Schlagwort: Staatsangehörigkeit

  • Vom Erhalt von Staatsangehörigkeiten und von solchen, die man nicht los wird

    „Ich bin Deutsche.“ Ich sage das nüchtern, so wie ‚ich bin 25 Jahre‘ oder ‚ich bin 1,60m‘. Ich bin nicht damit geboren, es ist dazu gekommen, so wie die Jahre zu meiner Altersangabe oder die Zentimeter zu meiner Körpergröße. Wobei es kein passiver Vorgang war, ich habe den Prozess von ‚nicht vorhanden‘ zu Häkchen bei der Auswahlkategorie ‚deutsche Staatsangehörigkeit‘ selbst angestoßen.

    Der Antrag

    Der Antrag kostete mich 255 Euro + 10 Euro für die Beantragung meiner Geburtsurkunde + die Kopierkosten für Unterlagen wie Schulabschlusszeugnis und Bafög-Bescheid als Gehaltsnachweis. Da ich in Deutschland geboren und zur Schule gegangen bin, entfiel für mich der Einbürgerungs- und Sprachtest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Einbürgerungstest ohne Vorbereitung bestanden hätte, aber der deutsche Staat hat Vertrauen in seine Schulbildung. Die auszufüllenden Formularseiten fand ich auch interessant. Wie bei einer Multiple-Choice Aufgabe galt es beispielsweise auszuwählen, ob ich einer rechts- oder linksradikalen, antisemitischen oder terroristischen Vereinigung angehöre oder aber keinem von allen.

    Termin im Standesamt

    Der Termin, der mir dann als Zwanzigjährige (ich habe das Datum auf der Einbürgerungsurkunde nachgeschaut) den Zusatz zu meinen Personenangaben beschert hat, fand im Standesamt statt. Nicht zum ersten Mal, oder zum ersten Mal so konkret kam mir die Frage: Gibt es in Deutschland ein Standessystem, gibt es höhere und niedrigere Stände? Laut der Website der Bundeszentrale für politische Bildung sei die deutsche Ständegesellschaft in der Zeit vom Mittelalter bis 1918 zu verorten. Ab 1918 gäbe es keine Vorrechte mehr für eine bestimmte Personengruppe.

    Tatsächlich habe ich den Antrag auf Einbürgerung oder anders gesagt auf Veränderung meines Standes aber gestellt, um ein Vorrecht zu gewinnen. Nämlich das Vorrecht auf Landes- und Bundesebene wählen zu dürfen. (Da ich durch Geburt eine andere EU-Staatbürgerschaft besaß, hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorrecht, auf kommunaler Ebene in Deutschland zu wählen.)

    Aufregung

    Ob ich im theoretisch nicht vorhandenen deutschen Ständesystem nun von hinten nach vorne oder von außen nach innen gerutscht bin, ich erinnere mich, ich war aufgeregt. Jetzt kann ich den Tag nicht mehr nennen, selbst das Jahr nicht auf Anhieb, nur dass es vor Corona war und nach 2017 (da lebte ich noch nicht in Marburg und ich weiß, den Antrag habe ich in Marburg gestellt). Ich erwarte, dass es mir bei dem einen Termin, den die meisten als erstes mit dem Standesamt verbinden, nicht so gehen wird. Es gibt wohl Wichtigeres im Leben als die Aufnahme einer Staatsbürgerschaft. Manchen mag es anders gehen.

    Bei dem Termin auf dem Standesamt in einem Raum wie jedem anderen Raum in solchen Ämtern, bekam ich von einer Angestellten, ich gehe mal davon aus einer Standesbeamtin, ein Papier in die Hand gedrückt. Ich sollte es vorlesen, etwas wie „ich will das deutsche Grundgesetz halten“, stand darauf.

    Auf einer Ecke ihres vollgepackten Schreibtischs musste ich dann unterschreiben, dass sie mir mitgeteilt hatte, dass der deutsche Staat unter gewissen Umständen nicht zu mir halten kann. Dort, wo ich andere Staatsangehörigkeiten besitze, in meinem Fall Belgien und Iran. Diese beiden Staatsangehörigkeiten durfte oder musste ich von deutscher Seite aus behalten. Die belgische, weil es eine Regelung gibt, dass eine EU-Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Deutschland behalten werden darf; die iranische, weil das iranische Zivilgesetz mich diese Staatsangehörigkeit nicht aufgeben lässt.

