Schlagwort: syrien update

  • Dynamische Entwicklungen und neue Herausforderungen

    Die Situation in Syrien bleibt äußerst dynamisch und komplex. Es schalten sich zunehmend internationale Akteure ein. Der irakische Premierminister betonte kürzlich, dass der Irak reagieren müsse, jedoch unsicher sei, wie genau vorzugehen sei, weil niemand einen Überblick über die Ereignisse behalten könne.

    Ich habe auch nicht daran geglaubt, mit welcher Geschwindigkeit die Rebellen sich bewegen (Rebellen, oder Jihadisten? Oder Milizen? Aufständische? Über die Frage der Begrifflichkeiten möchte ich in einer kommenden Folge dieses Newsletters schreiben).

    Drei große Gouvernements in Syrien stehen nun unter ihrer Kontrolle: Idlib, Aleppo und Hama. Aktuelle Kämpfe sind rund um Homs, es gibt auch Berichte von Aufständen in den südlichen Städten Daraa und as-Suweida. Besonders bemerkenswert ist die kampflose Einnahme von Dörfern nördlich der Stadt Homs, es scheint als habe die syrische Armee die Region verlassen. Diese Ereignisse zeigen deutlich die präzise Organisation und Geheimhaltung der Operationen der Rebellen, die ihren raschen Vormarsch ermöglichen.

    Die Rebellen stehen nur noch fünf Kilometer vor Homs, einer zentralen Stadt, die den Norden und Süden, Westen und Osten Syriens verbindet. Sollte Homs fallen, wird das Ende für Assad immer wahrscheinlicher und seine Pläne zur Bildung eines „guten Syrien“, bestehend aus den „nützlichen Teilstaaten“ Latakia, Tartus, Homs und Damaskus zunichtemachen. Der Assad-freundliche Radiosender Scham FM berichtet, die Rebellen seien bei ihrer Ankunft in den Orten nördlich von Homs nicht auf Widerstand gestoßen. Aber die Region Homs grenzt an den Libanon. Daher steht die wichtige Frage im Raum, ob die libanesische Hisbollah Assad weiterhin unterstützt und sich stärker in den Konflikt einmischen will.

    Aus Daraa, dem Geburtsort der syrischen Revolution in 2011, gibt es Berichte über erneute Angriffe auf die syrische Armee. Bedeutet dies das Ende eines Deals zwischen Russland, den USA, Israel und Jordanien, der Assad Kontrolle über den Süden Syriens einräumte? Gleichzeitig fanden in as-Suwaida, die Hauptstadt des Gouvernements as-Suwaida im Südwesten und Siedlungszentrum der syrischen Drusen, große Demonstrationen gegen Assad statt. Die Drusen äußern anscheinend ihre Unterstützung für die Operationen gegen das Assad Regime.

    Was wird dieses Wochenende passieren? Wir bleiben dran und halten dich mit diesem Newsletter auf dem Laufenden. Dabei interessiert mich auch deine Meinung zu den Entwicklungen und der Berichterstattung in Syrien sehr. Wenn du noch nicht dazu gekommen bist, fülle bitte diese kurze Umfrage aus.

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    Welche Rolle spielt die Türkei?

    Das türkische Außenministerium erklärte, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan den schnellen Fortschritt der syrischen Oppositionsfraktionen begrüße, deren Ziel Damaskus sei. Erdoğan erhielt bisher keine Antwort von Baschar al-Assad auf eine Einladung zu einem Treffen, was wahrscheinlich zu dieser Aussage von Erdoğan geführt hat. Zur Erinnerung: Assad fordert seit Längerem Garantien für einen türkischen Rückzug aus den besetzten Gebieten im Norden Syriens.

    Erdoğan betonte außerdem die Notwendigkeit einer ruhigen neuen Phase in Syrien und forderte Assad zu einer politischen Lösung auf. In einem Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres appellierte er an das syrische Regime, mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten, um eine umfassende politische Lösung zu erreichen. Beobachter*innen betonen, dass Erdoğan an einer Stabilisierung der Lage in Syrien interessiert ist, da somit mehr Syrer*innen aus der Türkei zurück nach Syrien kehren könnten.

    Einen Abzug aus den besetzten Gebieten lehnt die Türkei bisher ab und bezeichnet das Gebiet als „Sicherheitszone“, die sie mit der von ihr unterstützten „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA) kontrolliert. Neben der Rückkehr von syrischen Geflüchteten ist ein Hauptziel der Erdoğan Regierung, die Destabilisierung der kurdischen Selbstverwaltung in Rojava, die von der PYD (einer Schwesterpartei der PKK), geführt wird. Mehr dazu in einer kommenden Folge.

    Außenminister Hakan Fidan wird nicht an den Astana-Gesprächen teilnehmen, sondern nur am Doha-Forum, was auf ein mögliches Treffen der Außenminister von Türkei, Iran und Russland am Rande der Gespräche am 7. und 8. Dezember hindeutet.

     

    Was macht der Iran?

    Ein hochrangiger iranischer Beamter gab heute (Freitag) bekannt, dass der Iran beschlossen habe, seine militärische Präsenz in Syrien zu verstärken, um Assad zu unterstützen. Wie Reuters berichtete, fügte er hinzu, dass Teheran beabsichtige, Raketen und Drohnen nach Syrien zu schicken und die Zahl seiner militärischen Berater vor Ort zu erhöhen.

    Der Beamte, der aber anonym bleiben wollte, erklärte weiter, dass die Entscheidung gefallen sei, die Luftangriffe Syriens und Russlands zu intensivieren, was in den letzten Stunden bereits geschehen sei. Abschließend erklärte er, dass der Iran alle notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um die Zahl seiner militärischen Berater in Syrien zu erhöhen und Streitkräfte vor Ort zu stationieren.

    Was davon wirklich in die Tat umgesetzt werden wird, ist noch unklar. Beobachter*innen bemerken, dass der Iran durch die letzten Monate Proxy-Konflikt mit Israel stark geschwächt ist.

    Wie reagiert Russland?

    Syrien ist historisch gesehen ein wichtiger Ort für Russland – wegen der Beziehungen zwischen Syrien und der Sowjetunion, aber auch weil Syrien der letzte Ort ist, an dem Russland noch Einfluss in den warmen Gewässern des Mittelmeers hat. So kam die russische Luftwaffe Mitte 2015 zur Rettung des Assad Regimes – wir erinnern uns an die letzten Kämpfe um Aleppo.

    Doch es scheint, dass Russland seinen Einfluss in Syrien verlieren könnte. Unbestätigte Berichten zufolge hat Russland mehrere Militärschiffe und militärischen Ressourcen aus Syrien abgezogen. Zudem forderte die russische Botschaft in Damaskus am Freitag, dem 6. Dezember, russische Staatsbürger auf, Syrien umgehend zu verlassen. Die Botschaft betonte jedoch, dass die russische Botschaft und ihre Konsularabteilung in Damaskus weiterhin wie gewohnt arbeiten werden. Kann das russische Militär dem syrischen nicht helfen, da der Angriffskrieg in der Ukraine alle Ressourcen in Anspruch nehmen? Oder will Russland Assad fallen lassen?

    Der russische Außenminister soll sich ebenfalls am 7. und 8. Dezember am Doha-Forum beteiligen.

    Vereinbarungen mit Minderheitengruppen

    Es kommen immer weitere Meldungen darüber, dass die Rebellen unter Anführung der Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) Vereinbarungen mit lokalen Akteuren treffen, die Minderheiten wie Christ*innen und Ismailit*innen schützen sollen. Die Verwaltung der Städte Aleppo und Hama sollen von zivilen Gruppen übernommen werden. Die Bemühungen zielen wohl darauf ab, die Sorgen der Alawiten und anderen Gruppen zu beruhigen. Und es gibt das Gerücht, dass Erzbischof Hanna Jallouf neuer Gouverneur von Aleppo nach der Befreiung wird.t

    Diese Information ist nicht gesichert, könnte aber symbolisch für die Zukunft von Syrien sein. Stefan Schneck, der deutsche Syriengesandte, berichte von Gesprächen mit alawitischen Führern über Dialog und friedliches Zusammenleben ohne Vergeltung. Er betonte, dass jetzt die Zeit für Frieden und Dialog sei – nicht für Sieger und Besiegte.

