Schlagwort: Psyche

  • Emotionale Reife

    Emotionen sind das, was unser Leben besonders, magisch und lebenswert macht.

    Es gibt sogar die beliebte Theorie des „Seelenvertrags“, die besagt, dass unsere Seele unser Leben im Vorhinein ausgesucht hat, damit wir das Spektrum menschlicher Gefühle erfahren, unsere Taten reflektieren und daran wachsen können.

    Das heißt: Emotionen, egal ob „schlecht“ oder „gut“, sind das Gewürz unseres Lebens. Ohne sie hätten wir keine Motivation zu leben und dabei Fehler zu machen, um wiederum von diesen Fehlern zu lernen und uns zu verbessern.

    Zugleich können Emotionen hinderlich sein, wenn wir die Urängste, die in uns als entwickelte Säugetiere verankert sind, nicht verstehen und unsere Regulierungsfähigkeiten nicht weiterentwickeln.

    Schlüsselwort für diese Entwicklung ist emotionale Reife.

    Ein beliebter Fehler ist die Annahme, dass man mit dem Alter und mit dem Wachstum des Gehirns emotional auch reifer wird, was sehr deutlich nicht wahr ist, ansonsten hätten wir nicht so viele Erwachsene rundherum, die sich wie Dreijährige benehmen.

    Da es eine sehr dünne Linie gibt, zwischen Verständnis für unsere eigenen Emotionen, Fehler und Trigger zu haben, und einen Anspruch auf die Opfer-Rolle zu entwickeln, sollen wir das Unbewusste bewusst machen, um das letzte zu vermeiden.

    Damit ein Mensch zu Selbstreflexion überhaupt fähig ist, muss man seine Emotionen regulieren, seine Gefühle von innen und außen beobachten und mit negativen Emotionen umgehen können.

    Also, wie entwickelt sich emotionale Reife?

     

    „Reife wird erreicht, wenn eine Person zugunsten langanhaltender Werte auf unmittelbares Vergnügen verzichtet.“

    Joshua L. Liebman

     

    Also: Emotionale Reife ist fast eine Entscheidung. Ein Ziel, das man erreichen kann, egal in welchem Alter. Vielleicht stammt das berühmte Zitat „Glücklich sein ist keine bestimmte Sache. Es ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag treffen müssen“ daher.

     

    Man hat also die Qual der Wahl, entweder verbittert fürs Leben zu bleiben und dabei die Illusion von Kontrolle und Berechtigung zu behalten, oder Fehler und negative Emotionen als ein Teil des Lebens zu erkennen, sie zu akzeptieren und loszulassen.

     

     

  • Circle of Peace: Meine syrischen Tanten und unser Hammam im Exil

    Beim Betreten eines geräumigen Hörsaals voller europäischer Experten für friedensschaffende Maßnahmen in konfliktbetroffenen Ländern stolperte ich über die Ankündigung eines „sicheren Raums“ für Migranten wie mich. Die beiden Worte standen in blauer Schrift auf einem Flipchart am Eingang, das später in die Ecke geschoben wurde, wo es im Rahmen einer wichtigen Konferenz, die in einem religiösen Gebäude in einem deutschen Dorf stattfand, hingehörte.

    Das virtuelle Hammam

    In den folgenden zwei Tagen konnte ich nicht anders, als mich verwirrt und irritiert zu fühlen über das Eindringen dieses Schlagworts in einen so exklusiven weißen Raum. Ein Raum, in dem Menschen wie ich, die dem Mainstream lästig sind – Migranten und aus Konfliktgebieten stammend,  aus dem „Nahen Osten“– auf der Bühne angesprochen werden, während wir in der Playlist der Afterparty durch Shakiras Waka Waka vertreten waren. Seltsam, dass ich mich zurück nach Berlin sehnte, wo es zumindest die Möglichkeit gibt, mit anderen syrischen Frauen zu einem virtuellen Hammam zu gehören.

    „Wahrscheinlich hat die zivilgesellschaftliche Organisation einen ermürbenden Prozess durchlaufen, um Mittel für diesen ‚leeren‘ Raum zu erhalten“, dachte ich jedoch mit einer gewissen Sympathie für die Organisatoren der Konferenz, nachdem ich mich an die Kämpfe der mir bekannten Migranteninitiativen erinnert hatte, die versuchten, Mittel für arabischsprachige Aktivitäten unter dem Dach der Integrationspolitik zu erhalten. Ihre Anträge wurden oft abgelehnt, weil sie nicht mit der Integrationspolitik übereinstimmten, die sich auf den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse und die Assimilation an die „deutsche Kultur“ konzentrierte, die die Grundlage für die Umwandlung der Neuankömmlinge in „gute Bürger“ sein sollte.

    Druck der Integrationspolitik

    Wenn es um Migrantinnen aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit geht, kommt diese Integrationspolitik sogar mit einer spezifischen Mission, „uns zu retten“. „Sie wollen, dass ich Frauen, die extreme Bedingungen überlebt und den ganzen Weg aus Konfliktgebieten bis hierher geschafft haben, ‚ EMPOWERE‘ „, sagte mir eine Forscherin und Aktivistin, die in einer der größten deutschen Migrationsforschungseinrichtungen arbeitet, über den Druck dieser Politik auf ihre Arbeit.

    Aus dieser Logik heraus schien eine in Berlin ansässige Frauen-Selbsthilfegruppe, die auf Arabisch arbeitet, zunächst fehl am Platz. Doch die Gruppe, die kaum über finanzielle Mittel verfügt, gedeiht und expandiert seit 2016 über die Grenzen der deutschen Hauptstadt hinaus. Was als physische Zusammenkunft in Berlin als Reaktion auf die arabischsprachigen Flüchtlinge von 2015 begann, entwickelte sich mit der Pandemie 2020 zu drei virtuellen Gruppen, die es der Gruppe ermöglichten, später syrische Frauen in Syrien und anderen europäischen Ländern zu erreichen.

    Interessant ist, dass diese Gruppe im Gegensatz zu den Initiativen, die als „inklusiver Raum“ oder „Empowerment von Frauen“ bezeichnet werden, nicht als solche gekennzeichnet ist. Nichtsdestotrotz hat die virtuelle Zusammenkunft syrischer Migrantinnen, die in ihren gemeinsamen Erfahrungen und Bestrebungen nach gegenseitiger Unterstützung und Wachstum vereint sind, mein Interesse so sehr geweckt, dass ich sie als unser „psychologisches Hammam“ bezeichne.

    Der kuriose Fall des Circle of Peace

    Ähnlich wie das traditionelle Hammam überschreitet dieser virtuelle Raum die physischen Grenzen und wird zu einem Zufluchtsort für Selbstentdeckung und Heilung. Hier kommen syrische Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund, die sich zunächst fremd sind, zusammen, um im Wasser der Empathie und des Verständnisses zu baden und ihre Ängste und Unsicherheiten abzulegen, während sie ihre Kämpfe ohne Angst vor Verurteilung teilen. In diesem fantasievollen Raum werden vergangene Traumata sanft bereinigt, und die Komplexität der Migration wird mit kollektiver Weisheit und Mitgefühl bewältigt.

    Dies ist der kuriose Fall des Circle of Peace, dem ich als einzige Ägypterin in ihren Dreißigern vor ein paar Jahren beigetreten und seitdem beigeblieben bin. Doch im Vorfeld unseres letzten jährlichen Treffens während des Iftar im Ramadan überlegte ich mir, ob ich bleiben sollte. „Was könnte ich wohl mit einer Gruppe syrischer Mütter gemeinsam haben, von denen viele in ihren Vierzigern, Fünfzigern oder sogar Sechzigern sind“, flüsterte mir meine Angst zu. Doch je weiter das Treffen voranschritt, desto mehr zeigte sich eine unerwartete Antwort.

    Meine Verbindung zum Circle of Peace geht auf den Sommer 2017 zurück. Ich war kein Flüchtling und identifizierte mich auch nicht als Migrantin. Ich war eine internationale Studentin aus Ägypten, die für ein Sommerpraktikum zwischen meinem Masterstudium in Dänemark und dem Vereinigten Königreich nach Berlin, dem neuen Zentrum der arabischen Diaspora, gezogen war. Erst in dem verregneten Sommer in Berlin vor der Bundestagswahl erregten Migration, Integration und das Thema „wir gegen sie“ meine Aufmerksamkeit.