    Die iranische Staatsbürgerschaft

    Das Interessante ist dabei, dass der iranische Staat nichts von meiner Existenz weiß, da ich in Deutschland geboren bin und mein Vater nie bei irgendeinem iranischen Amt angegeben hat, dass ihm in Deutschland eine Tochter geboren wurde. Der deutsche Staat aber, wie immer bestrebt superkorrekt zu sein, kennt das iranische Zivilgesetz. Das besagt, wer einen iranischen Vater hat, hat automatisch die iranische Staatbürgerschaft. So wurde dies auch bei mir im Geburtenregister erfasst. Bis ins Alter von sechzehn Jahren wusste ich nichts davon.

    Erst mit einem Umzug von einer deutschen Stadt in die nächste und die Anmeldung des neuen Wohnsitzes auf dem Bürgeramt fiel mir dieser kleine Zusatz unter den Angaben zu meiner Person auf. Ich war mir sicher, dass es sich um einen Tippfehler handelte und wollte, dass man das Adjektiv iranisch strich. Die Sachbearbeiterin war überfragt und wandte sich an ihren Chef. Der lud mich in sein Büro und erklärte mir, dass alles richtig sei, ich sei Iranerin, ob ich wollte oder nicht. Also fand ich mich damit ab: „Ich bin Iranerin.“

    Dass ich Iranerin bin, wird mir unmissverständlich vor Augen geführt, wenn ich in Israel einreise. Egal ob ich den belgischen oder deutschen Pass am Flughafenschalter für das Touristen-Visum vorzeige, die erste Frage lautet immer: „What is the origin of your family name?“ und die zweite: „Where was your father born?“ Dann wird mein Pass einbehalten und ich zu intensiven Befragungen geschickt, dazwischen lange Wartezeiten. Da sitze ich dann, ohne Pass. Und der Pass, den ich vorgezeigt hatte, scheint eh nicht von Belang, den alles was hier zählt, ist die Staatangehörigkeit, die mir vererbt ist und sich nicht ablegen lässt.

    Im Marburger Standesamt

    Aber jetzt zurück ins Marburger Standesamt ins Jahr 2018. Und zurück zur Info, dass ich im Iran als Iranerin behandelt werde und  bei Schwierigkeiten, die mir dort womöglich begegnen, der deutsche Staat sich nicht für mich einsetzten werde. Da ich bis dato nie im Iran war und mir sowieso nichts anderes übrigblieb, unterschrieb ich. Nach diesem recht mechanischen Vorgehen von Vorlesen und Unterschrift leisten, bekam ich die Einbürgerungsurkunde überreicht. Wobei überreicht zu feierlich klingt, eher ausgehändigt. Einen Pass oder Personalausweis habe ich nicht in die Hand gedrückt bekommen, den musste ich nochmal extra beantragen und extra bezahlen. Ich habe meine Jacke wieder angezogen und das Gebäude verlassen, so wie bei jedem anderen Termin auf einem deutschen Amt.

    Einladung des Bürgermeisters

    Ein paar Monate nach dem Termin im Standesamt, kam eine Einladung von der Stadt Marburg. Der Bürgermeister lud alle in diesem Jahr Eingebürgerten zu einem Empfang ins Rathaus ein. In mir machte sich Vorfreude breit. Die steckte meine Eltern und großen Bruder, die ich gefragt hatte, ob sie mich zu diesem Empfang begleiten wollen, nicht an. So ging ich mit einer Freundin, in langem Kleid mit hochgesteckten Haaren zu dem Termin. Nach der Rede des Bürgermeisters und dem Rahmenprogramm mit Musik und Gedichtlesung, wurde jede anwesende neu eingedeutschte Person einzeln nach vorne gerufen, insgesamt ca. 30 Personen.

