernen, sondern es erst hier tun. Wobei – Familienzusammenführung heißt nicht der ganze Clan. Es gibt ja Gesellschaften, zum Beispiel, in Somalia, wo Familie sehr großzügig definiert wird.
    Jeder, der im weitesten Sinne irgendwie mit einem zu tun hat, gehört zur Familie. Da würde ich sagen, da müsste es doch Grenzen geben.

    Und was ist mit den Menschen mit subsidiären Schutz? Dürfen sie nicht ihre Familie nachholen?

    Ich würde das gerne ändern, dass es so was wie subsidiären Schutz nicht mehr gibt. Dass der Mensch einen Aufenthaltsstatus kriegt und fertig. Unter den geltenden Bedingungen, wo alle, die subsidiären Schutz haben, möglicherweise in einem Jahr wieder gehen müssen, finde ich es problematisch, dass sie ihre Familien nachholen. Das heißt, die würden den Weg hierher auf sich nehmen, sich hier kurz einleben können und dann wieder gehen müssen. Das finde ich blöd. Unpraktisch und für die Menschen und nicht sonderlich angenehm.

    Langfristig will die Linke offene Grenzen für alle. Das setzt aber ein paar Sachen voraus, die erst mal in dieser Welt passieren müssen. Denn so lange es so ist, dass Millionen auf der Flucht sind, wird es auch nicht möglich sein, komplett offene Grenzen zu haben und jeden aufzunehmen. Irgendwann wird es zu eng. Wir sollten erst einmal aufhören, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen irgendwo fliehen müssen.

    Indem wir aufhören, Kleinwaffen, Großwaffen, Mittelwaffen als drittgrößter Waffenexporteur in alle Welt zu verschicken, dann wäre das schon mal ein großer Schritt nach vorne. Dann hätten viel weniger Menschen Grund, von den Bomben und vor 9-Millimeter-Geschossen aus ihrem Heimatland zu fliehen.

    Der zweite große Schritt nach vorne wäre, dass wir so was wie vernünftige Handelsbeziehungen einführen. Für mich wären das Maßnahmen, die dazu dienen können, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Keine Rüstungsexporte, keine Unterstützung für Diktaturen, keine Land Grabbing in den verschiedenen Gegenden dieser Welt, keine ungerechten Freihandelsabkommen. Dann könnte es deutlich besser werden. Und dann könnten wir uns irgendwann offene Grenzen wirklich erlauben.

    Ist die Abschiebung eine Lösung?

    Es gibt Leute, bei denen hätte ich nichts dagegen, dass sie abgeschoben werden. Menschen, die sich als Straftäter einbringen, indem sie hier gegen die Strafgesetze, nicht Ordnungswidrigkeiten oder Asylbewerbergesetze verstoßen. Da muss es möglich sein, sie in ihre Heimat zurück zu schicken. Die Nummer mit den sicheren Herkunftsländern, die hier von unserer Regierung betrieben wird, die halte ich in der Tat für hanebüchen, für richtig schlimm.

    Wenn man zum Beispiel sagt, Afghanistan sei ein sicheres Land und man kann die Leute dorthin abschieben und man hört in den Nachrichten, dass wieder eine Bombe hochgegangen ist und völlig unbeteiligte Menschen umgebracht worden sind, wie muss man drauf sein, um zu sagen, es ist ein sicheres Herkunftsland. Das geht gar nicht! Und Syrien sowieso nicht zur Zeit.

    Deutschland ist stark und groß als ein Land der Kultur. Muss Deutschland auch militärisch ganz stark sein?

    Langfristig wollen wir aus der NATO raus und die Bundeswehr abschaffen. Wenn ein Land bedeutsam werden möchte in dieser Welt, dann sollte es gefälligst über Wissenschaft, Kunst und Kultur bedeutsam werden. Von mir aus solle es auch wirtschaftlich stark sein, aber ein Land darf sich nicht dadurch auszeichnen, dass es militärisch besonderes stark ist.

    Damit stehen wir, glaube ich, alleine mit dieser Meinung in diesem Land. Mindestens in der NATO bleiben und die Bundeswehr erhalten wollen alle anderen. Militär ist immer ein Teil des Problems und nie Teil der Lösung. Es gibt keine militärische Lösung für irgendein Problem.

    Wie ist dann die Lösung?

    Diplomatie! Es gibt nichts Anderes. Es ist immer schwierig. Was Anderes, als mit Menschen zu reden, mit denen was vereinbaren und hinzukriegen, dass sie sich an Verträge halten, das ist das Einzige, was geht. Bomben und Granaten lösen nichts.
    Die zerstören nur Menschenleben.