    Als ich meinem deutschen Redakteur eine Reportage über Flüchtlingsfraueninitiativen vorschlug, befasste ich mich mit den Herausforderungen, die sich ihnen beim Ankommen in Deutschland stellten, und mit der Bedeutung, die der Bereitstellung eines Raums für emotionalen Trost abseits des Integrationsdrucks zukommt. Andere Initiativen, die ich untersuchte, überdauerten nicht.

    Der Einfluss der Gestalttherapie

    Als ich mein Studium beendete, hieß mich der Circle of Peace bei meiner Rückkehr nach Berlin als Einwanderin willkommen. Selbst während der Pandemie, als ich nach Ägypten zurückkehrte, ging die Gruppe über die Grenzen hinaus und entwickelte sich zu einer virtuellen Selbsthilfegruppe.

    Die heutige Selbsthilfegruppe für Frauen aus Syrien geht auf die Initiative einer österreichisch-deutschen Gestalttherapeutin zurück, die damit auf den Zustrom arabischsprachiger Neuankömmlinge aus Konfliktgebieten im Jahr 2015 reagierte. Gaby, die seit 30 Jahren in Berlin lebt, hat erkannt, wie wichtig es ist, arabischsprachige  geflüchtete Frauen in ihrer Muttersprache psychologisch zu unterstützen. Mithilfe eines syrischen Übersetzers war es ihr möglich, eine wöchentliche Gruppe in ihrer Klinik im Zentrum Berlins zu leiten. So ungewohnt Arabisch für Gabby auch war, so war die Idee einer Selbsthilfegruppe für diese arabischsprachigen Frauen.

    Sehnsucht nacht Verbindung

    „Bis ich 2012 Syrien verließ, war mir ein solches Konzept noch nie begegnet. In unserer Kultur ähnelt es einer engen Bindung zu einer Freundin oder Schwester“, erklärte mir Rawaa Al Samman, die eine wichtige Quelle für meinen Artikel über den Circle of Peace war und inzwischen zu einer guten Freundin geworden ist, ihre Sichtweise. Sie ist eine geschiedene Frau in den Fünfzigern aus Damaskus, die 2016 der Gruppe beitrat und später die Rolle der Moderatorin übernahm.

    Rawaas Lächeln wurde während unseres Messenger-Videoanrufs noch breiter, als ich mich nach den Wurzeln des Circle of Peace in ihrem früheren Leben in Syrien erkundigte. Es dämmerte ihr, dass sie sich immer nach dieser Verbindung mit anderen Frauen gesehnt hatte, insbesondere als einzige Tochter in einer Familie mit drei Jungen. Auch nachdem sie geheiratet und drei Söhne zur Welt gebracht hatte, sehnte sie sich nach dieser Verbindung.

    Als sie nach der Einschulung ihrer Kinder etwas Freizeit hatte, ergriff sie die Initiative und organisierte Frauensalontreffen, zu denen sie Nachbarinnen einlud, die ihr Interesse am Austausch von Ideen, Büchern und Erfahrungen über Kindererziehung teilten. Von ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter wechselte sie zur Arbeit als NLP-Trainerin.

    Der Weg zur Moderatorin

    Ihre Reise führte sie für einige Jahre von Syrien nach Algerien, bevor sie sich 2015 schließlich in Deutschland niederließ. Selbst in Algerien organisierte sie weiterhin Frauensalontreffen mit demselben Konzept. Dieser tief verwurzelte Wunsch, sich mit anderen Frauen zu vernetzen, brachte Rawaa dazu, sich der Gruppe Circle of Peace in Berlin anzuschließen. Im Laufe der Zeit entwickelte sie sich von Teilnehmerin zu Moderatorin, nicht nur für die Berliner Gruppe, sondern auch für zwei weitere Gruppen, darunter eine für syrische Frauen, die noch in Syrien leben.

    Als meine Freundschaft mit Rawaa durch unsere gemeinsamen Geschichten über das Aufwachsen in unglücklichen Elternhäusern und die harten Dinge in unserem früheren Leben gefestigt wurde, stellten wir fest, dass unsere Erfahrung sich unterschieden. In meiner Familie hatte ich viele Frauen und Nichten, mit denen ich über die schwierigen Dinge sprechen konnte. Oberflächlich betrachtet ähnelt der Circle of Peace den geschätzten Donnerstagabendtreffen im Haus meiner Großmutter in Ägypten, wo ihre fünf Töchter und deren Töchter beim Essen zusammenkamen, fernsahen und sich über ihre Eheprobleme beklagten.

    Die Bedeutung von Vertrauen

    Im Gegensatz zu mir war es für Rawaa zunächst ungewohnt, sich anderen Frauen zu öffnen und intime Aspekte ihres Lebens mit ihnen zu teilen. Es fühlte sich für sie wie eine Fremdsprache an. „In meiner bisherigen Ausbildung saß ich auf dem Zuhörerplatz“, sagt sie. Außerdem war die Zurückgezogenheit ihr Schutzmechanismus als Frau in Syrien.

    Ursprünglich wurde die Gruppe gegründet, um ein tiefes Bedürfnis dieser Neuankömmlinge in Deutschland zu befriedigen, nämlich Anschluss zu finden und sich gleichzeitig authentisch zu fühlen. Indem sie auf „den anderen“ zugeht, sogar wie hier auf eine andere syrische Frau, riskiert jede Frau, ihr wahres Ich zu offenbaren, was sie anfällig für Urteile oder Kritik macht, was Rawaa anfangs befürchtete. „Einige Leute sind daran interessiert, unserer Gruppe beizutreten, bis sie wissen, dass wir über uns selbst sprechen“, fügt sie hinzu.

    Der Aufbau von Vertrauen ist bei dieser Erfahrung unerlässlich. Durch das, was Esther Perel, die belgisch-amerikanische Psychotherapeutin, einen „Vertrauensvorschuss“ nennt, habe ich erlebt, wie die Moderation zum Schlüssel für die Förderung von Vertrauen und Offenheit unter den Gruppenmitgliedern wird. Rawaa bemerkte auch, wie Gaby Werkzeuge aus der Gestalttherapie einsetzte, um die Gruppendynamik zu bewältigen. In der Anfangsphase der Gruppe begann Gaby die Sitzung, indem sie eine Reihe von Regeln aufstellte, z. B. Vertraulichkeit und Respekt. „Es ist selten geworden, dass wir diese Prinzipien während unserer Sitzungen erwähnen müssen, da sie uns zur zweiten Natur geworden sind“, erklärt Rawaa.

    Um in einer Gruppe unbekannter Frauen Vertrauen aufzubauen und sinnvolle Diskussionen zu ermöglichen, müssen verschiedene Instrumente eingesetzt werden. Tiefes Zuhören ist das A und O, um jeder Frau den Raum zu geben, ihre Gedanken und Erfahrungen ohne Unterbrechung zu teilen. Rawaa, die Moderatorin, sorgt dafür, dass jede Frau die Möglichkeit hat, ausführlich zu sprechen, sei es, dass sie kurz ihre Freude ausdrückt oder sich eine Stunde oder länger mit tieferen Themen beschäftigt.

    Im Gegensatz zu herkömmlichen Therapiesitzungen, die durch Zeit und Geld begrenzt sind, gibt es hier keine Eile; Unterbrechungen sind sanft und bieten Momente der Reflexion durch aufschlussreiche Fragen. Dieser Ansatz fördert die Neugier und das Verständnis und führt über oberflächliche Diskussionen hinaus zu transformativen Einsichten. Nachdem jede Frau ihre Geschichte erzählt hat, können auch andere ihre Sicht der Dinge darlegen, wodurch ein Gefühl der Verbundenheit und Solidarität innerhalb der Gruppe entsteht.

    Das Selbst im Spiegel der Anderen

    In meiner letzten Sitzung lobte Rawaa meinen Grad an Selbstreflexion, als ich von einem kürzlichen Gespräch mit einem Freund erzählte, und erkannte dessen Bedeutung für unseren Circle of Peace an. Sie forderte die anderen Gruppenmitglieder auf, diesen introspektiven Ansatz zu übernehmen und hob dessen Bedeutung für unsere gemeinsame Reise hervor.