    In einem Saal mit Holzvertäfelung, großen Gemälden und schicken Stühlen, überreichte mir der Bürgermeister nach kurzem Händeschütteln feierlich eine Orchidee. Ich habe sie nicht gehegt und gepflegt, sondern bei der nächsten Gelegenheit weiter verschenkt. Danach gab es noch Sektempfang mit Häppchen und Smalltalk. Zwei Kinder von einem meiner ägyptischen Uni-Dozenten waren da. Kurz sprach ich mit einem Iraner, einer Frau aus Südamerika und hielt nach einem Mitstudenten Ausschau, der die Einbürgerung auch in diesem Jahr beantragt und erhalten hatte.

    Er war nicht da. Ich weiß nicht wie viele nicht da waren. Zu meinem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft habe ich dank diesem Event ein Foto, auf dem ich mit Tina und Orchidee vor dem Marburger Rathaus stehe, sowie die oben geschilderten bruchstückhaften Erinnerungen.

    Zu dem Erhalt meiner anderen beiden Staatsangehörigkeiten gibt es auch ein Foto. Die neugeborene Persis mit zusammengekniffenen Augen im Arm ihrer Mutter im Krankenhausbett. Wobei ich wie gesagt, bis zu meinem 17. Lebensjahr immer davon ausgegangen bin ich sei nur belgische Staatsbürgerin. Und das dachte ich, sei fest, könnte mir keiner absprechen, außer ich selbst vielleicht.

    Post von der belgischen Botschaft

    Dann aber bekam ich in demselben Jahr, in dem ich mich in Deutschland einbürgern ließ, einen Brief von der belgischen Botschaft in Berlin. In dem Schreiben wurde ich darüber informiert, dass ich als im Ausland geborene Belgierin, die nie ihren Wohnsitz in Belgien hatte und eine andere Staatsbürgerschaft besitzt, mit dem Erreichen des 28. Lebensjahres meine belgische Staatsangehörigkeit verliere. Ich hätte aber die Möglichkeit einen Antrag auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu stellen.

    Ich war schockiert. Ich war gerade dabei meine deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, aber mein jüngerer Bruder nicht. Würde er die belgische Staatbürgerschaft verlieren, hätte er nur noch die iranische.

    Aber auch ich wollte die belgische Staatbürgerschaft nicht verlieren. Denn wenn ich etwas seit meiner Geburt zum Thema Staatbürgerschaft über mich sagen konnte, war es das: „Ich bin Belgierin.“ Den Satz, „Ich bin Belgierin.“, wollte ich nicht aus meinem Repertoire streichen. Wie bei der Einbürgerung in Deutschland, galt es eine Gebühr zu zahlen. Ich weiß nicht mehr wie hoch, eine Geburtsurkunde und zudem Meldebescheinigung einzureichen.

    Anders als beim deutschen Staat war meine finanzielle Situation, Sprach- oder Landeskenntnisse nicht von Belang. Kurz darauf wurde ich ins belgische Generalkonsulat in Berlin eingeladen, um dort die Urkunde auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu unterschreiben. Von der Mitarbeiterin, die mich dort empfing erfuhr ich, dass sie mich gewissermaßen aus Kulanz über den möglichen Verlust informiert hatte. Ich hätte die belgische Staatsbürgerschaft unbemerkt verlieren können. Ich hoffe, dass die eine Unterschrift genügt, um mir auf Lebenszeit die belgische Staatsangehörigkeit zu erhalten. Bisher verbindet mich zwar augenscheinlich nur die Wahlpflicht mit Belgien, denn wer in Belgien bei den nationalen Wahlen nicht wählt, bezahlt eine Strafe.

    Ich bin ein Mensch

    Missen will ich jetzt aber weder die belgische noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch an die iranische habe ich mich mittlerweile gewöhnt, wobei ich diese zugegebenermaßen recht stiefmütterlich behandle. Wenn bei Formularen eine Staatsangehörigkeit angegeben werden soll, nenne ich meist zunächst die deutsche. Und in dem Feld für weitere Staatsangehörigkeiten notiere ich die belgische. Die iranische nenne ich nur dann, wenn ich mir sicher bin, dass diese auf positive Resonanz stoßen wird. Ansonsten lasse ich sie bei solchen unpersönlichen Abfragen meiner personenbezogenen Daten unter den Tisch fallen.

