Schlagwort: Migration

Im Deutschland

  • Neues Einbürgerungsgesetz: Ja zu Fachkraft, nein zu Menschen

    „Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in unserem Land haben. Dafür sorgen wir mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Am 2.12.22 hat der Bundestag mit 371 Stimmen, darunter SPD, Grüne und FDP, das neue Einbürgerungsgesetz beschlossen. Die Änderungen im Kurzüberblick:

    Eine „Chance“ für einen dauerhaften Aufenthalt bekommen Menschen, die am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben und keine Vorstrafe haben (kohero berichtete). Sie haben 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören Sprachkenntnissen und die Sicherung des Lebensunterhaltes. Rund 137.000 Menschen können von dem neuen Gesetz profitieren.

    Eine weitere Änderung in der Migrationspolitik betrifft die Dauer von Asyl(gerichts)verfahren. Diese dürfen nach dem Beschluss des Bundestages vom 2.12.22 maximal sechs Monate dauern und weniger bürokratisch ablaufen. Eine Verlängerung auf 18 Monate ist unter Umständen aber möglich.

    Die Pläne von Bundesinnenministerin Faeser (SPD) beinhalten weitere Aspekte, zu denen noch keine konkreten Beschlüsse vorliegen. Für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland wurde über Eckpunkte der Neuerungen abgestimmt. Doch besonders ein Aspekt bei der geplanten Erleichterung der Einbürgerung sorgt für viele Diskussionen im Bundestag: die Staatsbürgerschaft.

    Kritik von Union und FDP

    „Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der soll auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Auftaktveranstaltung des Gesprächsformats „Deutschland.Einwanderungsland: Dialog für Teilhabe und Respekt“ in Berlin. Während sich Scholz für die Pläne seiner Parteikollegin Faeser ausspricht, kommt von der Fraktion und Teilen der eigenen Koalition Gegenwind.

    Die Union ist dagegen, grundlegend die Doppelstaatsbürgerschaft zu ermöglichen. Auch Koalitionspartnerin FDP äußert Kritik. „Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft wird es mit der FDP nicht geben“, so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr sprach davon, dass man Migration in den Arbeitsmarkt lenken müsse „und nicht in die sozialen Sicherungssysteme“. Ob er sich zu dieser Befürchtung mit Friedrich Merz, Parteivorsitzender von CDU/CSU, ausgetauscht hat? Durch die Erleichterung müsse, so Merz im Bericht aus Berlin, vermieden werden, dass eine „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ erfolge. Er ordnet die deutsche Staatsbürgerschaft als „etwas sehr Wertvolles“ ein, „doppelte Staatsangehörigkeiten sollten der Ausnahmefall sein.“

    Die stellvertretende Vorsitzende der Union, Andrea Lindholz, sieht im Zulassen der doppelten Staatsangehörigkeit eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Alexander Dobrindt, auch Unions-Vize, sprach sogar von einem „Verramschen“ der deutschen Staatsangehörigkeit.

    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) reagiert auf die Kritik von Union im Interview mit der Funke Mediengruppe: „Wir wollen ein modernes Einwanderungsland gestalten. Dazu gehört, dass wir schneller, besser und mehr einbürgern.“ Deutschland sei auf Fach- und Arbeitskräfte, die „gerne zu uns kommen und bleiben“, angewiesen. Das Institut für Wirtschaft (IW) errechnete den Bedarf an jährlich rund 500.000 Fachkräften aus dem Ausland.

    Meinung der deutschen Bevölkerung

    Die ARD hat zu den neuen Gesetzen eine Umfrage (DeutschlandfunkTrend vom 1.12.2022, Infratest dimap) durchgeführt. Das Ergebnis: 49 % der Deutschen sind der Meinung, die erleichterte Einbürgerung gehe in die „richtige Richtung“. Es heißt aber auch, dass die andere Hälfte der Bevölkerung in den Neuerungen eine „falsche Richtung“ erkenne (45 %). Und das liegt entweder daran, dass den Menschen die Reformen zu weit oder nicht weit genug gehen. Aufgeschlüsselt nach Parteiangehörigkeit unterstützen Grünen- (86 %) und SPD-nahe Menschen (67 %) Faesers Pläne, Linke (58 %) überwiegend. Parteianhänger*innen von FDP (47 %) und Union (44 %) sind sich so uneinig wie die Politiker*innen selbst, von Anhänger*innen der AfD bekommt die erleichterte Einbürgerung – auch nicht überraschend – wenig Zuspruch: 72 % sind gegen die Reformpläne.

    Menschen den Aufenthalt zum Arbeiten, aber nicht zum Mitgestalten und Leben zu ermöglichen, erinnert an die Debatten um die Bleibemöglichkeiten der Gastarbeiter*innen – sprich: an die 90er Jahre. Das Erheben der deutschen Staatsbürgerschaft auf ein Podest, an das man nur durch Anpassung an die neue Heimat und das Abschütteln der alten herankommt, ist wortwörtlich abgehoben.

    Es ist egal, ob Menschen als Arbeitskräfte, aus persönlichen Gründen oder wegen der Situation in ihrem Herkunftsland nach Deutschland kommen. Menschen sind nicht wertvoll, weil sie wertvoll für die Wirtschaft eines Landes sind, sondern weil sie Menschen sind. Es ist Zufall, wo wir geboren werden. Und eine Staatsbürgerschaft ist auch kein Privileg, das man sich verdienen muss. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Wir müssen unser Miteinander gemeinsam gestalten können.

  • In Fluchtbegriffe blicken

    Nehmen wir an, ein junger Mann aus dem Kosovo flieht nach Deutschland. Normalerweise wird dann in Erfahrung gebracht, warum er geflüchtet ist oder wovor. Das dient formal der Prüfung, ob und wie derjenige in einem Asylverfahren behandelt werden soll. Allerdings bietet es auch bestimmten gesellschaftlichen und politischen Akteuren die Möglichkeit, das Bild von unerwünschten Migrant*innen zu zeichnen.

    Neben diffamierenden Bezeichnungen, die vor allem rassistische Ressentiments bedienen, taucht aber auch ein Wort auf, das sich auf den ersten Blick problemlos zu den anderen gesellen könnte. Die Rede ist vom „Wirtschaftsflüchtling“. Liberale, Sozialdemokrat*innen, Konservative und Rechte haben dieses Schlagwort gleichermaßen benutzt. Es scheint ein gewisser Konsens darüber zu bestehen, sobald Menschen aus scheinbar rein ökonomischen Gründen in ein anderes Land flüchten. Aber was ist eigentlich so verwerflich daran?

    Ökonomische Ungleichheit

    Nehmen wir an, der junge Mann sei Deutscher und kein Kosovare, und flüchte auch nicht nach Deutschland, sondern ziehe von Emden nach Stuttgart. Er stamme aus armen Verhältnissen und schaffe es doch, einen hohen Bildungsabschluss zu erlangen und einen gut dotierten Posten zu ergattern. Die etablierte Politik würde diesen Mann beglückwünschen und diese Geschichte eines sozialen Aufstiegs als Einlösung des deutschen Leistungsversprechens verkaufen. Und der Kosovare? Noch bevor er sein Glück versuchen kann, droht ihm schon die Abschiebung. Eine ökonomische Perspektive ist kein anerkannter Fluchtgrund.

