Schlagwort: Vielfalt

  • Das Schwert des Wortes

    Ich komme aus Stadt des Jasmin, Damaskus in Syrien. Ich wurde zwar außerhalb der Stadt, in einer Kleinstadt in der Nähe geboren, aber ich gehöre zu Damaskus. Die Stadt hat mich zu ihr gezogen, mit ihrer reichen Geschichte und ihrer Widersprüchlichkeit. Auch wenn ich zur Universität mit vollen Mikrobussen durch viel Stau fahren musste, kenne ich die Schönheit der Altstadt und ihrem Duft von Jasmin. Leider hat wurde der Jasmin rot gefärbt, als viele junge Syrerinnen und Syrer nach Freiheit und Würde gerufen haben und das Regime einen Krieg gegen das eigene Volk führte. 

    Als der Krieg überall war, musste ich Damaskus verlassen, oder vielleicht hat sie mich auch vertrieben, als sie mich nicht schützen konnte. Ich bin in die Türkei geflüchtet, in der Hoffnung, dass ich da weiter studieren kann. Aber Ankara und Istanbul haben die Träume der Geflüchteten nicht akzeptiert und deswegen änderte sich mein Leben. Ich arbeitete in Istanbul in einer Fabrik, manchmal zehn oder elf Stunden täglich. Es gab keinen Asylschutz, keine Sicherheit oder Zukunft.

    Ich weiß, dass Istanbul eine wunderschöne Stadt ist, auch wenn ich nur sehr selten die schönen, touristischen Seiten der Stadt besucht habe. ِAber ich liebe Istanbul, weil die Stadt mich an Damaskus erinnert –  in ihrer schönen Seite, aber auch in ihrer harten Seite.  

    Es war diese Situation, in Syrien und in der Türkei, die mich nach Deutschland bringen sollte, nicht Angela Merkels Politik oder die deutsche Willkommenskultur. 

    Die Macht der Sprache

    Aber in den nächsten Monaten versuchte ich so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. Nach 3 Monaten in der Schule der Unterkunft konnte ich ein bisschen Deutsch schreiben. Also habe ich danach einen Post in einer Netzwerkgruppe für Ehrenamtliche auf Facebook geschrieben: Ich suche deutsche Freunde, um weiter Deutsch zu lernen und auch, um die deutsche Gesellschaft zu verstehen. Dadurch habe ich viele nette Leute kennengelernt, viele von ihnen sind bis jetzt Freunde von mir. 

    Als ich sah, wie das Thema Flüchtlinge in der deutschen Gesellschaft und in den Medien der Grund für viel Diskussion und Streit war, habe ich mich gefragt, warum ich als Geflüchteter nicht über mich berichten kann? Warum kann ich nicht meine Erfahrung als Syrer, als Geflüchteter und als Journalist mit meiner Lebenssituation verbinden? Ich wollte über mein Schicksal und die Geschichten meiner Freunde, Bekannten und ehemaligen Nachbar*innen berichten. Wegen dieser Fragen kam die Idee, dass wir eine Plattform gründen sollten, wo Menschen mit Fluchtgeschichte über sich berichten, über sich erzählen und ihre Gedanken veröffentlichen. 

    Mit großer Unterstützung von vielen Freund*innen konnte ich im Februar 2017 das Flüchtling-Magazin gründen. Unser Ziel war, Menschen mit Fluchtgeschichte zu porträtieren, um den Hamburgerinnen und Hamburgern zu zeigen, dass die Geflüchteten nicht eine anonyme Gruppe sind, sondern dass hinter jeder und jedem von ihnen eine interessante Geschichte steht. Und dass wir vielfältig sind, als Personen, Meinungen, Charakter und auch Kultur.     