    Im Gespräch mit Personen, die über eine einzige Staatsbürgerschaft verfügen, sind meine drei Staatsangehörigkeiten meist der Renner. Ich weiß nicht wie viele Gespräche ich darüber schon geführt habe. Zum ersten Mal habe ich jetzt auch darüber geschrieben, als Deutsche, Belgierin und Iranerin.

    Vielleicht liegt die Faszination darin, dass eine Person, so viel mehr sein kann als eine Kategorie, ein Stand abbildet. Ich bin Inländerin, EU-Ausländerin und Nicht-EU-Ausländerin. Ich bin gleichzeitig Teil eines parlamentarischen Bundesstaats, einer parlamentarischen Monarchie und einer islamischen Republik. Das bedeutet manchmal wahrscheinlich viel mehr als ich begreifen kann und ein anders mal viel weniger als wonach es sich anhört. Und wenn ich oder jemand anderes dabei durcheinanderkommen sollte, oder mir die eine oder andere Staatsangehörigkeit abhanden käme, dann weiß ich: „Ich bin Mensch.“

     

    Weitere Beiträge zum Thema Staatsangehörigkeit findest du hier.

  • Erfahrungsbericht: Deutsche Behörden im Umgang mit meinem Mann

    Ich habe meinen Ehemann 2019 in Holland kennengelernt. Mein Mann ist ein ehemaliger Flüchtling aus Nigeria, der 2014 wegen Biafra und Verfolgung von Boko Haram aus Nigeria geflüchtet ist. Er kam auf die klassisch Art und Weise, im Schlauchboot über das Mittelmeer. Die italienische Seenotrettung hat ihn dann aus dem Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet. Er lebte daraufhin 4 Jahre in einer Flüchtlingsunterbringung in Verona und stellte dort auch einen Asylantrag. Nachdem sich in seinem Asylverfahren 4 Jahre lang nichts getan hat, ist er dann auf eigene Faust weitergereist, nach Holland.

    Gemeinsames Leben in Holland

    In Holland haben wir uns dann kennen und lieben gelernt. Ich besaß zu diesem Zeitpunkt ein kleines Haus in Lemmer am IJsselmeer, dort haben wir dann auch zusammengewohnt. Ich wurde schwanger und er versprach mir, mich mit dem Kind nicht im Stich zu lassen, für uns zu sorgen und da zu sein. Deshalb haben wir dann geheiratet.

    Die Ehe haben wir in Nigeria von dem Hohen Gericht in das nigerianische Heiratsregister eintragen und bestätigen lassen. Darüber haben wir auch eine Heiratsurkunde, ausgestellt vom Justice of Peace, Anambra State Nigeria. Wir sind also rechtsgültig verheiratet. Bei der Eheschließung haben wir uns sowohl an das geltende nigerianische Recht als auch an das deutsche Recht gehalten.

    Rückkehr nach Deutschland

    Ich musste dann im Oktober wegen meiner Arbeit zurück nach Deutschland. Mein Mann wollte mir folgen, sobald er seine Sachen in Holland erledigt hatte. Da ich als Unionsbürgerin ein Recht auf Ehegattennachzug habe, sollte es für meinen Mann kein Problem sein, mir nach Deutschland zu folgen.

    Am 09.12.2019 reiste mein Mann dann vom Hauptbahnhof Amsterdam aus in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde im Zug von den Zollbehörden kontrolliert. Nachdem er unsere Eheurkunde, seinen Pass und eine Fotokopie meines Ausweises vorgezeigt hatte, ließ man ihn ohne Weiteres einreisen.

    Er kam dann am Hauptbahnhof an. Bei einem Toilettengang am Bahnhof wurde ihm dann sein Rucksack gestohlen. In dem Rucksack waren ein paar wenige Kleidungsstücke, seine Papiere, sein Geld ― einfach Alles, was er besaß. Mein Mann wandte sich dann an die Bahnhofspolizei, um den Diebstahl zu melden und um Hilfe zu bekommen, da er ja nun ohne Geld und ohne Papiere da stand. Nun nahm das Drama seinen Lauf.

