Schlagwort: Musik

Veranstaltung, Kunst

  • Lena Chamamyan: Liebe, Flucht und Frieden

    Mit roten Haaren, die man selten in Syrien finden kann und mit einer faszinierenden Stimme singt Lena Chamamyan auf der Bühne. Für sie ist Musik ein Instrument, um den Schmerz der Flucht und die Gefühle auszudrücken.

    Lieder über Flucht und Liebe

    Das Leben im Exil ist ein Spiegel. Du stehst ehrlich davor. Das bist du und du kannst nicht entkommen oder lügen. Du hast gar nichts und musst trotzdem überleben“,  sagt die Sängerin in einem Interview mit dem Flüchtling-Magazin. Sie lebt seit 2012 in Paris. Wie viele Syrer befand sie sich in einem grausamen Krieg und musste fliehen und alles zurücklassen.

    In ihrem ersten Album im Exil Ghazel El Banat, auf Deutsch “ Zuckerwatte“, spricht Lena aus ihrer persönlichen Erfahrung den Krieg in Syrien und die Flucht nach Europa an. Sie richtet sich mehrmals auch an Frauen. Lena ist nicht nur eine Sängerin, die eine atemberaubende Stimme hat, sondern sie schreibt die Liedtexte und komponiert manchmal ihre Musik selbst und stellt sich als eine Musikerin vor. Europa bringt mir die Unabhängigkeit bei“, meinte sie.

    Sie wehrt sich dagegen, Syrer, die vor dem Krieg geflüchtet sind, auf den Begriff  ‚Flüchtling‘ zu reduzieren. Ich finde das Wort Flüchtling verletzend. Ein Flüchtling sollte Survivor genannt werden, denn er ist ein Überlebenskämpfer“, sagte sie in einem Interview mit SWR.

    Integration mit syrischer Identität

    Nach dem Konzert trifft Chamamyan sich immer mit vielen Syrern.  Dann tauschen sie ihre Geschichten aus. In Dresden habe ich einige Syrer getroffen, die derzeit Medizin studieren. Ich bin sehr stolz darauf, wenn ich die Syrer sehe, die Deutsch sehr schnell gelernt haben und nun deutsche Unis besuchen konnten. Sie haben sich integriert und trotzdem ihre syrische Identität aufrechterhalten“, sagte Chamamyan.

    Was mich auch freut, das sind syrische Journalisten, die jetzt in den deutschen Zeitungen und Magazinen schreiben. Es ist nicht nur Integration, sondern Umprogrammierung des Gehirns fürs Engagment in der Gesellschaft“,  sagt sie dazu.

    Bei ihrem letzten Besuch in Berlin organisierte Lena ein Konzert und war erstaunt, dass so viele Syrer sich hier integrieren konnten und viele syrische Geschäfte in Deutschland eröffnet haben.

    Wenn sie Syrien vermisst, dann kommt sie nach Deutschland. Dort kann sie die syrischen Gewürze noch einmal riechen und syrische Süßigkeiten essen.

    Musik ist eine Brücke zwischen den Kulturen

    Chamamyan trat in den vergangenen Jahren in Deutschland, Kanada, verschiedenen arabischen und europäischen Länder auf und sang mehrmals auf den deutschen Bühnen. Ihr Ziel ist es, die syrische Kultur weltweit zu verbreiten und zu betonen, dass der Krieg in Syrien nur eine kurze Phase in der Geschichte Syriens sei. Wir kommen aus einem alten Ort und haben ein großartiges kulturelles Erbe, das wir in jeder Gesellschaft hinzufügen können“, sagte sie in einem Telefongespräch.

    In Konzerten spricht und singt sie auf Arabisch, Armenisch, Englisch und Französisch, denn die Zuhörer sind nicht nur Araber, sondern aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen. Ich komme aus Damaskus und habe einen armenischen Ursprung. Dort lernte ich nur Damaszener kennen. Was ich in Deutschland liebe, ist, dass man hier viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Kulturen sehen kann“.

