Schlagwort: Seenotrettung

Geflüchtete Rettung

  • Seenotrettung – wenn die EU versagt

    Seit Anfang des Jahres haben mehr als 57.000 Geflüchtete und Migrant*innen laut UNHCR die Flucht über das Mittelmeer nach Europa gesucht. Dabei sind mehr als 980 Menschen ums Leben gekommen. Die Dunkelziffer ist hoch. Die EU und ihre Mitgliedstaaten versprechen, sichere Fluchtwege und eine humanitäre Migrationspolitik schaffen zu wollen, aber sie widersprechen ihren Prinzipien ständig. Wer sorgt dann für Sicherheit auf der Flucht? Was ist mit Seenotrettung? Nichtregierungsorganisationen, die auf Basis von Spenden Crewmitglieder auf See schicken, übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben zum Schutz von Geflüchteten und Migrant*innen, die die EU versäumt. In dieser herausfordernden Situation engagieren sich neben vielen anderen zwei Organisationen, um Leben zu retten und Schutz zu bieten: ProAsyl und Sea-Eye.

     

    ProAsyl

    Schon seit 1986 ist ProAsyl ein eingetragener Verein mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und setzt sich für die Rechte und den Schutz von Geflüchteten und Migrant*innen in Europa ein. Der Verein konzentriert sich auf drei Hauptbereiche: Einzelfallhilfe, Recherche und Dokumentation sowie den Schutz von Geflüchteten.

     

    Einzelfallhilfe

    In der Einzelfallhilfe leistet ProAsyl mithilfe von finanziellen Mitteln aus ihrem Rechtshilfefonds Unterstützung für Geflüchtete, die von Abschiebung bedroht sind. Diese Menschen erfahren oft Diskriminierung und bürokratische Hürden in ihren Asyl-Verfahren. Ihnen wird dabei der notwendige und dringliche Schutz von Behörden und Gerichten versagt.

    Mit vielfältigen Lebenssituationen wenden sich die Geflüchteten auch bei sozialen Fragen an Pro Asyl und werden an Beratungsstellen in ihrem Wohnort vermittelt. Die Einzelfallhilfe beschränkt sich nicht auf kommunaler Ebene – teilweise begleitet ProAsyl Fälle sogar bis hin zum Verfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. So schaffte es die Organisation Anfang 2011, Abschiebungen nach Griechenland zu stoppen, da diese gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hätten. Das Gericht in Straßburg berief sich in der Begründung auf die Dokumentation und Recherchen von Pro Asyl.

     

    Recherche und Dokumentation

    Pro Asyl recherchiert und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten, insbesondere an den EU-Außengrenzen. Sie dokumentieren schwere Gewalttaten von Polizist*innen und Grenzbeamt*innen sowie rechtswidrige Masseninhaftierungen. Mit der Initiative „Stoppt das Sterben!“ machte Pro Asyl 2018 auf die tödliche Abschreckungspolitik an den Außengrenzen der EU aufmerksam.

    Denn die Situation an den Grenzen verschärft sich: Dieses Jahr beschloss das Kabinett unter der ultrarechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Verlängerung der Höchstdauer der Abschiebehaft – von 135 Tagen auf 18 Monate. Weiterhin sollen alsbald Strukturen geschaffen werden, um irregulär eingereiste Migrant*innen zu kriminalisieren.

    Nachdem ProAsyl ein Hilfsprojekt in Griechenland zum Schutz und Aufnahme von geflüchteten Kindern ins Leben gerufen hatte, folgte die Dokumentation von Pushbacks im griechisch-türkischen Grenzgebiet. Pushbacks sind staatliche und menschenrechtswidrige Maßnahmen, die dazu führen, dass Geflüchtete direkt an oder vor der Grenze zurückgewiesen werden. Dies geschah an der griechisch-türkischen Grenze durch die griechische Küstenwache in der Ägäis.

    Der Fokus bei der Dokumentation von Rechtlosigkeit und Gewalt liegt nicht nur auf der Türkei und Griechenland. Auch in anderen EU-Ankunftsländern wie Italien, Spanien und Italien dokumentiert ProAsyl vor Ort Vorfälle von Gewalt.

    Pro Asyl kämpft laut eigenen Angaben für eine „offene und solidarische europäische Flüchtlingspolitik“. Das wird immer wieder betont. Die rechtspolitische Sprecherin Wiebke Judith kreidet den Abschottungs- und Abschreckungskatalog von der CDU/CSU-Fraktion bezüglich der Aufnahme von Geflüchteten an: „Wir erleben ein Erstarken von rechtsextremen Parteien in Europa, die das Flucht- und Migrationsthema bewusst für sich instrumentalisieren. Anstatt dem deutlich Paroli zu bieten, knicken die meisten Regierungen aktuell ein – und setzen damit auch ein demokratisches Europa aufs Spiel“.

     

    Für Flüchtlingsschutz eintreten

    Die Dokumentation und Recherche von menschenrechtswidrigen Maßnahmen ermöglichen zusätzlich, mit den gesammelten Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Mithilfe von Publikationen, Kampagnen und Pressearbeit prangert ProAsyl Menschenrechtsverletzungen an.

     

    Sea-Eye

    Sea-Eye ist eine aus Deutschland stammende Hilfsorganisation zur Rettung von in Seenot geratenen Geflüchteten im Mittelmeer. Der Unternehmer Michael Buschheuer gründetet 2015 in Regensburg Sea-Eye.  „Wir suchen auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt nach Menschen in Seenot und kämpfen gegen das Ertrinken. Unser Handeln ist eine Antwort auf die gescheiterte Migrationspolitik der Europäischen Union, die sich ihrer Verantwortung für die tausenden Todesfälle im Mittelmeer verweigert“, steht prominent auf der Website.

    Die Arbeit von Sea-Eye basiert auf drei Grundsätzen: „Menschen retten“, „Menschen sensibilisieren“ und „Menschen bewegen.“ Im Jahresbericht 2020/2021 gibt Vorstandsvorsitzender Gorden Isler zu erkennen, dass die Arbeit auf dem Mittelmeer gleichzeitig große Freude, aber auch viel Schmerz und Verluste mit sich bringt: „Freude und Trauer liegen bei unserer Arbeit stets eng beieinander. Wir freuen uns, dass wir in 2020 und 2021 insgesamt sieben Rettungsmissionen durchführen und dabei über 1800 Menschen retten konnten.“

    Sea-Eye informiert zudem regelmäßig darüber, in welche Strafprozesse sie bei ihrer Arbeit verwickelt sind. Kürzlich berichteten sie, dass Italien Sea-Eye Seenotretter*innen für die Rettung von 114 Menschen bestraft hätte. Es sei bereits die zweite Festsetzung für die Sea-Eye Crew in diesem Jahr. Seit September dieses Jahres setzt sich Sea-Eye mit einer Petition für ein AfD-Verbot ein, denn sie seien besorgt über die „erschreckend hohen Umfragewerte in Bezug auf die AfD“.

