Schlagwort: Toleranz

  • Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe! Zum Umgang mit Rassismus

    Das Thema Rassismus beschäftigt mich seit vielen Jahren. Als ich in meiner Heimat war, war ich der Ansicht, dass Rassismus zwischen weißen und schwarzen Menschen passiert. Allerdings hatte ich diese Meinung, ohne es selber erlebt zu haben. Erst als ich mein Land verließ, aber immer noch in Afrika war, habe ich das Gefühl bekommen, dass ich diskriminiert wurde. Ich versuchte oft, nicht darüber zu reden, weil ich dann zeigen würde, dass ich schwach bin. Und manchmal dachte ich, das ist bestimmt, was sie wollen, und ich würde ihnen nicht geben, was sie wollen. Mindestens nicht durch mich.

    Seit meiner Zeit außerhalb meines Landes und seit meiner Flucht nach Europa hat sich meine Definition von Rassismus weiterentwickelt. Nicht nur schwarze Menschen, sondern viele Flüchtlinge (unterschiedlicher Hautfarbe) erleben Rassismus. Ich wusste: Wenn ich in Afrika diskriminiert werde, ist es nicht merkwürdig, dass ich es auch in Europa erlebe. Da ich aber nach Freiheit und Bildung suchte und mir sicher war, dass ich diese in Europa finden kann, habe ich mir gesagt, dass es sich lohnt, das in Kauf zu nehmen.

    Sie haben im Bus den Platz gewechselt

    Ich habe verschiedene Erfahrungen in verschiedenen Teilen von Deutschland gemacht: In der ersten deutschen Stadt, in der ich gewohnt habe, war es schon genug, eine Straße entlang zu gehen, um Rassismus zu erleben. Die Blicke, die mich getroffen haben war einfach hart. Manche Männer zeigten mir und meinen Freunden den Mittelfinger. Manche Menschen gingen mir aus dem Weg, wenn ich nach einer Adresse gefragt habe.

    Ich habe mir dort abgewöhnt, den Bus zu nehmen. Das erste Mal Bus gefahren bin ich mit sechs anderen Männern aus Eritrea und einem Afghanen auf dem Weg zu unserem A1-Deutschkurs. Zwei von uns haben sich neben zwei jugendliche Männer gesetzt. Die beiden haben sich die Nase zugehalten, so dass wir es sehen sollten, sind aufgestanden und haben den Platz gewechselt. Ich bin danach nie wieder Bus gefahren.

    Meine Kollegen haben damals gesagt, ich sollte mir eine „dickere Haut“ zulegen. Viele haben gefragt, warum ich ihretwegen nicht mehr Bus fahre. Aber für mich war es wichtig, mich auf das Lernen zu konzentrieren, nicht auf solche Leute. Ich wollte nicht ausprobieren, ob es nochmal passiert. Es war ein Erlebnis, was zu vielen anderen dazu gekommen ist und ich konnte es nicht einfach ignorieren.

    Meine Definition von Rassismus hat sich verändert

    Seitdem ich in Deutschland lebe, hat sich meine Definition von Rassismus vergrößert. Es sind ein paar Themen dazugekommen wie z.B., dass unsere Religion, Bildung und Kultur negativ bewertet werden. Ich versuchte darüber mit Deutschen, die mir nahe stehen, zu reden. Sie halfen mir sehr, mein Leben in Deutschland besser zu verstehen.

    Aber auch von ihnen habe ich ab und zu rassistische Wörter gehört, die ich nie vergessen werde. Das bedeutet für mich nicht, dass meine deutschen Freunde Rassisten sind. Das sind sie nicht! Aber sie haben ihre Meinung über mich/uns (als Afrikaner und Flüchtlinge) gezeigt und diese hat mich verletzt und mich traurig gemacht. Manchmal ist es schwieriger, zu vergessen was Menschen sagen, denen wir vertrauen, weil sie Freunde oder Familie sind. Ich möchte damit auch zeigen, dass man gleichzeitig rassistische Sachen sagen kann, wenn man Flüchtlingen hilft und ein guter Mensch ist. Es gibt Unterschiede zwischen „ein Rassist sein“ und „rassistische Sachen sagen“.