    Diese Unterscheidung wird selten bedacht. Es ist nur logisch, aus einer wirtschaftsschwachen Region in eine wirtschaftsstarke zu ziehen, um die Lebenssituation zu verbessern und z.B. Bildung zu erhalten. Es gibt oft eine ökonomische Ungleichheit zwischen Herkunftsland und Zufluchtsland, die Menschen in die Migration treibt. Diese ökonomisch motivierte Migration kann überdies auch mit anderen Fluchtursachen (z.B. Krieg) zusammenhängen, die die ökonomische Situation im Herkunftsland noch verschlimmern. Schließlich wird diese Ungleichheit vom Zufluchtsland vielleicht nicht aktiv gewollt, mindestens aber hingenommen, um so seinen hohen zwischenstaatlichen Wettbewerbsvorteil zu garantieren.

    Chancengleichheit?

    Man sollte sich in diesem Zusammenhang aber nicht vorschnell der häufig im Inland propagierten Forderung nach Chancengleichheit anschließen. Diese Forderung sagt nämlich aus, dass es eine allgemeine Ungleichheit gibt, und impliziert zugleich, dass diese Ungleichheit von der Verantwortung des Staates, der Bildungsinstitutionen usw. in die Verantwortung des Einzelnen verlegt werden müsse: Wenn jemand aus prekären Verhältnissen stammt, könne er zwar durch Anstrengung z.B. höhere Bildung erlangen, es wird dabei aber nicht auf seine soziale Herkunft geachtet, da alle die gleiche Chance bekommen sollen. Durch ihre soziale Herkunft Bessergestellte haben es aber leichter, an einen Bildungsplatz zu gelangen, weil sie bessere Startchancen haben.

    Erschwerend kommt hinzu, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Bildungsplätzen gibt. So bleibt der Wettbewerb erhalten und an der grundlegenden Ungleichheit zwischen den Schichten wird nichts geändert. Der Pädagoge Helmut Heid fasst es prägnant zusammen: „Mit der Forderung nach Chancengleichheit wird ein sozialstrukturelles Problem in ein scheinbar individuell lösbares Bildungsproblem verwandelt.“

    Der Deutsche aus dem obigen Beispiel mag seine Chance bekommen und genutzt haben, sozial aufzusteigen – allerdings zu dem Preis, dass es andere nicht geschafft haben. Im Gegensatz dazu erhält der Kosovare nicht einmal die Chance, es versuchen zu können, weil ihm durch die Asylpolitik kein Zugang gewährt wird, die auch die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz „geschützt“ sehen will.

    Die richtigen Schlüsse ziehen

    Dabei hat z.B. Deutschland wegen des demografischen Wandels und der Untätigkeit in der Beschäftigungspolitik Arbeitssuchende aus dem Ausland dringend nötig. Laut einer Berechnung von Unternehmensberater*innen koste der Fachkräftemangel Deutschland umgerechnet ca. 86 Mrd. Euro jährlich an Wirtschaftsleistung. Arbeitslücken könnten durch Aufnahme von Migrant*innen aufgefüllt werden bzw. könnten sie nach abgeschlossener Ausbildung etc. in ihr Heimatland zurückkehren. Letzteres würde dazu beitragen, die Ungleichheit zwischen den Ländern abzubauen.

    Die Gleichstellung des Wirtschaftsgeflüchteten mit dem inländischen Arbeitssuchenden wäre ein konsequenter Schritt zu mehr Chancengleichheit. Beispielweise müssten ausländische Bildungsabschlüsse anerkannt werden sowie Sprachkurse, administrative Hilfen und Kinderbetreuung angeboten werden. Die von Arbeitsminister Heil vorgeschlagene „Chancenkarte“, nach der auch demjenigen Asyl gewährt werde, der von vier Kriterien (Sprachqualifikation, Berufserfahrung, Ausbildung und Alter) drei erfülle, wäre ein Schritt in Richtung Chancengleichheit. Viel wichtiger wäre jedoch die Bekämpfung der Ungleichheit sowohl im Inland als auch zwischen dem wirtschaftsstarken Aufnahmeland und dem wirtschaftsschwachen Herkunftsland.

  • Migration und Armut – ein Überblick

    60 %

    Eine Person gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt.

    Absolut

    Absolute Armut beschreibt den Mangel an elementaren Gütern wie Nahrung, Kleidung etc.

    16,6 %

    Immer mehr Menschen sind in Deutschland von Armut betroffen: 16,6 % (13,8 Mio. Menschen). Das ist die höchste Quote seit 15 Jahren.

    74,5 %

    Besonders hoch ist die Armutsgefährdung bei Personen, die selbst oder deren Eltern aus Syrien (74,5 %), Irak (66,5 %), Afghanistan (63,8 %) oder Pakistan (54,3 %) stammen (2019). Bei EU-Bürger*innen liegt die Quote bei 17,8 %.

    1.1251 €

    2021 war der Schwellenwert (die 60 % des Durchschnittseinkommens) für eine alleinlebende Person in Deutschland 15.009 € netto/Jahr (1.251 €/Monat). Durch die Corona-Pandemie und die Inflation wird sich dieser Wert für das aktuelle Jahr ändern.

    Relativ

    Armut wird in Relation zur restlichen Gesellschaft gemessen, insbesondere in Bezug auf industrialisierte, reiche Staaten. In Deutschland sprechen wir häufig über relative Armut, die aber auch in absolute Armut übergehen kann, wenn Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden.

    28,1 und 35,3 %

    Bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt die Armutsgefährdungsquote bei 28,1 %, bei Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei 35,3 %.

    Klassismus

    Migration und Armut hängen stark zusammen, auch weil Klassismus und Rassismus eng ineinander greifen. Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und/oder der sozialen und ökonomischen Position, darunter kann auch Ausbeutung von arbeitenden Menschen fallen.

    Mehr zu unserem Fokusthema Migration und Armut erfahrt ihr in der aktuellen Folge vom multivitamin-Podcast.

    Weitere Details zu den Statistiken zur Armutsbetroffenheit gibt es auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung.

  • Missing papers needed to sign a lease

    Answer:

    Dear Reader,

    It’s great that you found an apartment. It is not that easy. Usually, your residence permit and the passports of your family should be enough for your landlord.

    There is no law that says that a valid passport is required to sign a lease to rent an apartment. However, you should present documents that show that the identity of the future tenant is clear (identity card, residence permit).

    Many landlords also require credit information from SCHUFA which can be downloaded free of charge here. Here you will find a good guide.

    However, every landlord is free to choose with whom he concludes a rental agreement and on what terms.

    Apartment hunting – what can I do?

    One piece of advice when looking for an apartment is to put together a folder from which a landlord or realtor can see everything about you and your family:

    • Copies of your identity documents
    • Current Schufa information
    • Salary statement / statement from the Jobcenter
    • Short cover letter – maybe with a photo of the whole family – stating who you are and what you all do (school, job, German courses etc.)