  • Rettung bei Seenot ist Pflicht

    Letzte Woche habe ich von Pushbacks der EU und einem Fischerboot berichtet, das mit ungefähr 750 flüchtenden Menschen an Bord im Mittelmeer gekentert ist. Mehr als 500 Menschen sind ertrunken. Die griechischen Behörden haben von dem Boot gewusst, aber nichts getan. Derzeit wird geprüft, ob die Küstenwache das Boot sogar zum Kentern gebracht hat. Genau eine Woche später, diese Woche Mittwoch, ist ein Schlauchboot mit vermutlich 59 Flüchtenden vor den Kanarischen Inseln in Seenot geraten. Die NGO Walking Border berichtet, dass die Menschen mehr als 12 Stunden um Rettung gebeten haben. Es gab mehr als 30 Tote. 5 weitere Boote sind gerade in Seenot. Doch das bekommt gerade niemand wirklich mit.

    Die „Titan“

    Denn: Seit Sonntag wird das Tauchboot “Titan” vermisst, das sich mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der Titanic befand. Ein Großaufgebot der amerikanischen und kanadischen Marine und der Küstenwache, ein kanadisches Aufklärungsflugzeug der Luftwaffe, ein französisches Spezial- und Forschungsschiff sowie private Schiffe beteiligen sich an der Suche. Während erneut Menschen auf der Flucht ertrunken sind, verfolgt ganz Europa die Suche nach dem Tauchboot – teilweise im Live-Ticker. Nachrichtenformate sind voll mit der Berichterstattung, auf Twitter gibt es alle paar Sekunden ein neues (unangemessenes) Meme und selbst TikTok ist voll mit Content dazu.

    Dieser Vergleich soll die Situation der fünf Menschen an Bord des Tauchbootes keinesfalls kleinreden. Es muss furchtbar sein, in einer kleinen Stahlkugel am Meeresgrund gefangen zu sein und zu wissen, dass einem die Zeit davon läuft. Aber dieses Mitgefühl müssen wir auch mit Menschen haben, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung flüchten und sich dafür in lebensbedrohliche Situationen begegeben, wie die Flucht in einem meist seeuntüchtigen Boot. Dieses Mitgefühl kann nur entstehen, wenn man die Schicksale der Betroffenen kennt.

    Empathie und Sensationsgier

    “In dem Moment, wenn ich Informationen über eine Person habe, erzeugt das dieses Gefühl des Kennens, Sichnäherstehens. Und das erhöht das Mitgefühl”, bestätigt die Psychologin und Neurowissenschaftlerin des Uniklinikums Würzburg Grit Hein gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

    Diese Empathie nimmt zu, je stärker man sich mit der betroffenen Person identifizieren kann, so Grit Hein. Über Katastrophen wie in Griechenland, vor den kanarischen Inseln oder auch vor der italienischen Küste im Februar mit 90 Toten wird in den Medien eben anders berichtet. Die zahlreichen ertrunkenen Flüchtenden scheinen eine Masse zu sein, zu unpersönlich und zu zahlreich, um als Nachrichtenkonsument*in mit den Emotionen überhaupt klarzukommen.

    Menschen interessieren sich außerdem besonders für das Sensationelle. Grit Hein sagt: “Es gibt sicherlich das Phänomen, dass Mitgefühl sich abnutzt, und das hat teilweise natürlich auch seinen Grund. Im Vergleich dazu ist diese U-Boot-Situation schon recht einzigartig, weckt erstmal die Aufmerksamkeit, und ist etwas, womit wir uns zunächst auch intensiver auseinandersetzen.”

    Wir konsumieren nicht nur mehr Nachrichten, wenn wir etwas Sensationelles lesen, hören oder sehen könnten – wir vermeiden sogar Nachrichten, wenn wir sie als bedrückend wahrnehmen: Die deutsche Teilstudie des Reuters Institute Digital News Report 2022 vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg zeigt, dass 65 % der erwachsenen Internetnutzenden Nachrichten gelegentlich vermeiden, jede*r 10. sogar oft. Laut des Berichts liegt das an negativ empfundene Themen wie Politik, die sich zudem auf die Stimmung der Rezipient*innen auswirken.

    Seenotrettung als politische Ansichtssache

    Warum die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl in diesen unterschiedlichen Situationen auch so verschieden ausfallen, liegt also an uns als Gesellschaft und der medialen Berichterstattung. Doch auch die Politik geht mit beiden Extrema tatsächlich extrem unterschiedlich um: Die fünf Männer an Bord des Tauchbootes, die viel Geld gezahlt haben, um – freiwillig – in die “Titan” zu steigen und über die möglichen Risiken Bescheid wussten, werden tagelang und mit vielen Ressourcen gesucht. Und zum Anderen geraten jährlich Tausende Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer in Seenot und ertrinken. Verantwortung dafür trägt die EU, die durch ihre abschottende Asylpolitik in Notsituationen nur zögerlich reagiert, mit Pushbacks Flüchtende in Gefahr bringt und die zivile Seenotrettung kriminalisiert. 

    Für Seenotrettung sollte man kein Mitgefühl brauchen, sie sollte nicht davon abhängen, wie sehr man sich mit einem Menschen in einer Notsituation identifizieren kann. Seenotrettung ist eine Pflicht, der man nachgehen muss – egal, ob ein Tauchboot auf dem Weg zur Titanic oder ein Fischerboot mit Menschen auf der Flucht in Seenot gerät.

  • Seenotrettung: ein tödliches Politikum

    Ein Fischerboot mit 750 Menschen an Bord ist am Mittwoch vor Pylos in Seenot geraten und gekentert. Das Boot kam aus Libyen, die Flüchtenden wollten wahrscheinlich über die Mittelmeer-Route nach Italien. Nur rund 100 von ihnen konnten gerettet werden. Viele werden noch vermisst. Bereits am Dienstag wurde das überfüllte Fischerboot lokalisiert. Die griechischen Behörden hätten sofort handeln müssen. Stattdessen sei es stundenlang nur beobachtet worden. Die Küstenwache behauptet, die Menschen auf dem Fischerboot hätten jede Hilfe abgelehnt. Das Boot habe nach Italien weiterfahren wollen, so der Sprecher der griechischen Küstenwache. 

    Bamdad Esmaili berichtet für den WDR aus Griechenland über das, was später viele als  “Unglück” bezeichnen, seinem Kollegen gegenüber hätten mehrere Überlebende unabhängig voneinander berichtet, dass von der griechischen Küstenwache versucht wurde, das Boot mit den flüchtenden Menschen in italienische Gewässer zu ziehen: Das Boot wurde gepushbackt. So kam es den Berichten nach zu der Katastrophe. 

    Diskriminierende Strukturen unter den Flüchtenden

    Nach Überlebenden wurde dem WDR nach am Donnerstag noch gesucht, die Überlebenschancen sind zum jetzigen Zeitpunkt überaus gering. Mehr als 500 Menschen sind wahrscheinlich ertrunken, unter ihnen alle Kinder und Frauen, die sich an Bord befanden. Schilderungen der Überlebenden zufolge seien ungefähr 100 Kinder auf dem Boot gewesen, die sich gemeinsam mit den Frauen im Zwischendeck und am Rumpf befanden und das kenternde Boot nicht rechtzeitig verlassen konnten. Die insgesamt 104 Überlebenden wurden in Kalamata in der Region Peloponnes untergebracht, einige befinden sich noch im Krankenhaus.

    Von den geretteten Menschen werden 9 Männer aus Ägypten verdächtigt, als Schlepper auf dem Boot gewesen zu sein. Überlebende berichten, dass nicht nur Frauen und Kinder von diesen unter Deck gezwungen wurden – auch Menschen aus Pakistan wurden dort vermutlich eingesperrt. Lokalmedien berichteten von mindestens 300 bis 400 pakistanischen Menschen, die gestorben sind. Nur 12 haben überlebt. Dies zeigt, wie rassistische Strukturen auch unter Flüchtenden wirken.