    Allerdings schreibe ich den anderen Frauen im Circcle of Peace das Verdienst zu, meine Selbstreflexion vertieft zu haben. Der Austausch mit ihnen hat mir als Spiegel gedient, in dem ich meine Erfahrungen als Migrantin im Verhältnis zu ihren Erfahrungen erforschen konnte. Durch diese Interaktionen habe ich bedeutungsvolle Verbindungen geknüpft, ohne das Gefühl zu haben, mich anpassen zu müssen. Dies steht in krassem Gegensatz zum typischen Integrationsprozess, wie Rawaa mir gegenüber betonte.

    Oft werden Neuankömmlinge unter Druck gesetzt, sich zu assimilieren und ihre Identität zu opfern, um in eine neue Kultur zu passen. Stattdessen betont Rawaa, wie wichtig es ist, den Einzelnen dabei zu unterstützen, sich selbst treu zu bleiben, während er sich in seinem neuen Umfeld zurechtfindet.

    Im Laufe der Zeit hat sich die Zusammensetzung unserer Gruppe verändert. Viele der jüngeren Mitglieder aus dem Berliner Kontingent sind weniger aktiv geworden, da sie mit den Anforderungen ihres neuen Lebens in Deutschland beschäftigt sind. Die verbleibenden älteren Mitglieder haben jedoch gezeigt, dass diese Gruppe ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit befriedigt. Für mich verkörpern sie einen reichen Erfahrungsschatz, sie ähneln Müttern und Lehrerinnen und erinnern mich an die Tanten, die ich in dem komplexen Prozess der Heilung eines generationenübergreifenden Traumas verloren habe. In diesem nährenden Umfeld erkannte ich das generationenübergreifende Trauma in meiner eigenen Familie, insbesondere seine Auswirkungen auf die Mutter-Tochter-Beziehung über mehrere Generationen hinweg.

    Mehr als eine Selbsthilfegruppe

    Meiner Erfahrung nach ist es entscheidend, eine Perspektive aus einer gesunden Distanz zu gewinnen, um sich selbst wirklich zu verstehen. Der Circle of Peace bietet einen Raum für Selbstbeobachtung, der es uns ermöglicht, unsere Gedankengänge zu hinterfragen und unsere Vorurteile anzusprechen. Das übergreifende Ziel dieser Reise ist es, innere Harmonie zu erlangen und sinnvolle Verbindungen zu anderen herzustellen.

    Für mich hat sich der Circle of Peace über das konventionelle westliche Modell einer psychologischen Selbsthilfegruppe hinaus entwickelt. Im Laufe der Jahre hat er sich zu einem hybriden Zwischenraum entwickelt. Rawaas Moderationswerkzeuge haben bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle gespielt. In unseren Sitzungen habe ich das Gefühl, dass wir Schichten gesellschaftlicher Erwartungen abwerfen und unser wahres Selbst zum Vorschein bringen. Unter Rawaas Anleitung schaffen wir einen sicheren Raum, in dem wir uns emotional nackt zeigen können, indem wir mit sanfter, aber tiefgreifender Ehrlichkeit Schichten der Verstellung abtragen.

    Der Schmetterlingseffekt

    Gemeinsam unterstützen wir uns gegenseitig und befreien unsere Seelen von der Last unserer Randpositionen in der Gesellschaft. Dieser transformative Prozess geht über die Grenzen traditioneller Selbsthilfegruppen hinaus und bietet eine tiefere, authentischere Form der Heilung und Verbindung. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir offen über unsere Erfahrungen sowohl in unseren Heimatländern als auch im Exil sprechen, in unserer Muttersprache und mit Menschen, bei denen wir uns sicher und verstanden fühlen.

     Während unserer letzten Sitzungen kam ich zu dem Schluss, dass sich der Schmetterlingseffekt des Circle of Peace von seinem Kernkreis auf verschiedene kleinere Kreise, einschließlich der sozialen Kreise der Mütter, ausdehnt und das Leben ihrer Familien erheblich beeinflusst. Darüber hinaus geht diese Wirkung über den unmittelbaren Kreis hinaus und beeinflusst die breitere Gemeinschaft, zu der diese Frauen gehören. Rawaa zum Beispiel, die vor kurzem eine Ausbildung in Gestalttherapie abgeschlossen hat und in Teilzeit als Sozialarbeiterin mit misshandelten verheirateten Frauen arbeitet, arbeitet mit Gaby und anderen zusammen, um das erste Berufsausbildungsprogramm für arabischsprachige Gestalttherapeuten zu organisieren.

    Am Ende unseres letzten Videoanrufs fühlte ich mich zugehörig und meine Angst flüsterte mir zu: „Lass uns etwas für das diesjährige Iftar organisieren.“

  • Heimatverlust als Tabuthema?

    Warum ist Heimatverlust in der deutschen Gesellschaft ein Tabuthema?

    Diese Frage hat mich in letzter Zeit beunruhigt. Es wird in Medien über Depression, Burnout und andere psychische Krankheiten gesprochen. Als ich im ambulanten psychiatrischen Dienst gearbeitet habe, habe ich viele Migrant*innen auf ihrem Lebensweg begleitet. Wenn ich nachdenke, hatten viele von denen ein Trauma in erwachsenem Alter: den Verlust der Heimat.

    Ich wünsche mir, dass Ärzt*innen diese Art von Trauma ernst nehmen. Dieses Trauma lässt Menschen in ihrer neuen Heimat nicht glücklich sein, bevor sie diese Schmerzen nicht verarbeiten. Sie können materiell erfolgreich sein, aber seelisch nicht. Neulich hatte eine Freundin aus meinem Land ihren Geburtstag gefeiert. Da waren gemischte Gruppen von Deutschen, Kirgis*innen und anderen Nationalitäten. Alle haben, wie es sonst auf Partys üblich ist, über Arbeit, Ausbildungsplatz, Reise und kleine Alltagsproblemchen gesprochen.

    „Mein 2-jähriger Sohn isst zu Hause keinen Brei, die arme Mutter kann nicht nachts gut schlafen, er trinkt viel an der Brust. Aber in der Kita ernährt er sich gut!“

    „Ah ja, diese Sauna soll wirklich gut sein?“

    „Ich muss mich endlich mal bei der Fitness anmelden, sonst bekomme ich Winterspeck!“

    So sprechen blutende Seelen über ihre Scheinheimat, über ihr scheinglückliches Leben. Ich war zu ernst, um an solchen Gesprächen teilzunehmen. Ich denke, warum konnten wir nicht über persönliche Themen sprechen, die uns wirklich beschäftigen?

    Was beschäftigt denn Migrant*innen nach 8 Stunden Arbeit und am Wochenende? Welche Gedanken haben sie so?

    Der Stein in der Seele

    Ich vermute, dass viele trotz ihrer „beschäftigten“ Leben zwischendurch doch an ihre Heimat denken. Vielleicht kommen kurze Erinnerungen an bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit, oder Bilder von alten Häusern und Straßen. Als ich auch, wie diese Menschen auf der Party, eine sehr gut integrierte Migrantin war, habe ich in meiner Freizeit viel unternommen, es war egal was, Hauptsache, möglichst abgelenkt sein.

    Irgendwann haben mich Schmerzen vom Heimatverlust so stark erwischt, dass ich mich nicht mehr ablenken konnte. Die Auseinandersetzung war nicht angenehm, es hat mehrere Jahre in Anspruch genommen, aber es hat sich gelohnt. Ich habe immer noch Schmerzen vom Verlust meiner Heimat. Es fühlt sich manchmal wie ein Stein in meiner Seele an, der mit seiner Anwesenheit meine Freude am Leben verhindert. Dessen Anwesenheit dauert allerdings nicht mehr so lang, sodass ich nicht vor mir fliehen muss.

    In meiner Freizeit beschäftige ich mich mit Musik, Schreiben und ich gehe gerne spazieren und bin mit Menschen zusammen, die mich verstehen. Ja, es klingt doch so, als ob ich nicht mehr vor Schmerzen, bzw. vor mir selbst nicht mehr fliehen muss. Was für ein Segen. Das wünsche ich jedem, der seine Heimat verloren hat. Erfüllende Beschäftigungen tun mir richtig gut und ich tue sie bewusst, um nicht meine Schmerzen zu vermeiden, sondern sie mit Leichtigkeit ertragen zu können.