    Konzerte in Deutschland

    Deutschland ist für sie eine wichtige Haltestelle im Jahr. Lena verspricht ihren Fans, dass es jährlich vielen Konzerte in Deutschland geben wird. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich keine Konzerte in Deutschland habe. Die Konzertbesucher befreien mich von all dem, was ich jeden Tag erlebe“.

  • Erstes interreligiöses Liederbuch – Gegen Hassgesänge

    Das Konzert vermittelte einen ersten Eindruck von TRIMUM, einem europaweit einmaligen Gemeinschaftsprojekt mit muslimischen, christlichen und jüdischen Musikerinnen und Musikern, Theologinnen und Kantoren, Wissenschaftlerinnen und Komponisten. Seit einigen Jahren entwickeln sie gemeinsam Konzepte und Veranstaltungsformate für ein friedliches und konstruktives Miteinander der Religionen.

    „Wir glauben an die Schönheit und Kraft der Begegnung – auch und gerade dort, wo die Menschen unterschiedlich sind und Unterschiedliches glauben. Deshalb zelebrieren wir die Vielfalt und machen Musik für Gläubige und Andersgläubige.“

    Mit Musik Ohren öffnen für das gemeinsame Friedenspotential

    In einem zweiten Schritt wollte ich mehr von dem erfahren, was diese Menschen mit diesem Projekt verbinden und bewegen. Ein Seminar gab mir die Gelegenheit, mitzuerleben und mit anderen gemeinsam auszuprobieren wie das geht: spielerisch-experimentell mit dem umzugehen, was aus verschiedenen musikalischen und religiösen Traditionen und Erfahrungsräumen eingebracht werden kann. Viel lernen konnte ich dabei von der Islamwissenschaftlerin Serap Ermis. Alon Wallach vermittelte uns einen Eindruck von der Schönheit der Melodien aus dem sephardischen Judentum. Und Bernhard König versteht es in verschiedenen Praxisfeldern des Projekts immer wieder neu, die Ideen und den Geist von TRIMUM unter die Menschen zu bringen, andere mit der Lust am Lauschen, Staunen und Probieren anzustecken:

    „Mit TRIMUM singen wir gegen die Lockrufe und Hassgesänge all derer an, die ihren Glauben oder Unglauben mit einem »Rechthaben um jeden Preis« verwechseln. Die Fremdheit für etwas Bedrohliches halten. Oder die nur noch das Gewaltpotential der Religionen sehen können und vor ihrem Friedenspotential, ihrer Schönheit und ihrem Reichtum die Ohren verschließen.“

    Verschiedene Traditionen werden zur Inspiration für gemeinsames Neuland

    Foto: Susanne Brandt
    Foto: Susanne Brandt

    Wenn es bei TRIMUM um eine interreligiöse Begegnung geht , suchen die Musikerinnen und Musiker nicht vorrangig nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Vielmehr werden religiöse Denk- und Wertesysteme zur Inspiration für Neuvertonungen und Sprachexperimente. Wechselseitig nehmen die Mitwirkenden Impulse auf. Sie loten das »Machbare« und »Erlaubte« neu aus, respektieren Grenzen und staunen über ungeahnte Erweiterungen des Repertoires.

    Ein nächster Schritt zum Weitergehen ergibt sich nun durch die vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten mit dem neu erschienene interreligiösen Liederbuch von TRIMUM. Denn eine spannende Auswahl der gemeinsam gesammelten, arrangierten und erprobten Lieder für das gemeinsame Singen lässt sich damit nicht allein in Konzerten oder Seminaren entdecken. Die gedruckten Noten und Texte laden zum Ausprobieren und Weitergeben ein. Sie bieten etwas, was mit diesen spannenden Querverbindungen, hilfreichen Kommentaren und spielerischen Text- und Musikarrangements wirklich neu ist. Ausgezeichnet wurde das erste deutsche interreligiöse Liederbuch bereits mit dem Musikeditionspreis „Best Edition 2018“ des Deutschen Musikverlegerverbandes.