    Verschiedene Medien berichten im Zuge der Katastrophe auch über die Menschen, die Angehörige unter den Überlebenden haben. Besonders präsent ist die Geschichte zweier Brüder aus Syrien, die sich in Griechenland wiedersehen. Der ältere von beiden lebte bereits in Holland und kam nach Griechenland, als er von der Situation erfuhr. Auf einem Bild, das in den Medien kursiert, umarmen sich die beiden durch Gitterstäbe hindurch. Es ist berührend. Und es ist wichtig, dass die Berichterstattung diese Emotionen einfängt. Doch zu viele Menschen werden ihre Angehörigen eben nicht mehr wiedersehen. Und daran ist die Abschottungspolitik der Europäischen Union Schuld. 

    Seenotrettung als Thema im griechischen Wahlkampf

    Der Umgang der griechischen Regierung mit nach Europa flüchtenden Menschen ist bekannterweise perfide. Während noch über die Frage der Verantwortung  am Mittwochmorgen diskutiert wird, wurde ein Video der Alarm-Phone-Initiative, bei der sich Freiwillige für die Seenotrettung einsetzten, veröffentlicht. Auf dem Video sieht man, wie ein gefesselter Mann am Fluss Evros zurückgedrängt wird – Pushbacks. Auch PRO ASYL und LeaveNoOneBehind berichten von Rückführungen und Gewalt gegenüber Geflüchteten in dieser Region. All das ist illegal.

    Nach dem Vorfall am Mittwoch demonstrierten Tausende Menschen in Griechenland gegen die Asylpolitik der griechischen Regierung. Am 25. Juni stehen die Parlamentswahlen bevor, die Themen Flucht und Asyl werden dadurch, noch stärker als zuvor, zum Politikum. Und das auf Kosten der flüchtenden Menschen. Auch die deutsche Politik reagierte bestürzt, Bundeskanzler Scholz und Bundesinnenministerin Faeser sprachen sich für eine gemeinsame Lösung in Europa aus, bei der auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geachtet werden solle. Die Entscheidung des EU-Rates über die Asylreform, bei der Menschen (darunter Familien und Kinder) ohne Bleibeperspektive in haftähnlichen Bedingungen monatelang eingesperrt werden, liegt nur wenige Wochen zurück. Asyl und die damit verbundene Rettung von fliehenden Menschen ist keine politische Frage. Es ist ein Menschenrecht.

  • Italien ruft Notstand aus: hohe Migrationszahlen

    Vor knapp einem Monat habe ich einen Beitrag für unsere wöchentliche Kolumne kommentiert über den Umgang der italienischen Regierung mit der Seenotrettung Flüchtender geschrieben. Zwei Wochen vorher hat Hussam ein Unglück auf dem Mittelmeer kommentiert. In Italien hat die Regierung nun wegen der hohen Anzahl Flüchtender den Notstand ausgerufen. Hier kommt also Europas Versagen beim einheitlichen Vorgehen mit Migration Teil 3.

    Rund 31.000 Menschen sind seit Januar dieses Jahres über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet. Doch im gleichen Zeitraum sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 441 Menschen auf dieser Route gestorben – so viele wie seit 2017 nicht mehr. Die IOM macht Verzögerungen bei staatlichen Rettungsmaßnahmen und die Behinderung der Such- und Rettungsaktionen von NGOs für diese Tode verantwortlich, kurz: die europäische Abschottungspolitik.

    Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni reagiert auf die hohen Zahlen mit dem Ausrufen eines sechsmonatigen Notstandes im Land. Allein über die Osterfeiertage kamen nach Angaben der Behörden etwa 2.000 Menschen auf der Insel Lampedusa an. Nun soll ein*e Sonderbeauftragte*r ernannt werden, dem 5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das Aufrufen des Notstandes ermöglicht der Regierung außerdem, Maßnahmen ohne parlamentarisches Prozedere durchzusetzen. Wie der Spiegel berichtet, sollen damit neue Aufnahmezentren für die ankommenden Menschen gebaut werden.

    Ein gutes Signal – oder?

    Aus Regierungskreisen heißt es dagegen, so die tagesschau, dass die Verordnung des Notstandes genutzt werde, um Abschiebungen unbürokratisch und schneller durchzuführen. Welcher Ausgang wahrscheinlicher ist, zeigt wohl schon die Rechtsorientierung der italienischen Regierung. Bereits in ihrem Wahlkampf warb Giorgia Meloni damit, die Zuwanderung nach Italien einzudämmen. Dass von dem Geld aus dem Notstandsfond also geflüchtete Menschen profitieren, ist wohl unwahrscheinlich.

    Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten

    Doch in Teilen ist Italiens Vorgehen verständlich. Länder wie Italien und Griechenland, in denen die meisten geflüchteten Menschen in der EU ankommen, werden sich selbst überlassen. Wie verschiedene Medien berichten, sagt Zivilschutzminister Nello Musumeci: „Um es klar zu sagen, das löst das Problem nicht, dessen Lösung an eine vernünftige und verantwortliche Intervention der Europäischen Union geknüpft ist.“

    Solange es Fluchtgründe gibt, werden Menschen flüchten. Abschottung löst keine Kriege und bietet Verfolgten keine Sicherheit – im Gegenteil. Wenn man eine rechte Regierung mit der Aufnahme so vieler Geflüchteter allein lässt, nimmt man den Tod dieser Menschen in Kauf. Es kann nicht die mögliche “Lösung” dieser Situation sein, Migration zu begrenzen. Vielleicht muss die EU anerkennen, dass das Dublin-Verfahren nicht mehr funktioniert.

    Und hier sind wir wieder bei der Sache mit dem politischen Willen, wonach wir in dieser Kolumne so häufig fragen. „Die Rettung von Menschenleben auf See ist eine rechtliche Verpflichtung für Staaten“, so IOM-Direktor Vitorino, „wir brauchen eine proaktive Koordinierung der Such- und Rettungsmaßnahmen unter der Leitung der Staaten. Im Geiste der geteilten Verantwortung und der Solidarität rufen wir die Staaten auf, zusammenzuarbeiten und den Verlust von Menschenleben entlang der Migrationsrouten zu verringern.“ Wie lange muss ein gemeinsames Vorgehen in Europa noch gefordert werden?

  • Seenotrettung und Europas Versagen

    Nach dem Bootsunglück im Mittelmeer mit mindestens 79 Toten am 26. Februar (kohero berichtete) ist die Empörung in Europa weiterhin groß. Etwa in Kalabrien, wo das Unglück nur wenige Kilometer entfernt von der Küste geschah, gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße und forderten Aufklärung und Solidarität mit den Opfern. Zu recht fragen sie: Wie kann zugelassen werden, dass so viele Menschen sterben? Und wie will Europa sowas zukünftig verhindern?

    Das Schlimme an der Situation ist nicht nur, dass unzählige Menschen gestorben sind, sondern auch, dass ein Unglück dieses Ausmaßes wahrscheinlich hätte verhindert werden können. Die italienischen Behörden hätten von dem Boot gewusst, aber nichts unternommen. Doch das Auslassen von Hilfe reiht sich in die Linie der zuvor erlassenen Regelungen von Innenminister Matteo Piantedosi ein, die die Seenotrettung durch NGOs erschweren.

