Schlagwort: Wahlen

  • Fragen und Antworten zur Bundestagswahl 2025 in Einfacher Sprache

    Wann ist die Bundestags-Wahl?

    Die Bundestags-Wahl ist am 23. Februar 2025. Dann haben die Menschen von 8 Uhr bis 18 Uhr die Möglichkeit, im Wahllokal zu wählen.

    Du hast drei Möglichkeiten, wie du wählst:

    1. Du gehst am Wahl-Tag, dem 23. Februar, in dein Wahl-Lokal.
    2. Du gehst vor dem 23. Februar in dein Wahlamt und wählst dort.
    3. Du wählst mit der Brief-Wahl per Post.

    Du bekommst ein Wahllokal zugeordnet. Das bedeutet: Du musst in ein bestimmtes Wahllokal gehen, um zu wählen. Die Adresse steht auf deiner Wahl-Benachrichtigung. Die Benachrichtigung bekommst du automatisch per Post.

    Alle Wahl-Berechtigten bekommen die Wahl-Benachrichtigung per Post. Darin steht alles Wichtige zur Wahl. Du musst nichts dafür tun, um die Benachrichtigung zu bekommen.

    Wenn du nach dem 2. Februar 2025 eingebürgert worden bist, musst du dich zusätzlich ins Wähler-Verzeichnis eintragen lassen. Das geht so: Du musst bis spätestens Freitag vor dem Wahl-Tag einen Antrag beim Wahl-Amt stellen. Das ist der 21.2.2025.

    Im Wahllokal musst du einen Ausweis mitnehmen. Außerdem solltest du deine Wahl-Benachrichtigung mitnehmen. Wenn du die Wahl-Benachrichtigung verloren hast, ist das nicht schlimm. Du kannst auch ohne die Benachrichtigung wählen.

    Es gibt zwei Möglichkeiten, um eine Briefwahl zu beantragen.

    Option 1: Du beantragst die Briefwahl online auf der Website deiner Gemeinde.

    Option 2: Du fühlst den Antrag zur Briefwahl auf der Rückseite deiner Wahlbenachrichtigung aus und sendest diese zurück.

    Bei der Bundestags-Wahl werden Abgeordnete für den Bundestag gewählt. Es können 630 Menschen im Bundestag sein.

    Du kannst jede Partei wählen, die für die Bundestags-Wahl zugelassen ist. Eine Liste findest du hier: https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/06_25_ergebnisse_1bwa.html

    Nach der Bundestags-Wahl gibt es oft eine Regierung von mehreren Parteien. Die Parteien müssen zusammen mehr als 50 Prozent von den Stimmen haben. Diese Parteien wählen dann den Bundes-Kanzler. Oft ist der Kanzler von der Partei mit den meisten Stimmen.

    Einige große Parteien haben einen Spitzen-Kandidaten oder eine Spitzen-Kandidatin. Sie wollen Kanzler oder Kanzlerin werden, wenn die Partei genug Stimmen bekommt. Das sind:

    – Olaf Scholz von der SPD

    – Robert Habeck von den GRÜNEN

    – Friedrich Merz von der CDU

    – Alice Weidel von der AfD

    Du darfst auf dem Stimm-Zettel insgesamt 2 Kreuze machen. Eines davon musst du links auf dem Zettel machen und eines rechts. Links ist deine Erst-Stimme. Rechts ist deine Zweit-Stimme.

    Mit der Erst-Stimme wählst du den oder die Direkt-Kandidatin, die deinen Wahl-Bezirk in dem Bundestag vertreten. Den Direkt-Kandidaten wählst du links auf dem Stimm-Zettel. Wenn mindestens 3 Direkt-Kandidaten von einer Partei mit der Erst-Stimme gewählt werden, kommt die Partei in den Bundestag.

    Mit der Zweit-Stimme wählst du eine Partei und keine Person. Damit wird verteilt, wie viele Sitze die Parteien im Bundestag bekommen. Nur Parteien, die insgesamt mindestens 5 Prozent von allen Stimmen bekommen, dürfen in den Bundestag. Die Zweit-Stimme steht auf der rechten Seite von dem Stimm-Zettel.

    Eigentlich sollte es erst im September 2025 die nächste Bundestags-Wahl geben. Doch die Parteien SPD, FDP und Grüne haben gestritten. Deshalb muss jetzt eine neue Regierung gewählt werden.

    Das richtige Ergebnis gibt es, wenn alle Stimmen ausgezählt sind. Das wird wahrscheinlich 3 Wochen nach dem Wahl-Sonntag sein. Am Wahl-Tag gibt es ab 18 Uhr Hoch-Rechnungen. Einen Tag später gibt es ein vorläufiges End-Ergebnis.

    Nach der Wahl werden die Parteien Koalitions-Verhandlungen führen. Das heißt: Sie einigen sich darauf, wie eine Regierung aus mehreren Parteien aussehen soll. Das kann einige Wochen dauern. Bis es so weit ist, regiert die alte Bundes-Regierung weiter. Die anderen Parteien sind dann in der Opposition. Die Opposition kontrolliert die Regierung.

    Das Wahlamt organisiert Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene und ist Teil deiner Gemeinde- oder Stadtbehörde. Die Informationen zu deinem Wahlamt findest du daher auf der Website deiner Stadt oder Gemeinde.

    Die Bundestags-Wahl ist am 23. Februar 2025. Dann haben die Menschen von 8 Uhr bis 18 Uhr die Möglichkeit, im Wahllokal zu wählen.

    Du hast drei Möglichkeiten, wie du wählst:

    1. Du gehst am Wahl-Tag, dem 23. Februar, in dein Wahl-Lokal.
    2. Du gehst vor dem 23. Februar in dein Wahlamt und wählst dort.
    3. Du wählst mit der Brief-Wahl per Post.

    Du bekommst ein Wahllokal zugeordnet. Das bedeutet: Du musst in ein bestimmtes Wahllokal gehen, um zu wählen. Die Adresse steht auf deiner Wahl-Benachrichtigung. Die Benachrichtigung bekommst du automatisch per Post.

    Alle Wahl-Berechtigten bekommen die Wahl-Benachrichtigung per Post. Darin steht alles Wichtige zur Wahl. Du musst nichts dafür tun, um die Benachrichtigung zu bekommen.

    Wenn du nach dem 2. Februar 2025 eingebürgert worden bist, musst du dich zusätzlich ins Wähler-Verzeichnis eintragen lassen. Das geht so: Du musst bis spätestens Freitag vor dem Wahl-Tag einen Antrag beim Wahl-Amt stellen. Das ist der 21.2.2025.

    Im Wahllokal musst du einen Ausweis mitnehmen. Außerdem solltest du deine Wahl-Benachrichtigung mitnehmen. Wenn du die Wahl-Benachrichtigung verloren hast, ist das nicht schlimm. Du kannst auch ohne die Benachrichtigung wählen.

    Es gibt zwei Möglichkeiten, um eine Briefwahl zu beantragen.

    Option 1: Du beantragst die Briefwahl online auf der Website deiner Gemeinde.

    Option 2: Du fühlst den Antrag zur Briefwahl auf der Rückseite deiner Wahlbenachrichtigung aus und sendest diese zurück.

    Bei der Bundestags-Wahl werden Abgeordnete für den Bundestag gewählt. Es können 630 Menschen im Bundestag sein.

    Du kannst jede Partei wählen, die für die Bundestags-Wahl zugelassen ist. Eine Liste findest du hier: https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/06_25_ergebnisse_1bwa.html

    Nach der Bundestags-Wahl gibt es oft eine Regierung von mehreren Parteien. Die Parteien müssen zusammen mehr als 50 Prozent von den Stimmen haben. Diese Parteien wählen dann den Bundes-Kanzler. Oft ist der Kanzler von der Partei mit den meisten Stimmen.

    Einige große Parteien haben einen Spitzen-Kandidaten oder eine Spitzen-Kandidatin. Sie wollen Kanzler oder Kanzlerin werden, wenn die Partei genug Stimmen bekommt. Das sind:

    – Olaf Scholz von der SPD

    – Robert Habeck von den GRÜNEN

    – Friedrich Merz von der CDU

    – Alice Weidel von der AfD

    Du darfst auf dem Stimm-Zettel insgesamt 2 Kreuze machen. Eines davon musst du links auf dem Zettel machen und eines rechts. Links ist deine Erst-Stimme. Rechts ist deine Zweit-Stimme.

    Mit der Erst-Stimme wählst du den oder die Direkt-Kandidatin, die deinen Wahl-Bezirk in dem Bundestag vertreten. Den Direkt-Kandidaten wählst du links auf dem Stimm-Zettel. Wenn mindestens 3 Direkt-Kandidaten von einer Partei mit der Erst-Stimme gewählt werden, kommt die Partei in den Bundestag.

    Mit der Zweit-Stimme wählst du eine Partei und keine Person. Damit wird verteilt, wie viele Sitze die Parteien im Bundestag bekommen. Nur Parteien, die insgesamt mindestens 5 Prozent von allen Stimmen bekommen, dürfen in den Bundestag. Die Zweit-Stimme steht auf der rechten Seite von dem Stimm-Zettel.

    Eigentlich sollte es erst im September 2025 die nächste Bundestags-Wahl geben. Doch die Parteien SPD, FDP und Grüne haben gestritten. Deshalb muss jetzt eine neue Regierung gewählt werden.

