Schlagwort: Politik

  • Wie eine Diskussionsrunde Politik und die syrische Community zusammenbringt

    Es war ein vielfältiger Abend: Bei einem Treffen, das von Autor und Aktivist Moutasm Alyounes und Mohammad Safwat Raslan, organisiert wurde, diskutierten politische Vertreter und Mitglieder der syrischen Community über Migration, Integration und Außenpolitik. Denn seit mehr als einem Jahrzehnt leben viele Syrer*innen in Deutschland, einige mit der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr, andere mit dem Wunsch nach einer langfristigen Perspektive in ihrer neuen Heimat. Doch wie kann die syrischen Menschen in den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau ihres Landes eingebunden werden?

    Für Stephan Neumann, Bundestagskandidat der Grünen für den Essener Süden, ist klar: Die Debatte um Abschiebungen müsse einem konstruktiven Dialog weichen. Viel wichtiger sei es, darüber zu sprechen, wie Syrien wieder eine lebenswerte Zukunft für seine Menschen bieten könne. Deutschland und Europa hätten eine Verantwortung, den Wiederaufbau aktiv zu unterstützen.

    Neumann erinnerte daran, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls von internationaler Hilfe profitierte. Ein vergleichbares Engagement müsse auch für Syrien möglich sein. Besonders betonte er die Rolle der syrischen Community. Menschen, die in Europa oder Amerika gelebt haben, könnten eine entscheidende Rolle spielen, um eine demokratische und stabile Gesellschaft aufzubauen. Gleichzeitig müsse Deutschland dafür sorgen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte gleichberechtigt am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

    Integration als gesellschaftliche Verantwortung

     Während Neumann den Fokus auf den Wiederaufbau Syriens legte, hob Dirk Kalweit ( CDU) die Bedeutung der Integration in Deutschland hervor. Eine echte Gemeinschaft könne nur entstehen, wenn Menschen sich nicht in getrennten Gruppen bewegten, sondern den Austausch suchten, sei es in Vereinen, Bildungseinrichtungen oder politischen Initiativen.

    Kalweit stellte klar, dass Integration nicht nur eine Frage von Sprache oder Arbeit sei. Es gehe darum, langfristige Perspektiven zu schaffen. Wer in Deutschland eine dauerhafte Bleibeperspektive habe, müsse sich nicht nur sicher fühlen, sondern auch die Möglichkeit bekommen, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben. Gleichzeitig betonte er, dass es keine generelle Strategie zur Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft gebe, dies geschehe nur in extremen Fällen, etwa bei schweren Straftaten oder terroristischen Aktivitäten.

    Die Forderungen der syrischen Community

     Neben den politischen Stimmen kamen auch die Organisatoren selbst zu Wort. Mohammad Safwat Raslan machte deutlich, dass sich viele Syrer*innen in Deutschland längst als Teil der Gesellschaft verstehen, doch oft fehle es noch an echter Gleichberechtigung. „Wir sind keine Deutschen zweiter Klasse“, stellte er klar und forderte eine Politik, die Menschen mit Migrationsgeschichte nicht nur duldet, sondern aktiv einbindet.

    Besonders kritisch sieht Raslan die aktuellen Sanktionen gegen Syrien. Diese erschwerten nicht nur wirtschaftliche Entwicklungen, sondern auch humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau. Sein Appell an die Politik lautete daher: Deutschland müsse sich nicht nur finanziell, sondern auch strukturell für eine stabile Zukunft Syriens einsetzen.

    Moutasem Alyounes, Autor und Mitveranstalter, richtete seinen Blick auf die Werte des Grundgesetzes. Nach zehn Jahren in Deutschland sei die syrische Community längst ein fester Bestandteil der Gesellschaft. „Wir sind nicht mehr auf der Flucht. Wir sind hier, um die Gesellschaft aktiv mitzugestalten“, betonte er. Es sei essenziell, dass die Politik den Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft führe und dabei stets die Grundwerte der Verfassung wahre.

    Ein Abend, der nachhallt

     Die Veranstaltung im Unperfekthaus Essen zeigte eindrucksvoll, wie eng die Zukunft Syriens mit der Integration syrischer Menschen in Deutschland verknüpft ist. Während Stephan Neumann für eine stärkere internationale Unterstützung des Wiederaufbaus plädierte, setzte Dirk Kalweit auf mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Die syrischen Vertreter*innen wiederum machten deutlich, dass sie längst nicht mehr nur Schutzsuchende sind, sondern aktive Mitgestalter der Gesellschaft.

    Musikalisch untermalt wurde der Abend von Mohammad Khaled und der Ugarit Band, deren traditionelle Klänge eine emotionale Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schlugen. Sie erinnerten daran, dass Kultur und Identität nicht verloren gehen, sondern auch im Exil weiterleben.

  • “Ich möchte, dass sich alle von der Politik repräsentiert fühlen”

    Massieh, welche drei Worte beschreiben dich am besten?

    Ehrgeizig, empathisch, verantwortungsbewusst.

    Und warum?
    Wenn ich auf meine Vergangenheit schaue, dann war ich immer sehr ehrgeizig. In der Schule, während meines Studiums, in meinem zivilgesellschaftlichen Engagement, in meiner Selbstständigkeit und jetzt auch auf meinem Weg in die Politik. Ich kann mich sehr gut in die Gefühlswelt von Menschen einfinden, mit ihnen mitfühlen und dadurch verstehen, wie sie zu gewissen Schlüssen gekommen sind. Wenn ich mich einer Aufgabe annehme, wie beispielsweise dem Mandat für die Hamburgische Bürgerschaft, dann verpflichte ich mich mit allem, was ich bin, dieser Aufgabe. Und das mache ich, weil ich ein großes Verantwortungsbewusstsein verspüre und Menschen, die mir vertrauen, nicht enttäuschen möchte.

     

    „Der Rechtsruck der vergangenen Jahre hat mich in meinen Gedanken, in die Politik zu gehen, nochmal deutlich gestärkt“

     

    Du bist seit Jahren ehrenamtlich aktiv und setzt dich für soziale und politische Belange ein. Was bedeutet Ehrenamt für dich?
    Ehrenamtliches Engagement ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Ohne Ehrenamtliche wären viele gesellschaftliche Herausforderungen nicht gelöst worden. Der Staat hat nicht die Möglichkeit, alle Probleme zu lösen. Dafür braucht er die Bevölkerung, die sich ehrenamtlich engagiert. Menschen zu sehen, die sich ehrenamtlich engagieren und ihre Zeit spenden, um etwas Gutes zu bewirken, gibt mir Energie, um selbst weiterzumachen.

    Trotz beruflicher und privater Verpflichtungen hast du dich entschieden, politisch aktiv zu werden – und sogar für die Bürgerschaftswahl in Hamburg zu kandidieren. Gab es ein Schlüsselerlebnis, das deinen Weg in die Politik geprägt hat? 