    Also schreiben wir Geschichten, tauschen Perspektiven aus und diskutieren viel. Aus dem Flüchtling-Magazin ist im Sommer 2020 kohero geworden, der Name bedeutet auf Esperanto „Zusammenhalt“. Was sich nicht verändert hat, ist, dass unsere Sprache Deutsch ist. Schon 2017 haben wir gesehen, dass die Deutsche Sprache uns alle verbindet, nicht nur mit der Hamburger Gesellschaft, sondern auch uns als Menschen mit Fluchtgeschichte. Wir kommen aus unterschiedlichen Ländern, Regionen, Städten oder Dörfern, aber heute leben wir hier und können uns miteinander auf Deutsch austauschen. 

    „Wir sind Individuen“

    Ich will mit dem Magazin einen Austausch ermöglichen und auch die Einzigartigkeit von ‘uns Geflüchteten’ wieder betonen. Erst später habe ich ein anderes Wort dafür kennengelernt: Vielfalt. Ja, ok, es gibt viele Syrer, die Mohammed und Ahmad heißen, und ja, sehr viele Afghaninnen und Afghanen haben am 01.01. Geburtstag, aber wir sind Individuen. Und wir haben sehr unterschiedliche Lebenswege und Lebensweisen, auch wenn wir manchmal aus einem Land kommen. Wenn ich das aufschreibe, klingt es fast selbstverständlich, aber viele der Probleme und der Diskriminierung von Geflüchteten passieren wegen Vorurteilen, Verallgemeinerungen und Halbwissen. 

    Meine persönliche Geschichte brachte aber nicht nur Begeisterung für meine neue Heimatstadt Hamburg. Im Oktober 2018 war ich Hamburger des Monats im Szene Magazin, und kurz danach würde ich in eine Fake-News-Sache reingezogen. Eine anonyme Seite hatte das Foto, was das Szene-Magazin von mir gemacht hatte, geklaut und als Titelbild für eine schlimme Geschichte benutzt, die nichts mit mir zu tun hatte.

    Ich frage mich bis jetzt: warum? Wie konnte das sein? Wie kann eine Gesellschaft diese Willkommenskultur und auch diese Leute produzieren? Warum gibt es Menschen, die ihre Vorurteile und ihren Hass so benutzen? Die Leute, die mein Foto geklaut haben, kennen mich nicht persönlich und sie haben auch nicht meinen Namen benutzt. Es war ihnen egal, wer ich bin, sie brauchten nur mein Gesicht als Symbol gegen Geflüchtete für ihre Hetze. 

    Ich stellte mir trotzdem viele Fragen, auch dazu, wie Vorurteile abgebaut werden oder im besten Fall gar nicht erst entstehen können. Bis jetzt denke ich, dass die Medien eine große Verantwortung tragen.  

    Repräsentation von Vielfalt in deutschen Medienhäusern

    Die Medien sind ein Spiegel der Gesellschaft und wir alle lernen über uns und übereinander durch unterschiedliche Medien. Ich finde, deswegen sollten alle Medien auch die Vielfalt der Menschen in unserer Gesellschaft zeigen, mit allen Licht- und Schattenseiten. Mit Statistiken und auch mit einem Spaziergang durch die Innenstadt kann jeder sehen, wie vielfältig die Gesellschaft ist, wieso sehe ich das aber nicht in den Medienhäusern? 

    Redaktionen werden die Vielfalt nicht zeigen, wenn sie nicht selber intern Vielfalt erleben. Vielfalt bedeutet auch, dass Medien an vielfältigen Zielgruppen interessiert sind und diese erreichen möchten. Vielfältig bedeutet auch, dass die Medien machenden die vielfältigen Probleme, Möglichkeiten, und Entwicklungen kennen, die es in der Gesellschaft gibt. 

    Corona hat uns auch als Gesellschaft zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle Menschen mit den richtigen Information erreichen müssen. Ansonsten bleiben einige Gruppe un- oder falsch informiert und am Ende werden wir nicht auf der gleichen Basis diskutieren. Mit der Zeit wird die Gesellschaft dadurch gespalten. 