    Die Antwort auf die zweite Frage – wie solche Tragödien verhindert werden sollen – beantworte ich an dieser Stelle einfach mal selbst: Anscheinend gar nicht. Innerhalb von zwei Wochen kam es erneut zu einem Bootsunglück, dieses Mal werden 30 Menschen vermisst. Dass sie noch leben, ist unwahrscheinlich. Das Boot war auf dem Weg von Libyen nach Italien.

    Und auch hier wurden die italienischen Behörden laut der Hilfsorganisationen Alarm Phone und Seawatch informiert, doch diese verwiesen auf die libysche Küstenwache. Auch diese blieb tatenlos. Erst einen Tag später ordnete Italien einige Handelsschiffe an, an die Unglücksstelle zu fahren. Doch auch diese unternahmen keine Rettungsaktionen.

    Die unkonstruktive Frage nach Schuld

    Da immer erst große Katastrophen passieren müssen, um sich auf politischer Ebene an Themen wie Seenotrettung zu erinnern, hat sich inzwischen nicht nur die rechte italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit einer Aufarbeitung befasst. Italien selbst schiebt die Verantwortung von sich und fordert Unterstützung der anderen EU-Länder.

    „Illegale Einwanderung“ müsse gestoppt werden, um dadurch weitere Tragödien im Mittelmeer zu verhindern, so Meloni in einem Schreiben. Was für ein Plan! Genau so wenig konstruktiv war auch die Versammlung der Abgeordneten im Europaparlament am Mittwoch. Sie haben sich über das Versagen der italienischen Behörden, das Unglück an sich oder Seenotrettung insgesamt empört und in der Schuldfrage mit Fingern aufeinander gezeigt. Zum 5. Mal hat das Europaparlament über Seenotrettung und ein mögliches einheitliches Vorgehen dabei zu diskutieren.

    Trotz aller Empörung kamen die Abgeordneten mal wieder nicht zu einem Ergebnis. Die irische Abgeordnete Grace O’Sullivan bringt die Lage bei ihrer Rede im Europaparlament auf den Punkt: „Die Rettung von Menschenleben auf See ist eine Pflicht. Und Europa versagt bei der Einhaltung dieser Pflicht.”

    Vor zwei Wochen hat Hussam in unserer Kolumne das Bootsunglück vor der italienischen Küste kommentiert und nach dem politischen Willen gefragt. Dieses zweite Unglück in so kurzer Zeit und die Argumentation im Europaparlament und auch beim Treffen der Innenminister*innen am Donnerstag lässt eine Antwort vermuten: Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keinen politischen Willen, eine “staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer” anzugehen.

    Nicht mal, nachdem allein im letzten Jahr rund 2.400 Menschen auf dieser Fluchtroute gestorben sind. Nicht mal jetzt.

    Von Solidarität wird nur geredet

    Die EU fährt nach wie vor eine Abschottungspolitik, Tote werden hingenommen. Politiker*innen, besonders aus der rechten Ecke, argumentieren dabei gerne, dass Seenotrettung ein Pull-Faktor von Migration sei. Wenn Menschen auf der Flucht gerettet werden, würde das nur weitere Flüchtende motivieren, so der rechtspopulistische Jörg Meuthen im Europaparlament. Belege hat er für diese Behauptungen nicht. Die Flucht nach Europa dürfe keineswegs attraktiv erscheinen – außer für Menschen aus der Ukraine. In einer Stellungnahme zu Beginn der Innenminister*innen-Konferenz zum Thema europäische Migrationspolitik hat Nancy Faeser fast ausschließlich über Flucht aus der Ukraine gesprochen. Mit den Opfern des Bootsunglücks müsse man sich natürlich trotzdem solidarisieren. Doch bei dem ganzen Gerede von Solidarität wird das Handeln außer Acht gelassen.

    Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Kollegin Emily, die bei uns die migrations-news, unseren wöchentlichen Nachrichten-Newsletter, schreibt. Uns fiel auf, dass wir fast jede Woche über Seenotrettung und Menschen schreiben, die auf der Flucht im Mittelmeer gestorben sind. Doch so wie sich Politiker*innen zu den Tragödien äußern und bei den Maßnahmen, die derzeit ergriffen werden – nicht nur in Italien – wird sich nichts ändern.

    Wenn EU-Länder Migration mit allen Mitteln begrenzen wollen, werden weiterhin Menschen sterben. Zahlreich. Menschen fliehen nicht aus ihrer Heimat, weil sie es in Europa so leicht haben, hier alles besser ist und die Fahrt über das Mittelmeer in einem überfüllten Boot nach einem spannenden Abenteuer klingt. Menschen fliehen, weil in ihrem Heimatland Krieg, Krisen oder andere Katastrophen herrschen. Sie fliehen, weil jeder Mensch ein sicheres Zuhause braucht. Daran wird die europäische Politik nichts ändern können.

     

  • Nach Crotone: die Frage des politischen Willens

    Erst kürzlich verunglückte ein Holzboot vor der süditalienischen Küste: An Bord befanden sich etwa 180 Menschen, vor allem aus Afghanistan, Pakistan und dem Iran. Eine vermeidbare Tragödie, heißt es – doch warum wiederholt sie sich wieder und wieder? Chefredakteur Hussam al Zaher steht vor lauter Fragen.
    Am Sonntag, 26.02, teilte die italienische Küstenwache mit, dass bei einem Bootsunglück vor ihrer südlichen Küste bei Crotone viele Menschen ums Leben gekommen sind. Die Ermittlungen gehen noch weiter, während ich schreibe, aber bisher stieg die Todeszahl auf 67. Es sind auch viele Kinder unter den Ertrunkenen. Von ungefähr 180 Geflüchteten, die sich auf dem Boot befanden, konnten 80 Menschen gerettet werden.

    Warum wird dieses Meer zum Friedhof?

    Viele Medien, unter anderem auch die Tagesschau, schreibt, dass “Migrantinnen und Migranten” an Bord waren. Migranten oder Geflüchtete? Oder Flüchtende? Die deutsche Sprache sucht nach Genauigkeit, dabei sollte nur eine Sache im Vordergrund stehen: Es sind Menschen ertrunken. Männer, Frauen, Kinder. Aus Pakistan, Afghanistan und dem Iran. Jeder dieser Menschen hatte Familie, Freunde, persönliche Vorlieben, Schicksale und Träume.
    Auch nach so vielen Jahren frage ich: Warum darf das Mittelmeer die Träume dieser Menschen verschlucken? Warum wird dieses Meer in Europa zum Friedhof?
    Die Debatte und die Aussagen der europäischen Politiker*innen und von den Rettungsorganisationen sind für viele von uns nicht neu. Sergio Di Dato, Projektkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen Italien, kritisierte das „Vakuum an Rettungskapazitäten“ im Mittelmeer und bezeichnete es als „inhuman, inakzeptabel und unverständlich“, dass immer wieder vermeidbare Tragödien passieren.
    Die Rettungsorganisation Sea-Watch schreibt auf Twitter von einem staatlich verursachten Massensterben, das vermeidbar gewesen wäre.
    Vermeidbar? Ja, weil schon am Samstagabend ein Flugzeug der Grenzschutzagentur Frontex das Holzboot entdeckt hatte. Die Schiffe, die danach zur Suche geschickt wurden, fanden das Holzboot nicht. Dann vergingen nochmal mehrere Stunden, bis Schiffe der Polizei und der Küstenwache sich auf die Suche machten. Viele kritisieren jetzt, dass nicht schon in der Nacht von der Küstenwache gesucht wurde.
    Erst vor ein paar Tagen kam in Italien ein neues Gesetz durch das Parlament und den Senat. Es entscheidet, dass die privaten Rettungsschiffe nach einer Rettungsaktion direkt einen vorgegebenen Hafen ansteuern müssen. Also dürfen sie nicht auf weitere Notrufe woanders reagieren.
    Die italienische Opposition, die Menschenrechtsorganisationen, ja auch die UN haben dieses neue Gesetz verurteilt. Es gefährdet Menschenleben und Retter, bestraft diejenigen, die retten wollen. So wurde letzte Woche auch ein Rettungsschiff der Ärzte ohne Grenzen von italienischen Behörden festgesetzt.