    Das richtige Ergebnis gibt es, wenn alle Stimmen ausgezählt sind. Das wird wahrscheinlich 3 Wochen nach dem Wahl-Sonntag sein. Am Wahl-Tag gibt es ab 18 Uhr Hoch-Rechnungen. Einen Tag später gibt es ein vorläufiges End-Ergebnis.

    Nach der Wahl werden die Parteien Koalitions-Verhandlungen führen. Das heißt: Sie einigen sich darauf, wie eine Regierung aus mehreren Parteien aussehen soll. Das kann einige Wochen dauern. Bis es so weit ist, regiert die alte Bundes-Regierung weiter. Die anderen Parteien sind dann in der Opposition. Die Opposition kontrolliert die Regierung.

    Das Wahlamt organisiert Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene und ist Teil deiner Gemeinde- oder Stadtbehörde. Die Informationen zu deinem Wahlamt findest du daher auf der Website deiner Stadt oder Gemeinde.

  • Wie wählen Menschen mit Migrationsgeschichte?

    Laut dem Integrationsbarometer 2017 beteiligen sich nur zwei von drei wahlberechtigten Menschen mit Migrationsgeschichte an der Bundestagswahl. Warum ist das so? Liegt es daran, dass politische Parteien diese wachsende Wähler*innengruppe nicht gezielt ansprechen?

    Diese Fragen hat das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in einer Studie untersucht, die zwischen Dezember 2023 und März 2024 durchgeführt wurde. Dafür wurden 2.689 Personen befragt – darunter 248 selbst Zugewanderte, 393 Kinder von Zugewanderten und 2.048 Personen ohne Migrationsgeschichte.

    „Mit der Staatsbürgerschaft ist es nicht erledigt“

    Anlässlich der anstehenden Bundestagswahl wurden die Ergebnisse am Freitag, den 24. Januar, in einer Pressekonferenz vorgestellt. Dr. Friederike Römer, Co-Leiterin der Abteilung “Konsens & Konflikt” am DeZIM, präsentierte zentrale Ergebnisse der Kurzstudie und diskutierte sie mit apl. Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (Universität Wien) und Yunus Ulusoy (Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung).

    ,,Die Wahlbevölkerung mit Migrationshintergrund wird in Zukunft wachsen. Es muss noch viel getan werden, um diese Gruppen besser am politischen Willensbildungsprozess teilhaben zu lassen‘‘, so Römer. ,,Das Thema ist mit Erlangen der Staatsbürgerschaft nicht erledigt.‘‘ Ihrer Meinung nach sollten sozialpolitische Themen stärker in den Fokus rücken, um Wähler*innen mit Migrationsgeschichte gezielt anzusprechen. Besonders wichtig seien Anknüpfungspunkte wie Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, Lücken im Lebenslauf oder vorurteilsfreie Kriminalprävention.

     

    Welche Parteien überzeugen – und welche nicht?

    Ein Teil der Studie hat untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Befragten verschiedene Parteien wählen. Das Ergebnis: Die SPD liegt insgesamt vorne, besonders bei Menschen mit europäischer sowie türkischer, nahöstlicher und nordafrikanischer Migrationsgeschichte.

    Die AFD hat zwar insgesamt das geringste Wählerpotenzial, erreicht aber in allen Gruppen etwa 20 %. Besonders auffällig: Unter postsowjetischen Befragten liegt der Wert sogar bei 29,2%. Gleichzeitig schneidet die CDU/CSU in dieser Gruppe am besten ab – mit 68,7 %. Ganz anders sieht es bei Menschen mit türkischer, nahöstlicher und nordafrikanischer Herkunft aus: Sie zeigten eine stärkere Neigung zu den Linken und zum Bündnis Sahra Wagenknecht.

    Misstrauen, wirtschaftliche Sorgen und die Angst vor Rechtsextremismus

    Was bewegt Menschen mit Migrationsgeschichte politisch? Die häufigsten Antworten: Wirtschaftliche Unsicherheit, Inflation, sozialer Zusammenhalt und Klimawandel. Ein Punkt fällt besonders auf: 14,4 % der Befragten mit türkischer, nahöstlicher oder nordafrikanischer Herkunft nannten Rechtsextremismus als eine der größten Sorgen – in der Gruppe der postsowjetischen Befragten waren es nur 4,7 %.

    Hinzu kommt ein generelles Misstrauen gegenüber politischen Parteien. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte sehen sie nicht als Problemlöser. Dies liegt unter anderem an fehlendem Vertrauen in das politische System, mangelnder Informationen oder eigener Diskriminierungserfahrung. „Für mich waren nur migrationsbezogene Faktoren ausschlaggebend. Also, welche Partei nimmt mich wahr und akzeptiert mich?“, berichtet Yunus Ulusoy aus seiner eigenen Erfahrung. „Das war in den 2000er Jahren für uns entscheidend. Für die 3. Generation ändern sich diese Vorstellungen.“

    Ein weiteres Ergebnis: Menschen mit Migrationsgeschichte machen sich häufiger Sorgen um ihre finanzielle Zukunft. 63,4 % gaben an, dass sie sich um ihre wirtschaftliche Situation Gedanken machen. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund waren es 46,7 %. Auch Altersvorsorge, Wohnsituation und Kriminalität werden häufiger als Probleme genannt.

    Obwohl Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Diskurs oft als Täter*innen dargestellt werden, äußerten viele von ihnen Sorgen, selbst Opfer von Straftaten zu werden. Ein Widerspruch, der zeigt, wie stark sich gesellschaftliche Vorurteile und persönliche Unsicherheiten überlagern.

  • Nach den Landtagswahlen: „Ich möchte nicht noch ein Land aufgrund von Gewalt und Extremismus verlieren“

    Ich bin zutiefst beunruhigt über den Aufstieg der extremen Rechten. Dieser Trend bedroht die Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland. Besonders fürchte ich eine Zunahme von Diskriminierung, Extremismus und politischer Gewalt, die durch Hass auf Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund geschürt werden. Der Erfolg der extremen Rechten stellt einen erheblichen Rückschritt dar und erinnert uns an eine Zeit, in der Extremismus Deutschland in eine Tragödie führte. Es besteht die Gefahr, dass viele Errungenschaften verloren gehen und eine dunkle Vergangenheit, die wir hinter uns lassen wollten, wieder auflebt.

    Trotz der fremdenfeindlichen Politik der AfD fühle ich mich in Deutschland willkommen. Meine persönlichen Erfahrungen zeigen, dass Deutschland viel mehr ist als nur die Ansichten einer Partei. Viele Eingewanderte, darunter auch ich, haben hier enge Freundschaften und familiäre Bindungen geknüpft und erleben täglich die Offenheit und Großzügigkeit vieler Deutscher. Diese Menschen – sei es Familie, Freund*innen, Nachbar*innen oder Kolleg*innen – geben uns nicht nur das Gefühl, willkommen zu sein, sondern auch, zuhause zu sein.

    Natürlich gibt es auch Stimmen, die sich gegen die Anwesenheit von Ausländer*innen aussprechen, und diese Stimmen können sehr laut und eindringlich sein. Sie nutzen terroristische Vorfälle, um Fakten zu verdrehen und Hass gegen Menschen mit Migrationsgeschichte zu schüren. Der von einem muslimischen Terroristen in Solingen verübte Terroranschlag wird beispielsweise mit derselben Entschlossenheit zurückgewiesen und verurteilt wie der Terroranschlag vor 30 Jahren in derselben Stadt, bei dem eine ganze Familie von vier rechtsextremen Terroristen verbrannt wurde. Extremismus ist keine politische Meinung und in keiner Form akzeptabel, egal wer ihn praktiziert.

    In Zeiten wie diesen ist es entscheidend, dass die Mehrheit der Gesellschaft die Grundsätze der Verfassung respektiert und dafür sorgt, dass die Demokratie stark bleibt. Wenn demokratische Werte und Gesetze nicht verteidigt werden, könnten die Folgen für alle – Deutsche und Eingewanderte gleichermaßen – sehr gravierend sein.

    Vor acht Jahren bin ich aus Syrien nach Deutschland gekommen, um dem Krieg, der Gewalt und der Verfolgung durch das diktatorische Regime zu entkommen. Mein Mann und ich lebten in ständiger Angst vor Verhaftungen und Bombenanschlägen. Als die Situation unerträglich wurde, nutzten wir die Gelegenheit, in Deutschland Asyl zu beantragen, nachdem mein Mann hier an einer politischen Konferenz teilgenommen hatte. Nach anderthalb Jahren konnten unsere Kinder und ich die Familie wieder vereinen.

    Wir leben hier glücklich, trotz des hektischen Lebens in kapitalistischen Ländern, doch ich bin dankbar für die Sicherheit und die Möglichkeiten, die uns Deutschland bietet. Ich konnte lernen, arbeiten, Steuern zahlen und schließlich die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen. Kurz gesagt, ich bin nach Deutschland gekommen, um dem Tod zu entkommen und ein neues Leben zu beginnen, aber die guten Ergebnisse der extremen Rechten bei den Wahlen geben Anlass zur Sorge. Ich habe ein Land aufgrund von Gewalt und Extremismus verloren und möchte nicht noch ein weiteres Land aus demselben Grund verlieren.