    Was macht die Linke für die jungen Wähler?

    Für die diejenigen, die bald wählen dürfen, streben wir an, das Bildungssystem so zu verändern, dass alle bis zum Ende auf eine Schule gehen. Es geht nicht, dass mit zehn Jahren entschieden wird: Hauptschule oder Gymnasium? Irgendwann arm oder Teil der Elite?

    Alle müssen die Chance haben, bis 18 oder 19 auf eine Schule zu gehen und den bestmöglichen Bildungsabschluss zu erhalten. Voraussetzung dafür ist unter anderem auch, dass Kitas für alle kostenfrei sind. Damit alle dahin gehen können. Denn in dem Moment, wo die was kosten, heißt es, dass sich wieder einige ausgrenzen.

    Das nächste ist, dass Hartz IV Sätze für Kinder erhöht werden müssen. Es gibt dieses berühmte Bildungspaket von 10 EUR. Davon sollen sie ins Kino gehen, im Sportverein Mitglied werden, was weiß ich nicht alles. Das ist doch ein Witz! Es muss deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass es im Zweifel so etwas wie einen zweiten Arbeitsmarkt gibt, wo man trotzdem in die Lehre gehen kann.

    Jugendarbeitslosigkeit muss so gut, wie es geht, bekämpft werden. Die Linke als Partei kann nicht allen Jobs geben. Wir können versuchen, die Bedingungen dafür, dass Menschen einen vernünftigen Start in diese Gesellschaft haben, deutlich verbessern: Bildung für alle, Kitas für alle, Hartz IV Beiträge für Kinder und Jugendlichen verbessern, kostenfreie Hochschulbildung, Studiengebühren müssen weg.

    Was macht die Linke für die Senioren?

    Die Rentenversicherung auf neue Füße stellen, einmal indem alle einzahlen. Zum anderen, indem es eine Mindestrente gibt und vor allen Dingen, indem das abgeschafft wird, was in den letzten 20 Jahren an Co-Finanzierung der Finanzindustrie stattgefunden hat. Unter dem Deckmantel der bösen Demografie können wir uns die Rentenversicherung in der bisherigen Form nicht mehr leisten. So ist die Aussage, der auch alle glauben. Dem zu Folge muss dann jeder noch privat vorsorgen.

    Das heißt, vier Prozent seines Einkommens neben dem Rentenversicherungsbeitrag in eine Riester-Rente stecken und dieses Geld an die Finanzkonzerne geben. Die dann damit auf den internationalen Finanzmärkten spekulieren. Und wenn er Glück hat, kriegt er dann vielleicht daraus eine Rente. Wenn nicht, dann ist das Geld verspielt und er kriegt gar nichts.

    Die Riester-Rente wollen wir abschaffen. Und den Menschen, die angezahlt haben, die Möglichkeit geben, diese Beiträge zu überzuführen in die ganz normale Rentenversicherung. Am Anfang der Bundesrepublik Deutschland war das Verhältnis von Aktiven zu Rentnern 1:4. Also ein Rentner wurde von vier aktiv Arbeitenden versorgt. Dann stiegen die Renten, die Rentenbeiträge blieben gleich. Jetzt ist das Verhältnis bei 1:2,5. Demografisch bedingt ist das Verhältnis in Anführungszeichen schlechter geworden. Gleichwohl war es möglich, die Renten zu finanzieren und zum Teil steigen zu lassen. Plötzlich geht es gar nicht. Auch da werden wir ganz schön verarscht.

    Was bedeutet Zugehörigkeit zur Deutschland für Sie?

    Das bedeutet einen Wohnsitz hier zu haben, hier zu arbeiten, die deutsche Sprache können – Punkt.

    Vielen Dank für das Interview!

  • Katarina Blume im Interview

    Welche ist Ihrer Meinung nach die größte gesellschaftliche Herausforderung in den kommenden vier Jahren?

    Die Zuwanderung und die Digitalisierung.

    Was macht Ihre Partei für die jungen Wähler?

    Bildung ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Damit jeder sein volles Potenzial ausschöpfen kann, wollen wir jedem Einzelnen ein Leben lang die weltbeste Bildung ermöglichen. Wir wissen: Das ist ein großes Ziel. Aber wir meinen: Es lohnt sich! Daher setzen wir uns dafür ein, dass modernste Bildung in Deutschland zum Standard statt zum Privileg wird.

    Unsere Forderungen:
    – Ausgaben für Bildung deutlich erhöhen
    – Bildungsfinanzierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
    – Bessere Lehrer besser bezahlen
    – 1000 Euro Technik-Investitionen pro Schüler zusätzlich
    – Bürokratiefreies Jahr für Start-ups

    FDP-Abgeordnete Katarina Blume


    Was macht Ihre Partei für die Senioren?