    Wer kontrolliert Aleppo?

    Die „Freie Verwaltung von Aleppo“ veröffentlichte Bilder von Dutzenden Überläufern des syrischen Regimes, die vorübergehende Ausweise beantragten, um ihren Status zu regularisieren. Genaue Zahlen der Antragsteller wurden nicht genannt. Gleichzeitig rief die „Militäroperationsverwaltung“ erneut Regimeangehörige zur Desertion auf und versprach Schutz und Sicherheit für Überläufer. Polizisten und Offiziere in Hama wurden aufgefordert, in ihren Einheiten zu bleiben, Eigentum zu bewahren und auf Vertreter des Innenministeriums der „Rettungsregierung“ zu warten, um ihre Angelegenheiten zu regeln.

    Diese Maßnahmen sind Teil der Politik, die nach der Übernahme mehrerer Städte durch die „Operation zur Abwehr von Aggressionen“ eingeführt wurde. Nach der Kontrolle über ländliche Gebiete im Westen Aleppos wurden Zivilist*innen daran gehindert, in ihre Dörfer zurückzukehren, bis diese von Minen und Kriegsüberresten gesäubert sind.

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  • Dramatische Umwälzungen in Syrien

    Die jüngsten militärischen Entwicklungen haben das Kräfteverhältnis in Syrien spürbar verändert. Rebellenkräfte haben im Nordwesten bedeutende Erfolge erzielt und unter anderem die strategisch wichtige Stadt Aleppo sowie ihren internationalen Flughafen eingenommen. Neben Aleppo konnten zahlreiche Dörfer und Städte in den Provinzen Idlib und Hama unter die Kontrolle der Opposition gebracht werden. Diese Offensiven führten zu hohen Verlusten: Über 600 Todesopfer wurden laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte verzeichnet.

    Rückkehr des Astana-Prozesses

    Parallel zu den militärischen Auseinandersetzungen wird die diplomatische Ebene wiederbelebt. Der Iran kündigte ein Treffen der Außenminister von Iran, Türkei und Russland im Rahmen des Astana-Prozesses an, das am 7. und 8. Dezember am Rande des Doha-Forums stattfinden soll.

    Der 2017 ins Leben gerufene Astana-Prozess hat zum Ziel, Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition an einen Tisch zu bringen. Schwerpunkte der Verhandlungen sind Waffenstillstandsabkommen, humanitäre Themen sowie die Einrichtung von Deeskalationszonen. Nach einer pandemiebedingten Pause wurde der Prozess im November 2024 mit der 19. Verhandlungsrunde wieder aufgenommen.

    Astana-Abkommen: Chancen und Herausforderungen

    Das Astana-Abkommen führte zur Einrichtung von Deeskalationszonen im Nordwesten Syriens, um die militärischen Spannungen zu mindern. Während die Türkei die Stabilität in grenznahen Regionen als Priorität betrachtet, sehen Russland und der Iran den Prozess als strategisches Mittel zur Unterstützung der syrischen Regierung.

    Divergierende Interessen der Akteure

    Die Garantiestaaten des Astana-Prozesses verfolgen teils unterschiedliche Ziele. Während der Iran auf eine stärkere regionale Verantwortung drängt und vor der Ausbreitung von Terrorismus warnt, betont die Türkei die Bedeutung der Stabilität in Idlib und den angrenzenden Gebieten. Russland hingegen agiert als wichtiger Vermittler, während es zugleich die Position der syrischen Regierung stärkt.

    Historischer Rückblick auf die Verhandlungsrunden

    Der Astana-Prozess brachte bislang mehrere bedeutende Ergebnisse hervor:

    Erste Runde (2017): Ein Waffenstillstand zwischen Regierung und Opposition wurde vereinbart.

    Zweite Runde (2017):Überwachungskommissionen zur Einhaltung des Waffenstillstands wurden gebildet.

    Dritte bis fünfte Runde (2017):Schwerpunkt lag auf der Einrichtung von Deeskalationszonen, Minenräumung und humanitären Maßnahmen.

    1. Runde (2024): Nach der Pandemie-Unterbrechung wurden die Verhandlungen wiederaufgenommen, um die aktuellen Entwicklungen zu adressieren.

    Eine neue Phase für Syrien?

    Das geplante Treffen am Rande des Doha-Forums könnte einen Wendepunkt für Syrien markieren. Die Herausforderung bleibt jedoch, die Interessen der Garantiestaaten in Einklang zu bringen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Während militärische Erfolge der Opposition neue Dynamiken erzeugen, hängt die Zukunft Syriens entscheidend davon ab, ob der Astana-Prozess in der Lage ist, Frieden und Stabilität langfristig zu fördern.

    Dieser Text wurde am 6.12. aktualisiert und überarbeitet.

  • Rebellen übernehmen Hama – historische Bedeutung und aktuelle Entwicklung

    Diese Einleitung habe ich bereits zehnmal überarbeitet, weil sich die Lage schneller entwickelt, als ich erwartet hatte. Die syrischen Rebellen haben die Kontrolle über Hama übernommen, nach heftigen Kämpfen in der Stadt. Andere Quellen berichten, dass russische Flugzeuge Ziele innerhalb der Stadt Hama bombardiert haben. Es gibt Berichte über Tote und Verletzte unter den Trümmern. Berichten zufolge wird die Assad-Regierung von Russland unterstützt, das offenbar ein Signal senden möchte, dass die Regierung – insbesondere gegenüber islamistischen Milizen – nicht destabilisiert werden darf. Dennoch haben die Rebellen es geschafft, Hama unter ihre Kontrolle zu bringen. Aus dem zentralen Gefängnis haben sie Hunderte Gefangene befreit, insgesamt 3000 sind dort untergebracht. Begleitet wurde dies von dem Ruf: „Dank sei Gott, dem Erhabenen.“

    Hama ist eine besondere Stadt in der Geschichte Syriens, nicht nur wegen ihrer strategischen Lage: Sie verbindet Homs und Damaskus mit dem Norden sowie den Westen mit dem Osten, wo die Aleviten leben. Sie ist auch bekannt für die tragischen Ereignisse des Massakers von Hama 1982. Mehr dazu liest du weiter unten.

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    Das Massaker von Hama 1982

    Das Massaker von Hama fand im Februar 1982 statt und gilt als eines der brutalsten Ereignisse der modernen syrischen Geschichte.

    • Hintergrund:
      Hama war ein Zentrum des Widerstands gegen das Assad-Regime, wobei die Muslimbruderschaft eine führende Rolle spielte. Der Aufstand war Teil eines größeren Konflikts zwischen islamistischen Gruppen und der säkularen Baath-Partei unter Hafez al-Assad, dem Vater von Bashar al-Assad.
    • Ereignis:
      Am 2. Februar 1982 begann die syrische Armee unter der Leitung von Rifaat al-Assad, dem Bruder des Präsidenten, eine groß angelegte Militäroperation, um den Aufstand der Muslimbruderschaft niederzuschlagen. Die Stadt wurde massiv bombardiert, ganze Stadtteile wurden zerstört.
    • Opfer:
      Schätzungen gehen von 10.000 bis 40.000 Toten aus, darunter viele Zivilist*innen. Tausende wurden verhaftet oder verschwanden spurlos. Hama wurde fast vollständig verwüstet.
    • Folgen:
      Das Massaker unterdrückte die Rebellion der Muslimbruderschaft und festigte die Macht von Hafez al-Assad, hinterließ jedoch ein tiefes Trauma in der syrischen Gesellschaft. Es symbolisiert bis heute die kompromisslose Gewalt des Assad-Regimes gegen jeglichen Widerstand.