    Der Rechtsruck der vergangenen Jahre hat mich in meinen Gedanken, in die Politik zu gehen, nochmal deutlich gestärkt. Die Enthüllungen von Correctiv Anfang 2024 waren dann quasi der letzte Auslöser. Ich möchte nicht, dass Menschen wie ich noch einmal fliehen müssen oder – Gott bewahre – in eine noch größere Gefahrensituation kommen. Mit Rechtsruck meine ich nicht nur die AfD, sondern auch die anderen Parteien, die sich von den Nazis vor sich her treiben lassen und teilweise zu ihrem Steigbügelhalter werden. Es ist gruselig, wenn man sich die Parallelen der heutigen Zeit zu den Jahren vor 1933 anschaut.

    Was motiviert dich auf diesem Weg? 

    Durchhaltevermögen, Disziplin und Einfühlsamkeit. Ein Zitat, das mich bislang mein ganzes Leben begleitet hat und dessen Interpretation ich den Leser*innen überlasse, stammt von meiner Mutter: „In Deutschland musst du [als Ausländer*in] immer doppelt so gut sein wie die Deutschen“. Auch wenn es mir wehtut, das so über die deutsche Gesellschaft zu sagen, glaube ich, dass es definitiv noch immer so ist. Als Mensch mit Migrationsgeschichte muss man strukturell viel mehr Hürden überwinden. Und das schafft man erst, wenn man an sich arbeitet und nicht aufgibt.

    Ich weiß, das hört sich gerade an wie ein Tipp von einem Lifecoach. Aber damit meine ich nicht sowas wie: „Du musst nur hart an dir arbeiten, dann wirst du es schon schaffen“. Nein, solche systemischen Hürden zu überwinden, braucht Zeit. Und wir brauchen Mutige, die sich dafür einsetzen, dass der Prozess zügiger vonstattengeht.

    Was möchtest du politisch erreichen?

    Ich möchte, dass alle Gruppen dieser Gesellschaft einen Zugang zu allen politischen Ebenen erhalten und sich von der Politik repräsentiert fühlen. Allen soll möglich sein, sich politisch zu beteiligen, Zugänge zu erhalten und sich einzubringen. Dadurch erhoffe ich mir, dass mehr gesellschaftliche Gruppen ein Teil unserer lebendigen Demokratie werden und sich ihr zugehörig fühlen. Denn wer sich der Gesellschaft zugehörig fühlt, wird sie auch schützen, wenn es darauf ankommt.

     

    „Ich setze einen großen Fokus auf politische Kommunikation über soziale Medien“

     

    Viele Menschen fühlen sich von der Politik übersehen. Wie stellst du sicher, dass deine politischen Botschaften verschiedene Menschen erreichen?

    Das ist eine wirklich wichtige Frage, die ich als Kandidat für die Hamburgische Bürgerschaft wahrscheinlich anders beantworte als ein gewählter Abgeordneter. Ich setze einen großen Fokus auf politische Kommunikation über soziale Medien. Das ist übrigens auch mein Beruf, als Soloselbstständiger. Und in diesem Zusammenhang kommentieren natürlich ganz viele unterschiedliche Menschen unter meinen Posts.

    Leider sind die meisten nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert. Ich versuche trotzdem, eine Brücke aufrechtzuerhalten. Sprich, auch wenn man meine Partei und ihre Positionen nicht mag, stehe ich zur Verfügung, um Positionen einzuordnen, zu erklären und damit auch Unterschiede aufzuzeigen.

    Wenn du einen Tag absolute Entscheidungsmacht in Hamburg hättest, welche drei Dinge würdest du sofort umsetzen?

    Bleiben die Dinge dann auch langfristig? Falls ja, dann würde ich in allen städtischen Institutionen eine Quote etablieren, dass bei Neuanstellungen 30 % Menschen mit Migrationsgeschichte eingestellt werden müssen. Zweitens würde ich eine große Investition in unser Bildungssystem vornehmen. Und drittens würde ich den Döner in Hamburg per Erlass auf fünf Euro festsetzen.

    Du kommst aus Bremen und hast einige Zeit im Ausland verbracht. Warum hast du dich letztlich für Hamburg als Lebensmittelpunkt entschieden?

    Nach meinem Abitur bin ich mit zwei Freunden für ein Jahr nach Kanada gegangen, um dort zu arbeiten und zu reisen. Das war eine sehr prägende Zeit. Als ich zurück nach Deutschland kam, bin ich sofort nach Hamburg gezogen. Hamburg war also die erste Station meines Studentenlebens. Die erste Station, wo es auch für mein Leben „ernster“ wurde. In Hamburg habe ich eine gemeinnützige Organisation aufgebaut, die jetzt seit zehn Jahren besteht. Wir saßen übrigens über viele Jahre im gleichen Co-Working-Space wie das kohero Magazin.

    Was bedeutet Hamburg für dich?

    Die Stadt hat zwar leider ein typisch norddeutsches Wetter, die Menschen sind aber sehr offen und herzlich. Ganz anders als manche behaupten. Und ich finde auch, dass es Hamburger*innen gar nicht nötig haben, immer auf Bremen zu schauen (lacht). Hamburg ist eine tolle Stadt. Seid stolz drauf.

    Zum Schluss, die wichtigste Frage: Was ist dein kulinarischer Geheimtipp für Hamburg?

    Das afghanische Restaurant „Ariana“ in der Nähe des Jungfernstiegs. Die eröffnen jetzt bald nach einem Umbau.

     

  • Trumps Migrationspolitik: radikal und rassistisch

    Seit knapp einem Monat ist Donald Trump erneut Präsident der Vereinigten Staaten – und hat bereits bewiesen, dass seine Pläne für die Migrationspolitik keine leeren Wahlversprechen waren. Trump setzt auf eine radikale Agenda, die ohne jegliche Tarnung rassistisch und menschenfeindlich ist. Diese Politik stellt den Selbstanspruch der USA als „Land der Freiheit und Möglichkeiten“ endgültig infrage.

    Seit seinem Amtsantritt hat Trump eine Reihe von präsidialen Dekreten („executive orders“) erlassen, die den Rahmen für eine massive Einschränkung der Rechte von Migrant*innen und Geflüchteten bilden. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem die verschärfte Militarisierung der südlichen Grenze, die Einführung eines „nationalen Notstands“ an der mexikanischen Grenze, die Inhaftierung von Migrant*innen nach Guantanamo Bay und die geplante Aufhebung des 14. Verfassungszusatzes, der allen in den USA Geborenen das Recht auf Staatsbürgerschaft, unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern, gewährt.

    Razzien in mehreren Großstädten führten bis Anfang Februar zu rund 9.000 Verhaftungen durch die US-amerikanische Sicherheitsbehörde ICE. Laut ICE-Direktor Caleb Vitello liegt das Tagesziel bei 1.200 bis 1.400 Festnahmen. Bereits in den ersten zwei Wochen nach Trumps Amtseinführung wurden mehr als 5.600 Menschen abgeschoben, die meisten von ihnen nach Mexiko und Zentralamerika.

    Einen besonders perfiden Charakter nimmt die neue Abschiebepolitik durch die geplante Inhaftierung von Migrant*innen in Guantanamo Bay an. Die US-Militärbasis Guantanamo Bay ist für viele Kubaner*innen ein Symbol für die Besatzung Kubas, weltweit jedoch vor allem als Ort berüchtigt, an dem nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York willkürlich muslimische Männer unter pauschalem Terrorverdacht und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert wurden. Trump hatte bereits Anfang des Jahres angekündigt, bis zu 30.000 inhaftierte Migrant*innen nach Guantanamo zu verlegen, vor knapp zwei Wochen wurden bereits die ersten Personen in das Gefängnis gebracht.