    Das Rentensystem muss dringend reformiert werden. Dazu setzen wir uns für eine generationengerechte Finanzierung und bessere Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen privatenund betrieblichen Altersvorsorge ein. Ein zeitgemäßes Rentensystem muss passend zum modernen Erwerbsleben auch einen flexiblen Renteneinstieg ermöglichen. Alle Menschen sollen gemäß ihrer individuellen Lebensplanung frei entscheiden können, ob und wie viel sie im Alter noch arbeiten möchten.

    Unsere Forderungen:

    – Flexibler Renteneintritt ab 60 Jahren
    – Altersvorsorge nach dem Baukastenprinzip
    – Basisabsicherung im Alter für Selbstständige
    – Keinen Eingriff in die langfristige Rentenformel

    Wie kann Deutschland gegen die Gefahr von Terror und Rechtsextremismus vorgehen?

    Wir Freie Demokraten wollen eine bessere internationale Kooperation zur Terrorismusbekämpfung. Der internationale Terrorismus macht nicht vor Ländergrenzen halt und ist das Problem der gesamten Staatengemeinschaft. Daher ist es auch nicht nur Aufgabe weniger Länder, dieser Bedrohung entgegenzutreten. Die internationale Gemeinschaft muss hier zusammenstehen.

    Der für die Terrorabwehr notwendige Datenaustausch und die konsequente Zusammenarbeit der Geheimdienste muss deshalb organisiert werden. Außerdem sind die europäischen Gremien wie Europol und das Amt des Anti-Terror-Koordinators der Union aufzuwerten. Europol soll zu diesem Zweck zu einer EU-Bundespolizei ausgebaut und ein EU-Nachrichtendienst gegründet werden, welche beide dem EU-Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Zudem muss durch eine Stärkung von Eurojust die Kooperation auf der Ebene der Staatsanwaltschaften und Gerichte gestärkt werden, um auch schneller und effektiver zu Urteilen kommen zu können.

    Nur so kann der Rechtsstaat klare Antworten geben. Wichtig ist, dass ein Austausch nicht zur anlasslosen und verdachtsunabhängigen Überwachung aller EU-Bürgerinnen und EU-Bürger missbraucht wird. Eine Verschärfung des deutschen Waffenrechts lehnen wir ab, weil sie nicht mehr Sicherheit bringt. Es geht darum, die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

    Unsere Forderungen:

    – Europol zu einer EU-Bundespolizei ausbauen
    – Keine Verschärfung des deutschen Waffenrechts
    – Datenaustausch und Geheimdienstzusammenarbeit organisieren
    – Internationale Kooperation zur Terrorismusbekämpfung verbessern

    Rechtsextremismus muss weiterhin insbesondere präventiv bekämpft werden. Die Unterstützung des Bundes dabei durch verschiedene Programme ist wichtig. Rechtsextremistisches Gedankengut muss in der politischen Auseinandersetzung bekämpft werden; es lässt sich nicht verbieten.

    Die Demokratinnen und Demokraten müssen zeigen, dass sie die besseren Argumente haben. Der Verfassungsschutzverbund ist zu reformieren. Die FDP steht zum Verfassungsschutz; Forderungen nach dessen Abschaffung sind kontraproduktiv. Der Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern, Verfassungsschutz und Polizeien muss unter Beachtung des Trennungsgebotes dringend verbessert werden. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) sollte in das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundeswehr überführt werden.

    Wie kann eine Integration für die 850.000 Geflüchteten in Deutschland optimal erfolgen? Welche Maßnahmen schlägt Ihre Partei vor?

    Deutschland ist seit Jahren ein Einwanderungsland. Dies zeigt sich an den Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die hierzulande leben. Viele von ihnen sind hier geboren, sprechen die deutsche Sprache und bringen sich vielfältig in die Gesellschaft ein. Die ungeordnete Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge stellt Politik und Gesellschaft jedoch vor neue Herausforderungen.
    Wir Freie Demokraten sehen in geregelter Einwanderung eine große Chance für Deutschland.
    Der ungeregelte Zustrom von Menschen muss jedoch begrenzt werden. Für uns kommt es nicht darauf an, woher jemand kommt, sondern was er erreichen will. Daher wollen wir qualifizierten Fachkräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern.

    Ob Arbeitsmigranten, Kriegsflüchtlinge oder Asylsuchende – sie alle müssen das Grundgesetz als objektive Wertordnung unserer Gesellschaft anerkennen. Weitere zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration sind für uns das Erlernen der deutschen Sprache und bessere Partizipationsmöglichkeiten.

    Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir Freie Demokraten:

    – Eine schnelle Arbeitserlaubnis für Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende
    – Ein modernes Einwanderungsgesetz, das auch Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden bei entsprechenden Voraussetzungen die  Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht
    – Flächendeckend Sprach- und Integrationskurse für Kinder und Erwachsene, auch im Rahmen der sogenannten nachholenden Integration
    – Mehr fachlich geeignetes Personal mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst
    – Konsequenteres Vorgehen der Vollzugsbehörden bei Straftaten

    Was bedeutet Zugehörigkeit zu Deutschland für Sie?

    Die Übernahme von Verantwortung als liberaler Ansatz zur Integration.
    Die Freiheit des Einzelnen und seine daraus erwachsende Verantwortung stehen im Zentrum liberaler Politik. Dieses Prinzip hört nicht bei den Flüchtlingen auf. Denn wer Verantwortung in seinem Umfeld übernimmt, wird zum integralen Bestandteil für sein Umfeld: Er integriert sich selbst in die Gesellschaft.

    Integration als Ziel und Aufgabe kann nur über Verantwortung, Toleranz und Respekt erreicht werden. Doch auch Flüchtlinge müssen ihrer neuen Freiheit und dem hiesigen Verständnis von Freiheit mit Verantwortung, Toleranz und Respekt begegnen.

    Wir nehmen die Geflüchteten als Individuen ernst. In diesem Sinne erwarten wir von jedem Einzelnen, Verantwortung innerhalb seines Umfelds zu übernehmen, das deutsche Rechtssystem und die Gleichheit von Frau und Mann zu respektieren sowie tolerant zu sein gegenüber allen Formen des Glaubens und Nichtglaubens.

    Indem wir die Flüchtlinge auf diese Weise zu einer Beteiligung und zu einem Bekenntnis zur hiesigen Zivilgesellschaft ermutigen, können sie eine aktive Rolle als neue Mitglieder unserer Gesellschaft übernehmen. Wenn Verantwortung im Handeln und Toleranz im Geiste bei allen Beteiligten gelebt wird, dann ist Integration keine unmögliche Herausforderung, sondern eine große Chance.
    Toleranz und Respekt vor gesellschaftlich vereinbarten und gesetzlich festgeschriebenen Werten müssen für alle Beteiligten gelten: Sowohl für die Bevölkerung des Aufnahmelandes, wie auch für die Zuwanderer.

    Gelingende Zuwanderung fordert alle und bedarf adäquater Förderung. Eine Bevorzugung bestimmter Gruppen, z. B. durch falsch verstandene „Rücksichtnahme“ auf Religion und kulturelle Prägung in den Herkunftsländern, ist abzulehnen. Denn sie nimmt die Zuwanderer und ihren Wunsch, hier zu leben, nicht angemessen ernst. Im Gegenteil, sie mündet in einer positiven Diskriminierung. Liberale lehnen aber jede Form der Diskriminierung ab.
    (Auszug aus dem Beschluss des Bundesvorstandes der FDP)

    Ist der Islam ein Teil von Deutschland?

    Katarina Blume zitiert ihre Parteikollegen:
    „Der Islam gehört selbstverständlich zu Deutschland“, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am 04.03.2011. „Dabei sind wir uns der Bedeutung der Religionsgemeinschaften für den Zusammenhalt der Gesellschaft wohl bewusst. Diese beschränkt sich nicht auf die christlichen Kirchen. Religionen wie der Islam spielen heute in erheblichen Teilen der Bevölkerung eine vergleichbare Rolle.“

    FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer: „Die FDP setzt sich auch dafür ein, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist, genauso wie das Christentum, Judentum und andere Religionen, die in unserem Land gelebt werden.“ Die FDP erkenne an, dass es „nicht nur einen Islam gibt, sondern viele Auslegungen der Religion – ebenso, wie es auch nicht nur eine christliche Kirche gibt.“

    Kritischer sieht das Christian Lindner: „Der Satz, dass der Islam zu Deutschland gehöre, ist mir zu pauschal. Das kann als kritikloses Nebeneinander missverstanden werden“. Er sei überzeugt, dass auch Muslime sich – wie die katholische Kirche – der Kritik an ihren Glaubensinhalten stellen müssten.