    Hier in Hamburg hat mich zum Beispiel ein Türsteher aus einer Disko rausgeworfen, weil andere Gäste sich beschwert hatten, dass es einen Diebstahl gab. Vielleicht war der Türsteher kein Rassist. Aber sein Vorurteil, sofort den jungen schwarzen Mann zu verdächtigen, ist rassistisch. Als er vor allen zu mir sagte „RAUS!“ war mir das peinlich. Ich war verletzt und fühlte mich unfair behandelt. Warum bin ich eher verdächtig, als die (weißen) deutschen Freunde, mit denen ich tanzen war? Die Freunde, mit denen wir unterwegs waren, wollten trotzdem weiter tanzen. Ich sollte lächeln und einfach weitermachen. Als ich gesagt habe, dass ich lieber nach Hause will, versuchten sie, mich zum Bleiben zu überreden.

    Und das ist eine wichtige Frage, wenn wir über Rassismus und Diskriminierung reden: Warum glauben mir andere meine Erfahrungen nicht?

    Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe!

    Für diesen Artikel hat Lilly mich bei unserem Treffen gefragt, welche Reaktionen helfen und welche nicht. Also: Wie sollten andere Menschen reagieren, wenn ich sage, dass ich Rassismus erlebt habe? Ganz klar: Die Antwort „sei nicht so sensibel“ ist keine Hilfe. Manche Menschen denken, sie helfen mir, wenn sie die Erklärung für eine Situation bei mir suchen. Wenn sie z.B. sagen „ja, aber vielleicht hast du in diesem Moment X oder Y gemacht“. Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe! Dann kann es passieren, dass ich gar nicht mehr erzählen möchte.

    Eine Erklärung kann helfen, wenn sie die Situation einordnet, z.B. wenn mir Menschen sagen „ich habe davon gehört, dass das schon mal passiert ist“. Das ist aber nicht das gleiche. Am meisten hilft es mir, wenn mir zugehört wird. Vielleicht ist die Situation schneller vorbei, wenn ich das Gefühl habe, man hört mir zu.

    Meiner Meinung nach ist Rassismus das Niedermachen von anderen Menschen wegen ihrer Religion, Hautfarbe, Herkunft oder ihrem Bildungshintergrund. Das alles würde ich auch als Vorurteile bezeichnen. Daher sind  diese Vorurteile meines Wissens nach ein Teil von Rassismus.

    Dieser Text entstand im Rahmen unseres Schreibtandem-Projekts. Idris schrieb den Artikel in Zusammenarbeit mit Lilly Murmann

  • Sogenannte Gäste, eine schwarze Maria: Gedanken zur Toleranz

    Das Thema „Toleranz“ war im November das Monats-Thema beim Flüchtling Magazin. Vor uns haben sich schon ganz andere mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Einer davon war John Locke. Im Jahr 1683 wurde der philosophische Aufklärer zum Flüchtling. Er, der Vater des Liberalismus, floh, da er im Verdacht stand, beteiligt gewesen zu sein am Rye-House-Plot, einer Verschwörung zum Mord am König von England sowie dessen Bruder wegen ihrer prokatholischen Politik.

    Umdenken kann nicht erzwungen werden

    In die Niederlande geflohen, schrieb er einige Jahre später einen Brief an seinen Freund, den Theologieprofessor Philipp van Limborch mit dem Titel „A Letter Concerning Toleration“. In diesem stellt er seine Meinung klar dar: Es muss größere Toleranz gegenüber religiöser Vielfalt geben. Damals ging es um Atheisten, Protestanten und Katholiken aber auch Quäker, Unitaristen, Armenier, Baptisten etc.

    Diejenigen, die andere mit Gewalt dazu zwingen, ihren Glauben und ihre Kultur zu ändern, können nicht aus christlichem Antrieb handeln. Ein Umdenken unter Androhung von Gewalt kann nicht funktionieren, so die These von Locke.

    Er selbst aber war auch nicht vollständig tolerant oder hegte zumindest begründete Zweifel: Katholiken war nicht zu trauen, da sie nur die Marionetten des Papstes waren. Und Atheisten konnten auf keine Bibel schwören und mussten daher keine göttliche Vergeltung befürchten. Aber hat diese Unterscheidung bei begründeten Zweifeln schon mit Intoleranz zu tun?

    Von Locke zu uns: Toleranz geht von jedem aus – und hat seine Grenzen. Kaum jemand, der etwas selbstreflektiert ist, würde sich selbst intolerant nennen. Der eine ist dem anderen gegenüber tolerant. Ob er der Mehrheit angehört oder der Minderheit, spielt dabei kaum eine Rolle. Hetero- und Homosexuelle müssen gegenseitig Toleranz zeigen.