    Diese Entwicklungen in den USA können jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Auch in Europa und aktuell insbesondere in Deutschland wird der Migrationsdiskurs zunehmend repressiv geführt. Vorschläge wie die Kriminalisierung von Geflüchteten oder die Auslagerung von Asylverfahren in sogenannte „sichere Drittstaaten“ widersprechen internationalen Menschenrechtsstandards. Maßnahmen, die in Deutschland noch diskutiert werden, werden in den USA bereits umgesetzt. Eine gesellschaftliche Normalisierung findet aber bereits statt.

    Diese Parallelen zeigen eine bedrohliche Entwicklung: Demokratische Staaten verabschieden sich zunehmend von ihren eigenen humanitären Prinzipien. Während Trump rücksichtslos Fakten schafft, bereiten rechte politische Kräfte in Deutschland den Boden für eine Politik, die weitreichende negative Konsequenzen für Migrant*innen und Geflüchtete haben wird. Es bleibt zu hoffen, dass der Widerstand dagegen sowohl in den USA, als auch in Europa stark bleibt und wächst.

  • Bundestagswahl 25: Was planen die Parteien zum Thema Migration?

    Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Was sagen die einzelnen Parteien in ihren Wahlprogrammen zum Thema Migration? Hier findest du eine Übersicht der 7 Parteien, die voraussichtlich in den Bundestag einziehen werden. Jede Partei muss mehr als 5 % der Stimmen bei der Wahl bekommen oder 3 direkt gewählte Kandidat*innen haben, um in den Bundestag zu kommen.

    Migration war schon während der Ölkrise 1973 Thema im Bundestagswahlkampf. Auch 1983, als sich Kemal Altun während seines Abschiebungsprozesses das Leben nahm, war Migration eine wichtige Angelegenheit.

    Heute ist Migration das Hauptthema der Bundestagswahl. Rund 3,3 Millionen Geflüchtete leben derzeit in Deutschland, (4 % der Gesamtbevölkerung), rund ein Drittel davon kommen aus der Ukraine. Berücksichtigt bei dieser Zahl sind alle Menschen, die derzeit aus humanitären Gründen in Deutschland Schutz suchen – unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel. Dazu gehören Asylbewerber*innen ebenso wie anerkannte Flüchtlinge und geduldete Personen.

    Ein Viertel der Deutschen – ca. 20 Millionen – hat eine Einwanderungsgeschichte.

    Seit der letzten Bundestagswahl 2021 sind 500.000 Menschen neu eingebürgert worden, auch sie haben jetzt das Recht zu wählen.

    Viele Menschen wissen aber noch nicht, welche Partei sie wählen. Hier nun eine kurze Übersicht, was die Parteien zum Thema Migration in ihren Programmen haben.

     

     

    CDU

    • will eine Wende und die Kontrolle bei der Migration, fordert deutsche „Leitkultur“
    • „illegale“ Migration stoppen
    • faktischer Aufnahmestopp
    • kein subsidiärer Schutzstatus mehr
    • generelle Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit wieder abschaffen
    • Grenzkontrollen
    • Zurückweisungen an den Grenzen für alle, die Asyl wollen
    • Konsequente Umsetzung der Asylentscheidung
    • abgelehnte Asylbewerber*innen abschieben, auch nach Syrien und Afghanistan
    • unbegrenzter Ausreisearrest im Anschluss an Abschiebehaft
    • keine Aufnahmeprogramme
    • mehr sichere Drittstaaten und Rücknahmeabkommen
    • bei Ausreisepflichtigen nur Sachleistungen nach dem Grundsatz „Bett, Brot und Seife“
    • Sachleitungen und Bezahlkarten bei Asylbewerber*innen
    • Berufsqualifikationen einfacher und schneller
    • digitale Bundesagentur für Einwanderung (werben, vermitteln, Voraussetzungen prüfen, Visa und Aufenthaltstitel geben)
    • Integration muss gefördert, aber auch eingefordert werden

    Parteiprogramm der CDU

     

    SPD

    • wer auf Schutz angewiesen ist, erhält ihn
    • wer sich nicht an Regeln hält, muss gehen
    • humane und konsequente Rückführungen
    • Asylentscheidungen in 6 Monaten
    • Familienzusammenführung für subsidiär Schutzbedürftige bleibt bestehen
    • Schutz vor Diskriminierung, Rassismus, Ausgrenzung
    • humanitäre Seenotrettung
    • Integrationskurse ausbauen
    • Partizipationsgesetz
    • GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) soll 2026/27 reformiert werden.
    • deutlich transparentere, vereinfachte Anerkennung von Qualifikationen
    • Fachkräfteeinwanderung bei guter Integration erleichtern
    • Ankunftsstrukturen optimieren, Verfahren beschleunigen, Ausländerbehörden stärken
    • Fluchtursachen bekämpfen

    Link zum ganzen Parteiprogramm der SPD

     

    Die Linke

    • offenes und solides Einwanderungsrecht
    • humanitäre Visa
    • keine Pushbacks
    • effektive Bleiberechtsregelung für alle
    • Partizipationsgesetz
    • Recht auf Einbürgerung nach 5 Jahren, bisher zu hohe Hürden
    • Abschiebungen werden abgelehnt, Straftäter sollen reguläres Strafverfahren haben und Haftstrafen im Inland verbüßen
    • keine rassistischen Polizeikontrollen
    • Arbeitserlaubnis ab dem Tag der Ankunft
    • Geldleistungen statt Bezahlkarten
    • Beauftragte*r für muslimisches Leben
    • Qualifikationen schneller und unbürokratischer anerkennen, einfacherer Studienzugang
    • Fachkräfte durch bessere Arbeitsbedingungen sichern
    • Seenotrettung

    Parteiprogramm der Linken

     

    Die Grünen

    • Grundrecht auf Asyl
    • schnelle und faire Verfahren
    • Kirchenasyl bleibt
    • Prüfung aller Asylanträge in Deutschland
    • Fluchtursachen bekämpfen
    • Frauen in Afghanistan unterstützen
    • Syrien ohne Assad unterstützen
    • besseres Einwanderungssystem, da auf Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften angewiesen
    • Visa digitalisieren, Wartezeiten verkürzen
    • keine dauerhaften Binnenkontrollen
    • Sensibilisierung für Diversität bei Polizeiausbildung
    • Integrationskurse ab Ankunft
    • Seenotrettung ist humanitäre Verpflichtung

    Das Parteiprogramm der Grünen

     

    FDP

    • Einwanderungsgesetzbuch
    • einwandernde Fachkräfte erleichterte Einreise
    • Anerkennung ausländischer Fachkräfte drastisch vereinfachen
    • Abschiebungen aller ohne Bleiberecht, zuständig Bund
    • Einbürgerung nur, wenn Lebensunterhalt verdient wird
    • wer keine Chance auf Bleiberecht hat, soll nicht einreisen
    • Sprachtest im Vorschulalter, gegebenenfalls Sprachförderung
    • Sprach- und Integrationskurse trennen
    • anerkannte Schutzsuchende kein Bürgergeld, sondern neues Sozialgeld, weniger Sozialleistungen
    • mehr Rückführungen
    • Imame in Deutschland ausbilden