  • Landtagswahlen in Ostdeutschland: Was wäre wenn?

    Die Wahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern sind die ersten, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die AfD sie gewinnt. In Sachsen und Thüringen wurde am 1. September gewählt, in Brandenburg am 22. September. In den Umfragen der letzten Wochen liegt die AfD in allen drei Bundesländern auf Platz eins. Dabei muss man allerdings beachten, dass diese Daten häufig nicht repräsentativ sind. Ein Beispiel: INSA erhebt seine Daten teilweise online, die AfD schneidet dabei besonders gut ab. Auch wird immer wieder kritisiert, dass es eine ideologische Nähe zwischen INSA und der AfD gebe, wie zuletzt der Volksverpetzer berichtete

    Jetzt ist klar: Die AfD erzielt Erfolge – und das, obwohl sie in Sachsen und Thüringen als gesichert rechtsextrem und in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt.


    Auszug aus dem Wahlprogramm der AfD-Sachsen 2024

    Im sächsischen Wahlprogramm der AfD wird ersichtlich, dass mit einem Framing der Angst gearbeitet, wird. Somit wird bei Menschen bewusst Angst geschürt, die Äußerungen von Politiker*innen blind vertrauen. So heißt es beispielsweise: „Die unkontrollierte Massenzuwanderung ist eine Gefahr für den sozialen Frieden in unserem Land, für unsere kulturelle Identität und unsere christlich-abendländische Werteordnung geworden. Wir wenden uns gegen die schleichende Etablierung islamischer Strukturen, in denen die Scharia gepredigt und parallel zu unserem Rechtssystem etabliert wird, und jede Form migrantischer Parallelgesellschaften.“

    Damit werden völkische und rassistische Narrative bedient. Im Wahlprogramm steht auch, dass die Partei Kindern und Jugendlichen mit geringer Bleibeperspektive den Zugang zum regulären Schulsystem verwehren will. Der Begriff der „Remigration“, welcher aus dem geheimen Treffen von Rechtsextremen in Potsdam an die Öffentlichkeit gelangte, taucht ebenfalls im Wahlprogramm der AfD Sachsen auf.

     

    Auszug aus dem Wahlprogramm der AfD-Thüringen 2024

    Ähnlich liest sich das Wahlprogramm der AfD in Thüringen, wo von einer “Einwanderungskrise” die Rede ist. Während zwar korrekte Zahlen über die Zuwanderung genannt werden, bleibt der Kontext unerwähnt. Am 24. Februar 2022 wurde die Ukraine von Russland angegriffen und seitdem herrscht dort Krieg. In diesem Jahr kamen über eine Million Menschen aus der Ukraine. In seriösen Statistiken wird die Nettozuwanderung berechnet, das bedeutet, dass die Fortzüge ebenfalls mit aufgeführt werden, damit handelt es sich um 1,2 Mio. Personen, die Deutschland verlassen haben. Zu den Zuwanderungen werden auch Menschen mitgezählt, die aus anderen EU-Ländern in unser Land einreisen, um hier beispielsweise zu arbeiten.  Da die AfD in erster Linie Propaganda gegen Asylsuchende macht, lässt sie diese Fakten jedoch bewusst aus.

     

    Was wäre wenn?

    Was wäre, wenn die AfD in allen drei Bundesländern stärkste Kraft wird, wie es in den Umfragen der Fall ist? Es ist nicht zu erwarten, dass die Partei überall die absolute Mehrheit erreichen wird, nur dann könnte sie allein ohne Koalitionspartner regieren. Bisher hat sich keine Partei dazu bereit erklärt, mit der AfD zu koalieren.

    Viele Änderungen, die die AfD in ihrem Programm propagiert, kann sie aber auf Landesebene gar nicht umsetzen. Die AfD Sachsen möchte, dass Abschiebungen konsequent durchgeführt werden und will es mit Nachdruck auf der Bundesebene einfordern und auch auf Landesebene hierzu alles Zweckdienliche unternehmen. Für Abschiebungen ist jedoch allein die Bundesebene zuständig, die sich wiederum an den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention orientieren muss. Wo sie es kann, wird sie das Leben der Geflüchteten erschweren, doch in vielen Bereichen gibt es noch andere Institutionen, die einer Landesregierung vorgeschaltet sind.


    Zivilgesellschaft stärken

    Entscheidend ist allerdings, wie zivilgesellschaftliche Strukturen weiter gefördert und unterstützt werden. Es gibt viele Menschen in Sachsen und anderen ostdeutschen Bundesländern, die sich für Asylsuchende einsetzen. So zum Beispiel der Sächsische Flüchtlingsrat e. V. (SFR), der 1991 gegründet wurde. Der Flüchtlingsrat berät geflüchtete Menschen zu allen Fragen, die mit ihrem Asylverfahren zu tun haben. Der SFR ist konfessionell ungebunden und überparteilich, er ist Teil der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL.

    In Thüringen gibt es die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge (BIMF). Sie hat im Schulterschluss mit Brandenburg unter dem Titel „menschlich bleiben“ zu einer sachlichen Migrationsdebatte aufgerufen. 

     

  • Europawahl: Das planen die Parteien zum Thema Flucht und Migration

    34 Parteien stehen in Deutschland auf dem Wahlzettel zur Europawahl. Darunter die im Bundestag vertretenen Parteien sowie kleinere Parteien wie die Familien-Partei oder die DKP, die es bei der letzten Wahl nicht ins Europäische Parlament geschafft haben. Ebenfalls treten Vereinigungen wie etwa die Klimaliste und die Letzte Generation an. Migrationspolitisch vertreten die Parteien sehr unterschiedliche Positionen. Ein Überblick.

     