    „Man muss klar sagen, dass besonders konservative oder gar radikale Interpretationen des Koran eben nicht zu Deutschland passen und hier nicht toleriert werden. Das Grundgesetz gilt auch hinter der verschlossenen Wohnungstüre“, so Linder. Von den Millionen Muslimen, die in Deutschland bestens integriert seien, dürfe man erwarten, dass sie „noch entschlossener auf Radikale in ihren Reihen einwirken“.
    (Quelle: derwesten.de)

    Es ist eine Zunahme der Militärausgaben zu beobachten. Warum? Deutschland ist groß und stark als Land der Wissenschaft und Kultur, muss das Land auch militärisch stark sein?

    Die freien Demokraten wollen „keine Waffenlieferungen in Krisengebiete. Denn Rüstungsexporte in Konfliktregionen können bereits instabile Regionen noch weiter destabilisieren“. Die „Entscheidung über Rüstungsexporte soll auch weiterhin durch die Bundesregierung erfolgen“. Darüber hinaus wollen wir das Atlantische Bündnis stärken und weiterentwickeln. Dazu gehört (…) die weitere Anhebung des Verteidigungsetats bis 2024.“ Damit bekennt sich die FDP zur NATO-Quote von 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben.
    (Quelle: https://www.fdp.de/denkenwirneu)

    Wie beurteilen Sie das Thema Arbeitsmarkt und wie können sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen?

    Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir Freie Demokraten:

    – Mehr Selbstständigkeit und mehr Arbeitsplätze durch einfachere Unternehmensgründungen
    – Mehr Anreize für Unternehmen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, insbesondere durch einen flexiblen Arbeitsmarkt bei der Zeitarbeit und bei Werkverträgen
    – Mehr rechtliche Flexibilität bezüglich Arbeitszeiten und -orten
    – Eine stärkere Förderung der Aus- und Weiterbildung in jedem Alter
    – Eine Kurskorrektur beim Mindestlohn, damit Beschäftigung nicht verhindert und Unternehmen bei den Dokumentationspflichten entlastet werden
    – Ein Einwanderungsgesetz, das die Anwerbung ausländischer Fachkräfte erleichtert

    Für uns Freie Demokraten sind der Wille zum Erfolg und der Mut zum Scheitern zwei Seiten einer Medaille. Deshalb wollen wir jedem Menschen eine zweite Chance ermöglichen, wenn er wirtschaftlich oder persönlich gescheitert ist. Ein Scheitern kann viele Gründe haben: die Entwertung von Qualifikationen im Strukturwandel, unternehmerischer Misserfolg, das Scheitern privater Lebensentwürfe, Krankheit oder längerfristige Arbeitslosigkeit.

    Wir wollen jeden befähigen, immer wieder einzusteigen. Wer erwerbsfähig ist und die Teilhabe an Arbeit verloren hat, sollte nicht dauerhaft alimentiert werden, sondern Hilfe zu einer erneuten Chance auf Teilhabe erhalten. Dies ist eine zentrale Frage von Fairness. Ziel muss es immer sein, schnellstmöglich wieder den Einstieg in einen Job zu finden. Und wenn es aufgrund der persönlichen Situation sinnvoll ist, die Arbeitslosigkeit als Gelegenheit zur besseren Qualifikation zu nutzen, ist mit dem „Arbeitslosengeld Weiterbildung“ auch schon möglich. Eine Verlängerung der Bezugsdauer von ALG I ist hingegen kontraproduktiv. Ob Einstieg oder Wiedereinstieg: Wir verteidigen einen flexiblen Arbeitsmarkt und die Tarifautonomie und dürfen etwa die Zeitarbeit oder Befristungen nicht weiter einschränken.

    Flexibilität am Arbeitsmarkt schafft nicht nur Möglichkeiten zum Einstieg, sondern reduziert auch Arbeitsplatzverluste in Krisen. Darüber hinaus setzen wir uns für ein Gesamtkonzept zum Empowerment für Erwachsene ein.

    Wie stehen Sie zum Thema Familienzusammenführung?

    Es muss zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern klar unterschieden werden. Grundrecht auf Asyl für individuell politisch Verfolgte ist für uns unantastbar. Für Kriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen Status schaffen, einen vorübergehenden humanitären Schutz, der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist. Nach Identitätsfeststellung soll dieser Status unkompliziert verliehen werden.

    Dauerhafte Einwanderer wollen wir uns wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen. Deutschland ist auf die Einwanderung von qualifizierten und fleißigen Menschen angewiesen, wenn wir unseren Wohlstand auch zukünftig erhalten wollen. Dazu wollen wir die Blue-Card reformieren.