    Das Kurzwahlprogramm der FDP

     

    BSW

    • unkontrollierte Migration stoppen
    • Asylrecht wird missbraucht
    • Sprachtest für Kinder ab 3 Jahren
    • Asylverfahren in 3 Monaten abschließen
    • Schutz nach Straftaten aberkennen

    Bundeswahlprogramm vom BSW

     

     

    AfD

    • „deutsche Leitkultur“ statt Multikulturalismus
    • wer kein Bleiberecht hat, wird abgeschoben
    • Abschiebung von Straftätern und Gefährdern sowie nicht mehr schutzberechtigten Syrer*innen
    • Gewahrsamszentren an den Grenzen, Zurückweisungen
    • Asylindustrie eingrenzen
    • kein Bleiberecht für Geduldete
    • Ausbildungs-, Beschäftigungsduldung, Chancenaufenthaltsgesetz abschaffen
    • Punktesystem für Einwanderung, Quoten festlegen, nur qualifizierte Arbeitskräfte
    • in erster Linie hier lebende Erwerbsfähige qualifizieren
    • Einheimische bei Wohnraum und Grundstücksverkauf bevorzugen
    • Anspruch auf Bürgergeld erst nach 5 Jahren sozialversicherungspflichtiger Arbeit
    • mehrfache Staatsangehörigkeit (mit Ausnahmen für z. B. Unionsbürger) abschaffen
    • Einbürgerungsanspruch abschaffen
    • Einbürgerung erst nach 10 Jahren Aufenthalt und auch nur, wenn Loyalität feststeht
    • keine deutsche Staatsangehörigkeit ausländischer Kinder von Geburt an
    • Imame müssen C1 Sprachzertifikat haben und auf Deutsch predigen
    • Zweit- und Drittfrauen sollen kein Bürgergeld mehr erhalten
    • Widerrufsverfahren gegen subsidiär geschützte Syrer*innen
    • kein Schulunterricht für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können
    • Zwangs- und Kinderehen annullieren
    • Burka und Niqab verbieten, ein Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen und Schulen
    • Migrant*innen sollen B2 Sprachniveau in 2 Jahren erreichen
    • keine Förderung für Beratung von Ausländer*innen mehr
    • Seenotrettung im Mittelmeer sofort einstellen
    • Kirchenasyl abschaffen
    • Asylantrag nur mit gesicherter Identität
    • während des ganzen Asylverfahrens Unterbringung in zentralen Aufnahmeeinrichtungen
    • nur Sachleistungen, nur Existenzminimum während Dauer des Asylverfahrens
    • keine Aufnahmen von Schutzsuchenden aus Afghanistan mehr
    • Entzug des Aufenthaltstitels, wenn Reisen ins Herkunftsland erfolgen
    • kein Recht auf Sozialleistungen auch bei Anerkennung

    Das Bundestagswahlprogramm der AfD

     

    Auf der Seite der Tagesschau gibt es auch viele Informationen zur Wahl, ebenso auf der Seite der Deutschen Welle.

    So unterschiedlich die Parteiprogramme der einzelnen Parteien sind, alle migrationspolitischen Erwägungen sollten ihre Grenzen an der unantastbaren Würde des Menschen in Artikel 1 Grundgesetz und dem Recht auf Asyl in Artikel 16a des Grundgesetzes sowie der Genfer Flüchtlingskonvention finden. Deutschland ist ein Einwanderungsland und sollte die Bedeutung der Einwanderung für seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erkennen.

  • Wenn die Identität zum Verbrechen wird: afghanische Perspektiven nach der Tat in Aschaffenburg

    Als ich die Nachrichten über den Angriff eines afghanischen Asylbewerbers hörte, fühlte ich, wie etwas in mir zerbrach. Von diesem Moment an wusste ich, dass diese Nachricht unser Leben verändern würde. Der Nachrichtensprecher berichtete über die jüngste Entscheidung des deutschen Parlaments und erwähnte dabei, dass diese Entscheidung im Zusammenhang mit dem Angriff eines afghanischen Asylbewerbers auf Kinder in der Stadt Aschaffenburg stehe. Da ich meinen Sohn Kaihan kenne, weiß ich, dass er bald mit einer Reihe von Fragen auf mich zukommen wird. In Gedanken gehe ich die möglichen Fragen der nächsten Tage durch und überlege, wie ich die Last, die die Gesellschaft ihm für ein Verbrechen, das er nie begangen hat, aufbürden wird, verringern kann. Aber ich weiß, dass es fast unmöglich sein wird. Die Gesellschaft ist daran gewöhnt, in solchen Fällen zu verallgemeinern und die Grenze zwischen „uns“ und „den anderen“ deutlich zu ziehen.

    Am nächsten Tag sieht mich Kaihan mit entschlossenem Gesicht und zusammengezogenen Augenbrauen an und sagt mit einer Stimme, die von Sorgen durchzogen ist: „Papa, wann gehen wir nach Afghanistan zurück?“ Ich weiß, dass ihn diese Frage die ganze Nacht beschäftigt hat und dass diese Worte das Ergebnis all seiner Analysen sind. Seine Frage besteht aus nur sechs Worten, ist aber direkt und präzise. Doch in meinem Kopf spielt sich ein ganzes Buch ab, und als ich antworten will, finde ich keine Worte.

    Kurz darauf zeigt mit ein Freund eine Nacheicht auf seinem Handy. „Sieh mal“, sagte er und seufzt, „das ist die Nachricht, die ich gestern Abend bekommen habe. Er hat geschrieben, dass er nicht mehr zu uns nach Hause kommen kann.“ Seine Hände waren fest ineinander verschränkt, und ich konnte nichts dazu sagen. Der Freund hatte geschrieben: „Wenn wir uns noch einmal treffen, dann sicher nicht mehr in deinem Haus, sondern draußen.“

    Am nächsten Tag sprach meine Frau mit ihrer syrischen Freundin, die sagte, dass sie früher jeden Abend spazieren ging, aber jetzt aus Angst vor den Reaktionen von Extremisten nicht mehr den Mut dazu hat, das Haus zu verlassen. Wenn du jetzt auf die Straße gehst, sind die Blicke schwerer als je zuvor. Jeder Schritt, den ich mache, fühlt sich an, als würden unsichtbare Steine auf mich geworfen. Manchmal ändere ich meinen Weg und nehme längere, aber ruhigere Strecken. Es ist, als hätte ich selbst akzeptiert, ein Verbrecher zu sein, der sich von der Öffentlichkeit fernhalten muss.

    Ich denke an Politiker*innen, die anstatt die realen Probleme zu lösen, lieber die Schuld auf uns schieben. Politiker*innen, die anstatt die Wirtschaft zu reformieren und die Energiekrise zu bewältigen, Migrant*innen als Sündenböcke benutzen. Sie erinnern mich an die afghanischen Politiker*innen!