    Wo stößt die Toleranz am ehesten an ihre Grenzen?

    Wird es für uns schwierig mit der Toleranz, wenn jemand Unverständnis zeigt? Wieso essen Hindus kein Rind-, Moslems kein Schweinefleisch und Veganer gar keine tierischen Produkte? Bin ich so tolerant und nehme darauf Rücksicht?

    Das sollten wir. Aber die Toleranz hört auf, wenn jemand die anderen überreden statt überzeugen will. Ohne Argumente und womöglich unter Androhung von negativen Folgen oder gar Gewalt jemanden in seiner Meinung zu beeinflussen, ist nicht zu tolerieren.

    Toleranz wirkt zuerst nach innen. Es entsteht ein Innen-Außen-Denken: Ich identifiziere mich mit dem einen und erdulde das andere. Die Themen und Schwellen sind dabei überall anders. Auch wie direkt oder unterschwellig Meinungen geäußert werden. Am ehesten merkt man diese Unterschiede auf Reisen in andere Länder. Es „herrschen andere Sitten“. Man ist anderer Meinung.

    Kürzlich war ich im fernen, fremden Bayern. Die Wahlen waren noch nicht lange her. Während meines Aufenthaltes einigten sich CSU und Freie Wähler auf eine Koalition. Bereits bei meiner Anreise musste ich tolerant sein. Im Zug beschwerte sich ein Fahrgast bei seinem Sitznachbarn über die Zugverspätung. Die Ansage des Zugpersonals meldete: „Personen im Gleis“.

    Ich dachte mir nur: Da rennt wieder wer auf den Gleisen rum und alle haben Verspätung. Die Beschwerde des Mitfahrers lautete: „Hob g‘hört, desch wa‘ a Araber. G’wiss wieda ana unsrer sogennanten Gäschte“ (Habe gehört, dass war ein Araber. Gewiss wieder einer unserer sogenannten Gäste).

    Sogenannte Gäste

    Nicht an der Unterhaltung beteiligt, in einer anderen Reihe sitzend, war ich etwas schockiert. In Hamburg hatte ich solch eine oder ähnliche Aussage noch nicht gehört. So direkte Äußerung von Vorurteilen waren mir bisher nur in Comedy Shows begegnet, entsprechend amüsiert war ich zuerst. Dies aber war ernst gemeint.

    Sage ich etwas oder erdulde ich seine Vorurteile? Bin ich tolerant? Hat das überhaupt etwas mit Toleranz zu tun? Ich bin auch nur ein sogenannter Gast hier in Bayern. Eine Diskussion erspare ich mir und denke an Mark Twains Zitat: „Streite niemals mit dummen Leuten, sie werden dich auf ihr Niveau ziehen und dich dort mit ihrer Erfahrung schlagen“.

    Während meines Urlaubs komme ich durch Altötting. Hier wird meine Toleranz auf eine ganz andere Probe gestellt. In dieser Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern gibt es 12 katholische Kirchen (und eine evangelische am Stadtrand). Mehrere Päpste waren hier. Benedikt XVI ist hier geboren und war 2006 zu Besuch. Die Pilgerstadt ist Zentrum für viele Pilgerwege, auch der Jakobsweg verläuft hier entlang.

    Das Geschäft mit den Devotionalien

    Kommen in Hamburg auf ca. 6.000 Einwohner je eine Kirche, Moschee oder Tempel sind es hier nur 1.000 Einwohner auf ausschließlich Kirchen. In Hamburg gibt es Muslime, Christen, Juden, Hindus, Buddhisten und noch viele weitere. In Altötting gibt es Geschäfte für Devotionalien. Überall kann man Kreuze, Kruzifixe, Marienfiguren, Jesusbildnisse und vieles mehr kaufen. Vor den Kirchen stehen Körbe, in die man die in den Geschäften gekaufte Kerzen geben kann, welche dann durch geistliche in den Kirchen entzündet werden.