    Das Massaker wird oft als Wendepunkt in der syrischen Geschichte gesehen, der die Grundlage für die spätere Brutalität des Regimes und die tiefen gesellschaftlichen Spaltungen legte.

    Wichtige Entwicklung

    Nach Abschluss der Durchsuchungs- und Sicherungsoperationen in der Stadt Aleppo ruft die Leitung der Militäroperationen alle Kämpfer dazu auf, sich den aktiven Frontlinien anzuschließen, um ihre Pflicht zu erfüllen und den Befreiungskampf fortzusetzen. Zudem gibt sie eine Reihe von Anweisungen heraus, die die Stadt Aleppo betreffen. Und das könnte darauf hindeuten, dass es eine Vereinbarung gibt, bei der die Rebellen Aleppo verlassen, während ihre Verwaltung bleibt und die Kontrolle die Stadt übernimmt.

    Politische Entwicklungen

    Gleichzeitig zum Krieg gibt es intensive politische Bewegungen. Besonders erwähnenswert sind:

    • Verhandlungen zwischen Assad und den USA durch Vermittlung der Vereinigten Arabischen Emirate, bei denen Assad offenbar bereit ist, den Einfluss des Irans zu opfern, um seine eigene Macht zu sichern.
    • Gespräche zwischen Assad und Erdoğan, die von Russland und dem Iran unterstützt werden. Assad scheint mittlerweile bereit zu sein, mit Erdoğan zu verhandeln.
    • Berichte aus arabischen Medien legen nahe, dass konkrete Vereinbarungen in Arbeit sind.

    Abu Mohammed al-Jolani und die HTS:

    Der Anführer der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Abu Mohammed al-Jolani, erklärte, dass eine Übergangsverwaltung die Angelegenheiten von Aleppo übernehmen werde, das kürzlich von Oppositionsgruppen eingenommen wurde.

    Unter der Kontrolle der HTS wird Idlib von einer „Rettungsregierung“ verwaltet. Es gibt jedoch Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung.

    Laut der International Crisis Group kündigte al-Jolani an, dass die Kämpfer, einschließlich derjenigen von HTS, in den kommenden Wochen die zivilen Gebiete verlassen werden. Gleichzeitig sollen „Bürokraten“ eingeladen werden, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Er fügte hinzu: „Die einzigartigen sozialen und kulturellen Traditionen der Stadt, sowohl für Muslime als auch für Christen in ihrer ganzen Vielfalt, werden respektiert.“

    Al-Jolani erklärte weiter, dass HTS darüber nachdenke, sich aufzulösen, um „eine vollständige Integration der zivilen und militärischen Strukturen in neue Institutionen zu ermöglichen, die die Vielfalt der syrischen Gesellschaft widerspiegeln“, so seine Worte.

     

    Wer ist Abu Mohammed al-Jolani?

    • Anführer der Dschihadistenorganisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS), der wichtigsten Rebellengruppe im Nordwesten Syriens
    • Kontrolliert weite Teile der Provinz Idlib sowie Gebiete in Aleppo, Latakia und Hama
    • Seine Region beherbergt etwa 3 Millionen Vertriebene und gilt als Hochburg der syrischen Opposition

     

    Ein umstrittener und mysteriöser Anführer

    • Identität: Sein Name, Geburtsdatum und Herkunft sind Gegenstand widersprüchlicher Berichte
    • Laut PBS heißt er Ahmad Hussein al-Sharaa, geboren 1982 in Saudi-Arabien
    • Andere Berichte legen nahe, dass er 1981 in Deir ez-Zor, Syrien, geboren wurde
    • Werdegang: Studierte angeblich Medizin, bevor er sich 2003 al-Qaida anschloss

     

    Aufstieg in der Dschihadistenbewegung

    • Enger Vertrauter von Abu Musab al-Zarqawi, Gründer von al-Qaida im Irak
    • Führte 2011 im Auftrag des späteren IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi die Gründung der Jabhat al-Nusra in Syrien
    • 2013 brach er mit dem IS und schwor al-Qaida die Treue

     

    Die Entwicklung von HTS

    • 2016: Al-Jolani gab die Trennung von al-Qaida bekannt und benannte die Gruppe in Jabhat Fatah al-Sham um
    • 2017: Führte die Gründung von HTS an, die zunehmend auf lokale Verwaltung und Diplomatie setzt
    • Fokus von HTS liegt offiziell auf der Bekämpfung des Assad-Regimes und der Errichtung einer islamischen Herrschaft in Syrien

     

    Herrschaft in Idlib

    • HTS kontrolliert Idlib mit eigenen Gerichten, Polizeikräften und einer „Rettungsregierung“
    • Kritik: Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Unterdrückung oppositioneller Stimmen

     

    Ein international gesuchter Mann

    • Trotz seiner Bemühungen, sich als pragmatischer Führer zu präsentieren, bleibt al-Jolani umstritten
    • Die USA stufen ihn weiterhin als Terroristen ein und haben eine Belohnung von 10 Millionen Dollar für Informationen zu seiner Ergreifung ausgesetzt.

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  • Die humanitäre Krise in Syrien spitzt sich zu

    Eine Woche nach der groß angelegten Offensive oppositioneller Rebellen gegen Assad in Aleppo berichtet die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte von rund 600 Todesopfern, darunter etwa 100 Zivilist*innen. Darüber hinaus haben die heftigen Kämpfe und Luftangriffe mehr als 30.000 Menschen zur Flucht gezwungen. Viele von ihnen suchen nun Schutz in überfüllten Geflüchtetenlagern, wo die humanitäre Lage weiter dramatisch ist.

    Gezielte Angriffe auf Zivilist*innen

    Die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind verheerend. Am Montag, den 02.12., trafen Luftangriffe der Regierung ein Geflüchtetenlager im Norden von Idlib, wobei sieben Menschen ums Leben kamen – darunter fünf Kinder und zwei Frauen. Gleichzeitig wurden Wohngebiete und Infrastruktur bombardiert. In den betroffenen Regionen suchen die Weißhelme, die freiwillige Zivilschutzorganisation, weiterhin nach Überlebenden unter den Trümmern.

    „Rund 400 Menschen waren im Lager, als die Bomben fielen“, erzählt Ahmad aus Idlib. Doch die Zerstörung beschränkt sich nicht auf Lager und Wohnhäuser. Krankenhäuser, Kirchen und weitere zivile Einrichtungen werden laut Angaben der Weißhelme ebenfalls gezielt angegriffen.

    Raed Al-Saleh, Direktor der Organisation Weißhelme, verurteilte die wiederholten Angriffe auf Helfer*innen und kritisierte die strategische Eskalation des syrischen Regimes. „Unsere Einsatzkräfte werden gezielt ins Visier genommen, während sie Zivilist*innen retten. Solche Angriffe stellen eine eklatante Verletzung der humanitären Prinzipien dar“, erklärte er.


    Überlastete humanitäre Hilfe

    Die Hilfsorganisationen stehen vor nahezu unlösbaren Herausforderungen. Unter extremen Bedingungen versuchen sie, Verletzte zu behandeln und die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sicherzustellen. Doch die begrenzten Ressourcen reichen bei weitem nicht aus, um die wachsende Zahl der Betroffenen zu unterstützen.

    Besonders die Situation in den Flüchtlingslagern ist alarmierend. Die UN berichtet, dass fast 50.000 Menschen seit Beginn der Eskalation ihre Heimat verlassen mussten. In den Lagern fehlt es an sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Besonders Kinder sind gefährdet: Krankheiten und Unterernährung breiten sich rapide aus.

    „Ohne schnelle internationale Unterstützung wird die Lage noch katastrophaler“, warnte Al-Saleh. Die Organisationen vor Ort stoßen an ihre Grenzen, und die fortwährenden Angriffe erschweren ihre Arbeit zusätzlich.