    If you are a recipient of benefits from the Jobcenter and the rent is to be paid by the Jobcenter, the Jobcenter must approve the rental agreement before you sign it. If you sign the lease without the approval, it is possible that nothing or not the full amount of the rent will be paid by the Jobcenter.

    According to the regulations in § 22 SGB II, both the costs and the size of an apartment must be appropriate:

    Examples of adequate apartments in Hamburg (in other federal states other amounts apply!):

    • 1 person 50sqm gross cold rent € 481
    • 2 persons in a so-called community of need up to 65sqm gross cold rent €577,20
    • 3 persons in a community of need up to 80 sqm gross cold rent € 696,75
    • 4 persons in a community of need up to 95 sqm gross cold rent € 836,10

    Source

    Security deposits

    In addition to the gross cold rent, the Jobcenter also pays the heating and operating costs (caution: you must notify the Jobcenter if the landlord repays operating costs).

    Security deposits for rent may not exceed 3 months’ rent. They may be granted as a loan by the Jobcenter upon application before signing the lease – if special conditions are met.

    The payment of brokerage fees by the Jobcenter can only be granted if the rental of an apartment is not otherwise possible without a broker.

    Caution!

    There are many ways to find an apartment. But it is sometimes very difficult! Please do not fall for dubious offers. Often people offer apartments at very low prices but want to have the deposit or another amount of money and the first rent before you even get to see the apartment. They may tell you they themselves live abroad or another excuse why they cannot be on site and that the keys of the apartment would be sent after paying the amount of money or handed over by a third person. If you pay, you will never see a key and the money is gone.

    It is usually and reputably done in this way:you look at an apartment, and then you and also the landlord decide whether you want to sign a lease for this apartment. Only after both parties have signed the contract, the deposit is due and before moving in, the rent is due, i.e. only then you should pay!

    We wish you success with your search for an apartment!

    Dieser Artikel wurde zuerst auf Deutsch veröffentlicht.

    https://kohero-magazin.com/frage-und-antwort-fuer-den-mietvertrag-fehlen-papiere-was-tun/

  • Ausländerbehörde – warum nicht digital?

    „Herzlich willkommen bei der Ausländerbehörde der Stadt Herne. Leider sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktuell im Kundengespräch, bitte versuchen Sie es erneut zu einem späteren Zeitpunkt“, so der Anrufbeantworter der Ausländerbehörde der Stadt Herne. Diese Antwort bekommt man, wenn man die Ausländerbehörde erreichen möchte. 

    In den letzten Monaten mussten viele Geflüchtete wieder in die Ausländerbehörde, um ihre Aufenthaltstitel auf drei weitere Jahre verlängern zu lassen. Nun ist das allerdings nicht so einfach wie in vergangenen Jahren. Coronabedingt müssen Menschen einen Termin mit der zuständigen Sachbearbeiterin bzw. dem Sachbearbeiter ausmachen. Diese Termine könnten auch wegen der Zahl der neu ankommenden Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine lange ausgebucht sein. 

    Sollten der Aufenthaltstitel sowie der Reisepass ablaufen, muss man vor dem Ablauftermin einen Antrag bei der Ausländerbehörde stellen. Aufgrund der oben genannten Gründe reicht es aber nicht aus, den Antrag einen Monat vor Ablauf zu stellen. Antragstellerinnen und Antragsteller müssen lange darauf warten, bis ihre Unterlagen bearbeitet und fertig sind. Dies dauert in manchen Fällen bis zu sechs Monate. 

    Ohne gültige Dokumente kann man aber nicht bleiben, weshalb die Ausländerbehörde der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller eine sogenannte Fiktionsbescheinigung ausstellen soll. Damit kann man einen Arbeitsvertrag unterschreiben, weiter Leistungen vom Jobcenter bekommen oder sogar eine Wohnung mieten. 

    Kontakt mit der Ausländerbehörde nicht möglich

    Zwar legt die Ausländerbehörde deutschlandweit fest, dass sie zu bestimmten Öffnungszeiten erreichbar ist, doch ist es fast unmöglich, die Behörde sowohl in kleinen als auch in größeren Städten zu erreichen. Das geht aus Erfahrungen vieler Menschen hevor, die versuchen, einen Termin mit den zuständigen Ausländerbehörden auszumachen, um ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern zu lassen. 

    Diese Lage ist für viele Geflüchtete angespannt, denn sie wissen nicht, wie es weiter geht, wenn ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird. Werden sie dann ihre Jobs verlieren, bekommen sie weiter Leistung vom Jobcenter oder werden sie sogar abgeschoben? Man ruft hunderte Male an, keiner geht dran. Man schreibt E-Mails, aber bekommt keine Antwort darauf. In vielen Städten kann man nicht einfach mit seinen Unterlagen vor der Tür stehen und um einen Termin bitten.

    „Ich habe mehrere Male versucht, die Ausländerbehörde telefonisch und per Mail zu erreichen, aber das ging nicht“, sagte Dalia Abu Rashid aus Bochum. „Nachdem ich im April 2021 den Bescheid über meinen Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge(BAMF), erhalten habe, versuchte ich einen Termin mit der Ausländerbehörde in Bochum zu vereinbaren, um Aufenthaltstitel und Reisepass zu beantragen. Doch nach mehreren Versuchen bekam ich einen Termin für Fingerabdrücke erst im Februar 2022 und nach einem Monat, also im März 2022, konnte ich die Karte abholen“. 

    Solche langen Wartezeiten bringen Geflüchtete in eine unsichere Situation im Bezug auf ihre Arbeit oder Ausbildung. Denn der Aufenthaltstitel ist auch eine Arbeitserlaubnis. „Ich hatte davor Angst, meinen Ausbildungsplatz als Erzieherin zu verlieren, weil ich auch keine Fiktionsbescheinigung zu dieser Zeit erhalten habe. Aus diesem Grund habe ich die Diakonie in Bochum um Hilfe gebeten, was zu guten Ergebnissen mit der Behörde führte“, so Dalia.   

    Der Frühmorgen-Trick

    Je nach den Öffnungszeiten der Ausländerbehörden versuchen viele, um acht oder sogar sechs Uhr dort anzurufen. Sie glauben an den Trick, dass „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde am Frühmorgen das Telefon einschalten“, so Alaa aus Essen. Geflüchtete wissen, dass es ihre einzige Chance ist, einen Termin zu erhalten.

    Alaa war es selbst von dieser Situation betroffen. „Um meinen Aufenthaltstitel zu verlängern, habe ich am Frühmorgen bei der Ausländerbehörde der Stadt Essen angerufen, zwar bekam ich einen Termin, aber der war erst ein Jahr nach dem Ablauftermin meiner Dokumente. In dieser Zeit habe ich eine Fiktionsbescheinigung bekommen, damit ich weiter Leistung vom Jobcenter beziehen konnte“, sagte er. 