    Und davon reichlich. Es ist ein Samstagnachmittag im November. Weihnachtszeit ist noch nicht. Allerheiligen war gerade erst. Am Hauptplatz sind mehr Kirchtürme und Devotionalien-Geschäfte zu sehen als Menschen. Ein Geschäft für Devotionalien reiht sich an das nächste. Nur unterbrochen durch einige wenige Cafés und Restaurants. Ich bin versucht, eine der Nonnen anzusprechen und nach dem Weg zur Moschee zu fragen. Doch ich bin tolerant. Ich toleriere diese exzessive Zurschaustellung des katholischen Glaubens. Noch nie hatte ich solch eine Fülle an einem Ort erlebt. So muss es in Mekka sein, dachte ich – nur voller.

    Bilder aus Alt Ötting. Foto von Moritz Plambeck
    Bilder aus Alt Ötting. Foto von Moritz Plambeck

    Maria mit schwarzer Hautfarbe

    Wir besuchen die wohl kleinste aber gleichzeitig auch bedeutendste Kirche in Altötting, die Gnadenkappelle: Außen übersät mit Bildern und Glaubenssprüchen hoch bis unter die Decke, im Innern gut besucht. Und da ist der stolz von Altötting: das 64 cm große Bildnis der heiligen Maria. Sie ist schwarzer Hautfarbe, aus Lindenholz gefertigt und über 500 Jahre alt. Sie ist der Grund, warum Altötting Wallfahrtsort ist. Ein Knabe soll erst ertrunken und zu Füßen der Maria gelegt und dann wieder erwacht sein.

    Ausgerechnet hier im tiefsten Bayern, wo die Menschen in Tracht ihren Tätigkeiten nachgehen, wo man das Deutsch kaum versteht und es katholischer wohl nur im Vatikan zugehen kann, ist man schon seit Jahrhunderten tolerant gegenüber einer Maria, die schwarzer Hautfarbe ist.

    Bayern ist also toleranter als gedacht. Man fühlt sich als Tourist nicht immer willkommen, vor allem weil jeder Bayer davon ausgeht, man müsse ihn klar und deutlich verstehen können. Aus Protest grüße ich jeden mit „Moin“ der mir begegnet.

    Toleranz ist überall

    In den Alpen erfordert es von geübten Führern von Wandergruppen aber auch noch eine ganz andere Form der Toleranz: die gegenüber der Ablenkung und Selbstdarstellung. Beim Wandern durch die Alpen begegnet uns ein kleines Grüppchen mit Führer. Die Aussicht ist herrlich. Die Sonne scheint. Schleierwolken zieren den Himmel und der Ausblick in nebelverhangene Täler ist unglaublich.

    Ebenso unglaublich die Vielzahl der Menschen, die pro Schritt mindestens ein Selfie schießen. Nicht falsch verstehen, ich mache auch viele Bilder, versuche aber dabei selten mich selbst in Szene zu setzen. Der kommende Wegabschnitt ist etwas tückisch, weil steil, glatt und rutschig. Der Führer weist seine Gruppe an: „Use your hands, not your phone“. Endlich spricht einer aus, was ich oft denke. Unsere Wege trennen sich.

    Toleranz ist überall. Jeder hat seine Meinung, sein Weltbild und seine Identität. Solange man den anderen die ihre lässt, ist man tolerant. Man erduldet andere Ansichten und erkennt andere Weltanschauungen an. Auch wenn sie einem nicht gefallen mögen.

  • Menschen in Bewegung : „Mit Tanz zur Toleranz“

    Tanzen verbindet

    Helen Hannak ist Tanzpädagogin und Tänzerin. Sie weiß wie wichtig das Tanzen sein kann, damit Menschen ihre Seele zum Ausdruck bringen und sich mit anderen verbinden können. Sie verfügt über eine weitreichende Erfahrung in verschiedenen Projekten. Gemeinsam mit Dina Schreiber, Kultur- und Projektmanagerin sowie die Stiftungsmanagerin der Nader Etmenan Stiftung haben sie ein besonderes Projekt des gemeinschaftlichen Tanzes entwickelt.

    „Mit TANZ zur Toleranz“ heißt die Community Dance Workshop-Reihe. Ihr Anliegen ist es, Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit und sozialer Herkunft zu schaffen und dadurch die Integration zu fördern. Im Mittelpunkt des Projektes steht der Zusammenhalt und Akzeptanz unter Menschen.

    Jeder kann mitmachen: Mit oder ohne tänzerische Vorkenntnisse, mit oder ohne gemeinsam gesprochener Sprache. Bei den monatlich stattfindenden und kostenfreien Workshops wird im Stil des zeitgenössischen Tanzes in einer Gruppe getanzt. Manchmal auch zu zweit, zu dritt oder alleine für sich.