    Wo stehen wir?

    Auch die deutsche Bundesregierung steht in der Kritik, weil ein schon länger geplantes Gesetz zur Änderung der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) neue Schwierigkeiten für private Rettungsorganisationen bringen könnte. In einer gemeinsamen Mitteilung schreiben sieben Rettungsorganisationen, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu hohen Technik- und Versicherungskosten führen könnten. Unter diesen Umständen müssten viele ihre lebensrettende Arbeit noch weiter einschränken.
    Wo stehen wir also? Die italienische Innenpolitik, die komplizierten bürokratischen Veränderungen in der deutschen Schiffssicherheitsverordnung, oder der jahrelange europäische Streit über die Aufnahme von geretteten Menschen… das alles braucht mehr als eine Kolumne an einem Freitag. Und das alles wurde schon oft diskutiert und berichtet.
    Genauso kompliziert sind die Ursachen der Flucht (oder der Migration?) der Menschen, die ihr Leben verloren haben. Flüchteten manche aus Pakistan nach der katastrophalen Flut letztes Jahr? Waren einige der Afghan*innen vor der Taliban auf der Flucht? Wie viele Jahre waren diese Menschen auf dem Weg zu ihrem vermeidbaren Tod im Mittelmeer?
    2022 mussten mindestens 2.367 Menschen ihr Leben im Mittelmeer lassen. Die echte Zahl ist sehr wahrscheinlich viel, viel höher. Wie viele müssen 2023 sterben? Oder wie viele können 2023 gerettet werden?
    Ich habe auch nicht viel mehr als Fragen. Gleichzeitig weiß ich, dass es bereits viel Forschung und viel Wissen dazu gibt, wie und warum diese tödliche Fluchtroute entsteht. Es gibt auch verschiedene Lösungsvorschläge. Es bleibt mir also eigentlich nur eine letzte Frage: wo ist der politische Wille?

  • Nachrichtenüberblick KW13/22

    Nachrichten aus Deutschland…

    Integration von Aussiedler*innen gelungen

    Etwa 4,6 Millionen sogenannte Aussiedler*innen und Spätaussiedler*innen kamen zwischen 1950 und 2020 nach Deutschland. Sie sind meist deutscher Abstammung und migrierten aus einem Staat des ehemaligen Ostblocks oder der Sowjetunion nach Deutschland. Eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BaMF) und des Sachverständigenrates für Integration und Migrations (SVR) hat nun die Integration der Aussiedler*innen betrachtet. Der Großteil von ihnen ist gut gebildet, auf dem Arbeitsmarkt integriert und verdienen ein durchschnittliches Einkommen. Besonders gilt das für Menschen, die vor dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion aus Polen und Rumänien nach Deutschland migriert sind. Postsowjetische Aussiedler*innen, die nach 1990 nach Deutschland kamen, sind teilweise weniger integriert in Arbeitsmarkt und sind häufiger von Altersarmut betroffen. Politisch neigen Aussiedler*innen zu konservativen Parteien und identifizieren sich stark mit Deutschland.

     

    Integration ukrainischer Geflüchteter in Deutschland

    Etwa 280.000 ukrainische Geflüchtete sind bis jetzt in Deutschland angekommen. Da ein Ende des Krieges bisher nicht in Sicht ist, brauchen die Geflüchtete nun eine Bleibeperspektive und Zugänge zum Arbeitsmarkt, Schulen und Universitäten. So sollen Sprach- und Integrationskurse sowie Angebote zur Kinderbetreuung ermöglichen, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Ukrainische Berufsabschlüsse sollen schneller anerkannt und Geflüchtete über ihre Arbeitnehmerrechte informiert werden, damit sie nicht in prekären Arbeitsverhältnissen landen. Kritik gibt es bisher an der Organisation der Sprachkurse. Die sei viel zu bürokratisch, um eine ausreichende Zahl an Kursen zur Verfügung zu stellen.

     

    Neue Zahlen zu rassistischer Diskriminierung in Deutschland

    2021 gab es einen deutlichen Anstieg der registrierten rassistischen Vorfälle in Berlin: das Berliner Register erfasst 4.841 Fälle von Beleidigungen, Körperverletzungen und Propaganda. Täglich sind es etwa 13 Vorfälle. Auch Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder in der Schule wurde häufiger registriert – vermutlich, weil Betroffene sie mittlerweile häufiger melden.

    Der Roma-Verband hat ebenfalls die Diskriminierungsfälle in der Hauptstadt 2021 gezählt. 137 registrierte Vorfälle gab es dort. Viele dieser Vorfälle spielen sich in Behörden bei der Beantragung oder Bearbeitung von existenzsichernden Sozialleistungen ab. Besonders kritisiert wird außerdem, dass Berliner Behörden anscheinend einen vermuteten Roma-Hintergrund in den Akten vermerkt haben. Das ist einerseits rechtswidrig, andererseits ethisch sehr problematisch angesichts der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus.

    Mehrheit der Deutschen sieht Rassismus als ernstes Problem

    Laut einer Umfrage des Meinungsinstitutes YouGov hält eine Mehrheit der Deutschen Rassismus für ein ernsthaftes Problem: 66% der Frauen und 53% der Männer sprachen sich dafür aus. Etwa die Hälfte von ihnen kritisiert außerdem, dass nicht genug gegen Rassismus getan wird. Gefragt wurde außerdem nach den eigenen Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung. Dabei gaben gut die Hälfte der Befragten an, die keine deutsche Nationalität haben, schon rassistische Diskriminierung erlebt zu haben. Die Ergebnisse der Studie seht ihr hier.

     

    … und der Welt

    Geflüchtete an bosnisch-kroatischer Grenze

    Auch wenn die Aufmerksamkeit für die Geflüchteten an der bosnisch-kroatischen Grenze nachgelassen hat, ist ihre Situation nach wie vor alarmierend. An der Stelle des ehemaligen Flüchtlingslagers Lipa entstand im November 2021 ein neues Camp, das Platz für etwa 1500 Menschen hat. Hier bleiben wollen die meisten jedoch nicht. In Bosnien haben sie keine Zukunftsperspektive, dürfen nicht arbeiten und harren unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern, verlassenen Häusern oder Zelten aus. Die EU-Grenze ist jedoch für die meisten unüberwindbar, die kroatische Polizei geht brutal gegen gegen Flüchtende vor, die die EU-Außengrenze übertreten. Nicht selten werden Menschen gepushbackt (also gewaltsam aus der EU gebracht), die es bereits bis nach Slowenien geschafft haben.
    Mehr dazu könnt ihr hier lesen.