     

    Politische Blockaden und Appelle an die internationale Gemeinschaft

    Während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats betonte der Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, die Dringlichkeit einer politischen Lösung. Er warnte eindringlich vor den möglichen Konsequenzen: „Ohne Deeskalation und ernsthafte Verhandlungen drohen Syrien weitere Spaltung, Zerstörung und ein noch gravierenderer humanitärer Kollaps.“

    Dennoch herrscht politische Stagnation. Ein Streit entfachte über die Teilnahme von Raed Al-Saleh an der Sitzung. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja protestierte gegen seine Einladung und zeigte damit die tiefen Haltungsverschiedenheiten zwischen den internationalen Akteuren auf.

     

    Der Ruf nach globaler Verantwortung

    Zu Beginn seiner Rede an den UN-Sicherheitsrats hat Raed Al-Saleh, der Leiter der Weißhelme, die internationale Gemeinschaft erneut zu entschlossenem Handeln aufgerufen, um die fortwährenden Verbrechen gegen die syrische Zivilbevölkerung zu beenden.

    In der eindringlichen Rede vor den Vereinten Nationen erneuerte Al-Saleh seine Forderungen nach einem sofortigen Stopp der brutalen Angriffe auf Zivilist*innen und lebenswichtige Infrastruktur in Syrien. „Ich bin heute am gleichen Ort und trage die gleichen Forderungen, um Sie erneut aufzurufen, diese Verbrechen zu beenden und Frieden zu erreichen“, erklärte er, während er die anhaltende Gewalt und die zunehmend katastrophale humanitäre Lage anprangerte.

    Al-Saleh wies darauf hin, dass die Angriffe auf syrische Zivilist*innen durch das syrische Regime, Russland und grenzüberschreitende iranische Milizen in den letzten Monaten zugenommen hätten. Diese Angriffe würden gezielt Zivilist*innen sowie kritische Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser und Zeltlager für Vertriebene treffen. „Diese Angriffe zielten absichtlich auf Zivilisten und lebenswichtige Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser und Zeltlager für Vertriebene“, sagte Al-Saleh und verdeutlichte damit das Ausmaß der anhaltenden Kriegsverbrechen.

    Besonders Russland geriet in den Fokus seiner Kritik. Al-Saleh forderte die russische Regierung auf, ihre Unterstützung für das syrische Regime einzustellen und so den Weg für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht freizumachen. „Es muss mit allen lokalen und regionalen Parteien zusammengearbeitet werden, um sicherzustellen, dass alle Konfliktparteien das internationale humanitäre Recht einhalten“, betonte er.

    Auch erinnerte der Leiter der Weißhelme an die schrecklichen Bilder von Zivilisten, die durch diese Angriffe ihr Leben verloren. „Ich werde die Gesichter der Kinder und ihre Blicke nicht vergessen, nachdem syrische Kampfjets ihre Zelte in einem Lager bei Idlib angegriffen haben“, sagte er und sprach damit von einer der vielen Tragödien, die täglich in Syrien stattfinden.

    Ein weiterer besorgniserregender Aspekt, den Al-Saleh ansprach, war die Möglichkeit eines erneuten Einsatzes von Chemiewaffen durch das syrische Regime. „Es besteht die Möglichkeit, dass das syrische Regime wieder chemische Waffen einsetzt“, sagte er und erinnerte an die verheerenden Chemiewaffenangriffe von 2018 in Douma. Diese Bedrohung, so Al-Saleh, stelle eine zusätzliche Gefahr für die Zivilbevölkerung dar, die ohnehin schon unter extremen Bedingungen leide.

    Die humanitäre Situation in Syrien sei weiterhin dramatisch, so Al-Saleh. „Die Bedürfnisse der Menschen vor Ort steigen täglich“, so der Weißhelme-Chef, der auf die unzureichende internationale Hilfe hinwies. Nur 30 Prozent der erforderlichen humanitären Hilfe seien bisher bereitgestellt worden, was die Notlage der Bevölkerung noch verschärfe. „Ohne ein schnelles Ende der Kämpfe und ein umfassendes internationales Engagement droht die Krise außer Kontrolle zu geraten“, warnte Al-Saleh.

    Abschließend appellierte er an die internationale Gemeinschaft, endlich die Verantwortung zu übernehmen, um die unvorstellbare Gewalt gegen die syrische Zivilbevölkerung zu stoppen und für Gerechtigkeit zu sorgen. „Die internationale Gemeinschaft hat im humanitären und politischen Bereich versagt“, sagte er und fügte hinzu, dass Syrien zu einem „Testfeld für Straffreiheit“ geworden sei. Die anhaltende Untätigkeit und das Versagen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, ermutigten andere Akteure, wie Russland, weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen.

    Al-Saleh schloss mit der dringenden Forderung nach einer politischen Lösung, die das Ende der Gewalt und den Beginn eines friedlichen Übergangs in Syrien ermöglichen soll. „Es braucht einen klaren Zeitplan für eine politische Lösung, die den Syrern Frieden und Gerechtigkeit bringt“, so seine abschließende Botschaft.

  • Welche Rolle spielt Russland aktuell in Syrien?

    Der Krieg geht weiter und jetzt rückt Hama als Stadt ins Zentrum. Die syrischen Rebellen und islamistische Gruppen versuchen, die Kontrolle über Hama zu gewinnen und dabei mit der Versorgung, wie etwa Brot, zu beginnen. Doch die Sicherheit ist weiterhin ungewiss, besonders in der Nähe der kurdischen Gebiete in Aleppo. Dort verteidigen sich die Kurden, aber es wurden auch drei Zivilist*innen getötet.

    Die große Frage richtet sich an Russland: Laut neuen Berichten hat Russland einige Schiffe von Syrien zurück nach Russland verlegt. Hat Russland Angst? Oder wollen sie sich aus Syrien zurückziehen? Das bleibt unklar, insbesondere da russische Luftangriffe weiterhin Dörfer in Hama treffen. So meldete die dpa gestern, dass der Fotograf Anas Alkharboutli, der seit 2017 für die dpa aus Syrien berichtete, durch einen Luftangriff getötet wurde. „In seinen Bildern lebt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft weiter“, heißt es in der Pressemitteilung.

    In diesem Beitrag möchte ich dir mehr über die Rolle Russlands in dem Konflikt erzählen.

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    Aleppo als Symbol des syrischen Konflikts

    Zwischen 2012 und 2016 war Aleppo Schauplatz intensiver und zerstörerischer Kämpfe, die den Höhepunkt des syrischen Bürgerkriegs markieren. Nachdem russische Truppen 2015 auf der Seite Assads eingegriffen hatten, konnte das syrische Regime im Jahr 2016 die Stadt zurückerobern und die Rebellen zum Rückzug zwingen.

    Die Rückeroberung Aleppos wurde durch monatelange intensive Luftangriffe ermöglicht und in Moskau als großer militärischer Erfolg gefeiert. Präsident Wladimir Putin schrieb diesen Sieg direkt den russischen Streitkräften zu und erklärte: „Es besteht kein Zweifel, dass die Befreiung Aleppos von extremistischen Gruppen durch den direkten Einsatz und den entscheidenden Einfluss unserer Streitkräfte erreicht wurde.“

    Doch mit der schwindenden Macht Assads steht Russlands größter Erfolg in Syrien – die Unterstützung des Regimes und der damit verbundene Ruf als verlässlicher Verbündeter – zunehmend auf dem Spiel.

    Russlands Ansehen unter Druck

    Hanna Notte, Expertin für Russland und den Nahen Osten, betonte, dass der schnelle Fall Aleppos und die humanitären Katastrophen, die damit einhergingen, Russlands Ansehen im Nahen Osten nachhaltig beschädigen könnten.