    Positive Erfahrung

    Trotz des Stresses und der langen Wartezeiten haben andere Geflüchtete auch positive Erfahrungen mit der Ausländerbehörde gemacht. „Als ich im letzten Jahr eine Niederlassungserlaubnis beantragen möchte, bekam ich trotz der Pandemie sofort bei der Ausländerbehörde einen Termin. Ich habe dafür alle meine nötigen Unterlagen eingereicht und nach zwei Monaten bekam ich die Karte und den Reisepass. Zum Glück ist alles super schnell gelaufen“, berichtet Mohammad Khlifawi aus Saarbrücken. Er ergänzt: „Ich habe zwar eine positive Erfahrung mit der Behörde gemacht, aber viele Bekannte hier in der Stadt leiden unter diesen langen Wartezeiten und beschweren sich immer über die Verzögerung bei der Bearbeitung ihrer Anträge.“ 

    Wo liegt das Problem? 

    Anscheinend gehört zu den Gründen, dass die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Lage in den Ausländerbehörden verschärft haben. Daher kommt es zu Verzögerungen beim Ausstellen von Dokumenten. Sollte eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus irgendeinem Grund fehlen, stehen Kolleginnen und Kollegen unter Druck, auch diese Anträge zu bearbeiten und ans Telefon zu gehen. 

    Digitalisierung ist die Lösung

    Ausländerbehörden müssen andere Wege bei der Ausstellungen bzw. Verlängerungen der Dokumente gehen – etwa in die Richtung Digitalisierung der Behörden. Daher könnte die ideale Lösung darin bestehen, einen Antrag online zu stellen. Dieser Online-Antrag könnte z.B. nicht ohne alle notwendigen Unterlagen, die für eine Verlängerung oder für die Ausstellung eines neuen Ausweises bzw. Reisepasses vorliegen müssen, gesendet werden. Damit wird Zeit gespart und Antragstellerinnen und Antragsteller  brauchen nicht erst einen Beratungstermin zu vereinbaren, um danach einen Termin auszumachen, um dort die notwendigen Unterlagen zu präsentieren. Und dann noch etwa zwei Monaten Wartezeit, bis sie eine Antwort bekommen. 

    Das könnte eine realistische Lösung sein, insbesondere wenn wir in Betracht ziehen, dass es zwischen den Terminen für den oben genannten Prozess auch zu langen Wartezeiten kommen könnte. Das führt dazu, dass man etwa ein halbes Jahr benötigt, um seine Aufenthaltstitel verlängern zu lassen. 

    Behörden müssen einen besseren Weg finden, um das Ausstellen von Dokumenten schneller zu erledigen. Denn viele Ausländerinnen und Ausländer könnten wegen diesen Verzögerungen ihren Jobs verlieren, ihre Chance auf einen besseren Arbeitsplatz verpassen oder sogar die Grundleistung von anderen Behörden nicht mehr bekommen. Das ist fatal für die wirtschaftliche Situation vieler Menschen – besonders in einer Zeit, in der die Inflationsrate bei mehr als 7 % liegt. 

  • Migrantisches Leben in Zeiten der Pandemie

    „Migrant Lives in Pandemic Times“ ist ein internationales Digital Storytelling Projekt, dass aktuelle und persönliche Momentaufnahmen aus dem Leben von Menschen mit Migrationsgeschichte aufgreift, die sonst kaum in den Medien vorkommen. Ihre Erlebnisse während der Pandemie zeigen, was uns in Ausnahmesituationen und darüber hinaus als Menschen verbindet. Sophia Burton, Projektmanagerin und Mitgründerin von MIGRATION MATTERS, und Bernadette Klausberger, Creative Director und Produzentin, erzählen von den Anfängen, Zielen und Überraschungen des wissenschaftlich-künstlerischen Projekts.

     

    Erfahrungsaustausch zwischen Migrant*innen und Wissenschafter*innen

    ,,Ausgangspunkt war die Frage, was diese spezielle Zeit der Pandemie mit Menschen macht, die migriert sind, und weit weg von Familie und Herkunftsort leben und arbeiten.“  Dabei sollten Menschen aus unterschiedlichen Ländern und sozialen und wirtschaftlichen Umgebungen porträtiert werden.

    „Warum Menschen migrieren hat so viele Gründe. Also haben wir nach einer möglichst großen Vielfalt in punkto Persönlichkeiten und Lebensumstände gesucht. Von der simbabwischen Doktorandin in Südafrika, die versucht ihr Studium abzuschließen, über die philippinische Haushaltshilfe in Sizilien, die wegen einer Covid-Infektion sofort gefeuert wird, bis zur chilenischen Barmanagerin in Kalifornien, die sich als Lehrerin beruflich völlig neu findet als die Gastronomie über Monate geschlossen bleibt – was die Porträtierten verbindet, ist die Tatsache, dass sie alle eine Migrationsgeschichte haben, die sich auf ihr Leben während der Pandemie unmittelbar ausgewirkt hat.“

    Inwiefern, davon erzählen die Migrant*innen selbst, anstatt dass, wie so oft, nur über sie gesprochen wird.  ,,Ein Forschungsansatz hinter dem Projekt ist es, Erfahrungen von Migrant*innen teilbar zu machen – mit Wissenschafter*innen, mit einer breiten Öffentlichkeit, und schlussendlich auch mit politischen Entscheidungsträger*innen. Die Projektbeteiligten – Migrant*innen wie Wissenschafter*innen – zeigen aus ihrer Perspektive persönliche Herausforderungen und strukturelle Schwierigkeiten auf, die Menschen rund um den Globus gerade in dieser Zeit verbinden oder eben auch trennen.“

     

    Was uns jetzt alle verbindet

    Es geht um Erlebnisse auf der Suche nach einem neuen Job oder einer neuen Wohnung während der Pandemie. Um die Schwierigkeit Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen und die Sehnsucht, endlich wieder zurück nach hause gehen zu können. Universelle Themen, die auf die Bedeutung des sozialen Umfelds, (seelischer) Gesundheit und stabiler Beschäftigungsverhältnisse eingehen. Themen, die besonders während der Pandemie noch wichtiger geworden sind. ,,Kein Mensch ist darauf vorbereitet, wie es ist, wenn plötzlich große Teile des eigenen Soziallebens wegbrechen. Oder darauf, wie es ist sich allein und zunehmend isoliert zu fühlen. Während das Projekt anfangs auf das aktuelle Arbeitsleben der Protagonist*innen fokussiert war, wurde die psychologische und soziale Ebene im Gesprächsverlauf schnell mindestens genauso wichtig“, erzählt Bernadette.