     

    Auswanderung aus Russland

    Infolge des Krieges in der Ukraine verlassen mehr und mehr Menschen Russland – jedoch nicht in Richtung Westen, sondern in den Kaukasus und Zentralasien, schreibt die Migrationsforscherin Olga Gulina. Viele von ihnen sind gut gebildet, sie sind Akademiker*innen, Journalist*innen, IT-Spezialist*innen und qualifizierte Fachkräfte, die aufgrund bürokratischer Schwierigkeiten und fehlender Flugverbindungen nicht nach Europa ausreisen können. Gulina bezeichnet diesen Exodus als besonders dramatisch, da Russland nicht nur Bürger*innen, sondern auch Unternehmen, Ideen und Zukunftspotential verliere. Die Aufnahmeländer wie Usbekistan und Armenien sind relativ offen für Migrierende aus Russland. Nicht zuletzt, weil sie dadurch auch hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen können. Viele der Länder sind außerdem neutral gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Das könnte bei einer möglichen Rückkehr der Migrierenden nach Russland sehr wichtig sein.

     

    Humanitäre Lage in Afghanistan

    Die Lage der Menschen in Afghanistan bleibt alarmierend. Etwa 95% der Bevölkerung hat nicht ausreichend zu essen, neun Millionen der insgesamt 39 Millionnen Afghan*innen seien direkt von einer Hungersnot bedroht. 13 Millionen Kinder brauchen dringend humanitäre Hilfe. Die Taliban haben außerdem, entgegen ihrer Ankündigung, den Schulbesuch für Mädchen länger als bis zur 7. Klasse verboten. Auf einer Geberkonferenz haben 41 UN-Staaten ingesamt 2,4 Milliarden Dollar für die humanitäre Unterstützung Afghanistans zugesagt. Damit das Geld nicht in die Hände der Taliban fällt, soll es direkt an anerkannte Hilfsorganisationen fließen.

     

    Die gute Nachricht!

    Mehr als 70 Menschen von “Sea-Eye” aus Seenot gerettet

    Die Seenotrettungsorganisation “Sea-Eye” hat auf dem zentralen Mittelmeer 70 Menschen gerettet, unter denen sich 22 Kinder befanden. Die in Seenot Geratenen stammen aus Ägypten, Syrien und Nigeria. Auch die private Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat bei ihrem letzten Einsatz 130 Menschen aus Seenot retten können und darf nun mit insgesamt 160 Menschen in Sizilien an Land gehen. Die “Sea-Eye 4” sucht derzeit noch nach einem Hafen, in dem sie an Land gehen kann.

  • Nachrichtenüberblick KW7/22

    Nachrichten aus Deutschland…

    Zwei Jahre nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau 

    Am 19. Februar 2020 wurden neun Menschen bei einem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau getötet. Der zweite Jahrestag war für die Bildungsinitiative Ferhad Unvar Anlass für eine Kundgebung am Marktplatz der Stadt, um eine würdevolle Erinnerung an die Ermordeten, eine lückenlose Aufklärung des Untersuchungsausschusses und politische Konsequenzen bei Rechtsterrorismus einzufordern. Ferhats Mutter Serpil Unvar gründete die Bildungsinitiative und durfte bei der 17. Bundesversammlung als Wahlfrau ihre Stimme für die*den nächsten Bundespräsident*en abgeben. Die hinterbliebenen Angehörigen und Überlebenden setzen sich weiterhin gegen Rassismus und Faschismus ein.

    Unter dem Hashtag #saytheirnames sollten in der Öffentlichkeit die Namen der Verstorbenen im Gedächtnis bleiben und in der medialen Berichterstattung die Nennung von Opfern rassistischer Gewalt zu etablieren (siehe)

    Hörempfehlung: Spotify Podcast “190220 Ein Jahr nach Hanau” mit aufwendig recherchierten Information und den Stimmen Überlebender sowie Angehöriger, die von ihren Erfahrungen aus der Tatnacht berichten sowie Multivitamin-Folge 3 über rassistische Gewalt

    Weitere Quellen.

     

    Völkermord an den Jesiden im Bundestag

    Am 14. Februar forderten in einer Anhörung Vertreter*innen der jesidischen Diaspora in Deutschland, dass der Bundestag den Völkermord an den Jesiden anerkennen soll. In der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses stellt der Vorsitzende der Stelle für Jesidische Angelegenheiten e.V.  dar, dass Jesidinnen und Jesiden seit Jahrhunderten aufgrund ihrer Identität systematische Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung erleben. Die Terrororganisation “Islamischer Staat” habe im Jahr 2014 Tausende Jesiden im Irak versklavt, sexuell missbraucht und ermordet. Laut des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, habe die Bundesregierung bis heute nicht von Völkermord gesprochen, da es Aufgabe von Gerichten sei, Defintionen zu beurteilen.

    Öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses (ab ca. 2:10 Stunden)

    Bundeswehroffizier steht vor Oberlandesgericht wegen Planung eines Anschlags

    Der Bundeswehroffizier Franco A. steht aufgrund von Terrorvorwürfen seit mehreren Jahren unter Beobachtung. Aufgrund von Fluchtgefahr und neu gefundenen Beweismitteln muss er erneut in Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft wurde während des Strafprozesses wegen eines vorbereiteten Anschlags auf Heiko Maas, Claudia Roth und eine Menschenrechtsaktivistin aufgehoben. Am 18.Mai 2021 begann die Hauptverhandlung des Oberlandesgerichtes gegen den deutschen Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. in Frankfurt am Main. Die Anklage gegen den 32-Jährige beinhaltet, eine staatgefährende Gewalttat mit gestohlener Munition und Sprengkörpern aus dem Beständen der Bundeswehr geplant und unerlaubt Waffen besessen zu haben. Er gab sich 2015 als syrischer Geflüchteter aus und erhielt Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Er soll unter dieser Identität absichtlich den Verdacht auf Asylbewerber*innen gelenkt haben wollen.

    … und der Welt

    Seenotrettung auf dem Mittelmeer 

    Das Seenotrettungsschiff “Ocean Viking” hat weitere Menschen im Mittelmeer gerettet. Die 19 Geflüchtete seien mit einem Glasfaserboot in der Libyschen Such- und Rettungszone in Seenot geraten. Das teilt die Teilorganisation SOS Mediterrane mit. Nach mehreren Rettungsaktionen am Wochenende befinden sich nun damit 247 Überlebende an Bord des Schiffes, darunter Dutzende Minderjährige. Die Fahrt über das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Laut der internationalen Organisation für Migration sind seit Beginn des Jahres über 150 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst.