    Die Homepage zum Liederbuch enthält ergänzend dazu eine Reihe von Ton- und Filmbeispielen zu den Liedern und Musikstücken:

    TRIMUM in Hamburg: Musik für einen Stadtteil

    Übrigens: Ein Beispiel für TRIMUM in der Praxis gibt es auch in Hamburg – in Form des Projekts Musik für einen Stadtteil, ausgezeichnet mit dem Preis „The power oft he Arts“, das seit  2016 mit Bewohnerinnen und Bewohnern in Hamburger-Mümmelmannsberg interkulturelle, interreligiöse und intergenerationelle Wege des gemeinsamen Singens und Musikmachens öffnet. .

    Zum Projekt in Hamburg:

    Weitere Infos und Quelle der Zitate 

     

  • #theinnerjourney: vom Weggehen und Ankommen

    Individuelle Migrationsgeschichten musikalisch eingefangen

    Realisiert und unterstützt wird #theinnerjourney durch das Kulturprojekt junge norddeusche philharmonie (jnp). Deren Projekte traten bereits auf dem Reeperbahn Festival oder den Festspielen in Mecklenburg-Vorpommern auf.

    In #theinnerjourney gelingt es dem Komponisten Wolf Kerschek zusammen mit den Gesangssolist*innen Angelina Akpovo, Ibrahim Keivo, Ken Norris und Cleo Steinberger einen Raum für die individuellen Migrationsgeschichten zu schaffen. Sie musizieren gemeinsam mit einem Orchester aus rund 65 Musiker*innen.

    Austausch in Projektgruppen

    Bei ihrem Auftritt in der Altona Kulturkirche erzählt das Orchester musikalisch die Geschichte von Ken in Westafrika, den das Fernweh plagt und der seine Freundin Angelina auch nach Deutschland bringen möchte. Und von Ibrahim, dessen Haus in Syrien von Bomben erschüttert wird.

    Das Orchesterprojekt begann sich im Frühjahr 2018 zu formen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen schlossen sich zusammen und tauschten sich in Tandems und Projektgruppen aus. Jetzt im Oktober folgte dann der Zusammenschluss zur Weltoper und die ersten Auftritte in Neubrandenburg, Hamburg und Hannover. Mit Erfolg, denn die Sitzbänke in der Altonaer Kulturkirche waren alle belegt.

    Bericht von Melina Seiler

     

  • Rap for Refugees: Rappen für die Integration

    Besuch bei den „Rap for Refugees“ in ihrem Hauptquartier in Wilhelmsburg. Jeden Mittwoch gibt Coach Jan Holler hier Workshops. Zum Anfängerkurs sind diesmal acht Kinder gekommen, im Alter von sechs bis 12 Jahren. Ein Mädchen ist dabei, ansonsten nur Jungs. Es ist ein kaum zu bändigender und kichernder Haufen.

    Aber Coach Jan behält den Überblick und verschafft sich Respekt. „Was ist nur heute mit Euch los?“ ruft er in das Chaos. „Jetzt nehmt Euch alle an den Händen! Und wir atmen ein … und aus …“. Es funktioniert, die Kinder hören langsam auf rumzualbern. Sie lernen hier nicht nur rappen, sondern auch den richtigen Körpereinsatz und Disziplin.

    Bis zu 50 Aufritte hatten „Rap for Refugees“ 2018 bereits

    Drei der Jungs greifen zum Mikrophon und legen los. „Ich geh meinen Weg wie Christiano Ronaldo …“ Klingt noch etwas wackelig, aber kann sich schon hören lassen. Dann kommen die älteren Profis und üben für ihren nächsten Auftritt bei 48h Wilhemsburg, einem Musikfestival. Bis zu 50 Konzerte haben die „Rap for Refugees“ in diesem Jahr bereits gegeben. Ihre Auftritte sind gefragt – von Hamburg bis Berlin, vom alternativen Gängeviertel bis zur hippen Rindermarkthalle.

