Schlagwort: Medien

z.B. Hass im Netz, Berichterstattung über Flucht

  • Nachrichtenüberblick KW 30

    Neuigkeiten aus Deutschland…

    Afghanische Rückkehrer*innen laut Asyllagebericht nicht allgemein bedroht

    Wir beginnen unseren Blick auf die Neuigkeiten der Woche mit dieser Nachricht: Laut des Asyllageberichtes des Auswärtigen Amtes sind Afghan*innen, die in ihr Heimatland zurückkehren, nicht allgemein bedroht – trotz des Vorrückens der radikalislamischen Taliban, die mehr und mehr Gebiete in Afghanistan für sich beanspruchen. Für Zivilisten sei es weiterhin möglich, sich zwischen den größeren Städten des Landes zu bewegen. Lediglich für Journalist*innen und Menschenrechtler*innen sei Afghanistan allgemein kein sicherer Ort mehr. Für alle anderen müsse der Schutzstatus unter Berücksichtigung von Konfession, ethnischer Herkunft und anderer individueller Aspekte beurteilt werden.
    Mehr zum Asyllagebericht lest ihr auf pnn.de.

     

    Impfkampagne für Geflüchtete ohne Deutschkenntnisse erfolgreich gestartet

    Vor etwa zwei Monaten startete eine landesweite Impfkampagne, die Geflüchtete und Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, grundlegend über die Impfung informieren sollte. Kai Weber, Geschäftsführer des niedersächsischen Flüchtlingsrates, sieht die Kampagne bisher als Erfolg: die Quote der Impfwilligen sei seit Beginn der Kampagne angestiegen. Damit die Kampagne weiterhin erfolgreich bleibe, sei es jedoch unverzichtbar, neben Infovideos auch auf persönliche Gespräche und mobile Impfteams zu setzen.
    Mehr zur Impfkampagne lest ihr bei zeit.de.

     

    Studie zeigt Abhängigkeit des Wohlstands von Migration

    Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass Deutschlands Arbeitsmarkt auch in Zukunft abhängig von Zuwanderung aus dem Ausland ist: Da die Gesellschaft immer älter wird, wird es schwieriger, Arbeitsplätze in Büros, Fabriken und Krankenhäusern zu besetzen. Um den Anteil der Menschen, die jährlich in Rente gehen, auszugleichen, brauche es Zuwanderung aus dem Ausland, so die Studie.
    Mehr zu der Studie lest ihr auf merkur.de.

     

    …und der Welt

    70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention

    Vor 70 Jahren, am 28. Juli 1951, wurde die Genfer Flüchtlingskonvention beschlossen. Sie besagt, dass alle, die wegen ihrer Religion, Nationalität oder wegen ihren politischen Überzeugungen ihr Heimatland verlassen mussten, einen Anspruch auf einen Flüchtlingsstatus und den Schutz vor Diskriminierung und Abschiebung haben. Das klingt gut in der Theorie, doch wird die Flüchtlingskonvention heute von vielen Staaten nicht angewendet. So beispielsweise Japan, aber auch viele europäische Länder, die Menschen an ihrer Grenze zurückweisen, ohne ihnen die Chance auf ein Verfahren zu geben.
    Mehr zur Genfer Flüchtlingskonvention lest ihr auf deutschlandfunk.de.

     

    Bootsunglücke vor lybischer Küste und der Ägäis

    Nachdem ein Boot mit Geflüchteten vor der lybischen Küste kenterte, sind mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen. Seit Beginn des Jahres 2021 haben bereits 980 Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute ihr Leben verloren. Auch an der Ägäis gelten mehrere Geflüchtete als vermisst: 37 Menschen in Seenot wurden von den griechischen Behörden gerettet, von zehn bis zwölf weiteren Geflüchteten fehlt jedoch eine Spur. Auch die türkische Küstenwache konnte 37 Menschen von einem gekenterten Boot retten, acht Menschen werden derzeit noch vermisst.
    Mehr zum Bootsunglück vor der lybischen Küste lest ihr auf deutschlandfunk.de, mehr zu den Vermissten vor der ägäischen Küste bei jungewelt.de.

     

    Angespannte Situation an bosnisch-kroatischer Grenze

    Zwischen 8.000 und 12.000 Geflüchtete leben in Bosnien, das für viele von ihnen zur Sackgasse wird. Den meisten gelingt es nicht, die Grenze nach Kroatien zu überqueren. Die EU unterstützt Kroatiens Grenzschutz mit jährlich 6,8 Millionen Euro. Auch die kroatischen Grenzpolizisten gehen gewaltsam gegen Menschen vor, die versuchen, in die EU einzureisen. Auch auf bosnischer Seite gibt es Berichte über gewaltsame Übergriffe auf die Geflüchteten und Blockaden der Camps in Bihać und Velika Kladuša. Viele Geflüchtete berichten jedoch auch von der Hilfsbereitschaft der bosnischen Bevölkerung, die sie in ihrer hilflosen Lage mit Kleidung, Medikamenten, Essen und Feuerholz unterstützen.
    Mehr zur Lage an der bosnisch-kroatischen Grenze lest ihr auf enorm-magazin.de.