    CDU/CSU CDU und CSU wollen „irreguläre“ Migration begrenzen. Dies soll durch eine stärkere Absicherung der Außengrenzen gelingen. Außerdem sollen Flüchtende, die in der EU Asyl beantragen, in sichere Drittstaaten gebracht werden und dort das Asylverfahren durchlaufen. Eine „Koalition der Willigen innerhalb der EU“ nimmt dann ein Kontingent an schutzbedürftigen Menschen auf. Um die Migration von Fachkräften zu erleichtern, sollen Arbeitsvisa schnell und digital erteilt werden.
    Grüne Die Grünen kritisieren, es werde an EU-Außengrenzen und in manchen Mitgliedsstaaten das Menschenrecht auf Asyl verletzt. Sie fordern, dass Pushbacks rechtlich und politisch konsequent sanktioniert werden. Sichere Fluchtrouten sollen nach Ansicht der Grünen mithilfe von Migrationsabkommen mit Drittstaaten und humanitären Visa entstehen. Europa solle zwar Fluchtursachen bekämpfen, aber sich gleichzeitig nicht abschotten. Das Dublin-System ist aus ihrer Sicht ungerecht. Die Grünen lehnen das Drittstaaten-Konzept ab und fordern stattdessen verbesserte Asylverfahren innerhalb der EU. Sie wollen die Fach- und Arbeitskräfteeinwanderung durch einheitliche Regelungen fördern, z.B. durch die Anerkennung von Abschlüssen.
    SPD Aus Sicht der SPD sollte jeweils der individuelle Asylanspruch geprüft werden und keine pauschale Kategorisierung nach Herkunftsländern erfolgen. Beschleunigte Asylverfahren an den Grenzen dürften nicht zu Rechtsschutzeinschränkungen führen. Humanitäre Visa, die von EU-Auslandsvertretungen erteilt würden, sollen helfen, legale Fluchtwege zu schaffen. Die SPD will Pushbacks verhindern. Eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten lehnt sie ab. Außerdem setzt sich die Partei für mehr Möglichkeiten der Einwanderung von Arbeitskräften und für die Visa-Vergabe zu Qualifikations- und Ausbildungszwecken ein.
    AfD Die AfD will die EU-Außengrenzen stärker absichern und „illegale“ Migranten*innen bereits dort abweisen. Asylverfahren sollten in sicheren Drittstaaten stattfinden, wo Schutzbedürftige letztendlich auch bleiben können. Nur für besonders Schutzbedürftige (etwa Kinder in medizinischer Notlage) kann sich die AfD eine befristete Aufnahme in Deutschland vorstellen, dies allerdings auch nur „wenn sich die massiv überspannte finanziellen, materiellen und kulturellen Aufnahmekapazitäten Deutschlands wieder erholt haben.“ Die AfD will vor Krieg Geflüchtete nach Beendigung des jeweiligen Konflikts schnell zurückführen und spricht sich ebenfalls für „Remigrations“-Programme aus.
    Die Linke Die Linke spricht sich gegen eine „Festung Europa“ aus und für verbindliche Flüchtlingsrechte für Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge. Aus ihrer Sicht verstoße die EU an ihren Außengrenzen täglich gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das müsse sich ändern. Eine Auslagerung von EU-Asylverfahren in Nicht-EU-Länder lehnt die Partei ab, ebenso wie Abschiebungen. Das Dublin-System müsse durch eine solidarische Regelung ersetzt werden.
    FDP Die FDP fordert stärker abgesicherte Außengrenzen, schnellere Asylverfahren und eine zügige Rückführung von ausreisepflichtigen Personen. Sie spricht sich dafür aus, Menschen ohne Bleibechance direkt an den Grenzen abzuweisen. Asylanträge könnten aus ihrer Sicht in Drittstaaten geprüft werden.
    Die Partei Keine Erwähnung
    FREIE WÄHLER Die Freien Wähler fordern, die Zuständigkeit der Einwanderungspolitik allein den Nationalstaaten zu überlassen. Dabei sei die „Integrationsfähigkeit auch in kultureller Hinsicht ein maßgebliches Kriterium“. Einwanderung will die Partei getrennt von Asyl betrachten. In europäischer Zuständigkeit bleibe der Schutz der Außengrenzen, der verstärkt werden und Frontex hierfür massiv ausgebaut werden solle. Asylverfahren sollten hauptsächlich an den Außengrenzen und innerhalb weniger Tage durchgeführt werden. Asyl ist aus ihrer Sicht ein „Aufenthalt auf Zeit“.
    Tierschutzpartei Nach der Partei Mensch Umwelt und Tierschutz sollten sichere und legale Wege für Geflüchtete Priorität haben und nicht Überwachung von Grenzen und Abschiebung. Es sollten schnelle Asylverfahren, einheitliche europäische Standards und eine gerechte Verteilung auf die Mitgliedsstaaten geben. Die Partei schlägt ein koordiniertes Einwanderungssystem vor, um Fachkräfte anzuziehen und die Rechte von Arbeitsmigrant*innen zu stärken.
    ÖDP Laut der Ökologisch-Demokratischen Partei müsse Europa sich stärker engagieren, Fluchtursachen zu bekämpfen, auch da die EU Mitverursacher sei. Eine Abschottung von Europa lehnt die Partei ab. Sie fordert eine Anerkennung der Flucht vor Klimafolgen als Asylgrund. Die ÖPD setzt sich für einen menschenwürdigen Umgang von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen ein sowie eine gerechtere Verteilung von Geflüchteten oder entsprechenden finanziellen Ausgleich.
    FAMILIE Die Familienpartei will die geltende Dublin-Verordnung beibehalten. Darüber hinaus solle es eine bindende Verteilungsquote für Geflüchtete geben. Die Familienpartei will EU-Hilfeleistungen für Unterbringung und Integration festlegen. Die Partei will Fluchtursachen bekämpfen und plädiert dafür, dass Geflüchtete in ihr Land zurück sollten, sobald die Krise dort beendet sei.
    Volt Mit einem europäischen Migrationskodex will Volt neue legale Einreisewege schaffen. Auch sollen diese Möglichkeiten der Einwanderung und Asylverfahren in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein. Die Partei schlägt vor, humanitäre Visa und humanitäre Korridore zu schaffen. Volt fordert außerdem einen neuen Rechtsrahmen für Klima-Geflüchtete. Rücknahmeverträge mit autokratischen Regimen lehnt die Partei ab. Asylverfahren sollten aus Sicht von Volt höchstens drei Monate dauern und Arbeiten vom ersten Tag des Aufenthalts an erlaubt sein.
    PIRATEN Die Piraten plädieren für eine solidarische Flüchtlingspolitik, die die Mitgliedsstaaten nicht mit finanziellen und bürokratischen Anstrengungen alleine lässt. Asylanträge sollten an jedem Ort der Welt gestellt werden können, damit Schutzsuchende human und sicher ins Aufnahmeland gelangen. Inhaftierung und Schnellverfahren von Geflüchteten sollten nach Ansicht der Partei vermieden werden.
    BSW Das Bündnis Sahra Wagenknecht will „illegale“ Migration stoppen und Perspektiven in Heimatländern vergrößern. Die Partei steht der Aufnahme von Menschen mit wirtschaftlich motivierten Fluchtgründen ablehnend gegenüber. BSW erkennt die Bereicherung durch Einwanderung an, solange diese nicht die Kapazitäten der Zielländer überfordere. Asylverfahren sollten an den Außengrenzen oder in Drittstaaten erfolgen. Das Anwerben von Fachkräften lehnt die Partei ab und spricht sich für die Förderung von Bildung und Qualifikation in den Heimatländern aus.
    MERA25 „MERA 25 – Gemeinsam für Europäische Unabhängigkeit“ lehnt die derzeitige Migrationspolitik der EU ab, die aus ihrer Sicht einen Fokus auf Grenzabsicherung und Abschiebung lege. Die EU trüge durch Wirtschaftsdruck, dem Anheizen von Krisen und klimaschädlichem Handeln dazu bei, dass Migration überhaupt nötig würde. Aus Sicht von MERA25 sollten Migrant*innen den gleichen Zugang zu gemeinschaftlichen Gütern bekommen, wie Bewohner*innen der EU.
    HEIMAT Die Heimatpartei fordert eine Rückführung aller in Deutschland lebenden Ausländer*innen. Es solle eine Rückführungspflicht eingeführt werden und das Bleiberecht abgeschafft. Aus Sicht der Partei solle „Deutschland den Deutschen“ gehören. Ebenfalls fordert die Heimatpartei eine Streichung des Grundrechts auf Asyl.
    TIERSCHUTZ hier! Kein Wahlprogramm für die Europawahl
    Partei für schulmedizinische Verjüngsforschung Keine Erwähnung
    BIG Das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) will das derzeitige Aufnahme- und Verteilungsverfahren grundlegend reformieren. Dabei sollen zum Beispiel Voraufenthalte und familiäre Verbindungen in den Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden. Asylverfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden, außerdem sollen Familienzusammenführungen schnell realisiert werden. Die Außengrenzen sollen effektiv geschützt werden, „illegale“ Migration konsequent verfolgt und ausreisepflichtige Menschen schnell zurückgeführt werden. Innerhalb der EU muss durch Chancengleichheit und Förderung von Teilhabe eine sozialverträgliche Migration ermöglicht werden.
    Bündnis C Das Bündnis C, Christen für Deutschland, möchte die Entscheidung über Einwanderung den Mitgliedsstaaten überlassen. Die Partei setzt sich zudem für Asylzentren in den Herkunftsländern ein. Bündnis C fordert, dass das Befürworten von Menschenwürde, Grundfreiheiten und Gleichwertigkeit von Männern und Frauen als Voraussetzung für die Aufnahme in einem EU-Mitgliedsstaat gelte.
    PdH Die Partei der Humanisten will Fluchtursachen bekämpfen, Migration stärker steuern, „legale“ Migration stärken, Integration fördern und abgelehnte Asylsuchende konsequent abschieben. Obergrenzen lehnt die PdH ab. Durch strenge Kontrollen an den Außengrenzen will die Partei „illegale“ Einwanderung eindämmen. Die PdH spricht sich für ein zentrales Amt für Flucht und Migration aus. Durch computergestützte Vorprüfung und einheitliche digitale Abläufe sollen Asylverfahren beschleunigt werden. Die PdH will internationale Abschlüsse anerkennen und die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtert, z.B. auch dadurch, Erwerbstätigkeit im laufenden Asylverfahren zu genehmigen.
    MENSCHLICHE WELT Die Partei MENSCHLICHE WELT will Fluchtursachen bekämpfen und dafür die Beteiligung der EU an diesen Ursachen untersuchen und anerkennen. Damit ist die wirtschaftliche Außenpolitik, die Ausbeutung von Rohstoffen und Aneignung von Land gemeint. Außerdem will die Partei eine Diplomatie im Sinne der Völkerverständigung und des Friedens etablieren und Beteiligung an Kriegen und Waffenexporte unterbinden. Oberste Priorität hat für die Partei, dass die aufnehmende Gesellschaft Migration und Integration bewerkstelligen kann. Geflüchtete sollten Sozialleistungen als bedarfsgerechte Sachleistungen erhalten.
    DKP Kein Wahlprogramm für die Europawahl
    MLPD Aus Sicht der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands zerstört die EU die Lebensgrundlagen in Afrika und bekämpft gleichzeitig fliehende Menschen durch Pushbacks, Flüchtlingslager und Abkommen mit autoritären Regimen. Die MLPD fordert außerdem ein Recht auf Arbeit von Anfang an.
    SGP Die Sozialistische Gleichheitspartei prangert an, dass es sich bei der EU-Flüchtlingspolitik um eine „Politik des Mords“ handle. Durch starke Grenzabsicherung und Unterbringung in Lagern schrecke die EU Flüchtende ab. Stattdessen fordert die Partei gleiche Rechte für Geflüchtete und Migrant*innen.
    ABG Die Aktion Bürger für Gerechtigkeit will „unbegrenzte und unkontrollierte Migration“ einschränken.
    dieBasis Keine Erwähnung
    BÜNDNIS DEUTSCHLAND Bündnis Deutschland will Migration stärker steuern und begrenzen. Unkontrollierte Migration würde Sicherheit, Stabilität, Finanzen und Zusammenhalt in der EU gefährden. Die Partei lehnt „illegale“ Einwanderung ab und will die Außengrenzen stärker absichern.
    DAVA Die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch setzt sich für schnelle, faire und transparente Asylverfahren sowie Zugang zu rechtlicher Beratung und Unterstützung ein. Die Partei plädiert für einen frühzeitigen Zugang zu Sprachkursen, Bildung und zum Arbeitsmarkt. Bei der Sicherung der Außengrenzen solle der Schutz von Flüchtlingen gewährleistet sein und Schleuserkriminalität bekämpft werden. Frieden, Stabilität und Entwicklung solle in den Herkunftsländern durch die EU gefördert werden. Die Partei spricht sich für die strikte Einhaltung von Zuwanderungs-Quoten aus. Fachkräfte sollen gezielt angeworben werden.
    KLIMALISTE Die Klimaliste wirbt für eine Willkommenskultur gegenüber Migrant*innen wie auch Geflüchteten, auch um Arbeitskräfte in der EU zu halten. Dafür brauche es auch finanzielle Unterstützung für Städte und Gemeinden. Die Partei plädiert für faire Asylverfahren innerhalb der EU und lehnt Asylzentren und Schnellverfahren in Drittstaaten ab. Die Klimaliste schlägt Willkommenszentren vor, wo alle für Migrant*innen relevante Behörden gebündelt und Hilfe durch Integrationslots*innen angeboten würden. Die Partei betont, dass ihre wichtigste Forderung der Migrationspolitik der Kampf gegen die Erderhitzung ist, da diese zu unbewohnbaren Regionen, noch mehr Konflikten und Flucht führen würde. Die EU solle Fluchtursachen bekämpfen, beispielsweise durch die Einzahlung in den „Fonds für Umgang mit Klimaschäden“, der auf der Weltklimakonferenz beschlossen wurde.
    LETZTE GENERATION Wahlprogramm wird noch erarbeitet. In den Forderungen heißt es: „Wir streben ein Europa an, das Menschenrechte weltweit achtet. Dies schließt ein, dass die EU das Sterben an ihren Grenzen beendet (…) Statt Milliarden von Euro in Frontex zu investieren und damit den menschenfeindlichen Erhalt der Festung Europa anzustrengen, müssen gerechte Wege der Reparation kolonialer und aktueller Verbrechen gefunden werden.“
    PDV Die Partei der Vernunft will „legale und illegale“ Migration getrennt von der Asylpolitik betrachten, Wirtschaftsflüchtlinge zurückweisen und das Dublin-Verfahren beibehalten.
    PdF Die Partei des Fortschritts will Geflüchtete je nach Kapazität der Mitgliedsstaaten auf diese verteilen. Asylverfahren an den Grenzen durchzuführen, befürwortet die PdF. Ebenfalls spricht sich die Partei für Migrationszentren in Herkunftsländern aus, damit Asyl im Heimatland beantragt werden könne. Das Anwerben von Fachkräften sollte intensiviert und koordiniert werden. Außerdem sollten Sozialhilfe, Schule, Kitas, Wohnen gestärkt werden, da dies wichtig sei für eine erfolgreiche Integration. Die Partei spricht sich dafür aus, Geflüchtete ab Ankunft eine Arbeitserlaubnis zu gewähren. Die Mitgliedsstaaten sollten zusätzlich Arbeitsplätze zur Erfüllung staatlicher Aufgaben zur Verfügung stellen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Ebenfalls sollten ausländische Bildungsabschlüsse anerkannt werden.
    V-Partei3 Die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer will mit Blick auf den Konsum Fluchtursachen bekämpfen und setzt sich deshalb für faire Handelsstrukturen ein. Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen wird von der V-Partei3 abgelehnt. Asylberechtigte sollen unter Berücksichtigung der individuellen Familienzusammenführung auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Die Partei spricht sich für verpflichtende Sprachkurse und schnelle Eingliederungen in den Arbeitsmarkt aus.