    Im Moment ist das Bild noch nicht so bunt. Auf die Frage, wie viele Chefredakteurinnen und Chefredakteure hierzulande einen Migrationshintergrund haben, hat die Organisation Neue deutsche Medienmacher*innen herausgefunden, dass es nur 6% sind. Gleichzeitig haben in vielen Städten, auch Hamburg, bis zu 50% der jungen Menschen selber oder mindestens ein Elternteil mit Flucht- oder Migrationsgeschichte. Werden diese jungen Menschen in der Zukunft durch die Redaktionen ohne Migrationshintergrund erreicht? Werden die Berichte, Artikel, Podcasts, Sendungen und Posts über ihre Lebensrealitäten sprechen? Über ihre unterschiedlichen Communities?  

    Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Vielfalt nur in einer starken Demokratie leben kann. Auf Arabisch kenne ich die Worte tannauw’ah und t’aadud – Vielfalt und Pluralität. In Syrien habe ich Pluralität erlebt – Christen, Drusen, Alawiten, sunnitische und schiitische Muslim*innen, ethnische Kurden, Aramäer, Turkmenen und Araber leben nebeneinander, kennen einander auch gut, aber das syrische Regime tut alles, was es kann, um kein Gefühl der Vielfalt und des Zusammenhaltes entstehen zu leben. 

    Ich bin optimistisch und lebe immer mit Hoffnung. Deswegen hoffe ich auch, dass viele Menschen in Deutschland Veränderungen willkommen heißen und dass sie jetzt schon echte Vielfalt leben, besonders die jüngere Generation Z.

    Am Ende möchte ich euch noch verraten, dass mein Name auf der arabischen Sprache „Schwert“ bedeutet. In der Hoffnung, dass ich das Schwert des Wortes nutzen kann: Also mein Name ist Hussam. 

    Diese Artikel wurde zuerst auf Szene Hamburg veröffentlicht.

  • Eine vielfältige Gesellschaft braucht Vielfalt im Journalismus

    Mehr als 26 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Das bedeutet jede vierte Person in Deutschland hat eine Migrationsgeschichte. Trotz dieses großen Anteils in der Gesellschaft bleiben Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien unterrepräsentiert. Laut einer Studie des Vereins Neue deutsche Medienmacher*innen sind sechs Prozent der für die Studie befragten 126 Chefredaktionen mit Menschen mit Migrationshintergrund besetzt. Und dem entspricht die Vielfalt in der Gesellschaft nicht. 

    Die Vielfalt in den Redaktionen ist nicht nur ein bereichernder Faktor innerhalb der Presseinstitution, sondern auch entscheidend bei der redaktionellen Entscheidungsfindung durch die Anwesenheit von Journalist*innen mit unterschiedlichen Hintergründe und multikulturellen Kompetenzen, was sich auf die Auswahl der zu behandelnden Themen auswirkt. Damit sollen Medien neue Perspektiven bei der Berichtserstattung über Zielgruppen mit Migrationshintergrund schaffen. Dies hilft auch dabei, eine andere Vision der Gesellschaft zu haben, mit einem Netzwerk von Beziehungen zu gesellschaftlichen Gruppen, die die Redaktionen nicht angemessen erreichen können, was zumindest neuen Geschichten und einem neuen Publikum weichen kann.

    Gelungener Versuch

    Der neuen deutschen Medienmacher*innen e.V. hat ein wichtiges Modell geschaffen, um Diversity im Journalismus sichtbar zu machen. „Wir sind immer sehr glücklich zu sehen, wie sich junge, talentierte Journalist*innen mit Zuwanderungsgeschichte im Beruf etablieren, wenn sie etwas Unterstützung bekommen, vor allem Zugänge in die Redaktionen“, sagt Najima El Moussaoui, Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher*innen. 