    Der Tod eines Menschen ist vielleicht das Bitterste, was der Menschheit widerfahren kann, und es gibt kaum Worte, die die Schrecken und das Leid ausdrücken können, wenn jemand ein Kind tötet. Meine Gedanken wandern zurück zu den tragischen Momenten in Aschaffenburg. Plötzlich hallten wieder Schüsse in meinem Kopf, und ich erinnerte mich an das Weinen der Mütter, das das Lächeln der Neugeborenen ersetzt hatte, Mütter, die selbst im Blut lagen. Es war im Jahr 2020, als Terroristen in eine Entbindungsstation in Kabul eindrangen und 24 neugeborene Babys und schwangere Frauen töteten sowie 16 weitere Menschen verletzten. Die Gesellschaft war schockiert, aber unsere Kinder waren zum Sterben verurteilt, weil wir angeblich für demokratische Werte kämpften – etwas, das für die Extremisten als Ketzerei galt und dessen Auslöschung ihnen den Weg zum Paradies ebnen sollte.

    Kabul liegt vielleicht Tausende von Kilometern entfernt, aber Angst und Hass kennen keine Grenzen. Jetzt, hier in Deutschland, fließt dieselbe Angst durch meinen Geist.

    Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe oder Nationalität, können überall auf der Welt Opfer von Gewalt werden. Ich denke mir: Vielleicht sind die Eltern dieses ermordeten marokkanischen Kindes ebenfalls vor solchen Gräueltaten geflohen, um in Deutschland eine sichere Zukunft aufzubauen. Doch nun ist dieses unschuldige Kind nicht mehr unter uns. Laut Polizei war der Täter kein Terrorist, sondern eine psychisch kranke Person, die aufgrund von Mängeln oder Versagen im Gesundheitssystem unbeaufsichtigt blieb. Das soll die individuelle Verantwortung des Täters nicht mindern, aber es stellt die Frage: Hätte diese Tragödie verhindert werden können, wenn der Täter rechtzeitig die notwendige Behandlung erhalten hätte?

    Da ich Sozialwissenschaften studiere, setze ich meine soziologische Brille auf und frage mich: Ist dies die „moralische Panik“, die ich an der Universität lerne? Aber wenn du selbst im Zentrum davon stehst, ist es mehr als nur ein wissenschaftlicher Begriff – du spürst die Bitterkeit in jedem Blick, jedem Flüstern und jeder Schlagzeile.

    Für mich ist es jedoch die populistische Politik der Politiker*innen, die alles dem Machtstreben opfert, die unerwartet bitter ist. Dies ist nicht das, was ich in Deutschland erwartet hatte. Die Politiker*innen kennen die andere Seite der Medaille. Sie wissen, dass Verbrechen individuell sind und die Unschuldigen nicht darunter leiden sollten.

    Doch trotzdem predigen sie Hass. Sie wissen genau, dass ihre Worte und die Erwähnung der Nationalität eines Verbrechers Unschuldige gefährden können, und dennoch wählen sie die einfache, gefährliche Rhetorik.

    Ich frage mich: Wird mein Kind irgendwann glauben, dass es allein wegen seiner afghanischen Herkunft schuldig ist? Solche verinnerlichten Schuldgefühle könnten dazu führen, dass sich die nächste Generation ebenfalls nicht integrieren kann.

    Die Geschichte hat uns wiederholt gezeigt, dass populistische Politiker*innen Krisen nutzen, um Feindbilder zu schaffen. Von den Jüd*innen im Deutschland der 30er bis zu den heutigen Migrant*innen – das Opfern von Minderheiten wird als einfache Lösung präsentiert. Wie lange müssen wir noch die Last einer Schuld tragen, die wir nie auf uns geladen haben? Vielleicht wird eines Tages Kaihan selbstbewusst auf der Straße spazieren gehen, ohne sich vor den schweren Blicken fürchten zu müssen.

    Aber dieser Tag erfordert Veränderung – eine Veränderung, die heute beginnen muss und von Menschen getragen wird, die nicht auf die populistischen rechten Politiker*innen hereinfallen und an die menschlichen Werte glauben.

     

  • Wie wählen Menschen mit Migrationsgeschichte?

    Laut dem Integrationsbarometer 2017 beteiligen sich nur zwei von drei wahlberechtigten Menschen mit Migrationsgeschichte an der Bundestagswahl. Warum ist das so? Liegt es daran, dass politische Parteien diese wachsende Wähler*innengruppe nicht gezielt ansprechen?

    Diese Fragen hat das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in einer Studie untersucht, die zwischen Dezember 2023 und März 2024 durchgeführt wurde. Dafür wurden 2.689 Personen befragt – darunter 248 selbst Zugewanderte, 393 Kinder von Zugewanderten und 2.048 Personen ohne Migrationsgeschichte.

    „Mit der Staatsbürgerschaft ist es nicht erledigt“

    Anlässlich der anstehenden Bundestagswahl wurden die Ergebnisse am Freitag, den 24. Januar, in einer Pressekonferenz vorgestellt. Dr. Friederike Römer, Co-Leiterin der Abteilung “Konsens & Konflikt” am DeZIM, präsentierte zentrale Ergebnisse der Kurzstudie und diskutierte sie mit apl. Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (Universität Wien) und Yunus Ulusoy (Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung).

    ,,Die Wahlbevölkerung mit Migrationshintergrund wird in Zukunft wachsen. Es muss noch viel getan werden, um diese Gruppen besser am politischen Willensbildungsprozess teilhaben zu lassen‘‘, so Römer. ,,Das Thema ist mit Erlangen der Staatsbürgerschaft nicht erledigt.‘‘ Ihrer Meinung nach sollten sozialpolitische Themen stärker in den Fokus rücken, um Wähler*innen mit Migrationsgeschichte gezielt anzusprechen. Besonders wichtig seien Anknüpfungspunkte wie Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, Lücken im Lebenslauf oder vorurteilsfreie Kriminalprävention.

     

    Welche Parteien überzeugen – und welche nicht?

    Ein Teil der Studie hat untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Befragten verschiedene Parteien wählen. Das Ergebnis: Die SPD liegt insgesamt vorne, besonders bei Menschen mit europäischer sowie türkischer, nahöstlicher und nordafrikanischer Migrationsgeschichte.

    Die AFD hat zwar insgesamt das geringste Wählerpotenzial, erreicht aber in allen Gruppen etwa 20 %. Besonders auffällig: Unter postsowjetischen Befragten liegt der Wert sogar bei 29,2%. Gleichzeitig schneidet die CDU/CSU in dieser Gruppe am besten ab – mit 68,7 %. Ganz anders sieht es bei Menschen mit türkischer, nahöstlicher und nordafrikanischer Herkunft aus: Sie zeigten eine stärkere Neigung zu den Linken und zum Bündnis Sahra Wagenknecht.

    Misstrauen, wirtschaftliche Sorgen und die Angst vor Rechtsextremismus

    Was bewegt Menschen mit Migrationsgeschichte politisch? Die häufigsten Antworten: Wirtschaftliche Unsicherheit, Inflation, sozialer Zusammenhalt und Klimawandel. Ein Punkt fällt besonders auf: 14,4 % der Befragten mit türkischer, nahöstlicher oder nordafrikanischer Herkunft nannten Rechtsextremismus als eine der größten Sorgen – in der Gruppe der postsowjetischen Befragten waren es nur 4,7 %.