    Bewegung und Tanz als gemeinsame Sprache aller Menschen

    „Mit TANZ zur Toleranz“ gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, bereichernde Begegnungen miteinander einzugehen. Das Projekt öffnet ihnen neue Einsichten und Erkenntnisse über sich selbst und über die anderen. Die Teilnehmenden haben die Chance, mehr Verständnis, Akzeptanz und Toleranz füreinander und für sich selbst zu gewinnen. Und „last but not least“: Das gibt allen die Möglichkeit zu tanzen, und das mit großer Freude,“ erzählen die Projektleiterinnen.

    Wir reden auf der Welt und auch in Hamburg in vielen unterschiedlichen Sprachen. Helen Hannak und Dina Schreiber haben eine ausgewählt, in der wir Menschen alle sprechen können. Die Bewegung und der Tanz. Daher der Name des Tanzprojektes: „Mit TANZ zur Toleranz“.

    Dina Schreiber und Helen Hannak © Manu Matthäus

    Nächster Workshop zum Mitmachen:  24. November!

    Eine zweiteilige Eröffnung fand am 30.09.2018 im First Stage Theater Hamburg, Thedestraße 15, 22767 Hamburg statt. Der nächste kostenfreie Workshop findet am 24.11.18 im Jugend- und Kulturzentrum „Am Stintfang“ statt: 3. Stock, Alfred-Wegener-Weg 3, 20459 Hamburg in der Zeit von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr.

    Die Workshops sind offen für Menschen unterschiedlichen Alters. Deutsche Sprachkenntnisse oder Tanzerfahrung sind nicht erforderlich. Jeder und jede darf mittanzen! Eine Abschlussveranstaltung des ersten Jahres findet am Internationalen Tag der Toleranz im November 2019 statt.

    Nader Etmenan Stiftung fördert Projekte zur Kulturvielfalt und Begegnung

    „Mit TANZ zur Toleranz“ ist eine Initiative der Nader Etmenan Stiftung, die unter anderem Projekte zur Integration und Vielfalt fördert und selbst umsetzt. Die Fortbewegungsmöglichkeiten der heutigen Zeit ermöglichen uns die Grenzen der Länder und Kontinente zu überwinden. Aber nicht alle tun dies freiwillig. Manche müssen das tun, ihre Heimat verlassen, um sich vor Krieg, Verfolgung oder Terror zu schützen. Andere wollen schlicht und einfach bessere Lebensbedingungen bekommen. Viele dieser Menschen haben Deutschland als ihr neues Zuhause ausgewählt oder auswählen müssen.

    Die Nader Etmenan Stiftung unterstützt sowohl Flüchtlinge als auch Menschen mit Migrationshintergrund dabei, deren Integration in Deutschland zu erleichtern. In diesem Sinne unterstützt die Stiftung auch Projekte, die die Völkerverständigung und die Kulturvielfalt fördern, um ein harmonisches Miteinander und gegenseitige Toleranz zu ermöglichen. Wie mit dem Tanz, dieser „Quelle des Lebens“. Und selbst der eher negative Friedrich Nietzsche schrieb bereits in seinem Werk „Also sprach Zarathustra: „Nur im Tanze weiß ich der höchsten Dinge Gleichnis zu reden“. Also Freunde, lasst uns zusammen tanzen. Für Verständnis und Toleranz.

    Mehr Infos über das Projekt gibt es hier

     

     

     

  • Toleranz ist wichtig – Humor auch. Eine Diskussion

    Schirmherr in diesem Jahr ist der Schriftsteller Abbas Khider. 2000 ist er aus dem Irak nach Deutschland geflohen und hat mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit. Sein Roman „Ohrfeige“ wurde mehrfach ausgezeichnet.

    „Man sucht das Gefühl der Geborgenheit DORT in der verlorenen Heimat, ignoriert das HIER und stellt sich DORT eine mögliche Zukunft vor. Der Körper befindet sich nun HIER, das Herz aber ist DORT“, so Abbas Khider.