    Meine Schmerzen sind auch wie zwei große Augen in mir, die in bestimmten Phasen die deutsche Welt nicht sehen und ertragen wollen. Es fühlt sich alles auf einmal fremd an. Obwohl ich weiß, ich lebe hier seit 17 Jahren. Das tut richtig weh und es ist Widerstand zum Leben selbst.

    In so einem Zustand möchte ich nichts machen. Ich will in Widerstand bleiben und meine Tür vor der ganzen deutschen Welt in mir und außerhalb von mir zu machen. Und gleichzeitig verurteile ich mich selbst für diese Abgrenzung. Ich denke, warum soll ich es machen? Habe ich das Recht, das zu machen? Es ist so, als ob diese Augen mir antworten: „Bitte stelle keine Fragen. Akzeptiere diese Schmerzen.“

    Es ist eine Tragödie, die ganze Heimat und damit einen Teil von sich selbst zu verlieren! Erfüllende Dinge, die ich die meiste Zeit tue, Dinge, die mir guttun, helfen mir in solche Augenblicken tatsächlich nichts zu machen und einfach traurig zu sein.

    Warum ist es ein Tabuthema, über Heimatverlust zu sprechen? Warum begraben Migrant*innen ihre wertvolle Vergangenheit, ihre kulturelle Identität? Muss diese Identität jahrelang bluten?

    Ich habe mittlerweile gute Augen für blutende Seelen. Blutende Seelen erkenne ich auch unter Deutschen, die ihre deutsche Identität nicht ausleben dürfen. Wurde es nicht irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg verboten, stolz zu sein, dass man Deutsche*r ist? Das hat zum Verlust der deutschen Identität geführt. Welche*r Deutsche kann laut auf der Straße schreien, stolz deutsch zu sein? Man würde schief angeguckt werden und als Nazi gelten.

    Säulen, die in meine Augen als Identität dienen, sind: Fußball, Bürokratie, Wirtschaft, Qualität der exportierten Waren aus Deutschland und Arbeit. Ich denke, dass auf Dauer diese Säulen nicht mehr als Identität dienen können, weil es Menschen an einer wahren Identität fehlt. Deutsche, die das ausdrücken, laufen Gefahr, als nationalsozialistisch zu gelten. Deshalb können Deutsche sich nur durch Leistung zeigen.

    Unendliche Schuldgefühle aus der Vergangenheit quälen sie immer noch und treibt sie an, Marionetten des kapitalistischen Systems zu sein, statt sich selbst zu lieben und akzeptieren. Aus diesem Grund fehlt in dieser Gesellschaft Zugehörigkeit, ohne Zugehörigkeitsgefühl werden immer mehr Menschen an der Pandemie der Einsamkeit erkranken.

    Die Pandemie der Einsamkeit erkenne ich in den leeren Augen vieler Menschen, die ich auf der Straße sehe; ohne eine Studie kann ich persönlich behaupten, dass Deutschland an der Pandemie der Einsamkeit erkrankt ist, weil Menschen keinen Geist in Gesellschaft, keine Identität haben. Und Wolken mit Regen haben damit nichts zu tun.

    Das ist die Schattenseite, aber es gibt für mich auch andere, helle Seiten in Deutschland, der deutschen Seele, die mich seit 17 Jahren in Deutschland trägt, und ich bereue nicht, dass ich genau hier ausgewandert bin und hier lebe. Um eine Deutsche zu sein, muss ich nicht hier geboren sein. Ich fühle mich schon wie eine Deutsche. Eigenschaften der Deutschen haben mich beeinflusst und meine Seele hat sich mit deren Mentalität zusammengewachsen.

    Was macht mich als Deutsche aus?

    Ich habe in Deutschland nach einem langen Kampf mit mir selbst gelernt, NEIN sagen zu können. Wir kämpfen immer gegen uns selbst, gegen unsere Träume und Wünsche, wenn wir uns nicht genug akzeptieren und lieben. Wir tun uns etwas Gutes und gleich wollen wir uns wieder schaden. Ich wollte mein Bedürfnis, eine Kirgisin zu sein, nicht akzeptieren, ich habe es verdrängt, um wie alle andere zu sein. Nachdem ich jedoch geschafft habe, zu meiner Vergangenheit und Herkunft zu stehen, habe ich daraus viel Kraft und natürliche Lebensfreude gewonnen! Was für ein Segen für mich. Das wünsche ich von ganzem Herzen Deutschen und Migrant*innen.

    Wenn ich ab morgen wieder in Kirgisistan oder woanders leben müsste, würde ich sicherlich Sehnsucht nach meiner deutschen Identität haben, weil ich diese Dinge nicht mehr in meinem Leben hätte: regionale Ernte im Herbst wie Pflaumen, Äpfel, Kartoffeln und Kohl, die brav und frisch auf einer Theke in einem Wochenmarkt liegen. Ältere Menschen mit ihren weisen und nüchternen Augen. Als ich in anderen Städten mit dem Auto oder in der Bahn unterwegs war, liebte ich es, weite Felder voller Raps und Riesenwindmühlen zu beobachten. Wunderschöne Altbauten aus den letzten Jahrhunderten, und Kirchen in Hamburg, Riesenbibliotheken voll mit Wissen, Konzertsäle, Theater und Musik.

    Das Wetter-Phänomen hat hier im Leben von vielen Menschen einen wichtigen Platz hat. Übers Wetter zu sprechen und daran zu denken, jeden Tag sich damit beschäftigen, eigene gute und schlechte Laune auf das Wetter projizieren, die gewisse Kunst, sich Wetter gerecht anzuziehen. Ich habe vor vielen Jahren Gummistiefel gekauft und ich habe sie 2- oder 3-mal getragen, und ich besitze keine Regenjacke, weil ich mit meinem Regenschirm rechne. Ja, gewisse Frische, Wind und Regen sind für mich irgendwie doch sehr vertraut geworden.

    All das ist für mich ein fester und lebendiger Geist der deutschen Identität, der von meiner Seele untrennbar bleibt.

     

     

     

  • Zentrum ÜBERLEBEN: psychological care for refugees

    Mr. Diab, what services are available for refugees at Zentrum ÜBERLEBEN?

    Our therapeutic services – the day clinic, the outpatient department for adults, and the children’s and adolescents‘ department – are meant for refugees who have experienced torture, persecution, war, or human trafficking in their home country or during their flight, and as a result have suffered psychological distress in the form of trauma and trauma-related disorders.

    In turn, the Paulo Freire Vocational School and the Department for Refugee Assistance can serve a much broader group of migrants and refugees. Language and computer courses, school-leaving qualifications, vocational preparation courses, and training and further education are offered there.

    In addition, we offer low-threshold services such as the specialist office of the Berlin Network for Vulnerable Refugees. The network includes seven organizations in Berlin that carry out an initial diagnosis and determine the special need for protection for LGBTIQ+ people, people with disabilities, women, pregnant women as well as minors, among other things. The specialist office at the centre in this frame is the contact and counselling centre for traumatized people and victims of severe violence.

     

    A diverse Team is the key to success

     

    Which countries do your patients in the day clinic come from?

    People from all crisis areas of the last 30 to 35 years that are within reach of Europe find their way to us. For example, from the sub-Saharan region, West and East Africa, the Middle East, Asian countries such as Azerbaijan, Turkmenistan or Afghanistan, and the Balkans. Last year, we had a significant increase in requests from Afghanistan and Iran, understandably because of the Taliban takeover and protests in Iran. Such events have a direct impact on our work. Currently there are also many requests from refugees from Turkey.

     

    „Word-for-word translation is only part of their job“

     

    Refugees who are treated in the day clinic usually speak different languages and come from different cultures and political contexts. How do you and your colleagues adjust to this?

    We are pretty diverse team. While this can improve even more, we have colleagues that come from Africa or Asia, colleagues that speak French, Farsi or, like myself, Arabic as their mother tongue. This offers a variety of starting points for our patients.

    Likewise, the colleagues who grew up here contribute a lot to the treatment concept with their experience. But most of all, our language and cultural mediators are of enormous importance: the word-for-word translation is only one part of their work. Sometimes, as a therapist, one has the feeling that something remains hidden, which can have linguistic or cultural reasons. The language and cultural mediators know how things are expressed or addressed in the respective countries and they are able to read between the lines. This helps to understand what is going on in the patient’s mind.