    Hinzu kommt ein generelles Misstrauen gegenüber politischen Parteien. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte sehen sie nicht als Problemlöser. Dies liegt unter anderem an fehlendem Vertrauen in das politische System, mangelnder Informationen oder eigener Diskriminierungserfahrung. „Für mich waren nur migrationsbezogene Faktoren ausschlaggebend. Also, welche Partei nimmt mich wahr und akzeptiert mich?“, berichtet Yunus Ulusoy aus seiner eigenen Erfahrung. „Das war in den 2000er Jahren für uns entscheidend. Für die 3. Generation ändern sich diese Vorstellungen.“

    Ein weiteres Ergebnis: Menschen mit Migrationsgeschichte machen sich häufiger Sorgen um ihre finanzielle Zukunft. 63,4 % gaben an, dass sie sich um ihre wirtschaftliche Situation Gedanken machen. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund waren es 46,7 %. Auch Altersvorsorge, Wohnsituation und Kriminalität werden häufiger als Probleme genannt.

    Obwohl Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Diskurs oft als Täter*innen dargestellt werden, äußerten viele von ihnen Sorgen, selbst Opfer von Straftaten zu werden. Ein Widerspruch, der zeigt, wie stark sich gesellschaftliche Vorurteile und persönliche Unsicherheiten überlagern.

  • Einbürgerung in Deutschland – mehr als nur ein Pass 

    Im Jahr 2023 erhielten in Deutschland 75.500 syrische Staatsangehörige die deutsche Staatsbürgerschaft – ein Anstieg von 56 % im Vergleich zum Vorjahr. Mit einem Durchschnittsalter von 24,5 Jahren und einem Männeranteil von 64 % stellten sie die größte Gruppe unter den Eingebürgerten dar. Dieser Zuwachs hängt eng mit der hohen Zuwanderung syrischer Schutzsuchender in den Jahren 2014 bis 2016 zusammen, die inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen.

    Rund 37 % der eingebürgerten Syrer*innen waren Ehepartner*innen oder minderjährige Kinder, die ohne Mindestaufenthaltsdauer eingebürgert wurden. Auch türkische und irakische Staatsangehörige gehörten mit jeweils 10.700 Einbürgerungen zu den größeren Gruppen. Während die Einbürgerungen irakischer Staatsangehöriger um 57 % stiegen, gingen die Zahlen bei türkischen Staatsangehörigen um 25 % zurück.

    Einbürgerung als pragmatische Erleichterung

    Seit elf Jahren lebt Hassan (34) in Deutschland und arbeitet als Ingenieur in Dortmund. Für ihn ist die Einbürgerung eine pragmatische Erleichterung im Alltag. „Der deutsche Pass erleichtert mein Leben ungemein. Ich muss mich nicht mehr mit Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen herumschlagen, und das Reisen ist einfacher geworden“, sagt er. Doch Hassan teilt auch eine oft gehörte Ambivalenz: „In meinem Herzen bleibe ich Syrer. Das ist meine Kultur, und das wird sich nicht ändern.“ Für ihn bedeutet die deutsche Staatsbürgerschaft Sicherheit und Stabilität – jedoch keine Aufgabe seiner Identität.

     „Deutschland ist meine Heimat, ich habe keine andere“

    Bei Dania (25) ist das ein wenig anders. Als Teenagerin kam sie mit ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland. Heute arbeitet sie als Lehrerin in Dortmund und empfindet ihre Einbürgerung als entscheidenden Schritt, um sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. „Deutschland ist meine Heimat. Die Staatsbürgerschaft ist für mich ein Zeichen, dass ich dazugehöre und mitgestalten kann – als Lehrerin und als Bürgerin“, erzählt sie.

    Doch auch Dania ist Vorurteilen begegnet: „Kommentare wie ‚Du sprichst aber gut Deutsch!‘ zeigen, dass einige Menschen noch Schwierigkeiten haben, Deutschland als Einwanderungsland zu akzeptieren.“ Für die 25-Jährige bleibt Syrien ein Teil ihrer Identität, aber Deutschland ist das Land, in dem sie ihre Zukunft sieht: „Ich bin Deutsche – mit allem, was dazugehört.“

    Zwischen Akzeptanz und Ausgrenzung

    Ammar, 29, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und im Empfangsbereich eines Hotels arbeitet, zeigt eine eher nüchterne Sicht auf die Einbürgerung. „Der deutsche Pass ist für mich vor allem ein Reisedokument. Er gibt mir Bewegungsfreiheit und eröffnet Möglichkeiten“, sagt er. Doch emotional fühlt er sich nicht vollständig integriert: „Trotz der Staatsbürgerschaft bleibt das Gefühl der Fremdheit. Man gehört nicht ganz dazu.“ Ammar sieht eine gesellschaftliche Herausforderung, die weit über das Erlangen eines Passes hinausgeht: „Viele sehen in mir immer noch den Ausländer. Das zeigt sich besonders in Fragen wie ‚Wo kommst du wirklich her?‘“

     „Die Staatsbürgerschaft verändert nicht alles“

    Auch Mohammed (41), Restaurantinhaber in Essen, hat eher gemischte Gefühle zur Einbürgerung: „Natürlich hat der deutsche Pass viele Vorteile, aber er hat nicht alles verändert.“ Wie viele andere spürt auch er, dass die Staatsbürgerschaft nicht automatisch soziale Gleichberechtigung bringt. „Man wird oft anders behandelt – ob bei Behörden oder Bewerbungen.“ Trotzdem sieht Mohammed die Einbürgerung als wichtigen Schritt: „Es ist ein Zeichen, dass ich mich für dieses Land entschieden habe. Jetzt liegt es an der Gesellschaft, uns alle gleichzubehandeln.“

    Zwischen rechtlicher Anerkennung und gesellschaftlicher Akzeptanz

    Die Erfahrungen von Hassan, Dania, Ammar und Mohammed zeigen: Die deutsche Staatsbürgerschaft ist für viele ein Meilenstein, aber sie beseitigt nicht alle Hürden. Deutschland ebnet zwar rechtlich den Weg für Inklusion, die soziale Anerkennung bleibt jedoch ein fortlaufender Prozess – denn echte Gleichberechtigung erfordert mehr als einen Pass. Ammar formuliert es ganz treffend: „Der deutsche Pass bietet Chancen, aber das Gefühl, wirklich Teil dieses Landes zu sein, hängt von der Akzeptanz der Gesellschaft ab.“

  • Das Integrationsparadoxon

    Es war einer dieser Tage, an denen alles schiefzugehen schien. Schon seit den frühen Morgenstunden kam es mir so vor, als wäre die Welt gegen uns. Mein Partner und ich stießen auf Menschen, die uns das Leben schwer machten, und jede Begegnung fühlte sich an wie ein kleiner Kampf. Am Abend waren wir erschöpft, ausgelaugt von diesem endlosen Strom aus Frustrationen. Um den Tag wenigstens halbwegs versöhnlich ausklingen zu lassen, beschlossen wir, in die Stadt zu fahren. Wir nahmen den Bus und ließen uns von der Bewegung mitziehen.