    Der gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, mit Rap Integrationsarbeit zu leisten. Aber „Rap for Refugees“ ist für alle, erklärt Coach und Mitglied Jan Holler. „Rap for Refugees steht eigentlich dafür, dass wir alle in irgendeiner Art und Weise Geflüchtete sind. Egal, ob man vor sich selbst flüchtet oder ob man vor Krieg flüchtet, oder wie auch immer.

    Und Rap for Refugees steht eigentlich für einen besseren Ort, den wir uns alle erträumen. Das heisst, es kann auch jeder mitmachen, der möchte.Es geht in erster Linie nicht nur um Geflüchtete. Das wäre auch Quatsch, denn hier treffen alle aufeinander. Es geht einfach darum, Menschen zusammen zu bringen und gute Musik zu machen.“

    https://www.youtube.com/watch?v=VU_YMD0YRSA&feature=youtu.be

    Von der Straße für die Straße

    Während im Hintergrund die Musikanlage wummert, erklärt er weiter: „Rap ist gut für die Integration, weil das relativ niedrigschwellig ist. Jeder spricht, jeder hat eine Sprache. Man muss keine wunderschöne Stimme haben, man muss kein Instrument kennen oder können oder besitzen. Jeder kann einfach sofort loslegen und Texte schreiben.

    Und selbst wenn er nicht schreiben kann, kann er sich die erst mal im Kopf ausdenken und auswendig lernen. Es ist außerdem egal, welche Sprache das ist. Dasselbe gilt eben auch für Beatbox, für Graffiti, für andere Formen des Hip Hop… also ich würde sagen, das ist einfach von der Straße für die Straße. Und jeder kann ohne irgendeine Grundvoraussetzung dabei sein. Da viele Geflüchtete deutschen Hip Hop hören, ist es einfach eine gute Sache um die deutsche Sprache zu lernen. Denn durch das Auswendiglernen von Texten kann man schon grammatikalische Grundformen mitbekommen.“

    Hier sind alle mit Begeisterung dabei. Nino ist 15 und kommt ursprünglich aus Montenegro. An das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, musste er sich erst gewöhnen. „Es ist ein bisschen komisch, weil die Leute da stehen und mir zuhören und ich Aufmerksamkeit bekomme! Ich kann meine Gefühle ausdrücken und sie hören zu. Ansonsten bekomme ich nicht so viel Beachtung.“

    Auch aus einem anderen Grund macht ihm das Rappen Spaß: „Ich habe eine schwere Zeit hinter mir. Beim Texte schreiben und rappen vergesse ich die schlechten Zeiten. Ich kann mich damit gut ablenken, deswegen macht es mir Spaß. Meine Eltern haben sich nach meiner Geburt getrennt. Bis ich vier Jahre alt war, blieb ich bei meiner Mutter. Dann hat sie mich zu meinen Großeltern gegeben und dort bin ich aufgewachsen. Und ich habe nie Mutterliebe erfahren.“

    Ein gutes Gefühl, auf der Bühne zu stehen

    Auch sein Cousin Daniel, ein paar Jahre älter, erinnert sich an seine Anfangszeit. „Wenn ich so drüber nachdenke … bei meinem ersten Auftritt war ich halt mega nervös. Aber mittlerweile ist das easy“, sagt er lachend. „Es ist ein gutes Gefühl, wenn die Menschen einem zujubeln. Das ist echt cool! Man wird so viel leichter, die Last wird leichter.“ Seit fünf Jahren rappt Daniel bereits. Sein Traum wäre es, davon einmal leben zu können.