    Migrant*innen als Expert*innen

    Dabei mussten sich Migrant*innen schon lange bevor die Pandemie begann mit prekären Arbeitsverhältnissen, sozialer Unsicherheit und eingeschränkter Mobilität auseinandersetzen. Nun sind wir fast alle – egal ob Migrant*in oder nicht – in dieser Ausnahmesituation gezwungen eigene Gewissheiten zu überprüfen. Wie komme ich zurecht, wenn keine Freund*innen und Familie in greifbarer Nähe sind; wenn die Bewegungsfreiheit innerhalb der eigenen Stadt oder zwischen Ländergrenzen plötzlich eingeschränkt ist? ,,Man muss keine eigene Migrationserfahrung haben, um mit diesen Geschichten etwas anfangen zu können. Es geht um Dinge, die wir alle gerade in unterschiedlichen Intensitäten erleben – und für die Migrant*innen durch ihre Lebenserfahrungen möglicherweise schon länger Expert*innen sind.“

     

    Eine Kollektion von persönlichen Geschichten

    „Migrant Lives in Pandemic Times“ versammelt filmische Kurzportraits von zwölf Migrant*innen, begleitet von Videostatements und Texten von Wissenschafter*innen. Im Zentrum stehen die Geschichten der Migrant*innen. Die Wissenschaftler*innen ordnen in ihren Beiträgen die Erfahrungen der Portraitierten in einen globalen und politischen Zusammenhang ein. Ihre Analyse verdeutlicht, welche Rolle der Staat und informelle Unterstützungsnetzwerke spielen, und wie die Politik Migrant*innen in Krisensituationen mitunter vernachlässigt. Gleichzeitig geben sie auch einen Ausblick darauf, durch welche Maßnahmen Migrant*innen auf gesamtgesellschaftlicher und individueller Ebene unterstützt werden können.  Teilweise sind es kleine, ganz konkrete Maßnahmen, die einen großen Unterschied machen. So soll das Projekt auch politische Entscheidungsträger*innen ansprechen. Die Videos sind online auf der Website und in einer Playlist auf youtube frei zugänglich und können, wie alle Videos von Migration Matters, gerne von Einzelpersonen, Institutionen und Vereine weiterverwendet werden. Sie sind ,,dazu gemacht geteilt und diskutiert zu werden“, betont Sophia.

     

    Wer dahinter steht

    Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von ,,Migration Matters“, einer Non-Profit Organisation mit Sitz in Berlin, und dem Canada Excellence Research Chair (CERC) in Migration and Integration an der Ryerson University in Toronto, Kanada. ,,CERC Ryerson hat ein internationales Netzwerk an Migrationsforscher*innen zusammengebracht. Wir von Migration Matters haben mit ihnen ein  multimediales Projekt entwickelt, wie Wissen von Betroffenen und Wissenschaftler*innen medial am besten aufbereitet und zugänglich gemacht werden kann. Diese Form von institutionen-übergreifender Wissenschaftskommunikation wird in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen.“ sind sich Bernadette und Sophia sicher. „Migration Matters“ sieht sich dabei als Vermittlerin, die akademisches Wissen für ein breiteres Publikum zugänglich macht. „Wir  möchten damit einen Beitrag leisten, dass Diskussionen über Migration insgesamt nuancierter werden und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen statt nur auf Meinungen basieren.“

     

    Kein Top-down Projekt

    Neben dem Ziel, eine möglichst diverse Gruppe von Menschen mit Migrationsgeschichte vorzustellen, war es dem Team wichtig, eine Vertrauensebene zu den Protagonist*innen aufzubauen. Die Migrant*innen geben tiefen Einblick in ihre Geschichte und Person. Sie ermöglichen echte Lebenseinblicke und nehmen das Filmteam teilweise auch mit in ihr altes oder neues Zuhause. ,,Vertrauen ist ein wichtiger Punkt in unserem Ansatz. In diesem Projekt treffen sich Menschen mit Neugier und Respekt, und jede*r ist dabei ein*e Expert*in in einem bestimmten Bereich. Wir wollen nicht, dass es top-down ist, dass Wisschenschaftler*innen sich Statements abholen, die sie so vorher schon im Kopf hatten, sondern dass die Protagonist*innen wirklich sagen, was ihnen wichtig ist. Dass sie ihre Geschichte aktiv mitgestalten Dass sie entscheiden können, was sie zeigen – und was nicht!“

    Dabei begleitete das Team von „Migration Matters“ die Wissenschaftler*innen und Migrant*innen durch Gruppen Coachings und Trainings im Prozess. Außerdem vermittelte es Einblicke in Digital Storytelling und die praktische Planung von Dreharbeiten. ,,Wir nehmen da eher eine unterstützende Position ein. Die Migrant*innen und Wissenschafter*innen sind die wahren Autoren ihrer Geschichten.“

     

    Verbindungen, die auch nach Corona bleiben

    ,,Unser Ziel ist erfüllt, wenn diese Kurzporträts dazu beitragen, dass man sich einfach von Mensch zu Mensch in Verbindung setzt – ohne gleich in Kategorien zu denken. Und wenn Menschen interessiert über den eigenen Tellerrand blicken und damit etwas mehr Verständnis für das Leben anderer entwickelen.“ Die Videos verdeutlichen, welche Rolle Politik und Solidarität im Alltag von zwölf Migrant*innen während der Pandemie spielen. Vor allem aber zeigt „Migrant Lives in Pandemic Times“, was uns alle auf menschlicher Ebene verbindet.

  • Ankommen in Deutschland

    „Wir wollen den Menschen zeigen, wie sie sich selbst weiterhelfen können und wo sie suchen müssen, um dies tun zu können“, beginnt Julia Wecker zu erläutern. Sie ist Leiterin des vom Goethe-Institut initiierten Projekts „Ankommen in Deutschland“, welches neuzugewanderten Menschen die Möglichkeit eröffnet, sich digital, aber auch in bestimmten Regionen vor Ort zu informieren. Ziel sei es, ein konzentriertes Informationsangebot zu kreieren, das auf die Bedürfnisse von eingewanderten Drittstaatsangehörigen, die aus beruflichen oder privaten Gründen nach Deutschland gekommen sind, abgestimmt ist.

     

    „Mein Weg nach Deutschland“

    Grundbaustein des Projekts ist das Webportal „Mein Weg nach Deutschland“. Dort stehen eine Vielzahl von Informationen über Alltags- und Arbeitssituationen zur Verfügung, sowie Angaben zu Beratungsstellen für verschiedene Gegebenheiten. Um sprachliche Hürden zu überwinden, werden teils komplexe Thematiken und Abläufe in verständlicher Sprache formuliert. Zusätzlich sind die Informationstexte auf über dreißig verschiedenen Sprachen erhältlich.

    „Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass Neuzugewanderte gar nicht wissen, dass sie eine Migrationsberatung in Anspruch nehmen können oder dass es diese überhaupt gibt“, berichtet Regina Grasberger, die Koordinatorin für technische und inhaltliche Weiterentwicklungen der Webseite. Dies soll nun durch die einfache Zugänglichkeit der Informationen auf „Mein Weg nach Deutschland“ geändert werden.

    Zugleich stellt die Webseite deutsche Sprachübungen auf den Niveaustufen A1 bis B2 zur kostenlosen Nutzung bereit. Wecker erklärt: „Die Übungen sind so aufbereitet, dass man sie selbstständig bearbeiten, aber auch als Lehrkraft im Unterricht einsetzen kann“. Neben Aufgaben für den alltäglichen Gebrauch gibt es auch berufsspezifische Materialien. „Wir bieten eine bunte Mischung an Übungen. In einem unserer neusten Series-Games kann man beispielsweise den Alltag einer Krankenpflegekraft nachvollziehen“, führt Wecker aus. Neuzuwandernde, die hier in Deutschland etwa im Pflegebereich arbeiten wollen, könnten so den ersten Wortschatz aus diesem Bereich erlernen.