    Während wir fuhren, redeten wir – über Gott und die Welt, wie wir es oft tun, wenn wir Abstand suchen. Unser Gespräch floss dahin, bis ein älteres Ehepaar uns gegenüber Platz nahm. Ich dachte mir zunächst nichts dabei und sprach weiter mit meinem Partner. Diesmal ging es um die Unterschiede zwischen einem Jurastudium und der Polizeiausbildung – ein Thema, das uns immer wieder beschäftigte. Als wir an unserer Haltestelle ankamen, stiegen wir aus, und alles fühlte sich so normal an wie immer. Doch plötzlich blieb mein Partner stehen und sagte: „Hast du gemerkt, wie sich unsere Wortwahl verändert hat, als die beiden sich hingesetzt haben? Wir reden normalerweise nicht so miteinander.“

    Seine Worte trafen mich unerwartet. Zunächst schüttelte ich den Kopf. Nein, ich hatte nichts bemerkt. Doch als ich darüber nachdachte, wurde mir klar: Er hatte recht. Irgendetwas war anders gewesen, als das Ehepaar da war. „Ich habe jedenfalls nichts bewusst verändert“, sagte ich zögernd. „Das sind Automatismen“, antwortete er nachdenklich. „Wir sind junge Ausländer, die in der Gesellschaft nach ihrem Platz suchen. Wir merken gar nicht mehr, wie wir uns anpassen, sobald wir uns beobachtet fühlen.“ Diese Worte hallten in mir nach. Sie deckten eine Wahrheit auf, die ich bisher nicht wirklich sehen wollte. Wie oft hatte ich mich selbst schon verstellt, ohne es zu merken? Wie oft hatte ich versucht, zu gefallen, um dazuzugehören, in einer Gesellschaft, die mich oft nur zögerlich akzeptierte? „Hm“, war alles, was ich herausbrachte. Doch in meinem Inneren machte sich ein bitterer Gedanke breit: Ich verändere mich aus Angst vor Ablehnung. Ich dachte an den Morgen zurück, als ich mich – wieder einmal – verstellt hatte, um bei einer deutschen Person einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich erinnerte mich an den subtilen Blick, der mich in eine Schublade steckte, und an mein eigenes Verhalten, das sich dieser Schublade sofort angepasst hatte. Ich hatte mitgespielt, weil ich es so gelernt hatte.

    Später am Abend, als ich endlich zur Ruhe kommen wollte, stieß ich auf einen Artikel. Ein Psychiater, der mit Geflüchteten arbeitete, sagte darin etwas, das mich tief traf: „Jeder kann sich vorstellen, wie es einem geht, wenn man nirgendwo willkommen ist und ständig als Sündenbock herhalten muss. Die Ablehnung führt zu Verunsicherung. Die Verunsicherung führt zu mehr Ängsten. Und Ängste verstärken psychische Probleme.“ Ich las diese Worte, als wären sie für mich geschrieben. Sie brachten auf den Punkt, was ich seit Jahren fühlte, aber nie so klar benennen konnte. Doch an diesem Abend war ich zu müde, um diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Das Integrationsparadoxon – die ständige Suche nach Akzeptanz in einem Umfeld, das einem immer ein Stück fremd bleiben wird – das musste warten.

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  • 70 Jahre BMFSFJ: Plädoyer für Vielfalt

    Sehr geehrte Frau Ministerin Paus, liebe Gäst*innen,

    70 Jahre BMFSFJ – herzlichen Glückwunsch! Und ganz herzlichen Dank für Ihren Einsatz für die Gleichstellung der Geschlechter! Wer hätte 1954 gedacht, dass wir uns heute kaum noch ausmalen können, dass Frauen einmal nicht eigenständig ein Bankkonto eröffnen durften? Diese ungläubige Empörung über das Unvorstellbare der Vergangenheit verdeutlicht, wie weit wir gekommen sind. Ich freue mich sehr, mit Ihnen diese Errungenschaften feiern zu können.

    Unsere Gesellschaft wurde definitiv geschlechtergerechter. Aber wir haben heute ganz neue Herausforderungen. Wir wurden älter. Und wir wurden zwar vielfältiger, aber auch rechter.

    Die Durchschnittsdeutsche, die 1954 noch 36 Jahre alt war, ist heute um knapp zehn Jahre gealtert. Auch wenn wir jungen Menschen kontinuierlich zur Minderheit werden, dürfen unsere Ideen und Bedürfnisse nicht gleichlaufend marginalisiert werden! Die Last auf unseren Schultern wird nicht weniger, nur weil wir weniger werden. Im Gegenteil!

    In der Kindheit werden die Grundsteine für das spätere Leben gelegt. Aber nicht jedes Kind bekommt das gleiche Gerüst. Struktureller Rassismus zwingt uns migrantisierte Kinder, früher erwachsen zu werden. Unsere Realität ist eine andere, mit zusätzlichen Lasten.

    Wir müssen uns mit Dingen beschäftigen, über die sich Kinder eigentlich keine Gedanken machen sollten. So möchten wir verstehen, warum wir von Fremden häufig zuerst auf Englisch statt auf Deutsch angesprochen werden. Wir müssen uns früh mit der Frage nach unserer eigenen Herkunft auseinandersetzen – nicht, weil wir es selbst reflektieren möchten, sondern weil andere es uns aufdrängen und damit unser eigenes Sein, unsere Identität infrage stellen.

    Wir verbringen vielleicht nicht alle Nachmittage auf Spielplätzen, sondern manche mit dem Übersetzen amtlicher Briefe – dem Unkindhaftesten überhaupt – und werden so zu care takern unserer eigenen Familien. Vielleicht lernen wir sogar früh, dass wir uns selbst für Süßigkeiten im Cent-Bereich einen Kassenbon geben lassen sollten, damit der Ladendetektiv uns nicht festhält, weil er denkt, der gekaufte Lolli sei geklaut.

    Und wir haben existenzielle Sorgen über unsere Zukunft in Deutschland. Seit Januar dieses Jahres, seit der sogenannten „Remigrationskonferenz“ und der Normalisierung rechtspopulistischer Forderungen, seitdem frage ich mich erstmals ernsthaft, ob meine Zukunft hier noch so bedingungslos stattfinden kann, wie ich immer dachte. Wo wäre eigentlich mein Zufluchtsort? Wo könnte ich eines Tages leben, sollte Deutschland nicht mehr mein Zuhause sein können? Ich bin ein Kind der Migration. Menschen, die Migration nicht im Land haben wollen, wollen mich nicht im Land haben.

    Ganz ehrlich, ich fühle mich oft machtlos. Dinge, die vor Jahren noch rechte Politiker:innen sagten, bei denen wir empört aufschrien, sind jetzt Teil des normalen Diskurses. Lassen Sie uns bitte vermeiden, dass die Mitte rechte Erzählungen aufnimmt. Dass wir die hart erkämpften Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zunichtemachen. Wir stehen doch eigentlich gemeinsam zusammen für eine diverse, solidarische Gesellschaft. Lassen Sie uns solche Allianzen schmieden! Zum Schutz der Menschenrechte, für Chancengerechtigkeit und dafür, dass jeder Mensch so leben kann, wie er ist.