     

  • Infos zur Europawahl am 9.6.2024

    Rund 350 Millionen Menschen wählen vom 6. – 9.6.2024 die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (EP) bei der Europawahl. In diesem Jahr  gibt es 720 Mandate (Abgeordnete), davon 96 aus Deutschland, gefolgt von Frankreich mit 81. Die Anzahl der Abgeordneten ergibt sich aus der jeweiligen Einwohnerzahl der Länder. Diese Wahl findet alle 5 Jahre statt. Das EP ist das einzige europäische Gremium, das direkt von den Bürger*innen gewählt wird. Dabei werden keine Einzelpersonen gewählt sondern Listen der zugelassenen Parteien. Jede*r Wahlberechtigte hat eine Stimme.

    Im Gegensatz zu anderen EU Ländern (Belgien, Griechenland, Luxemburg, Zypern) besteht in Deutschland keine Wahlpflicht. Bei der letzten Europawahl 2019 lag die Wahlbeteiligung europaweit bei  50,62% (in Deutschland 61,4%).

    Wer darf wählen?

    Wahlberechtigt in Deutschland sind alle in ein Wählerverzeichnis eingetragenen deutschen Staatsbürger*innen, die seit 3 Monaten in Deutschland oder einem anderen EU Land leben. Insgesamt gibt es 64,9 Mio Wahlberechtigte in Deutschland. Erstmals dürfen auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen.

    Für die Teilnahme an den Europawahlen ist die EU-Staatsbürgerschaft zwingend erforderlich. Drittstaatsangehörige, also Personen ohne die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates, sind von den Europawahlen ausgeschlossen, selbst wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind und in einem EU-Land leben. Die Beschränkung des Wahlrechts auf EU-Bürger*innen ist in den EU-Verträgen geregelt und für alle Mitgliedstaaten bindend. Eine Ausweitung auf Drittstaatsangehörige wäre nur durch eine Änderung der EU-Verträge möglich, wofür die Zustimmung aller Länder erforderlich wäre. Somit können anerkannte Geflüchtete ohne EU-Staatsbürgerschaft in keinem der 27 Mitgliedstaaten an Europawahlen teilnehmen.

    Seit der letzen Europawahl 2019 wurden in Deutschland bis Ende 2022 insgesamt 538.025 Menschen eingebürgert. Allein in 2023 wurden 200.100 Menschen eingebürgert, so viele wie noch nie seit 2000, 19% mehr als in 2022, wobei 1/3 der neuen deutschen Staatsbürger*innen aus Syrien kommen. Das Durchschnittsalter beträgt 29,3 Jahre und der Frauenanteil beträgt 45%. Ein Großteil dieser Menschen (Kinder bis 16 Jahren sind dabei ausgenommen) ist nun auch wahlberechtigt. Gewählt werden kann direkt im Wahllokal, das auf dem Wahlschein angegeben ist (Ausweis mitnehmen) oder durch Briefwahl, die man beantragen muss, falls man am Wahltag, dem 9.6.24, nicht persönlich in das Wahllokal gehen kann.

    Der Bundeswahlausschuss hat 35 Wahlvorschläge von Parteien und Wählervereinigungen zur Europawahl zugelassen. Neben den bisher vertretenen Parteien sind auch ungewöhnliche Namen, wie die Partei für  schulmedizinische Verjüngungsforschung oder das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG), dabei. Seit der letzten Wahl 2019 sitzen 14 deutsche Parteien im EP: CDU (23 Sitze), Grüne (21), SPD (16), AFD (11), CSU (6), Linke (5), FDP (5), Die Partei (2), Freie Wähler (2), Tierschutzpartei, Piraten, ÖDP und Volt (je 1 Stimme).

     

    Warum sollte ich meine Stimme bei der Europawahl abgeben?

    Für viele sind die Regelungen der EU zum Alltag geworden, manche sind etwas eigenartig (Verordnung Nr. 1677/88 EWG: eine Gurke darf auf einer Länge von 10 cm nicht stärker als 1 cm gekrümmt sein). Aber die Europawahl ist die einfachste Möglichkeit, die Politik in der EU selbst mitzugestalten. Sie entscheidet, worauf sich die EU in den nächsten 5 Jahren fokussieren soll, und Deutschland stellt die meisten Abgeordneten. Im EP werden Entscheidungen getroffen, die den Alttag konkret betreffen, z.B. die gemeinsamen sehr hohen Sicherheitsstandards für Lebensmittel, die freie Entscheidung, in welchem Mitgliedsstaat man leben, studieren oder arbeiten möchte, Verbraucherschutz, Migration, Klimawandel, Terrorismusbekämpfung – globale Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden.

    Geht am 9.6.2024 wählen! Wählen zu dürfen ist ein Grundrecht, für das Menschen in nicht demokratischen Staaten bereit sind, ihr Leben zu riskieren. Wenn Du aus Protest nicht wählst, gibst Du damit Deine „Stimme“ auch denjenigen, die durch Hass und Hetze den deutschen Rechtsstaat spalten wollen.

    Und wenn Du noch nicht weißt, welche der 35 Parteien Du mit Deiner einen Stimme wählen sollst, hier ein Auszug aus den Wahlprogrammen der deutschen Parteien zum Thema Migration:

     

    Bündnis 90/Die Grünen:

    „ (…) Eine langfristige, geordnete und faire gemeinsame EU-Asylpolitik ist nötig, um die menschenunwürdigen und chaotischen Verhältnisse zu beenden. Reformen allein reichen dabei nicht aus, geltendes EU-Recht muss auch durchgesetzt werden. Wir setzen uns dagegen ein, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu einem Programm zum Abbau von Flüchtlingsrechten wird. Spielräume für Verbesserungen wollen wir nutzen.