    Seit seinem militärischen Eingreifen in Syrien im Jahr 2015 inszenierte sich Russland als Rückkehrer auf die Weltbühne und als entscheidender Akteur im Nahen Osten. Das Eingreifen verschaffte Moskau sowohl militärischen Einfluss als auch Zugang zu geopolitischen und wirtschaftlichen Ressourcen in der Region.

    Doch die Verlagerung des militärischen Fokus auf den Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Ressourcenknappheit setzen Russlands Strategie in Syrien unter Druck.

    Syrien als Testfeld für russische Strategien

    Der syrische Konflikt diente Russland als Bühne, um neue militärische Strategien zu erproben, darunter den Einsatz der Wagner-Gruppe, die sowohl militärische Operationen durchführte als auch wirtschaftliche Netzwerke in Syrien aufbaute. Dieses Modell wurde später auf afrikanische Länder wie Libyen und Mosambik ausgeweitet.

    Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2022 musste Russland jedoch Teile seiner Truppen aus Syrien abziehen, darunter spezialisierte Flugzeuggeschwader und Raketenabwehrsysteme. Der Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Sommer 2023 führte zudem zur Umschichtung von Söldnern in andere Konfliktgebiete.

    Neue Herausforderungen für Assad

    Der 7. Oktober 2023 markierte eine Wende: Israels verstärkte Angriffe auf iranische und Hisbollah-Stellungen in Syrien destabilisierten Assads Verbündete und eröffneten Rebellen neue Möglichkeiten. Gleichzeitig verschlechterten sich die Verteidigungslinien des Regimes, das durch jahrelange Kämpfe und interne Spannungen geschwächt ist.

    Moskau reagierte auf die jüngste Eskalation mit verstärkten Luftangriffen auf Hochburgen der Opposition in Aleppo und Idlib. Dennoch bleibt unklar, ob Russland bereit oder in der Lage ist, zusätzliche Ressourcen nach Syrien zu entsenden.

    Die jüngste Offensive der syrischen Opposition spiegelt größere geopolitische Verschiebungen wider: Neben der Schwächung des Iran in der gesamten Region durch den indirekten Krieg gegen Israel und der Beschäftigung der russischen Armee in der Ukraine, die nur einfache Soldaten nach Syrien entsendet, liegt ein zentraler Grund für die schnellen und weitreichenden Entwicklungen in Syrien in der Schwäche der syrischen Armee.

    Die humanitäre Lage spitzt sich zu

    Heftige Kämpfe zwischen oppositionellen Rebellen, unter anderem der islamistischen Miliz Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) und dem Regime von Bashar Al-Assad, unterstützt von russischen und iranischen Kräften, haben eine verheerende humanitäre Krise ausgelöst. Tausende Zivilist*innen sind auf der Flucht, während die Versorgungslage immer dramatischer wird.

    Zukünftige Szenarien

    Die Entwicklung in Syrien bleibt ungewiss, doch es zeichnen sich mehrere Szenarien ab:

    1. Starke Gegenoffensive des Regimes: Russland und Iran könnten Assad umfassend unterstützen, doch dies ist angesichts ihrer Belastungen unwahrscheinlich.
    2. Ausweitung der Kämpfe: Die Opposition könnte weitere strategische Gebiete erobern und das Regime weiter destabilisieren.
    3. Politische Lösung: Eine Einigung zwischen regionalen und internationalen Akteuren könnte zu einer neuen Machtverteilung führen.
    4. Rückkehr zu Verhandlungen: Direkte Gespräche zwischen Regime und Opposition unter UN-Vermittlung könnten wiederaufgenommen werden.

    Die kommenden Wochen werden zeigen, wie Russland, der Iran und die Türkei auf die Entwicklungen reagieren und welche Auswirkungen dies auf die geopolitische Dynamik im Nahen Osten haben wird.

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  • 2. Update aus Syrien

    Aufgrund der vielen Informationen, die aus Syrien kommen, gestaltet sich unsere Arbeit gerade schwierig. Es gibt Tausende von Details und Berichten, die sorgfältig ausgewertet werden müssen. Die zentrale Frage bleibt für mich dabei: Welche Informationen sind für dich besonders wichtig?

    Fast alle Informationen benötigen Kontext, um sie richtig zu verstehen. Deshalb möchten wir dich in unsere Arbeit einbeziehen:

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    Was ist aktuell passiert?

    Die Karte, die wir gestern präsentiert haben, hat sich bereits verändert. Die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und die Syrische Nationale Armee (SNA) haben weitere Dörfer im Norden von Hama unter ihre Kontrolle gebracht.

    Gleichzeitig greift die SNA kurdische Kräfte im Westen von Aleppo an, mit dem Ziel, die Kurden, wie von der Türkei schon lange gefordert, auf die andere Seite des Euphrats zu verdrängen. Eine neue Entwicklung ist, dass kurdische Kräfte seit gestern Abend die syrische Armee in Deir ez-Zor nahe der irakischen Grenze angegriffen haben. Dabei konnten sie mehrere Dörfer einnehmen.

    Hier sind ein paar wichtige Infos zu Deir ez-Zor:

    • In der Region sind neben der syrischen Armee auch iranisch unterstützte Milizen und schiitische Kämpfer aktiv
    • Besonders wichtig ist die Stadt Abu Kamal, ein strategischer Knotenpunkt an der Grenze zum Irak. Berichte deuten darauf hin, dass schiitische Milizen aus dem Irak die Grenze überqueren, um die syrische Regierung zu unterstützen.
    • Sollten die Kurden die Kontrolle über die gesamte irakisch-syrische Grenze übernehmen, hätte dies weitreichende Folgen: Der Iran könnte Assad nicht mehr direkt militärisch unterstützen. Und die Verbindung zwischen dem Iran und der Hisbollah, die teilweise über den Irak verläuft, könnte unterbrochen werden.

    Die Rebellen stehen vor den Toren der Stadt Hama. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie, wenn du diesen Newsletter liest, die Kontrolle über die Stadt übernommen haben. Damit wäre Hama nach Idlib und Aleppo die dritte große Stadt unter ihrer Kontrolle.

    Die Offensive der Rebellen: Eine schnelle Wende

    Am 27. November begann eine Offensive der Rebellen, angeführt von HTS, die als dominierende Kraft im Nordwesten Syriens gilt. Innerhalb weniger Tage eroberten die Rebellen strategisch wichtige Vororte und schließlich die Stadt Aleppo.

    Am Wochenende weiteten sie ihre Angriffe auf die südlicheren Regionen Hama und Homs aus. Die syrische Armee, überrascht von der Koordination und Stärke der Rebellen, zog sich in mehreren Gebieten zurück.

    Die Eroberung Aleppos durch die Rebellen stellt einen schweren Rückschlag für das Assad-Regime dar. Aleppo, einst das wirtschaftliche Zentrum Syriens, hat eine immense strategische und symbolische Bedeutung. Der Verlust der Stadt könnte zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse führen.

    Warum eskaliert die Lage jetzt?

    Seit 2020 blieb die Lage in Nordwest-Syrien weitgehend stabil, dank eines Abkommens zwischen Russland und der Türkei. Doch die jüngste Eskalation hat mehrere Ursachen:

    Schwächung der Unterstützer der Assad-Regierung: Russland ist durch den Ukraine-Krieg militärisch gebunden, der Iran wird durch regionale Spannungen und interne Proteste belastet, und die Hisbollah erlitt erhebliche Verluste im Krieg mit Israel.

    Frustration der Türkei: Die Türkei zeigt sich zunehmend unzufrieden mit dem Scheitern von Verhandlungen zwischen Assad und den Oppositionsgruppen.

    Türkische Interessen: Die Türkei betrachtet die von den USA unterstützten kurdischen Kräfte als Bedrohung und versucht, diese in Syrien zu schwächen.

    Der Einsatz von Drohnen: Eine neue Dimension

    Die „Shahin-Brigaden“ und die „Saraya al-Uqab-Brigaden“, zwei neue Rebellengruppen, haben durch den Einsatz von Drohnen für Überraschung gesorgt.
    Ziele sind Panzer, Befestigungsanlagen, Truppenansammlungen und Nachschublinien der syrischen Armee.