    „Es würde mir auch sehr viel Spaß machen, das beruflich zu machen. Aber mir ist es dabei sehr wichtig, mir in meinen Texten treu zu bleiben. Das ist das Einzige was zählt, meiner Meinung nach. Und man sollte keinen auf Gangsta-Rapp machen, obwohl man den ganzen Tag zu Hause sitzt. Wenn du in Deinen Texten lügst, belügst du dich selbst. Am Besten ist, wenn man real bleibt.“

    Daniel greift zum Mikro und probt mit Jan für den nächsten Auftritt in ihrem Kiez. „Wie, was, Wilhelmsburg? Wie, was Wilhelmsburg? Meine Jungs, meine Jungs, meine Jungs, 48 Stunden Wilhelmsburg!“ dröhnt es aus den Boxen. Coach Jan ist zufrieden: „Okay, und dann darfst Du auch mal meine Mädels sagen!“ Denn mit ihren Texten wollen sie alle ansprechen und zum Mitmachen bewegen. Das Konzept überzeugt – und die Musik auch. „Rap for Refugees“ ist ein Vorzeigeprojekt- das noch viel von sich hören lassen wird!

    Rap-Workshops jeden Mittwoch von 17h bis 18h30 (Anfänger) und 19h-20h30 (Fortgeschrittene) im MEDIA DOCK in Wilhelmsburg. Mehr Infos auf der Website von Website von Rap for Refugees.

  • Ghaleb Jazmati – Ein syrischer Geiger in Hamburg

    Nein, Ghaleb Jazmati ist kein Flüchtling, sein Weg in die BRD begann mit einer Einladung. Darüber sprachen wir an einem schönen, sonnigen Tag, vor der himmlischen Kulisse der Innenalster.

    „Es gibt keine emotionalen Unterschiede im Gefühl für die Stücke“

    Ghaleb, sag uns bitte, wie du nach Deutschland gekommen bist.

    Ich bin für ein Konzert nach Berlin eingeladen worden und bekam ein Visum der Deutschen Botschaft. Danach bin ich hier geblieben. Es herrschte bereits Krieg in Syrien und nach meiner Rückkehr wäre ich sicherlich vom Militär eingezogen worden. Ich habe Asyl beantragt und blieb in Deutschland.

    Hast du in Syrien auch von deiner Musik gelebt? Hast du auch schon dort Musik unterrichtet?

    Nach dem Abschluss meines Musikstudiums habe ich in den Jahren 2012 bis 2013 im Nationalorchester Syriens gespielt. Danach habe ich bis zu meiner Reise nach Berlin Musik unterrichtet.

    Ghaleb, du hast bereits mit deutschen Musikern gespielt, auch in der Elbphilharmonie. Gibt es Unterschiede zwischen Deutschen und Syriern in der Spielweise?

    Die klassische Musik wird überall gleich gespielt, es gibt keine emotionalen Unterschiede im Gefühl für die Stücke. Ich habe aber sehr viele neue Erfahrungen gemacht. In der Elbphilharmonie spielte ich beim ersten Mal in einem Orchester mit syrischen Musikern, beim zweiten Mal mit Musikern aus dem Publikum.

    Hat dich die Zusammenarbeit mit deutschen Musikern in irgendeiner Weise verändert?

    Nicht wirklich, aber durch das Spielen mit mir unbekannten Berufsmusikern aus Deutschland habe ich sehr viel an Erfahrung gewonnen.

    Ghaleb, wie schätzt du die Bedeutung der Kunst insgesamt für die Integration eines Menschen in eine neue Gesellschaft ein?

    Die Kunst ist insofern wichtig, dass wir die eigene Kultur in einer neuen Gesellschaft hinterfragen können, wir lernen sie neu kennen und schätzen. Dieser Weg fördert die Kommunikation mit anderen Menschen, um deren Kultur und Sicht der Dinge kennenzulernen. Und dieser Schritt ist ein wichtiger Teil der Integration.

    https://www.youtube.com/watch?v=81HZgDs8FFU&feature=youtu.be

    Die Sprache der Instrumente ist universell

    Ghaleb hat seine Geige aus Syrien mitgebracht. Sie wurde von einem deutschen Luthier hergestellt. Fast alle feinen Instrumente in Syrien kommen aus einer deutschen Manufaktur.