    Mit einer fairen und verbindlichen Verteilung von Schutzsuchenden stärken wir die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Abschottung und Grenzzäune schaffen Chaos und Leid, rechtsstaatliche Verfahren, gute Integrationsangebote und menschenwürdige Bedingungen sorgen für Humanität und Ordnung (…) Menschen, die bei uns in Europa Schutz suchen, müssen zuverlässig registriert, erstversorgt und menschenwürdig untergebracht werden. Das Recht auf Einzelfallprüfung und das Nichtzurückweisungsgebot gelten dabei immer und überall.

    Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss in Europa inhaltlich geprüft werden. Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weitere große Haftlager wie Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzen. Der Entrechtung von Menschen, die durch autoritäre Staaten instrumentalisiert werden, stellen wir uns entgegen….“

     

    CDU:

    „ (…) Das Konzept der sicheren Drittstaaten umsetzen. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Es muss ermöglicht werden, dass in sicheren Drittstaaten Asylverfahren stattfinden, die allen rechtsstaatlichen Voraussetzungen entsprechen. Im Falle der Anerkennung soll der sichere Drittstaat ihnen Schutz gewähren. Wir sprechen uns dafür aus, dass nach der erfolgreichen Umsetzung des Drittstaatskonzepts eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnimmt und entsprechend verteilt. Wir wollen die Sozialleistungen in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte unter Berücksichtigung der Kaufkraft der Mitgliedstaaten annähern (…)“

     

    SPD:

    „ (…) Es ist gut, dass sich nach jahrelangem Streit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt haben. Diese wichti­ge Einigungsfähigkeit der Europäischen Union muss sich jetzt in der Praxis beweisen. Wir wollen, dass ein ge­meinsames System nicht länger nur auf dem Papier existiert, sondern von allen Mitgliedsstaaten angemessen getragen wird und den schutzsuchenden Menschen in der Praxis Hilfe leistet.

    Für die SPD gilt dabei unmiss­verständlich: Das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht sind die unum­stößliche Basis für dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem. Das war und ist für uns nicht verhandelbar. Deshalb stellen wir klar, dass ein faires Asylverfahren mit hohen rechtsstaatlichen Standards immer auch in Grenzverfahren gewährleistet sein muss……

    Wir fordern bei der Gewährleistung des Außengrenzschutzes der EU die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften. Wir stellen klar: Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völker­rechts. Ein Tolerieren durch oder gar eine Beteiligung von Behörden der Mitgliedsstaaten oder von Fron­tex darf es unter keinen Umständen geben. Illegale Zurückweisungen müssen unverzüglich eingestellt und sanktioniert werden.

    Wir unterstützen daher ausdrücklich ein unabhängiges Monitoring aller nationalen Aktivitäten im Kontext Migration und Asyl. Dabei muss insbesondere die Europäische Grenzschutzagen­tur Menschenrechtsverletzungen aufklären und, wo immer möglich, verhindern. Damit die EU-Außengren­zen rechtsstaatlich und sicher sind, braucht es weiterhin eine umfassende Prüfung der systematischen und strukturellen Probleme der größten EU-Agentur (…)“

     

    FDP:

    „ (…) Wir befür­worten die Einrichtung Europäischer Asylzentren an der EU-Außengrenze, die unter Wahrung humanitärer Stan­dards ein effizientes und schnelles Asylverfahren gewährleisten sollen. Wir wollen, dass Asylbewerber zur Bearbeitung des Asylverfahrens in sichere Drittstaaten überführt und bis zur Anerkennung des Asylantrags im Drittstaat untergebracht werden können – unter Gewährleistung humanitärer und rechtsstaatlicher Standards.

    Wir wollen den Pakt für sichere, ge­ordnete und reguläre Migration der Vereinten Nationen auch auf europäi­scher Ebene umsetzen. Europäische Entwicklungszusammenarbeit muss Fluchtursachen vor allem präventiv angehen und damit auf längere Sicht abmildern. Wir befürworten die Ein­richtung humanitärer Schutzzonen im Einvernehmen mit den jeweiligen Staaten und mit Finanzierung der EU. Wir wollen die Prüfung von Asyl­anträgen in Drittstaaten ermöglichen. So können Betroffene dort ausloten, ob sie eine Bleibeperspektive in der EU haben und gegebenenfalls auf eine gefährliche Flucht verzichten. Selbstverständlich unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Grund- und Menschenrechte (…)“

     

    AFD:

    „(…) Zum Schutz unserer Freiheit, unserer Lebensweise und unserer Identität muss die irrreguläre und illegale Masseneinwanderung aus kulturfremden Regionen nach Europa beendet werden. Der Schutz der Außengrenzen des Europäischen Bundes wird als Aufgabe aller Mitgliedsstaaten verstanden. Er umfasst die Errichtung  wirksamer physischer Barrieren, eine moderne technische Überwachung und den Einsatz von Grenzschutzpersonal. Er wird durchgeführt von nationalen Behörden im Zusammenwirken mit der Agentur für die Grenz- und Küstenwache des Bundes.

    Alle mit dem Außengrenzschutz verbundenen Kosten werden von der Gemeinschaft getragen. Die nationalen Behörden der Grenzstaaten können in Krisensituationen die Unterstützung von Behörden anderer Mitgliedsstaaten anfordern. Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Landespolizeien unterstützen in diesem Fall andere Mitgliedsstaaten bei der Kontrolle ihrer Außengrenzen. Sie handeln dann als Unterstützung für Polizei- und Grenzschutzbeamte des jeweiligen Staates. Die Grenzstaaten werden außerdem ermächtigt, zur Wahrnehmung des Grenzschutzes technische und personelle Unterstützung ihrer Streitkräfte (Militär)heranzuziehen…..

    Auf den Meeren werden Schleuserboote ausnahmslos zu ihren Herkunftshäfen oder den nächstgelegenen, nichteuropäischen Häfen zurückeskortiert (…)

    Die millionenfache Aufnahme junger Menschen aus Entwicklungsländern Afrikas und des Nahen Ostens in Europa beraubt die Herkunftsstaaten jener Leitungsträger, die dort zum Aufbau bzw. Wiederaufbau benötigt werden. (…) Auf nationaler und europäischer Ebene müssen Remigrationsprogramme auf- und ausgebaut werden (…)

    In den letzten Jahren wurden Migrationsbewegungen gezielt als Mittel der hybriden Kriegsführung und zum Zwecke der politischen Erpressung eingesetzt. Verteidigung gegen die Migration als Mittel der hybriden Kriegsführung (…)“

     

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  • Wie christlich ist das CDU Grundsatzprogramm? – die migrationsnews von kohero

    Vergangene Woche entschied die CDU auf dem Parteitag über ihr neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“. Klingt auf den ersten Blick gar nicht mal so schlecht, oder?

    Doch hinter vielen Worthülsen und Versprechungen verbirgt sich nun endgültig, dass die CDU weiter nach rechts rückt. Und das insbesondere im Hinblick auf ihre Migrations- und Geflüchtetenpolitik. Besonders umstritten gilt, dass sich die Partei, die aktuell die besten Ergebnisse bei Wähler*innen einholt, von einem individuellen Recht auf Asyl abrückt. Jede Person, die Asyl beantragt, soll „in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren“. Also Vorbild gilt das „Ruanda-Modell“ von Großbritannien, worüber wir hier im Newsletter schon mehrfach berichtet haben.

    Was die CDU beschönigend einen „grundlegenden Wandel des europäischen Asylrechts“ nennt, ist faktisch gesehen eine Abkehr von der Genfer Flüchtlingskonvention – und ziemlich wahrscheinlich verfassungswidrig. Inzwischen haben knapp 750 Theolog*innen in Deutschland einen offenen Brief unterzeichnet, in dem die Pläne asylpolitischen Pläne der CDU „unchristlich“ genannt werden. „Nichts ist der Jesuanischen Botschaft fremder als Nationalismus, ethnische Arroganz und deutsche Leitkulturen“, heißt es darin. Auch Organisationen wie ProAsyl und United4Rescue kritisieren das neue Grundsatzprogramm scharf.

    Nach aktuellen Umfragen könnte die CDU womöglich mit Friedrich Merz den nächsten Bundeskanzler stellen. Das zeigt mir, wie wenig politische Solidarität es aktuell mit Geflüchteten und Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in Deutschland gibt.

    Ich denke aber auch, dass viele Menschen womöglich gar nicht genau wissen, dass solche Positionen nicht mit geltenden Menschenrechten vereinbar sind. Viele Wähler*innen machen ihr Kreuz aus Gewohnheit immer bei derselben Partei. Und eine Volkspartei wie die CDU steht für viele noch immer für eine gewisse Sicherheit. Doch die Parteien verändern sich. Und nicht immer steckt das drin, was draufsteht. Es wird also höchste Zeit, sich mit den tatsächlichen politischen Programmen der einzelnen Parteien auseinanderzusetzen. Und dabei nicht zu vergessen, welche Auswirkungen diese Politik auf Menschen hat, die bereits mehrfach marginalisiert werden.

    In wenigen Wochen steht die EU-Wahl an. Vielleicht hilft dir der Wahl-O-Mat dabei, eine Wahlentscheidung zu treffen. Wie blickst du auf die anstehenden Wahlen und das Erstarken von rechten Positionen? Lass uns gerne in den Austausch gehen.