    Neben lokal hergestellten Drohnen nutzen die Gruppen Berichten zufolge auch nicht explodierte russische Drohnen. Beobachter*innen sehen dies als eine qualitative Wende in der militärischen Strategie der Rebellen.

    Die humanitäre Lage: Alte Wunden, neues Leid

    Die Eskalation hat die ohnehin katastrophale humanitäre Lage verschärft:

    • Über 14.000 Menschen wurden laut UN allein in der vergangenen Woche vertrieben.
    • Flüchtlingslager in Idlib und entlang der türkischen Grenze sind überfüllt und schlecht versorgt.
    • Kälte, Hunger und fehlende medizinische Hilfe belasten die Menschen zusätzlich.

    Wie geht es weiter?

    Die Angriffe der Hamas auf Israel und die darauffolgenden aggressiven israelischen Gegenschläge, kombiniert mit der Schwächung des Irans, haben die geopolitische Lage verändert. Das Machtvakuum, das dadurch entsteht, könnte neue Akteure in den Konflikt ziehen.

    Die entscheidenden Fragen bleiben:

    Wird Assad durch den zunehmenden Druck gezwungen, eine politische Lösung zu akzeptieren? Oder wird der Konflikt durch die Ambitionen regionaler und internationaler Akteure weiter angeheizt?

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  • Updates aus Syrien

    Seit Freitag beobachte ich aufmerksam, was in Syrien passiert. Nach der erstaunlich schnellen Eroberung von Aleppo ziehen die bewaffneten Rebellengruppen weiter, und der syrische Machthaber Assad sieht seit fast zehn Jahren nicht so geschwächt aus wie heute.

    Ich habe alle großen arabischen Medien dauerhaft geöffnet und verfolge, was sie berichten. Außerdem bin ich in viele Telegram-Gruppen eingetreten, um die Entwicklungen vor Ort besser zu verstehen. Es gibt eine Flut von Informationen. Doch wenn ich zu den deutschen Medien wechsele, stelle ich leider fest, dass nicht genug darüber berichtet oder informiert wird. Deswegen habe ich gemeinsam mit weiteren syrischen Journalist*innen ganz spontan einen neuen Newsletter ins Leben gerufen: Im „syrien update“ erhältst du ab sofort alle wichtigen News und Einordnungen zur Lage vor Ort. Und das von Menschen, die sich auskennen.

    Ich selbst bin unsicher, wie ich mich fühlen soll. Soll ich mich freuen oder nicht? Wenn ich meinen Facebook-Account öffne, sehe ich die unterschiedlichen Meinungen innerhalb der syrischen Community. Eine große Gruppe freut sich, weil sie hoffen, dass Assad endlich gestürzt wird. Andere wiederum argumentieren, dass die islamistischen Kämpfer nicht besser seien als Assad. Manche sagen sogar, dass der Teufel besser sei als Assad. Diese Diskussionen gehen weiter und spalten die Meinungen.

    Für einen Teil sind die Kämpfer Syrer, die ihre Waffen gegen Assad erhoben haben, mit dem klaren Ziel, ein Syrien ohne die Assad-Familie zu schaffen. Andere hingegen haben Angst vor den islamistischen Milizen, die aus der al-Qaida hervorgegangen sind – auch wenn diese sich mittlerweile von al-Qaida losgesagt haben.

    Andere freuen sich, dass viele junge Menschen zu ihren Familien zurückkehren, wie ein Video aus den sozialen Medien zeigt, in dem ein junger Mann, der vor der Assad-Regierung geflüchtet ist, seine Mutter nach sieben Jahren wiedergetroffen hat. Einige Menschen besuchen auch ihre zerstörten Häuser in Hama. Nach mehr als zehn Jahren im Exil freuen sie sich, diese Orte wiederzusehen, trotz allem.

    Doch wie immer bringt der Krieg auch viel Traurigkeit mit sich. Heute gibt es heftige Kämpfe zwischen kurdischen Gruppen, viele Familien mussten aus Aleppo nach Raqqa fliehen, nachdem sie einen Deal mit der Syrischen Nationalen Armee (SNA) abgeschlossen hatten.

    Niemand weiß, wie sich die Lage genau entwickeln wird. Alles, was wir sicher wissen, ist, dass Syrien zu einem Ort geworden ist, an dem die Konflikte zwischen den Ländern, besonders in der Region, durch Geld und Waffen verstärkt werden.

    Wenn du mehr darüber erfahren willst, abonniere hier kostenlos unseren Newsletter „syrien update“.

     

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    Was ist passiert?

    Die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und die Syrische Nationale Armee (SNA), die von der Türkei unterstützt werden, haben am Freitag nach heftigen Gefechten mit der syrischen Armee Fortschritte im Osten von Idlib erzielt. Dabei handelt es sich um Dörfer von strategischer Bedeutung aufgrund ihrer Nähe zur internationalen M5-Straße, die Aleppo mit Damaskus verbindet. Einen Tag später kontrollierten sie die Stadt Sarakeb und rückten dann nach Aleppo vor. Innerhalb von zwei Tagen konnten sie die gesamte Stadt Aleppo und umliegende Dörfer einnehmen.

    Hier ist anzumerken: In Syrien gibt es 16 Gouvernements. Jedes Gouvernement hat eine zentrale Stadt sowie kleinere Städte und viele Dörfer. Die zentrale Stadt hat denselben Namen wie das Gouvernement. Auf der Karte wird sichtbar, wer in welcher syrischen Region derzeit die Kontrolle hat.

    Wer kontrolliert Syrien?

    1. Assad-Regime
      Das Assad-Regime wird von der syrischen Armee und zahlreichen Milizen, die vom Iran unterstützt werden, gestützt. Auch die russische Armee spielt eine Schlüsselrolle, insbesondere in den Regionen Damaskus, Homs, Latakia und Tartus – Gebieten, die überwiegend von Alawit*innen bewohnt werden, die Assad unterstützen. In Hama versucht die syrische Opposition, das Gebiet zu erobern.
    2. Kurden
      Die Kurden werden von der US-Armee unterstützt und kontrollieren Teile Nordsyriens. Sie hatten einst Gebiete in Aleppo und dessen Umgebung unter ihrer Kontrolle, wurden jedoch in den letzten Tagen von der syrischen Armee angegriffen und verloren die Kontrolle über Aleppo, Manbidsch und ihre einige Gebiete in den östlichen von Allepo und näher von Gouvernements Ar-Raqqa. Die Kurden haben eine Verwaltung eingerichtet, die „Autonome Verwaltung in Syrien“ genannt wird.
    3. Hayat Tahrir al-Sham (HTS)
      Die HTS, eine islamistische Miliz mit guten Beziehungen zur Türkei, kontrolliert Idlib und Teile von Aleppo. Sie hat eine eigene Verwaltung namens „Syrische Rettungsregierung“ aufgebaut.
    4. Syrische Nationale Armee (SNA)
      Die SNA wird von der Türkei unterstützt und kontrolliert den Norden von Aleppo. Auch sie hat eine eigene Verwaltung: die „Syrische Interimsregierung“.

    Warum jetzt?

    Hassan Abdul Ghani, Sprecher der „Militäroperationsleitung für die Schlacht zur Abschreckung der Aggression“, erklärte, dass das Ziel der Operation ein „präventiver Schlag gegen die militärischen Aufmärsche der Truppen des Regimes und ihrer verbündeten Milizen“ sei, die die befreiten Gebiete bedrohen.
    Mohammed al-Bashi, Chef der Rettungsregierung, die von der HTS kontrollierte Gebiete verwaltet, sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP, dass „das kriminelle Regime in letzter Zeit Truppen an die Frontlinien verlegt und begonnen hat, sichere Gebiete zu bombardieren, was zur Vertreibung von Zehntausenden friedlicher Zivilisten führte“. Er fügte hinzu: „Die Operation wurde durchgeführt, um die feindlichen Quellen des Beschusses zu entfernen und die Rückkehr der Bewohner in ihre Gebiete zu sichern.“

    Wie reagieren die internationalen Akteure?