    Toleranz aus der Sicht von Geflüchteten und Deutschen

    Das Flüchtling Magazin war in diesem Jahr mit einer eigenen Veranstaltung bei den Tagen des Exils vertreten. Am 19.Oktober fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Toleranz aus der Sicht von Geflüchteten und Deutschen“ statt. Henning Sußebach, ZEIT Redakteur und Buchautor ( „Unter einem Dach“), Sahar Reza, angehende Journalistin aus Afghanistan und Ghafek Alsaho aus Syrien, der seit einem Jahr eine Ausbildung zum IT Spezialisten bei Hubert Burda Medien macht, diskutierten über dieses Thema. Moderiert wurde die Veranstaltung von Elke Jakob, einer Journalistin und ehrenamtlichen Mitarbeiterin der Flüchtling Magazins. Für das leibliche Wohl wurde mit arabischen Köstlichkeiten gesorgt. Die Beteiligung war sehr gut, die nachfolgenden Diskussionen mit den sehr interessierten Besuchern waren lebhaft.

    Foto Moritz Plambeck

    Nach der Frage, welche Schulnote (bei einer Skala von 1 = sehr gut bis 6 = ungenügend) die drei Teilnehmer sich selbst für ihre Bereitschaft zur Toleranz geben würden, antworteten die Geflüchteten sofort mit 2, während Henning Sußebach erst einmal differenzierte nach den verschiedenen Typen von Toleranz und sich dann entsprechende Noten gab ( 3-5).

    Toleranz gibt es in allen Kulturen. Beigebracht wurde sie den Teilnehmern durch das Elternhaus, die Schule oder Freunde.

    Ghafek Alsaho meinte, dass er beim deutschen Essen an die Grenzen seiner Toleranz stößt. Henning Sußebach sah unterschiedliche Arten der Toleranz.  (In der Bahn z.B. sei er äußerst intolerant, wenn er zum Hören von lauter Musik genötigt werde).

    Bei Schwierigkeiten hilft manchmal Humor

    Beide Geflüchtete hatten bisher keine Situation in Deutschland erlebt, in der ihnen gegenüber Intoleranz wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder anderen Aussehens begegnet war. Sahar Reza hatte in ihrer ersten Zeit hier in Deutschland oft englisch gesprochen und ihr wurde mehrmals gesagt, dass hier deutsch gesprochen werde. Als sie dann aber erklärte, dass sie noch nicht so gut deutsch könne, zeigte man Verständnis.

    Für alle Teilnehmer war es wichtig, mit Humor bei Toleranz und Integration umzugehen. Dadurch würden so manche Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt.

    Ghafek Alsaho war z. B. nicht enttäuscht gewesen, von einem Türsteher in einem Club den Zugang verweigert zu bekommen. Er meinte, „ der hat mich einfach in eine Schublade gepackt und wusste es nicht besser. Dann bin ich eben woanders hin gegangen.“

    Für die größtenteils deutschen Gäste der Podiumsdiskussion war es erstaunlich zu hören, dass die beiden Geflüchteten bisher keine Situation in Deutschland erlebt hatten, in der ihnen mangelnde Toleranz von Seiten der Deutschen entgegengebracht worden war.

    Das Thema Toleranz wird übrigens im Monat November Schwerpunktthema des Flüchtling Magazins sein und wir sind gespannt auf Berichte darüber – gerne können eigene Erfahrungen an uns gemailt werden .

  • Toleranz – Einbahnstraße oder Wegbereiterin einer sich ändernden Welt?

    Der Autor des Welt-Artikels aus dem Jahr 2015, Eliyah Havemann, wurde in Ost-Berlin geboren. Er wuchs in Hamburg und im Elsass auf. Zwei aufgeschlossene, tolerante Gesellschaften hat er hier wie dort kennengelernt. Heute lebt er in Israel und arbeitet in der IT-Branche. Als Konvertit und orthodoxer Jude. Eliyah will nicht als Jude in Deutschland toleriert, sondern als Mensch, als ein Individuum akzeptiert, bestenfalls geschätzt werden.

    „Akzeptanz ist keine Einbahnstraße wie die Toleranz“

    Er sagt: „Mein religiöses Verhalten kann man gern beknackt finden und dann gnädig tolerieren, aber mich als religiöse Person und Mensch bitte nicht. Meine Religion sollte nicht Teil der gesellschaftlichen Norm sein, gemeinsam Essen und ins Kino gehen eher. Es ist eine schwere Aufgabe der Politik, diese Normen zu finden. Das Grundgesetz ist dabei die Grundlage, die wichtigste existierende Normsammlung in Deutschland.