     

    Gipfel für Europa-Afrika-Beziehungen in Brüssel

    Am Donnerstag begann der Gipfel der EU und der Afrikanische Union in Brüssel, um sich in weiteren Verhandlungen gemeinsamer Abkommen wieder näher zu kommen. Das letzte Treffen im Jahr 2020 fiel aus. Der Gipfel der europäischen und afrikanischen Regierungschefs befindet sich aufgrund Differenzen hinsichtlich der Themen Migration, Handelspolitik, Klimapolitik und Agrarsubventionen in einer belasteten Ausgangslage. Die EU strebe die Umsetzung eigener Interessen an. Deshalb habe sich Afrika nach Partnerschaften Richtung China, Russland und der Türkei orientiert. Politische Anspannung bestehen unter anderem wegen der europäischen Impfpolitik und dem Mangel an Impfdosen für Erstimpfungen auf dem afrikanischen Kontinent. Der EU wird vorgeworfen in der Pandemie nicht für eine Impfstoff-Verteilung gesorgt und stattdessen Patensschutze für Covid-Impfstoffe vorangestellt zu haben.

    Weitere Quelle

    Deutschland verhängt Sanktionen gegen prominente malische Regierungsmitglieder 

    Der Europäische Rat gibt in einer Pressemitteilung bekannt, die EU würde gezielte Maßnahmen gegen fünf Mitgliedern der Übergangsregierung von Mali verhängen. Es wird ein Einreiseverbot in die EU und das Einfrieren ihrer Vermögenswerte erteilt. Im August 2020 wurde der gewählte Präsident Ibrahim Boubacar Keita gestürzt und eine Übergangsregierung eingesetzt. In einem weiteren Militärputsch wurden Regierungsmitglieder entmachtet und eine vom Militär dominierte Übergangsregierung transformiert. Die Fristsetzung internationaler Staaten von 18 Monaten für einen demokratischen Kurs endet nun. Die Übergangsregierung plant die Umsetzung ihrer Reformziele für die nächsten fünf Jahre, so dass es erst 2026 Neuwahlen geben soll. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS sieht darin einen Vereinbarungsverstoß gegen eine zeitnahe Wahldurchführung und erteilt weitere Wirtschaftssanktionen sowie Grenzschließungen zu den Nachbarstaaten. Deutschland ist in der Europäischen Trainungsmission zur Ausbildung malischer Sicherheitskräfte beteiligt und durch die Vereinten Nationen im Programm der MINUSMA, um die instabile Lage in Mali in den Griff zu bekommen.

    Darstellung der Hintergründe des Rates der Europäischen Union.

    Putsch im Putsch Mai 2021.

     

    Finanzielle Unterstützung für Bildungseinrichtungen in jordanischer Geflüchtetensiedlung

    Außenministerin Annalena Baerkock besuchte in dieser Woche die Siedlung Talbieh in der Nähe der jordanischen Hauptstadt Amman. Diese wurde 1968 von den Vereinten Nationen für palästinensische Vertriebene im Nahen Osten errichtet. Damals war das Auffanglager für 5000 Menschen angedacht, heute leben laut Auswärtigem Amt rund 9500 Menschen dort. In Jordanien befindet sich in der Region die Mehrzahl der Geflüchteten aus Syrien, Irak, Jemen und Sudan. Baerbock kündigte auf ihrer Antrittsreise an, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen aus Deutschland Hilfsgelder zukommen zu lassen, um Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten der zwei Grundschulen in der Siedlung vorzunehmen.

    Weitere Quelle.

    Über 130 Tage organisierte Massenproteste Geflüchteter in Libyen

    Seit Wochen demonstrieren Geflüchtete vor der Anlaufstelle des UN-Flüchtlingswerks in Tripolis, welches als Reaktion die Türen schloss. Die Geflüchteten fühlen sich von den internationalen Staaten alleine gelassen. In Libyen sind sie Menschenrechtsverletzungen, willkürlichen Festnahmen, Zwangsarbeit und -prostution und Folter ausgesetzt. Die Situation der Tausenden Geflüchteten verschärft sich durch die fehlende Grundversorgung, keinen Zugang zu Impfungen vor dem Covid-Virus und Attacken libyischer Milizen auf die schutzlosen Menschen. Für viele scheint der einzige Ausweg, sich auf das Meer zu begeben. Da ihre Proteste wenig Aufmerksamkeit erhalten, organisieren sie sich und mobilisieren in den sozialen Medien für öffentlichen Druck. Der süd-sudanesische Sprecher der Gruppe Yambio David Oliver Yasona berichtet auf Twitter über aktuelle Ereignisse und auf der Webseite “Refugees in Libya” erzählen Betroffene von ihren Erlebnissen.

    Hintergrundtext.

    Internationaler Tag gegen Einsatz von Kindersoldat*innen

    Das Bundesentwicklungsministerium geht von etwa 250.000 Kindern und Jugendlichen aus, die Armeen und bewaffneten Gruppen für ihren Kampf zwangsrekrutiert haben. Seit 20 Jahren findet am 12. Februar der Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldat*innen statt. Dieser soll auf die Verletzung der Kinderrechte, den Missbrauch von diesen als Schutzschilder und auf die Form des Kriegsverbrechen mit dem Zwingen von Kindern unter 15 Jahren aufmerksam machen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, zumal in der Definition von Kindersoldat*innen sowohl Hilfsarbeiten wie Wachdienste und Botengänge als auch Küchen- und Haushaltsdienste inbegriffen sind. Mehr als ein Drittel der Kindersoldat*innen sollen Jungen sein. Mädchen werden in die Unterstützungsstrukturen gezwungen, wo sie sexuelle Übergriffe erfahren. Besonders in Somalia, Syrien, Myanmar, Afghanistan, Jemen und Kolumbien sollen betroffen sein. Das “Kindersoldaten-Zusatzprotokoll” der UNO-Kinderrechtskonvention wurde von verschiedenen Staaten zum Schutz von Kindern unterzeichnet. Die Vereinten Nationen forderten nun weitere Länder zur Unterschrift und mehr Engagement auf.

    Weitere Quellen und hier.

  • ein neues Rettungsschiff – SOS Mediterranee

    Die NGO, die im Mittelmeer zivile Seenotrettung betreibt und sich gegen das Ertrinken im Mittelmeer einsetzt, ist seit Februar 2016 im Einsatz. Seitdem wurden schon über 30.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Aufgrund der anhaltenden fehlenden Rettungskapazitäten im Mittelmeer und dem Wiederanstieg an Menschen, die auf dieser gefährlichen Überfahrt sterben, gibt es weiterhin die Notwendigkeit, die zivile Seenotrettung auszubauen. Der Anlass für SOS Mediterranee Deutschland ein neues Rettungsschiff kaufen zu wollen, war ein schlimmes Unglück im April 2021. Der gelernte Schiffsbauingenieur Till Rummenhohl verantwortet das Projekt „ein neues Schiff für SOS MEDITERRANEE Deutschland“ und berichtet, dass sie von einem zehn Fahrtstunden entfernten Seenotfall erfuhren. Aufgrund der mangelnden Geschwindigkeit ihres Rettungsschiffes kamen sie zu spät vor Ort an, keiner der Menschen hat überlebt.

    Wir wollen explizit ein schnelles Rettungsschiff rausbringen, um genau diese Lücke zu füllen” 

    Um eine lückenlose und professionelle Seenotrettung gewährleisten zu können, muss ein schnelleres Rettungsschiff gekauft werden. Dafür haben sie nun einen passenden Schiffstyp gefunden: Fast Support and Intervention Vessel. „Unser Ziel ist, dass wir ein schnelles Schiff kaufen, das eigentlich für den Transport von Passagieren und Ladung gemacht ist. Dieses können wir  dann zum humanitären Rettungsschiff nach unseren Standards umbauen“, erklärt Till.