     

    Trauma sequelae disorder – the danger of splitting

     

    How difficult is it for your patients to talk about their problems?

    Most struggle to put their experiences into words. This is to do with the traumatic experiences themselves on the one hand and the way traumatic experiences are processed on the other. Central here is the notion of splitting. When we experience something horrible, our psyche tries to protect us by splitting off and pushing aside troublesome things to ensure survivability in such a threat scenario. This is a sensible process in order to survive the threat.

    But when the threat is over and there is no success in integrating the experiences into the rest of the psychological events, the splitting off remains. The risk of developing trauma sequelae disorder in the sense of post-traumatic stress disorder is then very high.

     

    “Images that are so powerful that the person feels like they are reliving the trauma”

     

    What are the symptoms associated with post-traumatic stress disorder?

    A central symptom is hyperarousal. People are in a state of permanent tension towards their environment. Every noise, every movement or stress from outside can quickly lead to sensory overload.

    The re-experiencing is a second, very important factor. Triggered by a key stimulus, the traumatic experience returns and controls the sufferer’s perception. The most common form is flashbacks. These are images so strong that the person feels that he or she is reliving the trauma or parts of it, sometimes even accompanied by the physical pain associated with the original torture. The images can occur while awake and in the form of nightmares.

    Another symptom is avoidance behavior: Due to the inundation of stimuli and flashbacks triggered by everyday life, affected individuals tend to avoid situations that could evoke memories of the trauma. This significantly affects people’s everyday lives and, in some cases, can lead to complete isolation.

    To what extent do the mental ailments make themselves felt physically?

    Repressed trauma material and the associated emotional states that have not been processed or expressed in a timely manner can quickly result in physical ailments. Many struggle with back pain or headaches.

     

    „Regaining trust in the sovereignty of one’s own body”

    In addition, the perception of one’s own body may be disturbed. After all, we are talking about a body that has experienced an assault in the sense of torture, human trafficking or sexualized violence. Especially in the case of sexualized violence, the body is often perceived as something shameful, vulnerable and repulsive and not as something lovable and enjoyable.

    Regaining trust in the sovereignty of one’s own body and experiencing anew the mutual positive influence of psyche and body can contribute a lot to a successful therapeutic process. For this reason, about one third of our therapy offers are body-related. Examples of this are mindfulness training, dance therapy, sports and relaxation techniques

     

    Methods and means of Zentrum Überleben

     

    Why is the focus in the day clinic on group therapies?

    People whose complaints are chronic and who can no longer cope with everyday life come to us in the day clinic. Building trust and dealing with other people is a major challenge for many. Group services have the advantage that difficulties can be experienced on site and  direct intervention is possible. What people experience outside in everyday life they also experience in our groups, except that here they are accompanied therapeutically and are in a protected space.

    When problems arise, there is an opportunity to try things out and explore new avenues. Our services can be roughly divided into body-based, creative and speech-based therapies. In addition to the group therapies, we offer individual sessions with therapists, physiotherapy and social work sessions. Especially the meetings with the social workers are very important, because our patients are not only struggling with psychological stress, but also with the challenge of being in a country where they do not know how everything works.

    How do refugees find their way to Zentrum ÜBERLEBEN?

    Most patients are referred to us by their first aiders in their shared accommodation. Hospitals, outpatient clinics, colleagues in private practice, counselling centres or semi-professional support systems also send many people to us. It also happens that people who speak English find us on the Internet. Some of them find us through the community.

     

    „Anyone who has health insurance can be treated at our clinic“

     

    How does the centre finance itself?

    Each department has its own concept and funding. The day clinic currently has 24 places. We are relatively well positioned because we are financed by the health insurance funds. Anyone who has health insurance can be treated at our clinic. That doesn’t cover our costs, but it covers a good part of them.

    Other areas, such as the outpatient department, are financed in a mixed way by the Association of Statutory Health Insurance Physicians, project funds and donations. Zentrum ÜBERLEBEN has a budget of 8 million euros, and this comes from all kinds of sources: the federal government, the state, health insurance companies, districts, the Association of Statutory Health Insurance Physicians, private individuals and so on. That doesn’t exactly make things easy.

     

    Poor psychosocial care in rural areas

     

    The psychological care needs of refugees in Germany are far from being met. What needs to change from your point of view?

    We are better positioned in Berlin than in any other federal state, but even here the situation is often precarious. If you look outside the city, the situation is even disastrous in some cases. There are entire landscapes where there is no provision for refugees. Due to the language barrier, many opportunities remain closed to these people.

    This is where the legislator is needed. For years it has been pointed out that the right to treatment does not end with the infrastructure and the availability of doctors, therapists and nurses, but that mediation is also part of it. The costs for interpreters are still not covered. There must be a change in the law so that the health insurance companies cover these costs.

     

    „The focus should rather be on how we can create a pluralistic society with all these differences, but also clear boundaries“

     

    These grievances do not only affect the psychiatric and psychotherapeutic field. There are many diseases that are overlooked and thus remain untreated. We often diagnose high blood pressure, diabetes and infectious diseases along the way. This goes completely under the radar because people don’t have adequate access to the healthcare system.

    How do you feel about the image of refugees conveyed by the media in light of the stories you are confronted with every day?

    I find the reporting in the media to be very one-sided. It does not do justice to the complexity and diversity of this group. My personal impression is that integration is shifted onto those affected. The accusation that they don’t integrate and abide by the rules often resonates within reporting.
    I understand integration differently. Integration is a joint process. In my view, however, the main responsibility lies with the political decision-makers and not with those who are „stranded“ and isolated here. Politics has missed out on a few things here.

    The political discourse should not be about all migrants and refugees becoming Germans. The focus should rather be on how we can create a pluralistic society with all these differences, but also clear boundaries. From my experience as a therapist working with very diverse groups, I can say that this can indeed work.

     

    This article was also published in German

     

  • Welt-Suizid-Präventionstag: 10 Anlaufstellen und Medientipps für geflüchtete und migrantische Menschen

    Am 10. September ist der weltweite Suizid-Präventionstag. Der Aktionstag soll sensibilisieren und helfen, das Tabu zu brechen. Eine Studie von 2016 schätzt, dass sich weltweit rund 800.000 Menschen pro Jahr das Leben nehmen. Weltweit nehmen sich Männer häufiger das Leben als Frauen – in Deutschland wurden im Jahr 2021 laut statistischem Bundesamt 75% der Selbsttötungen von Männern durchgeführt. Laut Wissenschaftler*innen könnten traditionelle Geschlechterrollen ein Grund dafür sein, dass Männer früh lernen, Probleme mit sich selbst auszumachen, anstatt sich Hilfe zu suchen.

    Auch in migrantischen Familien wird häufig nicht über psychische Erkrankungen gesprochen. Menschen mit Migrationsgeschichte würden dem Konzept von psychischem Leid häufig skeptisch gegenüberstehen, erklärt die Bildungsmanagerin und Geschlechterforscherin Emina Šarić im Biber-Onlinemagazin. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte erfahren unter anderem durch Alltagsrassismus eine noch stärkere psychische Belastung.

    Es ist wichtig, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren und offen darüber zu sprechen, um Symptome frühzeitig zu erkennen und besser damit umgehen zu können. Im Folgenden empfehlen wir euch deshalb einige Artikel, die sich mit dem Thema mentale Gesundheit beschäftigen. Außerdem findet ihr eine Liste mit Beratungsstellen, die sich vorwiegend an Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte richten.

    Unsere Empfehlungen: Artikel

    1. Als Migrantin mit Depressionen umgehen 

    Unsere kohero Autorin Jesina hatte gerade ihr Jura-Studium abgeschlossen und wollte ins Berufsleben starten, als sie in eine Depression abrutscht. Die Erkrankung belastet sie nicht nur psychisch, sondern auch körperlich: Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Selbstzweifel und Angstzustände kommen dazu. Über all das spricht Jesina nicht mit ihren Eltern, die 1984 aus Sri Lanka nach Deutschland geflüchtet sind.

    Hier erzählt sie, wie sie mit der Depression umgegangen ist und erklärt, warum viele Kinder sich unter Druck gesetzt fühlen, den Erwartungen ihrer geflüchteten Eltern gerecht zu werden.