    Und sie lässt korrekterweise keine große Toleranz zu. Tolerieren wir also die Muslime, alteingesessene oder neu eingewanderte, in Deutschland nicht. Sondern, akzeptieren wir sie. Muslime gehören zu Deutschland genau wie jeder andere hier lebende Mensch. Akzeptanz ist aber keine Einbahnstraße wie die Toleranz. Sie funktioniert nur gegenseitig. Ist das der Grund warum so viele nach einer bedingungslosen Toleranz rufen? Weil sie dann zwar von den Tolerierenden alles, von den Tolerierten aber nichts fordern müssen?

    „In den meisten Fällen ist Respekt ein Synonym für Angst oder Furcht“

    Genauso schlimm wie die herablassende Toleranz für einen Menschen ist der Respekt, der eine Religionsgemeinschaft einfordert. Ich respektiere etwa Leistungen oder die Privatsphäre anderer. In den meisten Fällen ist aber Respekt ein Synonym für Angst oder Furcht: Ich habe Respekt vor den Reißzähnen eines großen Hundes. Ist es das, was verlangt wird, wenn ich aus Respekt vor dem Islam keinen Mohammed malen soll? Was sind das für Gläubige, die, statt sich gelassen ihren Teil zu denken, zu einer gewaltbereiten, beleidigten Leberwurst mutieren, weil jemand despektierlich von ihrem Propheten spricht?“*

    Diese Art zu denken ist praktisch in jeder religiöser Form vorhanden. Sie wollen keinen Respekt. Sie wollen, dass wir Angst haben“, folgert Eliyah Havemann in seinem Beitrag.

    Auch durchschnittliche Bürger versuchen mit allen Mitteln, ihre mangelnde Bereitschaft zu zeigen, andere Menschen als solche zu akzeptieren. Flüchtlinge aus Syrien und anderen muslimischen Ländern stellen Deutschland nicht nur vor logistische Schwierigkeiten. Brennende Flüchtlingsheime und Jagd auf ausländisch aussehende Menschen sind lediglich sichtbare Zeichen einer Auseinandersetzung. Diese kreist um die Frage, wie man mit Neuankömmlingen aus einem anderen Kulturkreis umgehen soll.

    Den Bedenkenträgern wirft man oft Islamophobie vor. Mehr Toleranz wird gefordert. Das hört sich richtig an. Der Ansatz bekommt aber einen schalen Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass der real existierende Judenhass, verstärkt durch den von einigen Flüchtlingen eingeschleppten Hass kaum mehr einen Aufreger wert ist. Toleranz  ist eine hingenommene Abweichung von der Norm und eine sehr einseitige Sache.

    „Toleranz ist ein Akt der Vernunft“

    Eine ganz andere Sicht der Dinge hat der Journalist Kurt Sontheimer in einem deutlich älteren Zeit-Beitrag: „Tolerant sein bedeutet, Menschen und Ideen nicht zu unterdrücken, obwohl sie einem gegen den Strich gehen. Diese Tugend ist mancherorts in Verruf geraten, weil sie nicht ausreicht, eine gerechte Ordnung zu schaffen. Mehr und mehr werden Auseinandersetzungen in den Parteien oder an den Hochschulen vom Geist der Intoleranz beherrscht. […] Nur der kann wirklich tolerant sein, der kraft seiner Vernunft weiß, warum und wofür er es ist. Toleranz ist keine Angelegenheit des Gefühls sondern ein Akt der Vernunft“.**

    Diese Worte stammen aus dem Jahr 1974 und könnten noch heute die momentane Lage besten beschreiben, wie wir mit anders denkende, anders gläubigen und anders aussehende Menschen umgehen. Oder – wie wir sie als Menschen akzeptieren. Lange bevor es unsere christliche Gesellschaften gab, schrieb der große Philosoph Heraklit (520 – 460 v. Chr.) aus Griechenland. „Die einzige Konstante im Universum ist die ständige Veränderung. Und jede Veränderung bringt weitere Veränderungen“. Diese simple Feststellung könnte uns allen helfen, eine sich rasant verändernden Welt besser zu verstehen und zu akzeptieren. Samt ihrer Menschen, wie wir alle.

     

    Quellen der zitierten Beiträge:

    *Die Welt, Ausgabe 15/10/2015. 

    **Die Zeit, Ausgabe 03/1974, erschienen am 11.01.1974, 

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