    Er liebt Beethoven. Deswegen haben wir ein Ausschnitt eines seiner Konzerte als Bestandteil dieses Interviews beigefügt. Ein Konzert für Geige und Klavier.

    Tschaikowsky und Prokofjew gehören auch zu seinem Lieblingskomponisten. Von Letzteren spielt er zwei Mal „Peter und der Wolf“. Vor Kindern, in Damaskus. Die Sprache der einzelnen Instrumente wird weltweit verstanden. Sie ist so universell wie wir alle.

     

     

  • Syrische Sängerin Lena Chamamyan in Hamburg

    2002 studierte sie klassische Musik und Gesang in Damaskus. Lena Chamamyan singt in fünf Sprachen, spielt diverse Instrumente, komponiert und produziert selbst. In ihren Stücken sind viele verschiedene Farben der Musik zu erkennen (Folk, Jazz, armenische und arabische Musik, Pop). Mittlerweile lebt sie in Paris.

    Ihr wurden zahlreiche musikalische Auszeichnungen verliehen, wie zum Beispiel der zweite Platz beim Fest Lafrankovnah und die „Nahe Osten Auszeichnung“ von Radio Monte Carlo im Jahr 2006.
    Im letzten Jahr gab sie ein erstes Konzert auf Kampnagel in Hamburg. Auslöser war unter anderem die Initiative eines jungen geflüchteten syrischen Fans. Jetzt sang sie an zwei Abenden, vor jeweils 1200 Zuschauern, im Rahmen des Festivals „Theater der Welt“ wieder auf Kampnagel.

    Dieses Jahr kam sie als schillernde Multi-Instrumentalistin mit einem spektakulären Projekt zum Festivalthema „Hafen“ zurück. Der zweistündige Auftritt am Samstag und Sonntag mit Liedern über das Meer und die Häfen aus levantinischen, armenischen, bahrainischen und andalusischen Kulturen war faszinierend. Mit Lena war- neben den „Jungen Symphonikern Hamburg“- ihr eigenes ost-westliches Ensemble auf der Bühne. Musiker, Tänzer und Sänger aus Bahrain trugen jahrhunderte alte Lieder von Perlenfischern und Hochzeiten vor. Der Geiger kam aus Ägypten, aus Frankreich kamen der Pianist und der Schlagzeuger, aus Syrien der Trompeter und aus Tunesien die Kanun-Spielerin. Diese 30-köpfige Gruppe aus unterschiedlichen Ländern war durch die Musik zu einem großartigen Orchester vereint. Und sie versuchten mit Lenas Stimme Hoffnung, Liebe und Verständnis zu schaffen.

    Zugang zu einer anderen Welt

    Mit jedem Lied wurden die Zuhörer in eine andere Welt und in andere Erinnerungen entführt. Lena nahm uns mit zu einem Garten, in dem wir Jasmin riechen konnten. Wir gingen mit ihrer Stimme durch kleine Straßen in Damaskus. Sie begann das Konzert mit „We will go home“, dann „Lamma Bada“, andalusischer Musik und interpretierte schließlich das Lied „Haddadi“, Sufi-Musik.
    Bei dem Lied “Ala Moj Al Bahr “ erinnerten wir uns an unser Meer, das Mittelmeer. Bei dem Lied “Bali Maak” wanderten unsere Gefühle mit Lenas Stimme in eine andere Welt. Und dann sang sie “Shaam”. Dieses Lied bedeutet: Damaskus, du bist doch noch unsere Leidenschaft, und wir fragten uns, Damaskus, wie können wir ohne Dich leben?

    Lena Chamamyan ist unsere Hoffung für die Zukunft, sie ist mit ihrer Stimme ein helles Licht in dieser Zeit gegen den Krieg.