    2. Kultursensible Psychotherapie – wie geht das?

    Die angehende Psychologin Zara Momand hat im kohero-Onlinemagazin bereits über die Notwendigkeit von kultursensibler Psychotherapie geschrieben: “Migration und Flucht implizieren oftmals Veränderungen und psychische Traumata, bedeuten aber nicht zwingend bemerkbare, sich äußernde psychische Probleme”.  Menschen mit Migrationshintergrund hätten häufig mit noch mehr Belastung zu kämpfen – sowohl individuell und strukturell als auch emotional, so Zara. Warum das so ist, erfahrt ihr hier.

    3. Der Suizid meines Onkels brachte mich dazu, über meine eigene psychische Gesundheit nachzudenken

    In dem Buzzfeed-Artikel schreibt die Autorin Gabrielle Chenault über die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen in der BiPoC-Community. Sie zeigt auf, wie Rassismuserfahrungen, Polizeigewalt oder generationsübergreifende Traumata eine zusätzliche Belastung darstellen können. Wieso eine weiße Therapeutin Gabrielles Erfahrungen nur bedingt nachvollziehen konnte und warum sie Therapien trotzdem für sinnvoll und notwendig erachtet, lest ihr hier.

    4. Stell dich nicht so an! – Wenn Migra-Eltern psychische Erkrankungen nicht ernst nehmen

    Biber-Autorin Maria Lovrić-Anušić schreibt darüber, wie belastend es sein kann, wenn migrantische Eltern die psychischen Erkrankungen ihrer Kinder herunterspielen. In dem Artikel erzählen drei Menschen, wie sie mit ihren Depressionen und Panikattacken umgegangen sind. Warum ihre Eltern häufig mit Unverständnis reagiert haben und warum es wichtig ist, über psychische Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten aufzuklären, lest ihr hier.

     

    Unsere Empfehlungen: Beratungsstellen

    5. ifight Depression 

    Auf der Internetseite iFightDepression findest du wissenschaftlich belegte Informationen über suizidales Verhalten in 19 verschiedenen Sprachen. Das Angebot richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit, Familien und Angehörige, aber auch an Lehrkräfte und Gesundheitspersonal.

    Menschen, die von Depressionen betroffen sind, sollen mit Hilfe eines begleiteten Selbstmanagement-Tools außerdem leichter erste Symptome erkennen und lernen, besser damit umzugehen. Das Angebot gibt es in 15 verschiedenen Sprachen.


    6. Muslimisches SeelsorgeTelefon (MuTeS)

    Seit 2009 unterstützen Ehrenamtliche des Muslimischen SeelsorgeTelefons Menschen bei jeder Lebenslage und Notsituation – egal ob Eheprobleme, Trauer, Gewalterfahrung, Sucht oder andere Belastungen. Anrufer*innen bleiben anonym und die Mitarbeitenden des SeelsorgeTelefons sind rund um die Uhr unter 030 443 509 821 erreichbar.

     

    7. Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

    Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) ist seit 1972 die übergreifende Fachgesellschaft für alle Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention als Hilfe in Lebenskrisen befassen. Die DGS hat es sich zur Aufgabe gemacht, Akteur*innen der Suizidprävention zu vernetzen, die Forschung in diesem Themenfeld voranzutreiben und die Öffentlichkeit über Suizidprävention zu informieren.


    8. Koordinierendes Zentrum für traumatisierte Geflüchtete – Hamburg 

    Centra ist Teil des Psychosozialen Zentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Das Team besteht unter anderem aus Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen und arbeitet interkulturell, mehrsprachig und berufsübergreifend. Bei Bedarf können geschulte Dolmetscher*innen oder muttersprachliche Mitarbeiter*innen mit einbezogen werden.  Die Beratung und Behandlung erfolgt traumaspezifisch, kultursensibel und mit einem ganzheitlichen Verständnis. Auf Wunsch können Beratungen auch telefonisch in Anspruch genommen werden.


    9. Netzwerk für traumatisierte Geflüchtete Niedersachsen 

    Das Netzwerk für traumatisierte Geflüchtete (NTFN e.V.) setzt sich für Migrant*innen in Niedersachsen ein, die traumatisierende Erfahrungen durch Folter, Verfolgung oder Flucht gemacht haben. Das Team berät Menschen die körperlich oder psychisch unter den Folgen leiden und dadurch in ihrer Belastungs-, Arbeits- und Lebensfähigkeit eingeschränkt sind. Das Angebot richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Familienangehörige, insbesondere Kinder und Jugendliche.


    10. Refugio: Beratungsstelle und Behandlungszentrum für Geflüchtete und Folteropfer – Bremen

    Refugio ist eine Beratungsstelle und ein Behandlungszentrum für Geflüchtete und Folteropfer in Bremen und Bremerhaven. Refugio bietet kostenlos und auf mehreren Sprachen eine psychosoziale Beratung und psychotherapeutische Behandlung an.

  • Als Migrantin mit Depressionen umgehen

    Am 10. Oktober war der offizielle Mental Health Day. Ein Tag, der uns alle dazu mahnt, umsichtiger mit uns selbst umzugehen, uns eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und uns bei psychischen Problemen die Hilfe zu suchen, die wir brauchen.

    Mehr als nur Traurigkeit

    Psychische Gesundheit ist ein Thema, welches auch immer mehr Beachtung auf den Sozialen Medien findet. Das Gute an der vermehrten Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen ist, dass man so auch den Vorurteilen entgegenwirken kann, dass Depressive ja nur gerade „eine traurige Phase“ haben, Menschen, die unter Burnout leiden, einfach nur faul sind oder schlichtweg keinen Bock haben zu arbeiten.

    Ich selbst bin in dieser Spirale der Depressionen seit etwa drei Jahren gefangen. Ich bin mittlerweile dreißig Jahre alt, habe mein Jurastudium abgeschlossen und bin – statt ins Berufsleben zu starten – in die Depression abgerutscht. Sie kam schleichend, ich merkte zu Beginn kaum etwas. Ich zog zu Beginn meines Referendariats in eine neue Stadt, ich wollte etwas erleben, neue Menschen kennenlernen, etwas lernen. Ich fühlte mich selbstbewusst und war offen für neue Herausforderungen.

    Depressionen sind nicht nur im Kopf

    Bald merkte ich, dass mir die Arbeit beim Landgericht, bei dem ich während der Zeit meines Referendariats angestellt war, einfach keinen Spaß machte, zu viel war, ich fühlte mich nicht gut genug. Die Gedanken kreisten, und bald schon stellte ich mir Fragen wie: Bist du überhaupt gut genug, um Volljuristin zu sein?  Sind die anderen nicht viel besser, klüger, schneller als du?

    Ich begann alles, was ich tat, zu hinterfragen. Das Selbstbewusstsein und die Freude, die ich zu Beginn noch empfand, verschwand von Tag zu Tag mehr. Bald auch begann die Depression körperlich, und nicht nur gedanklich, an mir zu zehren. Ich war immer häufiger krank, hatte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Angstzustände und hatte das Gefühl, innerlich gelähmt zu sein. Ich weinte viel, und kämpfte tagtäglich mit dem Gedanken, meine juristische Karriere an Ort und Stelle zu beenden. Doch was dann?

    Darüber spricht man nicht

    Über all das sprach ich nie mit meinen Eltern. Denn darüber spricht man in unserem Kulturkreis nicht, fast so, als wären psychische Erkrankungen nicht existent und was für Leute „aus den westlichen Ländern“.

    Dazu muss man sagen, dass meine Eltern ursprünglich aus Sri-Lanka stammen. Sie kamen als Flüchtlinge 1984 nach Deutschland, um dem Krieg im Norden des Landes zu entfliehen und ihrer Familie ein Leben in Sicherheit zu bieten. Als sie herkamen, entschieden sie sich gleichzeitig auch dazu, ihr altes Leben, ihre Jobs, einen Teil ihrer Familien und ihre Heimat hinter sich zu lassen.  Stattdessen waren sie in einem Land, in dem sie wieder ganz bei Null anfangen mussten. Einen Uni-Abschluss konnten sie hier nie machen. Dazu fehlten die Sprachkenntnisse, die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten.

    Die Last der Erwartungen

    Ihre Kinder sollten es da besser haben. Mit Bildung sollte es uns möglich sein, mal ein gutes Leben zu führen, uns zu integrieren und ein Leben in dem Land zu führen, welches  für meine Eltern nie hätte zu ihrer Heimat werden können. Umso höher war natürlich auch der Druck für mich, dem Standard meiner Eltern gerecht zu werden.