    Ein solches Schiff kann bis zu 26 Knoten fahren. Im Vergleich – die Ocean Viking fährt maximal 14 Knoten. Das Schiff hätte zusätzlich einen großen Innenraum und ein weiträumiges Arbeitsdeck. So kann die Unterbringung der Crew gewährleistet werden und die notwendige Infrastruktur an Deck aufgebaut werden. Dazu gehören eine Notfallklinik zur medizinischen Versorgung sowie Notunterkünfte für die Geretteten.

    Die Benefizveranstaltung SOS Sessions No. 2 soll genutzt werden, um Spenden für die Finanzierung des Schiffes und dessen notwendigen Umbau zu sammeln. Neben Konzerten und Stand-Up-Comedy zur Unterhaltung gibt es auch Lesungen und Gesprächsrunden zum Informieren, Aufklären und Erinnern. Denn viele andere aktuelle Geschehnisse wie die Coronapandemie oder die Situationen in Afghanistan und an der polnisch-belarussischen Grenze lassen das Sterben auf dem Mittelmeer in den Hintergrund rücken.

    Auf die EU ist kein Verlass mehr

    Ziel ist außerdem, das Bewusstsein der Gesellschaft zu stärken. „Dass wir nicht nur über Zahlen reden, sondern über Menschen und über Einzelschicksale. Und das in einem Format verpackt, in dem wir zum einen informieren und Empathie wecken, aber besonders das Thema der Flucht übers Mittelmeer generell wieder in die Öffentlichkeit bringen“, so Till, „Die Hoffnung ist natürlich, dass sich der gesellschaftliche Diskurs wieder in eine Richtung bewegt, die von Menschlichkeit und Mitgefühl geprägt ist und nicht von Abschottung und Zweifeln oder Sorge.“ Der Appell gilt insbesondere der Zivilgesellschaft. Die zivile Seenotrettung wird momentan nur durch NGOs wie SOS Mediterranee Deutschland möglich gemacht. Auf die deutsche Regierung sowie die Europäische Union ist bei der Seenotrettung seit 2017 kein Verlass mehr.

    Till berichtet, dass die Stärkung der libyschen Küstenwache der Beginn für die Zunahme der inhumanen europäischen Migrationspolitik war. So sollten die Seenotrettung und Grenzsicherung von libyscher Seite gewährleistet und die Verantwortung von den europäischen Einheiten abgeben werden. Seitdem wurde die Zahl der europäischen Rettungskräfte immer mehr reduziert. Solche Entscheidungen haben ganz konkrete Folgen, so Till: „Das hat 2020 beispielsweise dazu geführt, dass jede siebzehnte Person bei der Überfahrt ertrunken ist, weil einfach keine europäischen Häfen mehr offen waren und zivile Seenotrettungsschiffe festgesetzt wurden. Das ist das Resultat einer zu geringen  Rettungskapazität.“

    Davor war es gängig, Seite an Seite mit militärischen Einheiten der Sophia-Mission und italienischen sowie maltesischen Küstenwacheneinheiten zusammenzuarbeiten. 2018 wurde die Seenotrettungsleitstelle in Tripolis/Libyen von der International Maritime Organization (IMO) als zuständige Behörde anerkannt. Somit wurde die Koordinierung der gesamten Seenotrettungszone von Europa abgegeben. Und das, obwohl die libysche Seenotrettungsleitstelle notwendige Voraussetzungen nicht erfüllt wie eine ständige Erreichbarkeit, englische Sprachkenntnisse und die Koordinierung von Rettungen. Till berichtet, dass sie bei den Rettungen nicht einbezogen werden.

    „Das muss aufhören, weil das tägliche Völkerrechtsbrüche sind, die durch Europa finanziert und unterstützt werden“

    Die Rückführung der geretteten Menschen nach Libyen ist völkerrechtswidrig. Dies gilt nicht für Libyen, da das Land nicht die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat. „Das muss aufhören, weil das tägliche Völkerrechtsbrüche sind, die durch Europa finanziert und unterstützt werden.“ Verantwortung dafür in Europa zu übernehmen würde bedeuten, ein europäisches Seenotrettungsprogramm und sichere Häfen zu gewährleisten, mit einer europäischen Einigung darüber, was mit geretteten Personen auf europäischem Festland passiert.

    Momentan entziehen sich Mitgliedstaaten der EU auf Grundlage des Dublin-Abkommen der Aufnahme von Geflüchteten  und daraus resultiert die Überforderung von Küstenstaaten wie Griechenland und Italien. Eine einheitliche europäische Migrations- und Asylpolitik müsste auch einen Mechanismus zur Verteilung der geretteten oder geflüchteten Menschen bieten. „Aber dann muss man auch anerkennen, dass Länder sowohl finanzielle als auch infrastrukturelle Hilfe brauchen. Und das muss eine Europäische Union leisten, wenn sie wirklich das Ziel hat, Menschen auch menschlich zu behandeln“, so Till.

     

    Die Veranstaltung findet vom 11.-14.12.2021 im Berliner Festsaal Kreuzberg statt. Die Tickets wurden nicht verkauft, sondern durch eine Verlosung vergeben, die Vergabe ist leider schon beendet. Es gibt aber die Möglichkeit, über einen frei verfügbaren Livestream das gesamte Programm mitzuverfolgen. Der Link zum Livestream und das Programm werden am 09.12.2021 auf der Aktionsseite bekannt gegeben. Spenden kann man hier.

  • zu.flucht-Podcast: Flucht nach Europa

    Unzählige Menschen riskieren ihr Leben, um nach Europa zu gelangen. Was bedeutet es, seine Heimat zu verlassen? Mit welchen Erwartungen kommt man an? Um diese und weitere Fragen geht es in der achten Podcast-Folge zum Thema „Flucht nach Europa“. Dieses Mal ist Jad Turjman bei uns zu Gast. Seit seiner Flucht 2015 lebt er in Österreich, macht Stand-up-Comedy und hat in seinem Debütroman „Wenn der Jasmin auswandert“ seine Geschichte aufgeschrieben. Er hat uns von seinem Zuhause in Damaskus, seiner Flucht und seiner neuen Heimat Österreich erzählt.
    Für viele ist der Weg über das Mittelmeer die einzige Möglichkeit, Europa zu erreichen. Über die tödlichste Außengrenze der Welt haben wir mit Stefanie Hilt von Seawatch gesprochen. Sie gibt uns Einblicke in ihre Rettungsmissionen und die aktuelle Lage auf dem Mittelmeer.
    Triggerwarnung: In dieser Folge geht es unter anderem um explizite Beschreibungen von dramatischen Situationen auf dem Mittelmeer. Wenn es dir damit nicht gut geht, solltest du diese Folge überspringen oder in Begleitung hören.
    Ihr hört uns auf Spotify, YouTube, Soundcloud und Apple Podcast! Wenn ihr Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge für die nächsten Folgen von „Multivitamin“ habt, schreibt uns gerne unter podcast@kohero-magazin.de!
     
    Das Multivitamin-Team: Lilli Janik, Lena Wilborn, Kim Sarah Eckert, Marie Lina Smyrek, Anne- Josephine Thiel, Sally Wichtmann, Anna Seifert, Stefanie Grolig
    Links zur Folge:
    Jad Turjman: „Wenn der Jasmin auswandert“
    Projekt: Interkultureller Garten „Annalinde“
     

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