    Infohäuser in ländlichen Regionen

    Zudem wurden mit dem Projekt sogenannte Infohäuser in ländlichen Regionen errichtet. Grasberger erklärt: „Nach unserer Erfahrung ist es für Neuzugewanderte in ländlichen Gebieten besonders schwierig, die Strukturen vor Ort wirklich kennenzulernen, weil es im Gegensatz zu städtischen Gebieten deutlich weniger Angebote gibt. Dort muss man sich häufig alles erst zusammensuchen“. Die Infohäuser sollen als Anlaufstellen in öffentlichen Räumen wie Bibliotheken oder Volkshochschulen Abhilfe schaffen. Über das digitale Angebot des Instituts hinaus können sich Neuzugewanderte dort auch nach Informationen und Beratung zu Angeboten in ihrer Region erkundigen.

    Zukünftig sind sowohl weitere Infohäuser als auch eine Ausweitung des gesamten Projekts geplant. „Durch die gebündelten Informationen wollen wir Neuzugewanderten eine erste Orientierung bieten, wenn sie ankommen“, betont Grasberger. Als umfassende und strukturierte Informationsquelle vor Ort und Online hilft das Projekt den Menschen dabei, Unterstützung zu finden.

  • Nachrichtenüberblick KW2/22

    Nachrichten aus Deutschland…

    Beginn IS-Prozess in Hamburg

    Am Mittwoch startete in Hamburg ein Staatsschutzverfahren gegen eine mutmaßliche IS-Rückkehrerin. Sie wird wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in mehreren Fällen und Kriegsverbrechen angeklagt. Weitere Anklagepunkte sind die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie fahrlässige Tötung. Die Verteidigung versucht das Bild einer Frau zu zeichnen, die selbst keine ideologischen Interessen hatte sondern lediglich mit ihrem Mann zusammen sein wollte, der bereits 2015 als Söldner zum IS nach Syrien gegangen sein soll.

     

    Corona betrifft vor allem ausländische Menschen

    Eine Studie zeigt auf, dass nicht nur ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen einer höheren Gefahr ausgesetzt sind. Auch Eingewanderte und rassifizierte Personen sind überdurchschnittlich oft an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Das ist überraschend, denn ausländische Staatsangehörige sind im Durchschnitt jünger als Einheimische. Als Gründe für die erhöhte Übersterblichkeit nennen die Autor*innen der Studie die Lebensbedingungen bei vielen Eingewanderten. Daten zum Migrationshintergrund oder zur Zugehörigkeit zu einer Minderheit von Gestorbenen werden bisher nicht erhoben.

     

    Gedenkmarsch für Oury Jalloh 

    Letzte Woche jährte sich zum 17. Mal der Todestag Oury Jalloh, der in einer Dessauer Polizeizelle starb. Der Polizei wird vorgeworfen, den gefesselten Jalloh mit Benzin übergossen und angezündet zu haben. In Gedenken an die Tat und mit Forderungen für weitere Ermittlungen und Aufklärung kamen in Dessau mehere Tausend Menschen zusammen und liefen bei dem Protestzug mit. Die Umstände des Todes sind bis heute unklar. Nach offizieller Behördenversion soll er sich im Keller des Polizeireviers, an Händen und Füßen gefesselt, auf einer feuerfesten Matratze selbst angezündet haben.

     

    Anteil für Familiennachzug wurde nicht vollständig genutzt

    Geflüchtete mit subsidiären Schutzstatus haben in Deutschland die Möglichkeit auf Familiennachzug. Der Anteil der tatsächlichen Familiennachzüge an der Zahl der realisierbaren Familiennachzüge liegt bei weniger als der Hälfte. Das bedeutet, dass von 12.000 Visa, die ausgestellt werden können, lediglich 5.934 Visa ausgestellt wurden. Zwischenzeitlich wurde das Recht auf Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiären Schutzstatus ausgesetzt. Die neue Regierungskoalition möchte das nun wieder ändern.

     

    Kampagne gegen Antisemitismus 

    In Berlin startet nun eine neue Kampagne um Menschen für antisemitische Vorfälle zu sensibilisieren. Die Kampagne richte sich bewusst nicht an Betroffene, sondern an Zeug*innen antisemitischer Vorfälle. Dazu gehören vier Plakatmotive, die als Großplakate und in den sozialen Medien gezeigt werden sollen, als auch Materialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit. Geplant ist auch eine Kampagne zu antimuslimischem Rassismus.

     

    Kino Asyl Festival

    Noch bis zum 21.01. läuft das Online Festival “Kino Asyl”. Ausgewählt und kuratiert sind die Filmbeiträge von jungen Erwachsenen mit Fluchterfahrung. Neben einem bunt gemischten Filmprogramm mit Filmen aus aller Welt, bietet das abwechslungsreiche Rahmenprogramm auch ein exklusives Kinderprogramm. Das Programm findet ihr hier.

     

    190.000 Asylanträge 

    In Deutschland wurden im Jahr 2021 rund 190.000 Asylanträge gestellt, eine so hohe Zahl gab es seit fünf Jahren nicht mehr. Dass die Zahlen so steigen hat verschiedene Gründe, unter anderem die Machtübernahme durch die Taliban und die Migrationsroute über Belarus. Die meisten Menschen, die einen Asylantrag stellen, kommen aus Syrien, aber auch der Anteil von Menschen aus Afghanistan ist gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 21,4 Prozent aller Asylanträge abgelehnt.

     

    Äußerung zum Unwort des Jahres

    PRO Asyl äußert sich nun zum Unwort des Jahres 2021: “Push Back”. Die Praxis bezeichnet das illegale Zurückdrängen von Migrant*innen an Grenzen. Neben einer Kritik der Sprache, äußerte sich PRO Asyl vor allem zu den realen unmenschlichen Bedingungen an den EU- Außengrenzen und fordert, dass das Unwort des Jahres dazu führen müsse. Das gewaltsame Zurückweisungen von Schutzsuchenden an Europas Grenzen müsse ein Ende haben.

     

    … und der Welt

     

    Leiche eines Kindes gefunden

    In Folge des Untergang von Booten mit Geflüchteten in der Ägäis werden von den griechischen Behörden nun immer wieder Leichen entdeckt. Zuletzt auch die Leiche eines Kleinkindes. Bisher wurden 16 Leichen geborgen, viele Menschen werden noch vermisst. Die Zahl der Todesopfer könnte noch viel größer sein. Wegen der langen Fahrt über das Mittelmeer kommt es häufig zu Maschinenschäden oder Lecks auf den oft veralteten Booten, die Schleuserbanden den Menschen verkaufen. Wie viele Menschen dabei ums Leben gekommen sind, ist nicht bekannt.