    Diesem Druck sind viele Kinder geflüchteter Eltern ausgesetzt. Dass mir dieser Druck auch ziemlich oft zu viel war, habe ich selten nach außen hin gezeigt. Gerade in dem südasiatischen Kulturkreis, aus dem ich stamme, sind psychische Erkrankungen selten bis gar kein Thema. Wieso dies so ist, weiß ich selbst nicht.  Was ich aber weiß ist, dass die Hoffnung auf finanziellen Wohlstand auf dem Rücken vieler Kinder geflüchteter Eltern lastet.

     

  • Was helfen Gefühle ohne Taten?

    Was ist der Unterschied zwischen dir und denen, die ihre Kriege nicht geführt haben? Denkst Du, dass Du der Einzige bist, der in verschiedenen inneren Kämpfen lebt, manchmal kapituliert, manchmal standhaft bleibt und manchmal kämpft?

    Ich versichere dir, dass wir ausnahmslos alle genug davon haben. Unsere inneren Kämpfe unterscheiden sich je nach Ausdauer, Energie, Zeit, Ort und aktuellen Umständen!

    Als ich in meinen Zwanzigern war, erinnere ich mich, dass meine Freundin weinte, weil sie nicht die richtige Kleidergröße für sich finden konnte, als wäre dieser Moment das Ende der Welt für sie! Und es war wirklich das Ende der Welt für ein Mädchen, das dachte, dieses Kleid sei das einzige, das die ganze Welt sie tragen sehen würde, Aschenputtel der damaligen Zeit und Miss Planet Emerald. Damals dachte ich, wann würde sie aufhören, weil ich das Wort „schade“ mehr als zehn Mal wiederholte und mir langweilig war.

    Andererseits kämpfte vielleicht ein anderes Mädchen darum, wie es sich seine Studiengebühren sichern sollte. Die erste hat kein Recht, Mitleid mit der zweiten zu empfinden, und die zweite hat kein Recht, das erste Kleid zu verachten.

    Unsere Rolle im Leben

    Ich glaube, dass unsere Rolle im Leben des anderen darin besteht, zu helfen, nicht in Gefühlen und Urteilen. Was mache ich mit deinen Gefühlen, wenn du mir nicht hilfst, ein Problem zu lösen, das ich habe, oder diese Gefühle zumindest Teil der Lösung sind? Alles wird vergehen und es wird entweder eine lustige oder schmerzhafte Erinnerung bleiben, oder es bedeutet nichts. Sei also bei deinen Erinnerungen sehr vorsichtig, denn sie werden den Kampf bestimmen, der folgt.

    Wenn ich lache, kannst Du es gerne mit mir teilen. Und wenn ich weine, weine nicht mit mir. Was soll ich mit deinem Weinen machen? Soll ich dir ein Taschentuch geben? Tu etwas, wenn du wirklich helfen willst!

    Ich glaube auch, dass jede harte Lektion für uns ein Geschenk des Lebens und des Himmels ist, damit wir nicht am Rande des Lebens leben, damit wir das Leben in all seinen Details spüren, unsere Präsenz spüren, jeden Atemzug, jede Brise, jeden Tanz einer arroganten Krähe vor uns und jedes Schwanken eines Frühlingszweigs. So werdet ihr im Paradies der Erde in all seinen Details leben.

    Entweder eine Lektion und Dankbarkeit… oder eine Lektion und die Rolle und der Zyklus des Opfers.

    Dies ist unser einziger Kampf um die Wahl zwischen Himmel und Hölle, denn Feiglinge wählen ihre Umstände und tragen Dinge mit sich, die nicht dem Schicksal gehören.

    Braves, wir müssen kämpfen!

  • Culturally sensitive therapy – how can it work?

    Topics surrounding mental health have now arrived in many parts of society. On everyones lips on TikTok, topic of many infographics on Instagram – content that is designed to make us think, reflect and that encourages us to engage in exchange. The importance of mindfulness, empathy awareness of needs to ourselves and others is often mentioned. It is also known that psychotherapy should be more accessible and that the lack of space needs to be addressed. In short: psychotherapy for all.
    But even today in 2023 it is still a fact that the psychotherapeutic care system is not designed to relieve the high proportion of people with a migration background – statistically more than a quarter of the German population, trend rising. Yet there are approaches that attempt to do just that

    Culturally sensitive therapy

    So-called culturally sensitive therapy focuses on engaging people who have grown up in and with other cultures in a way that is appropriately adapted and open. It is important to take into account that people with a migration background often bring with them different traditions as well as religious beliefs and are impacted by these. A different approach to health and illness or language barriers can also play a major role. The goal of culturally sensitive therapy is to give consideration to those affected in a holistic way. This means being sensitive to the particularities of everyday life and the needs of patients in order to improve care – or even make it possible in the first place.
    Intercultural, transcultural or culturally sensitive therapy are buzzwords that psychology students, prospective therapists and those interested in therapy encounter in articles and the occasional lecture – but that’s pretty much it. Even though universities receive funding to pursue research in the field they are still not a fixed component of university teaching.
    If topics such as flight and migration are discussed, this is usually done by white teachers who reproduce racist stereotypes in their work and cannot step outside of their perspective. In therapy, it can happen that those affected encounter therapists who have neither understanding, sensitivity nor sufficient competence, often scaring off those seeking help, or putting them under additional strain. This is not surprising: even if (prospective) therapists devote themselves to these relevant topics and want to incorporate them into their work, they are dependent on external workshops, seminars and further training. Trainees can receive credit for these, but they usually have to bear the costs themselves.

    “Intersectionality remains an unknown word”

     
    White, privileged professors write manuals about and for disadvantaged, migrant and often racialised, non-homogeneous groups. What is neglected are sociological and demographic factors that significantly shape people’s lives. Yet it would be so important, especially in a country like Germany – whose history is steeped in the oppression of the „other“ – to convey these issues in a concrete and differentiated way. Only in this way can a realistic picture of society be presented and oppression actively countered.
    Structural disadvantage with regard to different aspects – poverty, ethnicity, sexism, ableism – thus become invisible. Intersectionality remains an unknown word. Migration and flight often imply changes and psychological trauma, but do not necessarily mean noticeable, manifesting psychological problems. Those affected can, however, be more susceptible to them depending on individual conditions and circumstances, precisely because they are often also affected by other circumstances that place an additional burden on them.
    At the same time, people with a migration background are put under even more strain: individually and structurally as well as emotionally. Experienced insecurity, lived pressure to integrate and assimilate, isolation, and lack of social support all have a negative impact on mental health.

    Perspectives of people with migration background are missing in research

    Available studies offer indications that those affected are generally confronted with poorer mental health, but they are rarely significant enough to be considered representative and thus able to create awareness. This is partly due to the fact that experiences of discrimination in connection with the mental health of people with a migration background are almost never recorded in research, which in turn considerably reduces the significance of the studies.
    Individual migration processes and their diverse causes, forms of development and the manifestations of mental illness may not be adequately captured by the usual diagnostic categories: these correspond to western criteria and definitions. Expressions of grief and fear can also differ between cultures and thus require a more dynamic diagnostic approach.
    In addition, more complex situations such as successive traumatic events and life situations are not taken into account. Post-traumatic stress disorder for example is diagnosed by recording a single event that begins and ends at a specific point. Yet many people it does not remain with one definable event. A traumatic flight involves multiple places, times, routes, languages, interactions, losses, emotions.

    Deeds not words

    So, what needs to change? First of all, it is important to advocate for further training to increase in number, gain more attention and be made accessible. Above all, it is crucial to establish culturally sensitive content at universities. Even if a research base already exists, more studies are needed that look at the connections between migration and vulnerability to mental disorders in Germany – without leaving out significant social factors. It is time to turn performative figureheads of universities that adorn themselves with research on flight and migration into deeds. And to dissolve structures that prevent reflective engagement.
    This article was also published in German

  • Kultursensible Psychotherapie – wie geht das?