    Die Situation in Syrien bleibt komplex. Währenddessen haben verschiedenen Länder unterschiedliche Interessen in Bezug auf die aktuelle Lage:

    Ägypten, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen das Assad-Regime. Der Irak hat sogar angedeutet, schiitische Milizen zur Unterstützung von Assad zu entsenden.

    Die Türkei versucht, Assad unter Druck zu setzen und ihn an den Verhandlungstisch zu bringen. Präsident Erdoğan hat Assad mehrfach zu einem Treffen eingeladen, doch dieser hat abgelehnt, offenbar aufgrund des Drucks aus dem Iran. Die Türkei will zudem eine klare Botschaft an die USA und neue Präsentation Trump senden: dass sie eine Schlüsselrolle in Syrien spielt.

    Die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben am Montag zu einer Deeskalation in Syrien aufgerufen und in einer gemeinsamen Erklärung den Schutz der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur betont.

    In der Erklärung, die vom US-Außenministerium veröffentlicht wurde, heißt es, dass die derzeitige Eskalation die dringende Notwendigkeit einer von Syrien geführten politischen Lösung des Konflikts unterstreiche, im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats. Diese Resolution aus dem Jahr 2015 bildet die Grundlage für den Friedensprozess in Syrien.

    Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Sean Savitt, erklärte, dass Washington die Situation in Syrien genau beobachte und in den letzten 48 Stunden Kontakt mit regionalen Hauptstädten aufgenommen habe. Er fügte hinzu, dass die anhaltende Weigerung des Assad-Regimes, sich auf den im UN-Sicherheitsratsbeschluss 2254 festgelegten politischen Prozess einzulassen, sowie seine Abhängigkeit von Russland und Iran die aktuellen Bedingungen geschaffen hätten, einschließlich des Zusammenbruchs der Linien des Assad-Regimes im Nordwesten Syriens.

    Gleichzeitig betonte er, dass die Vereinigten Staaten mit der von der Hayat Tahrir al-Sham geführten Offensive, einer als terroristisch eingestuften Organisation, nichts zu tun hätten.

    Israel beobachtet die Entwicklungen genau. Die Schwächung der iranischen Milizen in Syrien wird als positiv für die eigene Sicherheit angesehen, doch Israel befürchtet, dass islamistische Gruppen die Macht übernehmen könnten, falls die Assad-Regierung gestürzt wird.

    Russland unterstützt Assad weiterhin mit Waffen, scheint jedoch zögerlich zu reagieren. Es begrüßt eine Schwächung der iranischen Milizen, hat aber keine klare Position zu den jüngsten Ereignissen bezogen. Russland schließt ein trilaterales Treffen mit der Türkei und dem Iran zur Lösung des Syrienkonflikts nicht aus.

    Der Iran reagiert stark und beschuldigt die HTS und die SNA, als „Werkzeug der türkischen Armee“ zu agieren. Der Iran hat bereits afghanische Milizen entsandt, um Assad zu unterstützen, und es gibt Gerüchte, dass diese von den USA angegriffen wurden.

  • Syrien am Scheideweg

    Asmaa, eine 24-jährige Architekturstudentin, lebt seit acht Jahren in Dortmund. Ihre Flucht aus Syrien führte sie in den dunkelsten Tagen ihrer Heimat nach Deutschland. Doch nun keimt in ihr ein vorsichtiger Optimismus. „Vielleicht erleben wir gerade den Anfang von etwas Neuem“, sagt sie mit einem Lächeln, das zwischen Sehnsucht und Zuversicht oszilliert. Sie träumt von einem Syrien, das frei und liberal ist – ein Land, in das Geflüchtete wie sie eines Tages zurückkehren können. Trotz der schmerzhaften Bilder von Millionen syrischen, geflüchteten Menschen in Lagern – in Idlib, der Türkei oder Europa – bleibt Asmaa hoffnungsvoll. Für sie sind die jüngsten Fortschritte der Opposition mehr als nur militärische Erfolge. Sie sieht darin das Potenzial für einen Wiederaufbau ihres Landes, das so lange in Schutt und Asche lag.

    Ein anderes Narrativ

    Asmaa ist sich der Skepsis bewusst, mit der viele die syrische Opposition betrachten. Oft wird diese pauschal als extremistisch oder islamistisch abgestempelt. Doch sie widerspricht diesem Bild entschieden. „Natürlich gibt es Gruppen mit radikalen Ansichten, aber sie repräsentieren nicht die gesamte Bewegung. Viele kämpfen für Freiheit, Würde und eine Zukunft ohne Diskriminierung“, erklärt sie. Ihr Traum ist ein Syrien, in dem Religion und Herkunft keine Rolle spielen – ein Land, das alle Menschen gleichberechtigt akzeptiert.

    Ambivalenz und Angst vor den Konsequenzen

    Doch nicht alle Syrer*innen teilen ihre Hoffnung. Joanna, eine 28-jährige kurdische Lehramtsstudentin aus Qamischlo im Norden Syriens, schildert die aktuelle Lage mit gemischten Gefühlen. „Wir wissen nicht, ob wir uns freuen sollen oder ob das, was kommt, noch schlimmer sein wird“, sagt sie. Für viele Kurd*innen bleibt die Angst bestehen, dass ein Sturz des Assad-Regimes nicht unbedingt zu mehr Freiheit, sondern zu neuer Unterdrückung führen könnte. Joanna erklärt: „Viele islamistische Gruppen innerhalb der Opposition sehen uns Kurden nicht als Teil von Syrien. Wird es uns besser gehen, wenn sie die Macht übernehmen? Oder wird es nur ein anderer Tyrann sein, der uns unterdrückt?“ Auch in den vom Regime kontrollierten Gebieten herrscht Unsicherheit. Ein Bewohner aus Damaskus beschreibt die Stimmung dort als „die Ruhe vor dem Sturm“.

    Geopolitische Dynamiken und Risiken: die komplexen Realitäten

    Jamal, ein 35-jähriger Ingenieur aus Hama, sieht die gegenwärtigen Entwicklungen differenziert. Für ihn steht fest: Die Schwächung von Assads internationalen Unterstützern wie der Hisbollah und dem Iran – durch israelische Angriffe und die Ablenkung Russlands durch den Ukraine-Krieg – hat das Machtgefüge in Syrien verändert. „Ohne diese Verbündeten steht das Regime auf wackeligen Beinen. Die Hisbollah, die iranischen Revolutionsgarden und Russland waren die Säulen, die Assad gestützt haben. Wenn diese Säulen fallen, fällt auch das Haus“, erklärt Jamal. Doch er warnt vor übertriebenem Optimismus. „Assad wird nicht einfach zusehen, wie sein Regime zerfällt. Er wird zu drastischen Maßnahmen greifen, und das könnte katastrophale Folgen haben – nicht nur für seine Gegner, sondern für alle Syrer.“ Die Angst vor Vergeltung durch das Regime ist real. Szenarien wie der Einsatz chemischer Waffen, verschärfte Belagerungen oder gezielte Angriffe lassen viele Menschen in ständiger Furcht leben.

    Zwischen Trümmern und Träumen

    Syrien steht an einem historischen Wendepunkt. Die Aussicht auf Wandel bringt Hoffnung, doch sie wird von tiefer Unsicherheit begleitet. Für Menschen wie Asmaa, Joanna und Jamal ist eines klar: Das Land wird nie wieder so sein wie zuvor. Die syrische Diaspora, insbesondere junge Menschen in Europa, sieht ihre Rolle im Wiederaufbau ihres Heimatlandes. „Wir können hier in Deutschland viel lernen – über Demokratie, Menschenrechte und Stadtplanung. Irgendwann können wir dieses Wissen nach Syrien bringen“, erklärt Asmaa entschlossen.