     

    Neues Camp für Geflüchtete in Bosnien 

    An der bosnischen Grenze schlafen etliche Geflüchtete und Migrant*innen unter freiem Himmel, viele von ihnen halten sich in den Wäldern entlang der EU-Außengrenze auf. Im Winter ist es eisig kalt und die Menschen müssen bei Minusgraden draußen schlafen. Ein im November 2021 eröffnetes Camp hat die Situation zumindest ein wenig entschärft. Es bietet Platz für rund 1.300 Menschen, aktuell sind 345 Betten belegt. Viele würden die Unterkunftsmöglichkeiten im Camp nicht nutzen, da das Camp so weit weg von der Grenze ist. An der Grenze kommt es immer wieder zu illegalen Push-Backs und Gewalt von seiten der kroatischen Behörden.

     

    Das Neujahr der Imazighen

    Am 13. Januar begannen die Imazighen das Jahr 2972. Die Imazighen sind die Ureinwohner*innen Nordafrikas. Auf Deutsch bedeutet es so viel wie „freie Menschen“. Das Neujahr „Yennayer“ ist eines der ältesten Volksfeste, das die Imazighen seit der Antike in Nordafrika feiern. Imazhigen ist die Selbstbezeichnung der nordafrikanischen Bevölkerungsgruppe. Sonst werden sie als “Berber*innen” bezeichnet. Ihr Kalender ist ein alter, agrarischer Sonnenkalender.

     

    Golden Globe für Michaela Jaé Rodriguez

    Im Sommer 2021 schrieb Rodriguez bereits Geschichte, als sie als erste Transgender-Schauspielerin eine Emmy-Nominierung in einer Kategorie Hauptdarstellerin erhielt. Nun erhielt sie für ihre ihre Rolle als Blanca Evangelista in der Serie “Pose” zur Ballroom-Szene und deren Mitglieder im “Lower Manhatten”, im New York Ende der 80er und Anfang der 90er-Jahre.

     

    83 Wochen ohne Unterricht

    In Uganda konnten Kinder 83 Wochen nicht zur Schule gehen. Nach fast zwei Jahren Corona-Pause öffnen in Uganda wieder die Schulen. Trotzdem werden viele Kinder nicht zurück in die Schule kommen, da sie ihre Familien pandemiebedingt unterstützen müssen. Während die Schulen von staatlicher Seite geschlossen blieben, gründeten sich geheime verbotene Schulen. Geschätzt jedes dritte Kind kann nie wieder eine Schule besuchen. Auch, weil die Eltern sich die Schulgebühren nicht mehr leisten können.

  • Neuer Koalitionsvertrag – Migration und Asyl

    Die konkreten Änderungen im Koalitionsvertrag für Menschen in Deutschland:

    Die Zentren für Ankunft, Entscheidung, Rückführung (AnkER), in denen Asylsuchende bis zur Zuteilung in eine Kommune oder zur Abschiebung gewissermaßen eingesperrt und von der Gesellschaft isoliert und ausgegrenzt werden, sollen abgeschafft werden.

    Zudem soll die Einbürgerung erleichtert werden. Die Erlangung der Staatsangehörigkeit wird nun schon nach fünf Jahren ermöglicht, bei besonderen Integrationsleistungen schon nach drei Jahren. Auch werden in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen. Dies steht unter der Bedingung, dass die Eltern seit fünf Jahren einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben.

    Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ermöglichung von Mehrfachstaatsangehörigkeit. Auch für Menschen, die bisher nur in Deutschland geduldet wurden, sollen die Möglichkeiten für einen dauerhaften Aufenthaltstitel verbessert werden. Gute Nachrichten gibt es für Menschen mit einer Ausbildungsduldung, denen dadurch nun ein Bleiberecht zugesichert wird. Trotzdem hält die neue Regierung weiterhin an Duldungszeiten fest, obwohl zumindest die sogenannte Duldung Light, zur Klärung der Identität einer Person, aufgehoben wurde.

    Außerdem gibt es Änderungen bei den Bestimmungen zur Familienzusammenführung. Subsidiär Geschützte sollen mit Geflüchteten der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt werden und erhalten somit wieder einen Rechtsanspruch auf das Nachholen der Kernfamilie. Der Familiennachzug wird zusätzlich erleichtert durch das Ziel, die Visavergabe zu beschleunigen und zu digitalisieren, wodurch das Aufenthalts- und Bleiberecht generell leichter zugänglich werden könnte.

    Die Lebenssituation in Deutschland kann dazu auch durch die Abschaffung von Arbeitsverboten für Menschen, die in Deutschland leben, verbessert werden. Damit dürfen beispielsweise auch Asylsuchende während der Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen legal arbeiten. Darüber hinaus sollen alle geflüchtete Menschen Zugang zu Integrationskursen haben und Kinder und Jugendliche einen schnellen Zugang zu Bildung gewährleistet bekommen. Die Gesundheitsversorgung soll zukünftig  weniger bürokratisch ablaufen. Kritisch zu sehen ist die fehlende Eindämmung von Abschiebungen, eine weiterhin harte Abschiebepolitik ist zu erwarten.

    Beschlüsse im Koalitionsvertrag zur internationalen Migrationspolitik:

    Auf EU-Ebene und der internationalen Migrationspolitik sind die Aussagen weiterhin vielmehr Lippenbekenntnisse ohne konkreten Maßnahmen zu Veränderungen. Die Koalition beruft sich auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Es wird sich zwar gegen illegale Push-Backs und das Leid an den EU-Außengrenzen ausgesprochen, konkrete Maßnahmen zur Verhinderung allerdings nicht formuliert. Weiterhin sollen Asylsuchende, die sich davor in einem anderen EU Land aufgehalten haben, zurückgewiesen werden. Außerdem gibt es keine Maßnahmen zur Einstellung  finanzieller und logistischer Unterstützung von Staaten, die Menschenrechte an den Außengrenzen verletzen.

    Gleichzeitig setzt die Koalition immer noch auf die Kooperation mit Drittstaaten bei der Asylpolitik. So wird das Asylrecht ausgelagert und nicht Deutschland, sondern die Drittstaaten stehen in der Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und des Schutzstatus. An den Grenzen gibt es meist nur unzureichenden Rechtsschutz. Unklar bleibt auch, wie mit aktuellen Missständen im europäischen Asylsystem umgegangen werden soll und wie diese verhindert werden könnten. Eine erfreuliche Entscheidung allerding ist die Entkriminalisierung von ziviler Seenotrettung.

    Einige der neuen Beschlüsse werden zu konkreten Verbesserungen für Menschen in Deutschland führen und können tatsächlich mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bedeuten. Andere Themen bleiben weiterhin unangesprochen. Teils sind die Beschlüsse nur vage formuliert, welche konkreten Handlungen damit gemeint sind, bleibt offen.

  • Figuren im politischen Spiel von Belarus und der EU

    Seit August lässt die belarusische Regierung Migrant*innen aus verschiedenen Ländern nach Minsk fliegen, damit sie über die dortige Grenze in die EU gelangen können. Doch sie sind in Polens Wäldern gestrandet, weil sie abgewiesen wurden und Belarus ihnen die Rückkehr verweigert. Viele geflüchtete Menschen kamen bereits wegen der eisigen Temperaturen ums Leben.