    Unsere Forderungen:

    – Einen vorübergehenden humanitären Schutz für Kriegsflüchtlinge
    – Die Rückkehr zum Dublin-System, bis ein europäischer Verteilungsschlüssel in Kraft tritt
    – Den wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen statt einer Abhängigkeit von der Erdogan-Türkei
    – Ein modernes Einwanderungsgesetz mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild
    – Eine Bekämpfung der Fluchtursachen sowie eine bessere Versorgung von Flüchtlingen in Anrainerstaaten

    Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

  • Björn Lüttmann – Unsere Fragen an den SPD-Abgeordneten

    Welche ist Ihrer Meinung nach die größte gesellschaftliche Herausforderung in den kommenden vier Jahren?

    Da gibt es so viele Herausforderungen, dass es mir schwerfällt, eine herauszugreifen. Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen: Der „gesellschaftliche Zusammenhalt“ und „gegenseitige Solidarität“ (alt und jung, arm und reich, Deutscher und Migrant etc.)!

    Was sind Ihre konkreten Maßnahmen für diese Herausforderung?

    Ich werde jetzt nicht den ganzen Maßnahmenkatalog der SPD herunterbeten. Aber ganz grundsätzlich: Einen starken Sozialstaat erhalten, gute Bildung fördern, gerechtere Steuersätze einführen,
    den Umweltschutz voranbringen und vieles mehr!

    Was macht Ihre Partei für die jungen Wähler? Was für die Senioren?

    Die SPD macht eine Politik für alle Menschen und zum Beispiel die Ausgaben für Bildung oder Soziales helfen ja allen Menschen. Natürlich gibt es spezielle Leistungen im Sozialsystem für junge Menschen oder Senioren, aber die Aufzählung würde hier zu weit führen. In der Partei selbst gibt es Arbeitsgruppen, die sich speziell um die Belange junger Menschen (JUSOS) oder älterer Mitbürger (AG 60 plus) kümmern.

    Wie kann Deutschland gegen die Gefahr von Terror und Rechtsextremismus vorgehen?

    Im Hinblick auf den Terror muss Deutschland grundsätzlich eine befriedende Außenpolitik betreiben und sich gegen Armut und Ungleichheit in der Welt einsetzen. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sind die vorbeugende Aufklärung insbesondere junger Menschen sowie die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Gegenstrukturen sehr wichtig. Letztlich brauchen wir aber gegen beide Phänomene vor allem auch eine personell und ausbildungsmäßig gut aufgestellte Polizei.

    Wie kann eine Integration für die 850.000 Geflüchteten in Deutschland optimal erfolgen?  Welche Maßnahmen schlägt Ihre Partei vor?

    Zunächst ist wichtig, dass die Geflüchteten die deutsche Sprache lernen. Dazu müssen genug Angebote gemacht werden, diese müssen dann aber auch fleißig genutzt werden. Darüber hinaus ist ein Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen wichtig. Auch hier gilt: Von Seiten der Geflüchteten müssen diese Angebote dann auch wahrgenommen werden. Über die Sprache und die Integration ins Arbeitsleben sowie das tägliche Zusammenleben sollte die Integration gelingen. Dabei können die mitgebrachte Kultur und Religion ausgeübt werden, solange dies auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung geschieht. Die Integration wird nicht gelingen, wenn die Geflüchteten unter sich bleiben und in „Subkulturen“ leben, die keinen Austausch mit der restlichen Bevölkerung haben.

    Björn Lüttmann / Photo I. Kieburg-Diehl
    Björn Lüttmann / Photo I. Kieburg-Diehl

    Was bedeutet Zugehörigkeit zu Deutschland für Sie?

    Dass ich Teil dieser demokratisch verfassten Gesellschaft bin und mich für sie engagiere. Dass ich meine Rechte und Pflichten gemäß des Grundgesetzes wahrnehme.

    Ist der Islam ein Teil von Deutschland?

    Diese Frage finde ich falsch gestellt, da eine Religion aus meiner Sicht nicht per se „Teil eines Landes“ sein kann, schließlich kann jeder Mensch jederzeit seine Konfession ändern. Es lässt sich aber feststellen, dass derzeit viele Menschen in Deutschland islamischen Glaubens sind, mit allen Rechten und Pflichten.

    Es ist eine Zunahme der Militärausgaben zu beobachten. Warum?

    Tatsächlich ist eine Zunahme der Ausgaben des Bundes für Verteidigung zu beobachten. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Wehretat um 1,9 Mrd. Euro angewachsen und liegt nun bei insgesamt rund 37 Mrd. Euro. Dieser Zuwachs ergibt sich aus den gestiegenen Anforderungen an die Bundeswehr. Eine Vielzahl von Einsätzen im Ausland fordern mehr Personal und vor allem eine angemessene Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten.

    Deutschland ist groß und stark als Land der Wissenschaft und Kultur, muss das Land auch militärisch stark sein?