    Im letzten Jahr hat Lena dem Magazin „Brigitte“ ein Interview gegeben. Sie sagte: „ Für mich als Syrerin ist es ein Fakt, kein Gedanke. Es tut wahnsinnig weh, mit dem Krieg leben. Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit, mehr Menschen zu helfen. Ich versuche es, indem ich als Exil-Syrerin das Bild der Syrer in Europa präge und präsent halte. Ich bin Syrerin mit armenischen Wurzeln, habe also selbst einen multikulturellen Hintergrund. Ich bin es gewohnt, Brücken zu bauen zwischen Kulturen und Ansichten.“

    Nicht nur die syrischen Besucher der beiden ausverkauften Konzerte in Hamburg waren mehr als begeistert, sangen und tanzten mit. Es gab auch die eine oder andere Träne.

  • Salam Syria! Konzert in der Elbphilharmonie

    Wir gingen zusammen mit 25 Start with a Friend Tandems- Deutsche und Geflüchtete als eine große Familie- zur Elbphilharmonie, um das Konzert Salam Syria zu hören. Es gab arabische Musik und westliche Musik in einem Konzert, Integration macht Musik.

    Wir sind zur Elbphilharmonie gelaufen. Die Aussicht war toll mit dem Sonnenuntergang und Hamburg von oben, wenn die Sonne Abschied von der Stadt nimmt.

    850,000,000 € hat die Stadt Hamburg für die Elbphilharmonie bezahlt – und das hat sich gelohnt für die Arbeit und das Design. Man vergisst bei dem Anblick, wie teuer die Elphie war.

    Die Kultur der Menschheit

    Als das Konzert mit ruhiger Musik begann, erinnerte ich mich an Damaskus vor dem Krieg. Damaskus mit kleinen Wegen und Jasminduft, und alte Steine, die uns die Geschichte von Damaskus mit aufeinanderfolgenden Zivilisationen erzählen: Hyksos, Pharaonische Zivilisation, Königreich Aram Damaskus, das assyrische Reich, babylonische Kultur, byzantinische Zivilisation, islamische Zivilisationen – alles Kulturen, die in Damaskus waren, Kultur genommen und gegeben haben.

    Ich erinnere mich, was Damaskus ist. Damaskus hat sehr viele Geschichten aus der Vergangenheit und Kultur. Ich erinnere mich an die Kultur der Menschheit.

    Danach war die Musik sehr laut, lebhaft, dynamisch und wütend. Sie drückt aus und beschreibt, was in Damaskus mit dem Krieg und den lauten Waffen passiert. Ich habe an die Vergangenheit gedacht und meine Erinnerung sind zurückgekommen, die mit dem Krieg begannen mit dem Tod und der Zerstörung.

    Später ist ein Sänger auf die Bühne gekommen und hat das Lied „Cherine, Cherine“ begonnen, das ist Kurdisch und bedeutet „süß“ auf Deutsch. Er hat mit lauter Stimme und sehr viel Spaß gesungen und viel Emotion in seine Performance gelegt.

    Er hat uns die Nachricht geschickt: Wir sind in Syrien nicht nur eine Kultur oder eine ethnische Gruppe oder eine Sprache, sondern Viele. Syrien ist eine Multikultur, ohne kleinteilige Kultur gibt es kein Syrien.

    Ich bedanke mich bei der Elbphilharmonie für die tolle Einladung und gute Organisation.

    Und natürlich bedanke ich mich bei meiner großen Familie Start with a Friend in Deutschland für die schöne Gemeinschaft. Übrigens: Start with Friend sucht nach Euch Locals, um mit anderen Geflüchteten eine Tandempartnerschaft einzugehen.

    Kommt zu Start with a Friend und schafft Euch eine große Familiengemeinschaft.