    Da er keinen Ausweis mehr hatte, konnte er sich der Polizei gegenüber auch nicht ausweisen. Anstatt ihm die Gelegenheit zu geben, mich anzurufen, damit ich alles aufklären kann oder meinen Mann zu mir zu bringen, steckte die Polizei ihn in eine Flüchtlingsunterkunft. Da er ja schwarz war und keine Papiere hatte, unterstellte man ihm, ein Asylsuchender zu sein. Mein Mann konnte bis dato noch kein Deutsch und konnte sich daher auch nicht ausdrücken, um  klarzumachen, warum er in Deutschland ist. Ich befand mich als Hundeführerin mit meinem Spürhund nachweislich auf einem Einsatz in Hannover und kam erst am 23.12.2019 zurück.

    Ein gezwungener Asylantrag

    Mein Mann hat die ganze Zeit angegeben, dass er mit einer deutschen Unionsbürgerin verheiratet sei und dass er doch nur zu seiner Frau möchte. Trotzdem zwang man ihn einen Asylantrag zu stellen. Als er sich weigerte, drohte man ihm, ihn verhaften zu lassen. Da er Angst vor dem Gefängnis hatte, unterschrieb er dann den Asylantrag.

    Das allein war schon ungeheuerlich. Anstatt sich die Mühe zu machen, seinem Fall nachzugehen und zu prüfen, wurde mein Mann so eingeschüchtert und unter Druck gesetzt, dass er etwas unterschrieb, was er gar nicht wollte und auch überhaupt nicht verstand.

    Am 23.12.2019 war ich dann zurück zu Hause und holte noch am selben Tag meinen Mann aus der Flüchtlingsunterkunft ab. Durch den ganzen Stress und die Aufregung erlitt ich dann eine Fehlgeburt und verlor mein Baby.

    Das Asylinterview

    Am 03.01.2020 hatte mein Mann dann einen Termin für sein Asylinterview. Ich fuhr mit ihm dorthin und wir nahmen eine Freundin von mir als Übersetzerin mit, die sowohl die Muttersprache als auch fließend Englisch spricht. Ich hatte mich etwas über Asylanträge in Deutschland schlau gemacht und wusste, dass mein Mann zu seinem Asylinterview eine Vertrauensperson und einen eigenen Übersetzer mitbringen durfte. Außerdem wollte ich den Fall meines Mannes aufklären.

    Man ließ dann jedoch weder mich noch die Übersetzerin zu dem Interview und stellte meinem Mann einen anderen Unterkunftsbewohner als Übersetzer zur Verfügung. Der Mann konnte etwas Englisch und etwas Deutsch und übersetzte nun das Asylinterview, obwohl wir extra mit einer Muttersprachlerin angereist waren.

    Auch hier gab mein Mann an, dass er mit einer Deutschen verheiratet sei und diesen Asylantrag gar nicht braucht. Und, dass seine Frau draußen stehen würde und gerne die ganze Sache aufklären möchte. Man hörte hier meinem Mann überhaupt nicht zu, der Übersetzer übersetzte das Asylinterview in der Rückübersetzung teilweise total falsch. Der Herr vom BAMF kopierte anschließend meinen Personalausweis, da mein Mann ja angegeben hatte, dass er unter meiner Adresse wohnt und nicht in der Unterkunft. Eine persönliche Vorsprache bei dem BAMF-Beamten erlaubte man mir nicht.

    Um mich an das Asylgesetz zu halten, schrieb ich dann einen Antrag auf Verlassenserlaubnis für meinen Mann. In diesem Antrag habe ich angegeben, dass mein Mann bei mir wohnt und unter anderem eine Kopie meines Personalausweises und unserer Heiratsurkunde beigelegt. Alles mit der Bitte um eine rechtsmittelfähige Antwort. Die Annahme des Antrages wurde von der BAMF-Mitarbeiterin mit einer rassistischen Bemerkung unfreundlich verweigert.

    Anschließend habe ich mich bei einer Servicestelle des BAMF telefonisch beschwert. Die Frau am Telefon gab mir Recht, dass das so nicht gehen würde. Und ich möchte doch bitte den Antrag per Mail an service@bamf.de schicken, sie würde das dann an die entsprechende Stelle weiterleiten. Die E-Mail habe ich sofort geschickt, eine Lesebestätigung auch erhalten, eine Antwort aber bis heute nicht.