     

    Österreich verstärkt seine Grenzüberwachung

    Weil mehr Migrant*innen die Grenze zwischen Österreich und Ungarn überqueren, möchte Österreich etwa 400 Bundesheer-Soldaten an die Grenze schicken. Sie sollen „die Migrationsbewegungen zu kontrollieren“, so Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. In diesem Jahre seien bereits 200 Schlepper und fast 16.000 Geflüchtete aufgegriffen worden. Die Maßnahme wurde von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) positiv aufgenommen.
    Mehr dazu lest ihr auf dw.com.

     

    Frontex an den Ärmelkanal geschickt

    Nachdem im vergangenen Jahr eine steigende Zahl von Menschen versuchte, über den Ärmelkanal nach Großbritannien einzureisen, soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex auch dort aktiv werden. Das forderte der französische Innenminister Gérald Darmanin. Frankreich und Großbritannien wollen außerdem zusammenarbeiten, um die Migration an ihren Küsten zu kontrollieren. Uur Kontrolle der französischen Küsten will Großbritannien Frankreich mit 65 Millionen Euro unterstützen.
    Mehr dazu lest ihr auf tagesschau.de.

     

    Änderung des litauischen Asylgesetzes

    Weil momentan viele Geflüchtete illegal die Grenze von Belarus nach Litauen überqueren, hat das litauische Parlament einige Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. So können jetzt die Asylverfahren schneller geprüft werden und die Freizügigkeit von Migrant*innen eingeschränkt werden. Die Veränderungen seien nötig, um die Lage an der Grenze unter die Kontrolle zu bekommen, sagte die Innenministerin Agne Bilotaite. Menschenrechtsorganissationen kritisieren die veränderten Asylgesetze jedoch.
    Mehr zu den Gesetzesänderungen in Litauen lest ihr auf zdf.de.

     

    Ende des Hungerstreiks in Brüssel

    Die mehr als 400 Migrant*innen, die in Brüssel mit einem Hungerstreik gegen ihre ausweglose Situation protestierten, haben den Streik vorerst aufgegeben. Nach fast zwei Monaten des Hungerstreiks sei es zu Treffen mit Regierungsvertreter*innen gekommen. Dabei wurde den Streikenden vorgeschlagen, ihre „außergewöhnlichen Umstände“ und die „Möglichkeit des internationalen Schutzes“ bei den Behörden vorzubringen.
    Mehr zum Ende des Hungerstreiks lest ihr auf spiegel.de.

     

    Die gute Nachricht!

    Haftstrafen nach Angriffen auf Geflüchtete

    Wir beenden unseren Überblick über die Neuigkeiten der Woche mit dieser guten Nachricht: Das Landgericht Dresden hat aufgrund gewalttätiger Angriffe auf Geflüchtete einen 31-jährigen zu fünf Jahren und acht Monaten Haft, und einen 35-jährigen zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass die beiden Rechtsextremen Teil der Gruppe waren, die während eines Dresdener Stadtfestes im August 2016 Jagd auf Geflüchtete gemacht und dabei ausländerfeindliche Parolen gerufen hatten.
    Mehr zum Urteil des Landgerichtes Dresden lest ihr auf mdr.de.

  • Nachrichtenüberblick KW 27

    News aus Deutschland…

    Untersuchung zu interkulturellen Herausforderungen in Medizin und Pflege

    Wir beginnen unseren Blick auf die News der Woche hiermit: Die Charité Universitätsmedizin Berlin und die FOM Hochschule haben in einer Studie untersucht, wie kulturelle Unterschiede sowohl das Personal als auch die Patient*innen in Krankenhäusern und der Pflege betreffen. Die Forscher*innen sind davon überzeugt, dass die Kenntnis anderer Kulturen wichtig ist, um Menschen mit Migrationshintergrund richtig behandeln zu können. Dafür haben sie einen „Maßnahmenkoffer“ entwickelt, in dem beispielsweise Erläuterungen zu medizinischen Vorgängen in verschiedenen Sprachen enthalten sind, oder Hinweise zu arabischsprechenden Ärzten in Berlin.
    Mehr zur Untersuchung lest ihr auf idw-online.de.

    Verurteilung von vier Männern nach Misshandlungen in einer Flüchtlingsunterkunft

    Nachdem drei Mitarbeiter des Wachpersonals Geflüchtete in einer Unterkunft misshandelt haben, sind sie wegen Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Geldstrafe zwischen 900 und 3.500 Euro verurteilt worden. Die Taten waren 2014 durch die Veröffentlichung von Fotos und Videos bekannt geworden. Dennoch wurden sechs Beschuldigte freigesprochen, fünf weitere Verfahren wurden wegen Geringfügigkeit bzw. gegen Zahlungsauflagen eingestellt.
    Mehr zur Verurteilung lest ihr auf spiegel.de.