  • AfD stärkste Partei bei den Jungen – die migrationsnews von kohero

    Wäre am Sonntag Bundestagswahl gewesen, hätten 22 % der 14- bis 29-Jährigen die AfD gewählt. Damit wäre die rechte Partei die stärkste in dieser Altersgruppe geworden, zeigt die Studie „Jugend in Deutschland 2024: Verantwortung für die Zukunft? Ja, aber“. Während sich der Zuspruch für die AfD damit im Vergleich zu den Vorjahren mehr als verdoppelt hat, ist er für die Parteien der Ampelkoalition dagegen eindeutig gesunken. Damit zeigt sich deutlich, dass der Rechtsruck in Deutschland kein altes, weißes oder ländliches Problem, sondern ein strukturelles ist.

    Dabei ist die AfD für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen keine reine Protestwahl. Die rechtspopulistischen Narrative der AfD zeichnen radikale Feindbilder von Geflüchteten, die Schuld an der wirtschaftlichen Lage seien und holen dabei eben auch junge Menschen mit ihren Ängsten ins Boot. Denn die größten Sorgen machen sich die 14- bis 29-Jährigen aufgrund der Inflation, steigender Kosten von Wohnraum und Altersarmut.

    Zudem herrschen in und um Europa Kriege, Hass und Terror sind allzeit präsent im Netz, durch die Klimakrise haben wir in Deutschland vielleicht noch ein paar schöne, aber dann auch katastrophale Jahre vor uns, Häuser kann sich eh niemand mehr leisten und ernst genommen wird man mit all diesen Ängsten auch nicht. Ich verstehe, warum meine Generation nicht hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. Und gleichzeitig geht aus der Studie auch hervor, dass die 14- bis 29-Jährigen nicht das Gefühl haben, darauf positiven Einfluss nehmen zu können. Stress, Erschöpfung und Hilflosigkeit sind in dieser Altersgruppe in den letzten Jahren gestiegen.

    Dabei ist nicht nur die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Regierung Schuld am Umfragehoch. Die Studie nennt auch die Präsenz der AfD auf Social-Media-Kanälen wie TikTok als Grund für den hohen Zuspruch unter jungen Menschen. Andere Parteien seien mit ihren Inhalten für sie weniger sichtbar und holen sie nicht auf „ihren“ Plattformen ab.

    Um noch zu verhindern, dass die AfD in meiner Altersgruppe tatsächlich bei der Bundestagswahl 2025 die stärkste Partei wird, braucht es eine eindeutige Neuausrichtung der anderen Parteien. Eine Energiepauschale von 200 € reicht nicht, um Zukunftsängste zu nehmen. Und eine virale Aktentasche des Kanzlers auf seinem neuen TikTok-Account steht auch nicht für Inhalte, die den jungen Generationen Zukunftsperspektiven bieten. Politik muss in Deutschland auch für Menschen U30 gemacht werden! Zeit Campus hat 10 Wege aufgeführt, den Rechtsruck unter jungen Menschen noch umzukehren.

     

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  • Fluchtgeschichte: welche Rolle spielt sie bei der Bürgermeisterwahl?

    Eines Morgens diese Woche öffne ich meine Twitter App und gucke, was es in den Nachrichten gibt, oder was  Elon Musk schreibt. Mit halb offenen Augen lese ich, was der Focus tweetet: “Mit 55,41 Prozent der Stimmen gewählt – Geflüchteter Syrer wird Bürgermeister in schwäbischem Dorf„.  Und plötzlich bin ich sehr wach. Ich will sofort wissen: Wer ist dieser neue Bürgermeister? Wann ist er geflüchtet? Welche Partei vertritt er?

    Eine Fluchtgeschichte wie viele andere

    Hier die Zusammenfassung: Ryyan Alshebl, 29 Jahre alt, kam 2015 als Geflüchteter nach Deutschland. Er kommt ursprünglich aus der südsyrischen Stadt Suwaida und lebt heute in Calw, Baden-Württemberg, wo er auch seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert hat. Er ist in einer drusischen Gemeinde aufgewachsen und sagt heute, er praktiziere keine Religion. Am 2. April wurde er als parteiunabhängiger Kandidat mit 55% der Wähler*innenstimmen in dem 2500-Einwohner*innen-Dorf Ostelsheim gewählt. Privat, so schreiben es mehrere Medien, ist er Mitglied der Grünen.

    Seine Fluchtgeschichte klingt, wenn sie so allgemein beschrieben wird, wie die vieler anderen Syrer*innen, meiner inklusive. Als er zum Kriegsdienst gehen sollte, flüchtete er über Libanon in die Türkei. Dann per Boot auf die griechische Insel Lesbos und dann über die sogenannte Balkanroute weiter nach Deutschland.

    Irgendwie ist es für mich eine positive Nachricht, dass jemand mit einer ähnlichen Geschichte wie meiner nun gewählter Bürgermeister ist. Ich weiß, dass das auch oberflächlich ist. Ich kenne Alshebls genaue Geschichte nicht, ich weiß nicht, wie er als Person ist. Ich weiß auch nicht, welche politischen Einstellungen er hat, ich weiß nicht viel über seinen Wahlkampf.

     Was braucht es für einen Erfolg in der Politik?

    Trotzdem freut es mich, dass diese Geschichte so in Deutschland passieren konnte. Ich bin nicht total überrascht, weil ich doch weiß, dass viele Millionen Menschen in den letzten Jahren hier Sicherheit gefunden haben. Viele haben durch das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitmenschen Unterstützung erfahren, viele sind auch deutsche Staatsbürger*innen geworden. So sagte auch Alshebl nach seiner Wahl: “Ostelsheim hat heute ein Zeichen der Toleranz und der Weltoffenheit für ganz Deutschland gesetzt.“

    Was mich eher überrascht ist, wie sich ein junger Mann mit Fluchtgeschichte doch sehr schnell in die politische Gesellschaft Deutschlands integrieren und im Prozess der Demokratie gewinnen kann. Weil ich glaube, es ganz einfach, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren im Vergleich zu dem politischen Deutschland. Um erfolgreich in der deutschen Politik zu werden, braucht es viel Zeit, einen langen Atem, oft auch viel Ehrenamt. Und meistens (so habe ich es gehört) auch einen Mentor oder eine Mentorin, die*der an dich glaubt und auch das eigene Netzwerk für dich nutzen möchte.

    Mein Eindruck war deswegen, dass es nicht viele Menschen mit eigener Fluchtgeschichte gibt, die diese Dinge zur Verfügung haben. Oder sie brauchen länger als sieben oder acht Jahre. Ich kenne eher Kandidat*innen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, die die sozialen Medien nutzen wollen, um ihre Reichweite zu vergrößern. Diese Reichweite kann ihnen auch im politischen Kontext helfen – andererseits müssen sie auch die dunklen, gefährlichen Seiten der sozialen Medien aushalten wie Hasskommentare.

    Rolle der Flucht im politischen Kontext

    Ist es richtig von mir, die Wahl von Ryyan Alshebl in Ostelsheim in diesen Kontext zu setzen? Immerhin sagte Alshebl im Interview mit dem ZDF: “Ich freue mich, dass ich gewonnen habe. Aber die Erkenntnis, dass ich ehemaliger Geflüchteter bin, hat mit meiner Amtsführung nichts zu tun.” Und auf die Frage, ob es ihn nerve, auf die eigene Fluchtgeschichte “reduziert zu werden”, antwortet Alshebl: “Ich verstehe die Debatte. Aber ja, es nervt. Man wird auf seine ursprüngliche Heimat reduziert und das ist kein Anlass zur Freude.”

    Hier macht er einen sehr interessanten Punkt. Denn einerseits gebe ich ihm gerne Recht, denn am Ende sollte für eine Bürgermeister*in der Wahl nicht der eigene Hintergrund die große Rolle spielen, sondern die eigenen Ziele, Visionen und vor allem die Arbeit. Und wie ich lese, hat Alshebl eine sehr effektive Wahlkampagne geführt, er ist auf die Wähler*innen zugegangen, hat Tür zu Tür Kontakt aufgenommen.

    Aber andererseits: Für mich spielt die eigene Biografie, vor allem wenn sie von Flucht oder Migration beeinflusst wurde, doch eine Rolle im politischen Kontext. Hier wurde Alshebls Geschichte positiv aufgenommen, er selber spricht von positiven Erfahrungen im Wahlkampf. Aber wir alle kennen genug Beispiele, wo die erste Heimat, oder die Heimatländer der Eltern gegen Kandidat*innen genutzt wird. Erinnern wir uns nur an die Kandidatur von Tarek Alaows.

    Der Schlüssel liegt im lokalen Engagement

    Ich verstehe, das Alshebl in seinem Ort nicht alle Syrer*innen (und sicher nicht alle Geflüchtete) repräsentieren möchte. Er ist nicht alle geflüchteten Syrer*innen in Deutschland, sondern einfach Ryyan Alshebl aus Calw. Gleichzeitig ist er als öffentliche Person auch ein Vorbild und Referenz für viele junge Syrer*innen und Deutsch-Syrer*innen, die ihn beobachten und sehen, dass es im politischen Deutschland auch für sie Möglichkeiten gibt.