    Unterbringung in der ZUE

    Ende Januar wurde mein Mann dann in eine andere Einrichtung verlegt. Alle anderen Bewohner brachte man in einem dafür bestellten Reisebus zur Unterkunft. Meinem Mann drückte man ein Zugticket und eine Wegbeschreibung in die Hand, er solle sich bis 13 Uhr dort eingefunden haben. Auf meine Nachfrage, warum denn nur mein Mann mit dem Zug fahren muss und alle anderen im Reisebus fahren dürften, bekam ich nur eine äußerst rassistische Bemerkung zu hören.

    Ich fuhr dann meinen Mann persönlich in die ZUE. Dort angekommen, wurde nur er in die ZUE gelassen, ich musste draußen vor der Tür warten. Mein Mann ließ sich registrieren, hat dabei angegeben, dass er verheiratet ist und seine Frau draußen vor der Tür stehen würde und ihn wieder mit nach Hause nimmt. Daraufhin kopierte der Mann, der ihn aufgenommen hat, meinen Personalausweis und sagte meinem Mann, dass wir doch den Antrag auf Verlassenserlaubnis per Einschreiben an die Unterkunftsleitung schicken sollten. Dies taten wir auch, mit Rückschein.

    Das persönliche Vorsprechen

    Ich habe daraufhin persönlich bei der Leitung der Unterkunft vorgesprochen. Dabei wurde lediglich mit mir gesprochen, mein Mann wurde wie Luft behandelt und ihm wurde noch nicht einmal einen guten Tag gewünscht. Ich wurde gefragt, warum ich denn ausgerechnet so einen heiraten musste. Auf meine Frage, was den bitte „so einer“ sei, bekam ich zur Antwort: „Da son Bimbo. Die sind doch sowieso alle kriminell.“ Außerdem würde man mir eine Hundertschaft nach Hause schicken, wenn ich den nicht in der ZUE lassen würde. Im Gespräch mit anderen Mitarbeitern fielen auch extrem rassistische und beleidigende Begriffe.

    Aus Angst, dass sie die Drohung wahr machen, habe ich meinen Mann dann schweren Herzens in der ZUE gelassen. Ich wollte am nächsten Tag direkt in der für uns zuständigen ZAB vorsprechen und die Sache ein für alle Mal zu klären.

    Natürlich telefonierte ich abends mit meinem Mann und er erzählte mir, dass er weder etwas zu essen bekommen hatte noch etwas zu trinken und dass man hier auch kein Bett für ihn hatte. Man hätte ihm jetzt ein Notbett zur Verfügung gestellt. Außerdem hätte er Kopfschmerzen und er würde frieren. Ich sagte zu ihm: „Halte durch, ich bin morgen früh sofort da.

    Ein erneuter Antrag auf Verlassenserlaubnis

    Am nächsten Morgen fuhr ist erstmal in die ZAB, die für uns zuständig war, und gab dort wieder einen Antrag auf Verlassenserlaubnis ab. Dort quittierte man mir den Erhalt der Papiere. Ich teilte der Unterkunft mit, dass ich meinen Mann für einen Deutschkurs auf meine Kosten angemeldet habe, der in den nächsten Tagen startet und dass ich ihn daher wieder mit zurück nach Hause nehme. Außerdem könne er meinem Antrag entnehmen, dass wir verheiratet sind und mein Mann nach dem Freizügigkeitsrecht über mich bei mir wohnen darf. Schließlich teilte ich ihm mit, dass wir den Asylantrag, den er unter Zwang gestellt hat, zurücknehmen würden.

    Als Antwort bekam ich zuhören, dass wenn ich ihn mitnehme, er ihn zur Fahndung ausschreiben lässt. Und außerdem brauche er keinen Deutschkurs, er würde sowieso nach Italien abgeschoben werden. Anschließend fragte man mich, ob der (ich glaube sie meinten meinen Mann) überhaupt lesen könne.