    Da wir leider nicht von plötzlichem Weltfrieden ausgehen können, so sehr wir ihn uns wünschen, sollte Deutschland auch militärisch vernünftig ausgestattet sein. Als Mitglied der NATO und im Rahmen von UN-Missionen ist die Bundeswehr auch international ein wichtiger Partner. Ich sehe hier auch eine moralische Verpflichtung, dort zu helfen, wo Terror und Krieg ganze Länder beherrschen. Hier sei etwa der Terrorismus in all seinen Facetten hervorgehoben. Organisationen wie der sogenannte „Islamische Staat“ oder die Taliban stellen eine existentielle Bedrohung für die dortige Bevölkerung dar, welcher nach bisheriger Erfahrung nicht mit diplomatischen Mitteln beizukommen ist. In solchen Fällen wird man auch künftig leider nicht um internationale militärische Interventionen umhinkommen.

    Wie beurteilen Sie das Thema Arbeitsmarkt und wie können sie gegen Arbeitslosigkeit kämpfen?

    Der Arbeitsmarkt hat sich gut entwickelt, die Beschäftigungszahlen sind in Deutschland derzeit auf Rekordniveau. In vielen Branchen werden in den nächsten Jahren vermutlich mehr Menschen gesucht als zur Verfügung stehen. Hier muss Politik versuchen, die realen Ausbildungs- und Studienkapazitäten an den Bedarf anzupassen. Ausbildungsberufe müssen attraktiver werden. Für diejenigen, die arbeitslos sind oder werden, ist eine schnelle Wiedervermittlung durch die Jobcenter und Arbeitsagenturen angezeigt. Weiterbildung ist wichtig und für Einige können auch dauerhafte öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen Sinn machen.

    Wie stehen Sie zum Thema Familienzusammenführung?

    Ich glaube, dass Familienzusammenführungen bei der Integration der Geflüchteten helfen. Sie bekommen hier eine Perspektive und einen Anreiz, sich in unserer Gesellschaft dauerhaft zu engagieren. Natürlich muss der Begriff „Familie“ eng ausgelegt, Lebensunterhalt und Wohnraum durch die nachholende Person sichergestellt werden. Außerdem muss die nachholende Person bereits über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, um sicher zu stellen, dass keine sich unberechtigt in Deutschland aufhaltenden Personen ihre Angehörigen in unser Land holen.

    Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!

  • Von der Bundestagswahl ausgeschlossen

    Wer darf in Deutschland überhaupt wählen?

    Der 24. September 2017 ist ein wichtiger Tag für Deutschland: an diesem Datum findet die nächste Bundestagswahl statt. Diese Wahl erfolgt laut Artikel 39 des Grundgesetzes alle vier Jahre und dient der Bestimmung der Abgeordneten des deutschen Bundetages. Insgesamt stehen in diesem Jahr 42 Parteien zur Wahl. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 waren nur 34 Parteien zugelassen. 2017 gibt es insgesamt 4828 Kandidaten und 299 Wahlkreise.

    Alle deutschen Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei Monaten in Deutschland leben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden, sind bevollmächtigt, zu wählen. Das sind rund 61, 7 Millionen Menschen. Für die deutschen Staatsbürger ist es eine Selbstverständlichkeit, zu dieser Wahl zu gehen und ihre Stimme abzugeben.

    Etwa 10 Millionen in Deutschland lebende Ausländer sind nicht wahlberechtigt

    Doch etwa 10 Millionen in Deutschland lebende Ausländer dürfen die politische Zukunft des Landes nicht mitbestimmen. Sie kommen vor allem aus Krisengebieten wie Syrien, dem Iran, dem Irak, Afghanistan oder auch aus Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan.
    Nach Artikel 20 des Grundgesetzes sind Ausländer, die nicht in Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, grundsätzlich nicht wahlberechtigt in Deutschland.

    Und das, obwohl in Deutschland derzeit so viele Migranten wie noch nie leben. Gut jede fünfte, in Deutschland lebende Person, hat Migrationshintergrund. Das sind in Zahlen ausgedrückt in etwa 17,1 Millionen Menschen.
    Da sie jedoch keinen deutschen Pass besitzen, dürfen sie auch ihre Stimme nicht abgeben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die aktuelle gesellschaftliche Situation in Deutschland maßgeblich mitbestimmen. Viele der Betroffenen leben schon sehr lange in Deutschland, beherrschen die deutsche Sprache, gehen einer Arbeit nach und sind gut integriert.