    Und am Ende zeigt mir diese Geschichte wieder, wie wichtig das Engagement und das Leben auf lokaler Ebene ist. Integration, wenn wir diesen Begriff nutzen wollen, ist ein überregionales und landesweites Thema. Die Schlüssel liegen meiner Meinung nach im lokalen Kontext. Ich bin überzeugt: Es sollten viele junge Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrungen auf der lokalen Ebene aktiv werden und so ihre Umgebungen mitgestalten.

     

  • Qual der Wahl: doppelte Staatsbürgerschaft

    Im Mai 2023 finden nach fünf Jahren wieder die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei statt. Diese werden vor allem im Lichte – oder besser Schatten – der Erdbeben der vergangenen Wochen stehen. Das Erdbeben mit der Stärke 7,8 sowie die Nachbeben betrafen neben der Türkei auch Syrien und kosteten bisher etwa 50.000 Menschen das Leben. Historische Städte wie Antakya wurden nahezu ausgelöscht.

    Die Politisierung des Erdbebens

    Während einige von einem tragischen Schicksal sprechen, nehmen andere auch die Politik in die Verantwortung. So kritisieren viele in den Sozialen Medien beispielsweise, dass die nach dem Erdbeben von Izmit im Jahre 1999 eingeführte Erdbebensteuer nicht an den richtigen Stellen ankam, da in den erdbebengefährdeten Regionen nach wie vor mangelhaft gebaut wurde. Auf Videoaufnahmen ist zu erkennen, dass ein Großteil der Gebäude wie Kartenhäuser in sich zusammenfiel. Das Erdbeben hat die türkische Gesellschaft traumatisiert. Dieses Trauma wird sich auch auf die Wahlen abfärben, da sind sich viele sicher.

    Deutschland als wichtiger Wahlkreis

    Wie bei allen Wahlen in der Türkei spielen die türkischen[1] Wähler*innen in Deutschland auch bei dieser Wahl eine große Rolle. In Deutschland leben etwa 1,5 Millionen Menschen, die die türkische Staatsbürgerschaft besitzen und dementsprechend, sofern sie mindestens 18 Jahre alt sind, wahlberechtigt sind. Damit machen jene Wähler*innen einen umfassenden und relevanten Wahlkreis für die türkischen Politiker*innen aus.

    Dass die Wahlbeteiligung dieser Wähler*innengruppe nicht unerheblich ist, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, so beispielsweise bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahre 2018. Dort stimmten 64,8 Prozent der in Deutschland lebenden Wähler*innen für die Regierungspartei AKP und den Präsidenten Erdoğan ab, während sich das Ergebnis in der Türkei auf 52,6 Prozent belief. Damit lag die Zustimmung der Wähler*innen in Deutschland für den Regierungskurs mehr als zehn Prozent höher als die der Wähler*innen in der Türkei.

    Kritik der Union und das Festhalten am türkischen Pass

    Darüber zeigten sich viele Politiker*innen in Deutschland bestürzt. Insbesondere Unionspolitiker*innen betonten einerseits, dass sich an diesem Wahlergebnis die gescheiterte Integration eines Großteils der türkeistämmigen Menschen in Deutschland ableiten ließe, und führten dies andererseits als Argument an, um sich nochmals vehement gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auszusprechen.

    Wie sich an der Kritik der Union andeutet, ist das Wahlverhalten der Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft in Deutschland seit jeher ein kontrovers diskutiertes Thema. Auch in der Türkei wurde insbesondere von Oppositionellen in der Vergangenheit immer wieder Kritik dagegen laut, dass Menschen, die in Deutschland leben, die Wahl mitbeeinflussen können, obwohl sie mit den politischen Entscheidungen im Alltag nicht leben müssen. Dieses Argument ist tatsächlich schwierig zu entkräften, weil es einen wahren Kern hat.

    Letztlich wird dadurch aber auch deutlich, dass es sich bei Staatsbürgerschaft um ein Thema handelt, welches nicht allein auf sachlicher Ebene zu verstehen ist. Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen an ihrem Pass festhalten, manchmal pragmatischer Natur, manchmal emotionaler. Dann gibt es auch noch die Personen, die sich gar nicht entscheiden müssen, weil sie ohnehin neben der türkischen Staatsbürgerschaft auch die deutsche besitzen.

    Menschen mit der türkischen und deutschen Staatsbürgerschaft

    Von den ca. 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass besitzen in Deutschland ca. 300.000, also weniger als ein Fünftel, auch den deutschen Pass. Ihnen wird damit unter anderem das Privileg zuteil, sowohl in Deutschland als auch in der Türkei wählen zu können.

    Insbesondere jene Menschen mit der Doppelstaatsbürgerschaft sind der CDU/CSU seit jeher ein Dorn im Auge. Sie plädierten immer wieder dafür, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen und betrachten jegliche Reformen zugunsten einer Erweiterung dieser als kritisch. Damit verbunden ist die Forderung, dass sich die Menschen gefälligst für einen Pass, und damit auch ein Land, entscheiden sollen.

    Gesetzeslage

    Die Gesetzeslage hat sich in den vergangenen Jahren zum Leidwesen der Union stets zugunsten einer Erweiterung der Doppelstaatlichkeit entwickelt. So galt zunächst, dass Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, dafür die andere Staatsbürgerschaft abgeben müssen.

    Als Ausnahme galten seit jeher Kinder, die sowohl einen deutschen als auch einen ausländischen, in diesem Falle türkischen, Elternteil haben. Diesen standen per Geburtsrecht beide Staatsbürgerschaften zu. Seit Ende 2014 gilt dies auch für Kinder ausländischer Eltern, welche seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben. Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts könnte Doppelstaatsbürgerschaften noch gängiger machen.

    Heterogene Identitäten der türkeistämmigen Menschen in Deutschland

    Wie bereits angedeutet, gibt es zahlreiche unterschiedliche Gründe, warum Menschen an ihrem türkischen Pass festhalten. Manchmal sind es emotionale Beweggründe, weil der Pass mit Identität verknüpft wird und die Sehnsucht auf ein Leben in der Türkei widerspiegelt. Mal sind es finanzielle und bürokratische Hürden, die Menschen davon abhalten, den türkischen Pass gegen den deutschen einzutauschen.

    Die vielfältigen Perspektiven spiegeln die Vielfalt der türkeistämmigen Diaspora wider, welche sich, wie alle (post)migrantischen Communitys, nicht in eine Schublade stecken lässt. Für viele türkeistämmige Menschen ist die Türkei ein Ort, mit dem sie ganz Unterschiedliches verbinden. Türkeistämmige Menschen sind dabei nicht nur Türk*innen, sondern auch Kurd*innen, Jesid*innen, Griech*innen, Armenier*innen etc., die auch nicht immer (nur) Positives mit der Türkei verbinden. Auch wenn viele Menschen dieser Diaspora das Gefühl kennen, sowohl in Deutschland als auch in der Türkei als anders wahrgenommen zu werden, fühlen sie sich oftmals beiden Ländern verbunden.

    Doppelte Verbundenheit oder zwiegespalten?

    Aus Perspektive einer Person mit türkischer Mutter, deutschem Vater und der doppelten Staatsbürgerschaft kann ich für meinen Teil sagen, dass Verbundenheit und das Zwiegespalten-Sein oftmals Hand in Hand gehen. Die Identitätsfindung und die Suche nach einem Zugehörigkeitsgefühl fangen oft in den eigenen vier Wänden an.

    Es gab Phasen in meinem Leben, in denen ich mich eher „deutsch“ gefühlt habe und Phasen, in denen ich mich eher „türkisch“ gefühlt habe – oft auch sehr abhängig davon, in welchem Umfeld ich mich bewegt habe und welche Erwartungen dabei an mich gestellt wurden. Lange hatte ich eine romantisierende Vorstellung der Türkei als das Land, das ich mit meiner Familie in den Sommerferien bereist habe. Die Türkei war für mich vor allem das kleine Städtchen an der Ägäisküste, in dem ich zahlreiche Sommer in der Kindheit und Jugend verbracht hatte. Jedes Jahr zählte ich die Tage bis zu den Sommerferien.

    Eine politische Stimme

    Auch wenn ich heute an die Türkei denke, ist für mich oft das erste Bild, das mir in den Kopf schießt, mein Opa, der um 2 Uhr nachts auf der Veranda des Sommerhauses sitzt und uns nach einer 30-stündigen Autofahrt in die Arme schließt. Ich habe eine sehr emotionale Bindung an die Türkei, weil es das Land ist, in dem meine Mutter ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. All die herzergreifenden und skurrilen Geschichten ihrer Studienzeit spielen sich in Istanbul und nicht in Köln ab.

    Ich weiß, dass ein Pass nicht wichtig dafür ist, mein Zugehörigkeitsgefühl auszudrücken, aber er ist wichtig dafür, mir eine politische Stimme zu geben. Es ist ein Privileg, dass ich mit den politischen Entscheidungen nicht leben muss, aber ich bin sehr dankbar dafür, diese leise Stimme haben zu können. Denn mir ist nicht egal, was in der Türkei passiert. Mir ist auch nicht egal ist, was in Deutschland passiert. Ich werde mich immer zwischen der Türkei und Deutschland bewegen – irgendwo in der Mitte, mal mehr hier, mal mehr da – ohne mich endgültig festzulegen. Meine Pässe spiegeln dies wider.

    [1] „Türkisch“ bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Ethnizität bzw. Nationalität, sondern Staatsbürgerschaft.

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