  • Omar Souleyman: Eine Stunde Spaß

    Da ist er endlich! Zwanzig Minuten verspätet, um genau 21.20 Uhr am Freitagabend betritt er die große Bühne in Kampnagel: Omar Souleyman, Syriens in der westlichen Welt wohl bekanntester Musik-Export.

    Auch heute Abend trägt er, wie immer, ein Arabisches Tuch um den Kopf drapiert, dazu eine Sonnenbrille und einen Riesenschnauzer.

    https://www.youtube.com/watch?v=pccV6dXkkks

    Er selbst bewegt sich in seinem Djellaba nur minimalistisch durch das Scheinwerferlicht, große Bewegungen sind nicht sein Stil. Dafür tanzt sein Publikum umso ausgelassener, sobald die ersten orientalischen Keyboardsounds und tiefen Basstöne durch den Saal dröhnen. Etwa 600 Menschen sind gekommen um hier heute Abend zu feiern. Die meisten von ihnen junge, syrische Männer.

    Die zweitgrößte, aber weitaus kleinere Gruppe setzt sich aus deutschen Frauen jeder Altersgruppe zusammen. Hingegen befindet sich nicht einmal eine Handvoll syrischer Frauen im Publikum.

    https://www.youtube.com/watch?v=_MrEBf-HjwQ

    Dabei ist der ehemalige Hochzeitssänger Souleyman in seinem Heimatland zu Ruhm gekommen über Kassetten, die von ihm während der Vermählungs-Festlichkeiten aufgezeichnet und an die Brautpaare verschenkt wurden. Auf diesen Hochzeitsfeiern haben sicher auch viele Frauen getanzt. Wo sind sie jetzt?

    Man kann nicht umhin, sich solche Fragen zu stellen. Es ist ein schönes Gefühl, an diesem Abend syrische Kultur in all ihrer Fröhlichkeit, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude zu erleben, daran erinnert zu werden, dass dieses Land so viel mehr ist als Assad, Krieg und ISIS.
    Doch das Refugee-Thema bleibt scheinbar unausweichlich, schon an der Kasse zahlen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, einen ermäßigten Eintrittspreis von 5 Euro, während alle anderen Besucher tapfer 25 Euro berappen müssen.

    Ein bisschen viel, angesichts der Tatsache, dass Souleyman zwar erst 20 Minuten zu spät angefangen hat, dafür aber auf die Minute genau nach einer Stunde von der Bühne entschwindet und das Licht im Saal anschalten lässt.
    Das war doch ein wenig zu kurz, bei aller Liebe. Zwar wurde es eh Zeit, nach den vielen wilden Kreistänzen eine kleine Pause zum Luftholen einzulegen, doch dass jetzt schon Schluss sein soll, fühlt sich falsch an. Wir haben doch gerade erst angefangen!

    Entschuldigend erklären mir meine syrischen Freunde, Omar Souleyman sei jetzt eben sehr berühmt, 2013 trat er sogar in Oslo bei der Friedensnobelpreisverleihung auf, seine Musik mischen jetzt international erfolgreiche Produzenten ab und selbst mit Björk hat er schon mehrfach zusammengearbeitet.

    – Ach so. Na dann. Da bleibt wohl nicht mehr so viel Zeit für die Fans in Hamburg….
    (P.S.: Selbst Shakira und Madonna bringen es trotz Superstardom noch regelmäßig fertig, länger als 60 Minuten aufzutreten.)

    https://www.youtube.com/watch?v=GuXx4gY30Xg

    https://www.youtube.com/watch?v=iaK01gPli20

    https://www.youtube.com/watch?v=Ig_Y1FlmvbI

    https://www.youtube.com/watch?v=ngthJqf_Ddk

    Zum Glück können wir aber auch ohne Souleyman weiter tanzen! Schon am Sonntag Abend findet im Kampnagel die arabische Karaoke statt, eine regelmäßige Veranstaltung, bei der bis in die frühen Morgenstunden orientalisch gesungen, getanzt und gefeiert wird.

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