    Ungewisse Zukunft: Hoffnung auf ein neues Kapitel

    Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend sein. Wird Syrien ein neues Kapitel aufschlagen – eines, das von Freiheit, Wiederaufbau und Versöhnung geprägt ist? Oder droht eine weitere Phase des Chaos und der Gewalt? Für Jamal bleibt der Weg klar, auch wenn er von Hindernissen durchzogen ist: „Wir brauchen mehr als nur den Sturz eines Diktators. Wir brauchen eine Vision für eine vereinte und gerechte Zukunft.“ Asmaa, die trotz der Herausforderungen hoffnungsvoll bleibt, fasst es so zusammen: „Ohne Träume gibt es keine Zukunft. Ich träume von einem Syrien, dass wir alle gemeinsam wiederaufbauen können.“ Doch ob diese Träume Realität werden, hängt von der Fähigkeit des syrischen Volkes ab, Hoffnung und Einheit inmitten des Chaos zu bewahren.

     

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  • Syrien im Fokus: Eine Plattform für syrische Stimmen

    Wahrscheinlich hast du, wie viele von uns, dieses vergangene Wochenende die Entwicklungen in Syrien verfolgt. Die Lage hat sich so schnell verändert, dass es unmöglich ist, sie zu ignorieren. Nach der erstaunlich schnellen Eroberung von Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo, ziehen die bewaffneten Rebellengruppen weiter und der syrische Machthaber Assad sah seit fast zehn Jahren nicht so geschwächt aus. Aber wer steht hinter diesen Rebellen? Wie geht es nun weiter? Warum war Assad bis Samstag in Moskau?

    Als Syrer und auch als Journalist war es nicht leicht, die letzten Jahre, als Syrien und Syrer*innen medial in Vergessenheit geraten sind. Jetzt sind wir plötzlich wieder aktuell – aber wie wird berichtet? Wie gut informiert sind die Journalist*innen, von denen wir nun ein paar Berichte lesen können?

    Das ganze Wochenende sitze ich vor meinem Handy, verfolge jede Nachricht, sehe Nachrichten im Fernsehen und telefoniere mit meinen Verwandten. Ich denke, so geht es sehr, sehr vielen Syrer*innen zurzeit. Die Frage ist: Was können wir hier im Exil tun?

    Nach Gesprächen mit meinem Team haben wir beschlossen, einen schnellen Newsletter ins Leben zu rufen. Dieser soll syrischen Journalist*innen, die in Deutschland leben, eine Plattform bieten, um ihre Stimmen und ihre Sicht auf die Entwicklungen zu veröffentlichen. Sie werden die aktuelle Lage in Syrien zusammenfassen, analysieren und ihre Perspektiven teilen. Dieser Newsletter heißt syrien update.

    Wenn du an regelmäßigen Updates zu der aktuellen Lage in Syrien interessiert bist, kannst du ihn hier abonnieren oder deine Abo-Einstellungen ändern. Sobald wir 50 Abonnent*innen erreicht haben, werden wir starten und die erste Ausgabe veröffentlichen. Wir planen, zunächst tägliche Updates zu liefern und dann auf ein wöchentliches Format umzusteigen – dabei bleiben wir so flexibel wie möglich.

    Flexibilität ist für uns entscheidend. Gleichzeitig sind unsere Ressourcen begrenzt. Um diese Plattform für syrische Journalist*innen langfristig aufrechterhalten zu können, benötigen wir deine Unterstützung.

    Mit deiner Hilfe können wir:

    •  syrische Journalist*innen fair bezahlen,
    • regelmäßige Newsletter produzieren,
    •  neue Perspektiven und Geschichten aus Syrien aufzeigen,
    •  und die aktuelle Lage tiefgehend analysieren.

    Wir freuen uns über jede Spende oder wenn du Member / Mitglied bei uns wirst. Mit deiner Unterstützung können wir diese wichtige Arbeit leisten.

    Dafür Danke und Shukran!

     

    Dein Hussam Al Zaher

    Gründer und Chefredakteur

    PS: Ich lade dich herzlich zu unserer kohero-Weihnachtsfeier ein, die am 4.12. ab 18:00 Uhr stattfindet. Hier ist der Link zur Anmeldung.

  • Abschiebungen nach Syrien rechtfertigen? – die migrationsnews von kohero

    Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ein klares Versprechen gegeben: Islamistische Gewalttäter sollen nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden. Doch wie soll das in der Praxis aussehen? Faeser schlägt vor, Abschiebungen über Nachbarländer abzuwickeln. Sie betont, dass die Sicherheitsinteressen Deutschlands oberste Priorität haben und dass die Bundespolizei die Bundesländer bei der Beschleunigung dieser Abschiebungen unterstützen wird. Auf der anderen Seite warnt das Auswärtige Amt vor den anhaltenden Kampfhandlungen in Syrien und sieht keine sicheren Bedingungen für eine Rückkehr.

    CDU-Politiker Mario Voigt geht noch weiter und fordert die Aufhebung des generellen Abschiebeverbots nach Syrien, um auch Personen ohne Bleibeperspektive abzuschieben. Laut Mediendienst Integration leben rund eine Million Syrer*innen in Deutschland, ca. 669.000 von ihnen haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis.

    Das Oberverwaltungsgericht Münster sorgt zudem für Diskussionsstoff. Das Gericht entschied, dass für Asylsuchende aus Syrien keine pauschale Gefahr durch den Bürgerkrieg mehr besteht. Ein syrischer Kläger aus der Provinz Hasaka hatte versucht, subsidiären Schutz zu erhalten, doch das Gericht sah keine individuelle Gefahr für ihn. Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen haben, obwohl es noch nicht rechtskräftig ist. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren diese Entscheidung und betonen, dass Syrien weiterhin unsicher sei.

    Bundeskanzler Olaf Scholz und andere Politiker begrüßen das Urteil als Grundlage für eine härtere Abschiebepolitik, insbesondere für Straftäter. Doch Außenministerin Annalena Baerbock warnt vor überstürzten Versprechungen. Sie betont, dass Abschiebungen allein das Problem mit Gefährdern nicht lösen können. Baerbock verweist auf praktische Probleme und die Gefahr, sich von „islamistischen Terrorregimen“ Bedingungen diktieren zu lassen. Sie fordert Lösungen für den Fall, dass schnelle Abschiebungen nicht möglich sind.

    Die Frage bleibt: Wie soll die Bundesrepublik Syrer*innen zurückführen, wenn keine diplomatischen Beziehungen zu Syrien bestehen? Eine Rückführung würde bedeuten, dass sich die deutsche Politik mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad arrangieren müsste.

    Auch auf europäischer Ebene gibt es Bewegung: Italien drängt auf eine Änderung der Syrien-Politik und plant, nach über einem Jahrzehnt wieder einen Botschafter nach Damaskus zu entsenden. Außenminister Antonio Tajani betont die Notwendigkeit, Moskau nicht das Monopol in Syrien zu überlassen. Italien hatte seine diplomatischen Angelegenheiten in Syrien über die Botschaft im Libanon abgewickelt, doch die Botschaft in Damaskus war formell nie geschlossen. Tajani fordert eine Anpassung der EU-Syrien-Politik an die aktuelle Lage und hat Unterstützung von Ländern wie Österreich, Kroatien und Griechenland. In Italien regiert seit fast zwei Jahren eine Koalition aus drei rechten Parteien.

    Die Diskussionen über die Abschiebungspolitik und die Beziehungen zu Syrien werden sicherlich weitergehen, während die Politik versucht, schnelle und populistische Lösungen anzubieten. Abschiebungen werden als Maßnahmen gegen Kriminalität, Islamismus und Rechtsextremismus präsentiert. Doch diese Maßnahmen könnten im Widerspruch zu europäischen Werten und humanitären Verpflichtungen stehen.

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