    Eugenia Loginova / Photo E. Loginova

    So geht es auch Eugenia Loginova, Künstlerin aus Russland: „Es ist schon ungerecht. Ich zum Beispiel wohne schon lange Zeit mit meiner Familie hier, ich habe ein Kind. Ich möchte mich gerne am politischen Leben beteiligen, aber ich darf es nicht. Das finde ich unfair.“ Eugenia fühlt sich in Deutschland angekommen, es ist ihre Heimat geworden. Und doch lässt das deutsche Grundgesetz es nicht zu, ihr das aktive Wahlrecht zur Bundestagswahl einzuräumen. Eugenia hat Kunst und Theater in St. Petersburg studiert, bekam dann ein Stipendium, welches sie nach Deutschland führte.
    Hier lebt sie mittlerweile seit über 20 Jahren.

    Politische Zukunft aktiv mitgestalten

    Das aktive und passive Wahlrecht gehört mit zu den wichtigsten politischen Rechten. Denn es verschafft Zugang zur Bildung politischer Macht. Gerade für Zuwanderer hat die Erlaubnis zu wählen eine große Bedeutung. Denn dies symbolisiert, dass sie als gleichwertige Mitglieder der Bürgerschaft angesehen werden und das gesellschaftliche Leben maßgeblich mitbestimmen dürfen.
    Und Eugenia ergänzt: „Für mich bedeutet Wahl, mich an der Gestaltung der Zukunft meiner Tochter zu beteiligen. Wenn man ein Kind hat, möchte man schon gerne wissen, was in Zukunft passiert, also in 20, 30 Jahren. Daher möchte ich durch die Wahl die politische Zukunft aktiv mitgestalten.“

    Bürger aus der europäischen Union

    Nur für EU-Ausländer gibt es eine Ausnahme: sie dürfen an den Kreis- und Kommunalwahlen teilnehmen, nicht jedoch an den Bundes- oder Landtagswahlen. Dieses Ausländerwahlrecht existiert nur in sehr wenigen Staaten. Es gestattet den ausländischen Bürgern, politische Rechte wie das Stimmrecht oder aber das aktive und passive Wahlrecht auszuüben, ohne dabei jedoch einen deutschen Pass zu besitzen. Dies wurde 1992 im Vertrag von Maastricht geregelt.

    Babette Hnup / Photo Kathrin Ahäuser

    „Ich würde es sehr begrüßen, wenn EU-Bürger auch auf Landtags- und Bundestagebene wählen dürften“, sagt Babette Hnup, freie Journalistin aus Österreich. „Denn in dem Land, in dem ich lebe, arbeite und Steuern zahle, in dem ich meine Familie habe, möchte ich auch mitbestimmen.

    Das Recht zu wählen, ist ein demokratisches Grundrecht und auch eine Bürgerpflicht. In Österreich nehme ich dieses Recht wahr und gehe selbstverständlich wählen. Aber 80 Prozent meiner Zeit befinde ich mich hier in Deutschland und es fühlt sich komisch an, hier, wo mein Lebensmittelpunkt ist, nicht wählen zu dürfen. Für das Wahlrecht, gerade für Frauen, haben viele Menschen vor uns hart gekämpft. Deswegen sollte es auf jeden Fall genutzt werden. Ich kann daher diejenigen, die nicht wählen gehen, überhaupt nicht verstehen.“

    Warum werden Migranten von der Wahl ausgeschlossen?

    Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen soll die Bildung ethnischer Parteien verhindert werden. Denn wenn Zuwanderergruppen ihre eigenen, politischen Parteien gründen, kann dieser Prozess die bereits etablierten Parteien massiv schwächen. Hinzu kommt, dass das Ausländerwahlrecht bestehende Machtverhältnisse durcheinanderbringen kann, denn gewisse Parteien könnten stärker von den Stimmen der Zuwanderer profitieren als andere. Und viele befürchten, dass wenn erst einmal die Zustimmung für die Stimmenabgabe für die Kommunalwahlen erfolgt ist, dass dann die Argumente, die Migranten bei den Landes- und Bundestagswahlen weiter auszuschließen, schwächer werden.

    Warum es dennoch wichtig ist, dass auch Migranten wählen

    Die Erlaubnis zu wählen, fördert maßgeblich die Teilhabe der Zuwanderer am politischen Leben und somit auch ihre Integration in die deutsche Gesellschaft. Denn sie sind dauerhafte Mitglieder der Gesellschaft. Durch das Wahlrecht werden sie als zukünftige Staatsbürger wahrgenommen, der Weg zur Staatsbürgerschaft wird geebnet. Denn wenn die Migranten an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, dann ermutigt sie dies, sich einbürgern zu lassen, um dann auch bei den nationalen Wahlen teilnehmen zu können. Integration wird also in hohem Maße gefördert.

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