    Themen rund um die mentale Gesundheit sind mittlerweile in vielen Teilen der Gesellschaft angekommen. Auf TikTok in aller Munde, auf Instagram in vielen Infoposts nachzulesen sind Inhalte, die uns zum Nachdenken anregen, zum Reflektieren ermutigen und uns dazu bewegen sollen, in den Austausch zu treten. Dass Achtsamkeit, Empathie und Bedürfniswahrnehmung wichtig für uns selbst und das Miteinander sind, hören wir häufig. Auch, dass Psychotherapie zugänglicher sein sollte und der Platzmangel angegangen werden muss, ist bekannt. Psychotherapie für alle eben.

    Aber auch 2023 ist es immer noch Fakt, dass das psychotherapeutische Versorgungssystem nicht darauf ausgelegt ist, den hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund – statistisch mehr als ein Viertel der deutschen Bevölkerung, Tendenz steigend – zu entlasten. Dabei gibt es Ansätze, die genau das versuchen.

    Kultursensible Psychotherapie

    Die sogenannte kultursensible Therapie legt den Fokus darauf, Menschen, die in und mit anderen Kulturen aufgewachsen sind, entsprechend angepasst und offen zu begegnen. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Personen mit Migrationsgeschichte häufig sowohl andere Traditionen als auch religiöse Überzeugungen mitbringen und von diesen geprägt sind. Auch ein anderer Umgang mit Gesundheit und Krankheit oder sprachliche Barrieren können eine große Rolle spielen. Ziel einer kultursensiblen Therapie ist es, Betroffenen ganzheitlich gerecht zu werden. Das bedeutet, sensibel für die Besonderheiten im Alltag und die Bedürfnisse der Patient*innen zu sein, um die Versorgung zu verbessern oder sie überhaupt erst zu ermöglichen.

    Interkulturelle, transkulturelle oder kultursensible Therapie sind Schlagwörter, denen Psychologiestudierende, angehende Therapeut*innen und Therapieinteressierte in Artikeln und vereinzelten Vorträgen begegnen – da hört es dann aber schnell wieder auf. Universitäten erhalten zwar Förderungen, um der Forschung in dem Bereich nachzugehen, doch fester Bestandteil der universitären Lehre sind sie immer noch nicht.

    Werden Themen wie Flucht und Migration doch aufgegriffen, übernehmen dies meist weiße Lehrpersonen, die in ihrer Arbeit selbst rassistische Stereotype reproduzieren und aus ihrer Perspektive nicht heraustreten können. In Therapien kann es dann dazu kommen, dass Betroffene Therapeut*innen begegnen, die weder über Verständnis, Sensibilität noch ausreichende Kompetenzen verfügen, und nicht selten Hilfesuchende abschrecken, wenn nicht sogar zusätzlich belasten. Das ist nicht verwunderlich, denn selbst wenn sich (angehende) Therapeut*innen diesen relevanten Themen widmen und sie in ihre Arbeit einfließen lassen möchten, sind sie auf externe Workshopangebote, Seminare und Fortbildungen angewiesen. Auszubildende können sich diese anrechnen lassen, die Kosten müssen sie allerdings meist selbst tragen.

     

    „Intersektionalität bleibt ein Fremdwort“

    Weiße, privilegierte Professor*innen schreiben Handbücher über und für von Benachteiligung betroffene, migrantische und häufig rassifizierte, nicht-homogene Gruppen. Was zu kurz kommt, sind soziologische und demographische Faktoren, die das Leben von Menschen maßgeblich prägen. Dabei wäre es gerade in einem Land wie Deutschland – dessen Geschichte durchzogen ist vom Unterdrücken der „Anderen“ – so wichtig, diese Themen konkret und differenziert zu vermitteln. Nur so kann ein realistisches Bild der Gesellschaft abgebildet und diesem aktiv entgegengetreten werden.

    Diskriminierung und Rassismus finden genauso wenig Raum im Lehrplan. Strukturelle Benachteiligung hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte – Armut, ethnische Zugehörigkeit, Sexismus, Ableismus – werden somit unsichtbar. Intersektionalität bleibt ein Fremdwort. Migration und Flucht implizieren oftmals Veränderungen und psychische Traumata, bedeuten aber nicht zwingend bemerkbare, sich äußernde psychische Probleme. Betroffene können aber je nach individuellen Voraussetzungen und Umständen anfälliger für diese sein, eben weil sie häufig auch von anderen Umständen betroffen sind, die sie zusätzlich belasten.

    Dabei haben Menschen mit Migrationshintergrund mit noch mehr Belastung zu kämpfen: sowohl individuell und strukturell als auch emotional. Erfahrene Unsicherheit, erlebter Integrations- und Assimilationsdruck, Isolation, und mangelhafte soziale Unterstützung wirken sich negativ auf die psychische Gesundheit aus.

     

    Perspektiven von Menschen mit Migrationsgeschichte fehlen in der Forschung

    Die Studienlage bietet Hinweise darauf, dass Betroffene im Allgemeinen mit einer schlechteren psychischen Gesundheit konfrontiert sind, sie ist jedoch selten aussagekräftig genug, um als repräsentativ zu gelten und somit Bewusstsein schaffen zu können. Das liegt unter anderem daran, dass Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der psychischen Verfassung von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Forschung so gut wie nie erfasst werden, was wiederum die Aussagekraft erheblich mindert.

    Auch individuelle Migrationsprozesse und deren vielfältige Ursachen, Entwicklungsformen und die Äußerungsformen psychischer Erkrankungen können von den üblichen diagnostischen Kategorien unter Umständen nicht adäquat erfasst werden, da diese westlichen Kriterien und Definitionen entsprechen. Auch Ausdruck von Trauer und Angst können sich kulturspezifisch unterscheiden und erfordern somit eine dynamischere Diagnostik.

    Dazu kommt, dass komplexere Sachlagen wie beispielsweise aufeinanderfolgende traumatische Ereignisse und Lebenssituationen nicht berücksichtigt werden. Eine Posttraumatische Belastungsstörung wird zum Beispiel durch die Erfassung eines punktuellen, an einem bestimmten Punkt beginnenden und endenden Ereignisses diagnostiziert. Für viele Menschen bleibt es jedoch nicht bei einem festzulegenden Ereignis. Eine traumatische Flucht umfasst mehrere Orte, Zeitpunkte, Wege, Sprachen, Interaktionen, Verluste, Gefühle.

     

    Taten sind nötig

    Was muss sich also verändern? Zunächst ist es wichtig, dafür einzustehen, dass Fortbildungen in ihrer Anzahl steigen, mehr Aufmerksamkeit erlangen und barrierefrei zugänglich gemacht werden. Vor allem ist entscheidend, kultursensible Inhalte an den Universitäten zu etablieren. Auch wenn eine Forschungsgrundlage bereits existiert, braucht es mehr Studien, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Migration und der Anfälligkeit für psychische Störungen in Deutschland beschäftigen – ohne entscheidende soziale Faktoren auszuklammern.  Es ist an der Zeit, performative Aushängeschilder von Universitäten, die sich mit der Flucht- und Migrationsforschung schmücken, in Taten umzuwandeln. Und Strukturen, die ein reflektiertes Auseinandersetzen verhindern, aufzulösen.

     

    Mehr zu unserem Fokusthema Gesundheit erfahrt ihr im zu.flucht-Podcast, im Online-Magazin und hier in unserem zu.flucht-Newsletter!

     

  • Under Pressure – Über Bildungsdruck & Leistung

    In dieser Podcast-Folge sprechen wir über den konstanten Druck, unter dem viele von uns stehen – mal ausgehend von der Familie, mal von uns selbst. Sarah erzählt von ihrer ersten schlechten Note und reflektiert, weshalb sie sich so dafür geschämt hat. Was macht dieser Druck mit unserer Psyche? Und ist es möglich, ihm zu entkommen? 
    In Sprachnachrichten erfahren wir von Hörer*innen Arsalan und Sabrina, wie unterschiedlich sich dieser Druck äußern kann und welche Bedeutung Migrationserfahrungen dabei spielen. Wir besprechen, wie wir den Mut finden, in kreativeren Bereichen zu arbeiten und weshalb wir besonders aktuell auf einander Acht geben müssen.
    Hier sind nützliche Links & Infos zu psychologischer Betreuung von Menschen mit Migrationsgeschichte:
    refinery29com ,  therapie.de,   
    fzm-berlin.com
    instagram.com
    Schreibt uns gern hier, wenn ihr weitere Angebote kennt & wir ergänzen sie in dieser Liste. Stay safe!

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