    Unter den Migrant*innen sind viele Frauen und Kinder. Sie werden als Spielfiguren in einem politischen Spiel zwischen Belarus und der EU verwendet. Damit will der autoritär regierende Staatschef Lukaschenko offenbar Druck auf die EU ausüben. Diese hatte wegen der Unterdrückung der Demokratiebewegung Sanktionen gegen Belarus verhängt.

    Die Situation an der Grenze ist erschreckend. Die Journalistin Emmanuelle Chaze, Korrespondentin der France24 und DW in Berlin berichtet im Gespräch mit kohero: „Ich habe schon viel über Migration berichtet und war damals auch bei Seenotrettungen an Board, bei See Watch und SOS Mediterranee. Allerdings war ich an der Grenze zwischen Polen und Belarus wirklich schockiert. Es gibt keinen Zugang zu den Menschen an der Grenze.“

    Anfang September hat die polnische Regierung den Ausnahmezustand an der Grenze erklärt. Außerdem wurde von den polnischen Sicherheitskräften eine 3 Kilometer lange NoGo-Zone eingerichtet. In der Zone sind humanitäre und medizinische Hilfe verhindert worden. Zudem dürfen unabhängige Journalist*innen nicht in das Gebiet eintreten. „Das finde ich insbesondere deshalb gefährlich, weil man mit den Menschen in der Zone nicht in Kontakt treten kann“, sagt Chaze. „Die einzige Möglichkeit, von den Ereignissen in dem Gebiet zu erfahren, ist von den Migrant*innen, die beschlossen haben, sie durchzugehen, um ihren Weg in die EU fortzusetzten“, ergänzte sie.

    Legale Reise nach Minsk

    Dem Regime von Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, dass es gezielt Migrant*innen ins Land holt, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu Polen zu bringen. „Migranten fliegen ganz legal mit Visum aus Istanbul, Damaskus und anderen Städte nach Minsk. Das Visum wurde durch dritte Parteien wie z.B. Flug- und Reisegesellschaften vermittelt“, erklärt die Journalistin. Einmal in Minsk angekommen, werden die Migrant*innen sofort von den belarussischen Sicherheitskräften an die EU-Grenze getrieben. „In den Wäldern haben wir Unterlagen von Asylsuchenden gefunden. Diese zeigen, das sie ein normales Visum nach Minsk hatten. Allerdings ist unklar wie Asylsuchende es organisieren, an der Grenze weiterzugehen. Aber nach meinen Informationen verhindern die belarussischen Sicherheitskräfte keine Reise aus Minsk an die Grenze zu Polen“, so Chaze.

    Festsitzen an der Grenze

    Diese Menschen sind in Polens Wäldern gestrandet, weil das Land sie ausgewiesen hat und Belarus ihnen die Rückkehr verweigert. Aus diesem Grund sitzen sie ohne Nahrung und Wasser im Niemandsland fest. Darüber hinaus werden sie mit erneuten Push-Backs von beiden Seiten gefordert, an die Grenze des jeweils anderen Landes zu gehen. Und das, obwohl Polen und Belarus 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben haben.

    „Zurzeit gibt es nach polnischen Angaben mehr als 3.000 Asylsuchende an der Grenze. Und Polen selbst hat darüber berichtet, dass das Land hunderte Menschen nach Belarus zurückgeschickt hat. Das ist ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese Push-Backs von beiden Seiten sind nach internationalem Recht völlig illegal“, so Chaze.

    Keine humanitäre und medizinische Hilfe

    Polen verweigert auch unabhängigen Mediziner*innen weiterhin die Versorgung von Migrant*innen an der EU-Außengrenze zu Belarus. Obwohl dutzende Menschen dort dringend medizinische Hilfe benötigen. Gegenüber kohero äußert sich Journalistin Emmanuelle Chaze zur humanitären Lage in der Region: „In dem Gebiet gibt es keine humanitäre Hilfe und das ist meiner Meinung nach unmenschlich. Diese Menschen sitzten dort fest, sie haben Hunger und kein Wasser. Die Temperaturen sinken immer weiter, Menschen dort sind schutzlos gegen die Kälte. Trotz dieser Lage dürfte keine Hilfsorganisation in die Zone eintreten.“ Angesichts dieser schwierigen Lage haben die Vereinten Nationen am 9. November Unterstützung für die Migrant*innen angeboten. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration wollen dort humanitäre Hilfe leisten.

    Die Lage an der östlichen EU-Außengrenze ist in den letzten Tagen dramatisch eskaliert, als Hunderte Migranten versuchten, die Zaunanlage zu durchbrechen. Sie wurden allerdings von den polnischen Sicherheitskräften davon abgehalten (Anm.d.Red.: Inzwischen haben mehrer Gruppen von Migrant*innen die Grenzen durchbrochen. Sie wurden wieder ausgewiesen, einige wurden festgenommen.). Trotzdem konnten etliche Menschen den Zaun verlassen und in Polen ankommen.

    Chaze hat einen 14-jährigen Syrer in Polen getroffen, der drei Wochen lang am Zaun blieb. Er berichtete von mindestens drei Leichen, die er in dem Wald gesehen hat. „Ich habe ihn vor einem Krankenhaus in Polen kennengelernt. Er wartete auf seinen Vater, der sich zuvor im Wald verletzte. Er hatte Angst, dass Polen sein Vater nach Belarus zurückbringt, sobald er aus dem Krankenhaus kommt.“

    Grünes Licht

    Viele der geflüchteten Menschen setzen sich selbst der Gefahr aus, indem sie bei eisigen Temperaturen in den Wäldern bleiben. Aus Angst, nach Belarus zurückgeschickt zu werden, bitten sie Einheimische nicht um Hilfe. Daher hat ein polnischer Anwalt die Initiative „Grünes Licht“ gegründet. Ziel der Initiative sei es, Migrant*innen auf dem Weg zu unterstützen. Die Initiative fordert die Bürger*innen im Grenzgebiet auf, ein grünes Licht einzuschalten, um den Migrant*innen ihre Absicht zu signalisieren, Unterkunft, Kleidung und Nahrung zu bieten. Es geht ausßerdem daru, den Asylsuchenden zu zeigen, dass dieses Zuhause mit dem grünen Licht für sie ein sicherer Hafen ist.

    Theoretisch besteht die gesetzliche Verpflichtung darin, Asylsuchende aufzunehmen und menschnenwürdig zu behandeln. Tatsächlich sind derzeit Tausende Menschen zwischen den beiden Ländern gestrandet und werden von Seite zu Seiten gedrängt. Wer Kraft und etwas Glück hat, durchquert die Teiche, Wälder und eisigen Nächte Osteuropas. Der Rest, darunter Hunderte alte Menschen, Frauen und Kinder, sind dazu verdammt, diese feindliche Umgebung zu durchstreifen und vielleicht nie in Sicherheit anzukommen.

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