    Wir dürfen uns nicht durch den Ausschluss des vermeintlich Fremden definieren – dadurch verlieren wir mehr als „nur“ uns migrantisierte Menschen: Wir verlieren unsere Diversität. Und Diversität ist eine riesige Bereicherung. Diversität lehrt, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Anpassungsfähig zu sein in Zeiten voller Ungewissheit. Sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen. Offen und empathisch zu sein. Diversität ist der Grundpfeiler einer lebendigen Demokratie.

    In unserer aktuellen Jugend steckt enormes Potenzial. Wir sind diverser denn je. Unsere Lebensrealitäten haben es uns gelehrt, unseren Platz einzufordern. Und wenn ich mir meine Generation anschaue, dann bin ich hoffnungsvoll. Denn wir sind laut, bereit für unsere Rechte zu kämpfen. Wir sind aktivistisch, engagiert und gehen für Gerechtigkeit auf die Straße. Nutzen Sie dieses Potenzial! Verstehen Sie uns als unhinterfragten Teil der (deutschen) Zukunft. Lassen Sie uns diese Zukunft mitgestalten.

    Jeder Mensch ist einmal ein Kind gewesen. Niemand kann beeinflussen, in welchen Verhältnissen die Kindheit gelebt wird. Aber wir haben die Verantwortung, die Startbedingungen jeder Kindheit gerecht zu gestalten. Wir müssen die vielfältigen Realitäten junger Menschen in Deutschland erkennen, anerkennen, und als Ausgangspunkt unserer Bemühungen nehmen.

    In 70 Jahren bin ich 95. Ich hoffe sehr, dass Deutschland da noch mein Zuhause ist. Dass meine Kinder und Kindeskinder mehr Möglichkeiten haben. Dass sie frei von fremden Zuschreibungen ihre eigenen Themen setzen können. Vielleicht sind wir sogar ungläubig empört darüber, dass es mal eine Zeit gab, in der nicht alle Kinder wirklich Kinder sein konnten.

    Kämpfen wir gemeinsam für diese Zukunft!

    Vielen Dank allen, mit denen wir im Vorfeld der Rede gemeinsam sammelten, was uns migrantisierte Jugend und Jugend, die sich gegen Rechts einsetzt, bewegt. 

  • Neuwahlen in Deutschland – Was bedeutet die politische Unsicherheit für Migrant*innen?

    Die politische Lage in Deutschland ist derzeit angespannt und von Unsicherheit geprägt, besonders für Geflüchtete und Migrant*innen. Der Bruch der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat die Stabilität im Bundestag erschüttert. Bundeskanzler Olaf Scholz ist für eine Vertrauensabstimmung vor der Weihnachtspause offen, um die Legitimität seiner Regierung zu prüfen. Scheitert diese, könnten im Januar Neuwahlen folgen. Viele Migrant*innen und Geflüchtete sind besorgt, besonders angesichts der steigenden Umfragewerte für AfD und CDU, die eine zunehmend unfreundliche Migrationspolitikvertreten.

    Für Mariam, eine 20-jährige Studentin an der Technischen Universität Dortmund mit Migrationshintergrund, bedeutet die aktuelle Entwicklung wachsende Unsicherheit. „Ich habe mein Studium begonnen und möchte hier eine Zukunft aufbauen. Doch wenn ich an die politischen Entwicklungen denke, frage ich mich, ob Deutschland für Menschen wie mich noch offen bleibt“, sagt sie. Mariam gehört zu einer Generation, die sich hier integriert, Deutsch gelernt und den Wunsch entwickelt hat, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Die wachsende Akzeptanz migrationskritischer Parteien lässt sie jedoch um ihre Zukunft in Deutschland bangen.

    Mohammed, 34 Jahre alt, führt einen Lebensmittelladen in der Dortmunder Nordstadt und hat sich mühsam eine Existenz aufgebaut. „Ich habe ein Geschäft und zahle Steuern. Viele meiner Kunden sind Deutsche, die gerne bei mir einkaufen. Aber was, wenn ich mein Bleiberecht verliere oder mein Geschäft durch verschärfte Gesetze bedroht wird?“ Seine Sorge zeigt, wie politische Veränderungen selbst erfolgreiche Integration und beruflichen Erfolg gefährden könnten.

    Ali, seit sechs Monaten in Deutschland, lebt in ständiger Unsicherheit. Er hat als Geflüchteter viele Hoffnungen auf Deutschland gesetzt, doch die Angst vor möglichen Abschiebungen und die Ungewissheit über seinen Aufenthaltsstatus belasten ihn sehr. „Ich habe in Deutschland Schutz gesucht. Jetzt fühle ich mich wie ein Spielball der Politik“, erklärt Ali und hofft auf eine stabilere Perspektive, die es ihm erlaubt, Wurzeln zu schlagen.

    „Deutschland hat sich verändert“

    Saeed, 59, Taxifahrer im Ruhrgebiet, beobachtet die Entwicklungen in Deutschland seit Jahrzehnten – und das mit gemischten Gefühlen. „Deutschland hat sich sehr verändert, seit ich hergekommen bin. Bis zur Merkel-Ära war alles besser, stabiler. Aber diese Regierung fährt das Land weiter an die Wand“, sagt Saeed. Auch er spricht sich für Neuwahlen aus, ist jedoch besorgt über die Möglichkeit eines konservativen Regierungswechsels. „Wir brauchen eine neue Regierung, aber ich möchte nicht, dass Merz Kanzler wird und eine Politik gegen Migranten macht“, sagt er.

    Saeed hat sich in Deutschland fest etabliert und wünscht sich eine Politik, die die Arbeit und Integration von Menschen wie ihm respektiert und unterstützt. Seine Kinder und Enkel sind in Deutschland geboren und er hofft auf eine Zukunft, in der sie sich weiterhin sicher und angenommen fühlen können.

    Die wachsende Popularität der AfD sorgt bei vielen Migrant*innen für Unruhe. Die Partei fordert strengere Asylregelungen und setzt sich für konsequente Abschiebungen ein. Für Menschen, die sich bereits integriert haben oder dies anstreben, sind diese Entwicklungen beunruhigend. „Selbst wenn wir arbeiten und uns anpassen, gibt es immer noch viele, die uns hier nicht haben wollen“, sagt Mariam und spricht damit eine Sorge aus, die viele teilen.

    Zivilgesellschaftliche Organisationen und Integrationsverbände betonen, wie wichtig es ist, diesen Sorgen mit Respekt und Verständnis zu begegnen. Sie warnen davor, dass das Erstarken migrationskritischer Kräfte das gesellschaftliche Zusammenleben belastet und die Integrationsarbeit der vergangenen Jahre untergraben könnte.

    In dieser ungewissen Lage hoffen viele Migrant*innen und Geflüchtete auf politische Maßnahmen, die ihnen langfristige Perspektivenbieten. Eine Politik, die Integration unterstützt und rechtliche Sicherheit bietet, könnte helfen, bestehende Ängste zu mildern und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Saeeds Wunsch nach einer stabilen und inklusiven Politik ist repräsentativ für viele, die sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen möchten.

    Liebe Grüße
    Emad

    Online-Redaktion

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