    Ich antwortete: „Selbstverständlich kann mein Mann lesen, er kann auch schreiben und rechnen, er ist schließlich Ingenieur und ist in Afrika in eine richtige Schule gegangen, er ist nicht vom Baum gefallen.“

    Abholung aus der Unterkunft

    Um 10 Uhr war ich dann in der Unterkunft. Mein Mann hatte bis dahin nichts zu essen oder zu trinken bekommen, seine Augen waren krebsrot und er glühte am ganzen Körper. Außerdem juckt es ihn am ganzen Körper. Am Bein hatte er sich eine Stelle schon offen gekratzt und blutete. Es war schrecklich meinen Mann so zu sehen. Ich packte ihn sofort ein und nahm in wieder mit nach Hause.

    Dort stellten wir fest, dass er 40 Grad Fieber hatte und am ganz Körper von Bettwanzenstichen zerstochen war. Am Bein hatte er sich eine Stelle bis aufs Blut aufgekratzt. Ich bin gelernte medizinische Fachangestellte und versorgte meinen Mann erstmal, gab ihm Flüssigkeit, die er bei dem hohen Fieber dringend brauchte, sowie etwas zu essen.

    Zwischenzeitlich bekamen wir dann Post vom BAMF und uns wurde mitgeteilt, dass mein Mann nun eine Dublinüberstellungsfrist von 18 Monaten hätte, weil die zuständige ZAB ihn als „Untergetaucht“ gemeldet hat. Man hätte nicht gewusst, wo mein Mann ist. Jeder Widerspruch, dass wir Nachweise dafür hätten, dass alle, sogar das zuständige BAMF, über unsere Situation und auch den Aufenthaltsort meines Mannes informiert waren, wurde ignoriert. Außerdem erfuhr ich über meine guten Kontakte zur Polizei, dass man meinen Mann zur Fahndung ausgeschrieben hat und diese Fahndung nach 2 Stunden auf „Erledigt“ gesetzt wurde.

    Ersetzung der Papiere

    Ich hatte mittlerweile sämtliche Papiere die meinem Mann am 09.12.2019 am Bahnhof gestohlen worden waren, neu aus Nigeria angefordert und auch erhalten und diese über unsere Anwältin an die ZAB senden lassen. Lediglich den internationalen Pass haben wir noch nicht, weil wegen Corona eine Terminbuchung in der Botschaft in Berlin nicht möglich war. Selbst bei einer Fahrt nach Berlin wurde wir an der Botschaft abgewiesen und nicht auf das Botschaftsgelände gelassen.

    Da die ZAB nicht einfach Ruhe geben kann, akzeptieren sie die Papiere nicht. Es sei denn, wir würden sie legalisieren lassen. Das würden wir ja gerne machen, dafür braucht mein Mann jedoch Papiere von der ZAB. Diese werden ihm aber nur ausgestellt, wenn er seinen Wohnsitz in die ZUE legen würde.

    Fassungslosigkeit

    Mein Mann lebt jetzt seit 15 Monaten bei mir in unserem Zuhause in der Zivilisation. Ich trage alle Kosten für ihn und er ist auch über mich krankenversichert. Er ist toll integriert, lernt Deutsch, hat bei zwei Firmen hospitiert, hat Arbeitsangebote und könnte sofort anfangen zu arbeiten. Und jetzt soll ich ihn zurück bringen in die Unterkunft?

    Sind das überhaupt Menschen, die dort arbeiten, oder gewissenlose Monster. Denken die mal daran, was mein Mann alles hinter sich hat? Sein ganzer Körper ist vernarbt, in seiner Brust befindet sich ein Einschussloch. Jetzt hat er endlich ein Zuhause gefunden, wo er geliebt wird und keine Angst mehr um sein Leben haben muss, da macht die Ausländerbehörde da weiter, wo Boko Haram aufgehört hat. Nun will man seine Familie zerstören und auseinanderreißen. Mein Mann ist ein Teil meiner Familie, er ist einer von uns!

    Wir sind verheiratet und nach §5 FreizügG EU brauchte er gar keinen Asylantrag stellen. Diese ganzen Beleidigungen und der ganze Stress hätte überhaupt nicht sein müssen. Mein Mann hat ein Recht auf eine Aufenthaltskarte.

    Warum tut man uns das an? Nur weil er schwarz ist?

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