    Das Netzwerk versucht beispielsweise durch Mentoringprogramme mehr Journalist*innen mit multikulturellen Kompetenzen in verschiedene Medienbereichen zu bringen. Ziel des Mentoringprogrammms ist es, dass Medienschaffende of Colour und Journalist*innen mit Migrationshintergrund unterstützt und gefördert werden. „Einige Alumnis unserer Nachwuchsförder-Programme sind heute prominente Medienschaffende, wie zum Beispiel Aline Abboud, die die ARD-Tagesthemen moderiert. Aber auch viele, die wir nachher nicht vor den Kameras sehen, entwickeln sich innerhalb eines Jahres, so lange dauert ein Mentoring-Jahrgang, enorm weiter, sowohl beruflich als auch in ihrer Persönlichkeit“, ergänzt die Leiterin des auf den Lokaljournalismus im Ruhrgebiet spezialisierten Projektes „Mentoring@Ruhrgebiet“.

    Diversity stärken

    Für viele Redaktionen ist die Sprache das größte Hindernis, Journalist*innen mit Migrationshintergrund aufzunehmen, vor allem wenn sie keine perfekten Deutschkenntnisse oder einen Akzent haben, denn das ist in den Medienhäuser nicht erwünscht. Trotz der Schwierigkeiten bleiben daher Journalist*innen ohne Deutsch als Muttersprache auf der Suche nach einer Redaktion bzw. einem Team durch Praktika, Volontariat oder sogar ehrenamtliche Arbeit, um den ersten Schritt in den Journalismus in Deutschland zu finden. Ihnen fällt es schwer, eine Stelle in dem Bereich zu bekommen, „Wir unterstützen Nachwuchsjournalist*innen mit internationaler Familiengeschichte darin, ihren Weg in die Medienwelt zu finden.

    Das machen wir über zwei Projekte: unser bundesweites Mentoringprogramm „Vielfalt stärken“ und unser auf den Lokaljournalismus im Ruhrgebiet spezialisiertes Programm „Mentoring@Ruhrgebiet“, berichtet El Moussaoui und ergänzt: „Wir versuchen Chefredakteur*innen davon zu überzeugen, warum Vielfalt unabdingbar ist, um unsere heutige Welt in den Medien angemessen darzustellen. Das ist richtige 1:1-Aufklärungsarbeit. Zum Beispiel haben wir, nachdem wir unseren Diversity Guide veröffentlicht haben, mit denen, die dieses Buch gerne haben wollten, ein einstündiges Gespräch geführt. Wir wollten vor allem den Führungskräften in den Medienhäusern in einem persönlichen Gespräch deutlich machen, wieso es eine Win-Win-Situation ist, wenn sie sich für mehr Vielfalt entscheiden.“

    Die fehlende Vielfalt in den Medien ist ein großes Problem. Und dafür kann es viele Gründe geben, einschließlich des fehlenden Mutes der Medien, Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen einzustellen. „Es fängt damit an, dass die meisten Journalist*innen aus herkunftsdeutschen Akademikerfamilien kommen“, betonte El Moussaoui.

    „Wenn Medien diverses Personal haben möchten, müssen sie aktiv etwas dafür tun: Nachwuchs fördern und bereit sein, auf allen Ebenen diverse Mitarbeitende einzusetzen, nicht nur auf den unteren oder mittleren Karrierestufen. Es reicht nicht, eine migrantisch aussehende Person vor die Kamera zu stellen, wenn das Team dahinter komplett weiß ist. Dies bedeutet nämlich in der Regel, dass die Journalist*innen eine ähnliche Perspektive auf Themen haben, weil sie ähnlich sozialisiert sind.“

    Anderes darüber nachdenken

    Deutschland ist ein Migrationsland und hat eine vielfältige Gesellschaft, daher ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Diversität in den Medien eine Grundvoraussetzung für die Repräsentation aller Menschen in der Gesellschaft. Trotz der Förderung und der Unterstützung von den Neuen deutschen Medienmacher*innen, Vielfalt im Journalismus zu stärken, scheint es, dass die deutschen Medien selbst viel zu tun haben, um ihre Kultur zu ändern und darüber nachzudenken, ein Arbeitsumfeld für Journalist*innen mit multikulturellen Kompetenzen zu schaffen.

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