    Maas und Giffey für Abschiebungen nach Afghanistan

    SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey spricht sich dafür aus, Straftäter aus Afghanistan oder Syrien in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Wer schwere Straftaten begehe, der habe sein Recht auf Asyl verwirkt, so die ehemalige Familienministerin. Auch Außenminister Heiko Maas hält Abschiebungen nach Afghanistan trotz der zunehmenden Gewalt im Land für vertretbar. Kritik für diese Positionen gab es dafür von den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, sowie den Linken und den Grünen.
    Mehr zur Position von Franziska Giffey lest ihr auf zeit.de, mehr zu Heiko Maas auf rundschau-online.de.

    Grüne kritisieren Sachsens Abschiebepraxis

    Die Grünen in Sachsens kritisieren die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber*innen. Mehrfach hat man Familien nachts und unter Zeitdruck aus ihren Wohnungen geholt, was insbesondere für die Kinder traumatisierend sei. Dabei seien auch wichtige Pflegekräfte abgeschoben worden, deren Arbeit in der Corona-Pandemie von großer Bedeutung ist. Die Grüne machte ihre Ablehnung dieser Abschiebepraxis klar und warf der CDU vor, der AfD Wählerstimmen abjagen zu wollen.
    Mehr dazu lest ihr auf zeit.de.

    Sachsen und Niedersachsen: Einbürgerungszahlen sinken, Zahl ankommender Geflüchteter steigt

    In Sachsen kamen bis Ende Mai 2.385 Geflüchtete an – das erste Mal seit Jahren eine steigende Zahl. In Niedersachsen hingegen ist die Zahl der Einbürgerungen um 19% im Vergleich zum Vorjahr gesunken. 2020 haben 8.878 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Das liegt zum einen an der Verringerung der Einbürgerung von Brit*innen sowie an der Corona-Pandemie. In Sachsen wurden außerdem mehr ausländische Berufsabschlüsse anerkannt: 617 Abschlüsse waren es 2020, damit stieg die Erfolgsquote auf 43%.
    Mehr zur Zahl von Geflüchteten in Sachsen lest ihr auf zeit.de, mehr über die Einbürgerungen in Niedersachsen auf t-online.de. Mehr über die Anerkennung von Berufsabschlüssen lest ihr auf zeit.de.

    Würzburg: Defizite in der Integration

    Nach der Messerattacke in Würzburg wird die mangelnde Integration von Geflüchteten kritisiert. Innenminister Seehofer stellte die Frage, wie ein subsidiär Geschützter wie der Täter aus Würzburg nach sechs Jahren in Deutschland immer noch in einer Obdachlosenunterkunft lebte, „ohne dass jemand hinschaue oder sich kümmere“. Auch der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt warnte vor Pauschalisierungen. Er sprach davon, dass Geflüchtete mit einer schwierigen Biographie begleitet und unterstützt werden müssten. Hingucken müsse Staatsaufgabe sein.
    Mehr zu den Worten Seehofers lest ihr auf frankenpost.de, mehr zu Schuchardt auf tagesschau.de.

    Caritas fordert mehr finanzielle Unterstützung für Beratung von Geflüchteten

    Die Caritas fordert mehr Geld für ihre Zentren in Dachau und Fürstenfeldbruck, wo jedes Jahr zwischen 200 und etwa 350 Geflüchtete Rat suchen. Obwohl die Zahl der Ratsuchenden während der Corona-Pandemie etwas zurückgegangen sei, sei der Bedarf an Beratungen hoch geblieben. Die Geflüchteten kommen in die Einrichtungen, um sich zu Arbeits- und Wohnungssuche sowie Behördengängen und Deutschkursen beraten zu lassen. Die Mitarbeiter*innen kritisierten die langen Wartezeiten bei Sozialwohnungen und reihenweise Kündigungen der Geflüchteten während der Corona-Pandemie.
    Mehr dazu lest ihr auf sueddeutsche.de.

     

    … und die Welt

    Gespräch zum Thema Klima-Migration zwischen UN-Vertretern und Bürgermeister*innen

    Laut eines Berichtes des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC) beeinflussen die Folgen des Klimawandels bereits jetzt 3,2 Milliarden Menschen weltweit. Wenn sie aus diesen Gründen migrieren, sind ihre Ziele meistens Städte. Bürgermeister*innen haben deshalb eine wichtige Rolle in der Bewältigung dieser Herausforderung. Deshalb haben sich das Global Parliament of Mayors, eine Vereinigung von Bürgermeister*innen weltweit, und Vertreter der UN und nationaler Regierungen Gespräche geführt. Ziel ist es, ihre Zusammenarbeit zu stärken und auf die Bedeutung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN hinzuweisen.
    Mehr zu diesem Austausch lest ihr auf mrn-news.de.

    Steigende Migration aus Belarus nach Litauen

    Aufgrund der instabilen politischen Lage in Belarus überqueren derzeit vermehrt Migrant*innen die Grenze zwischen Litauen und Belarus. Litauen hat daraufhin die Grenzkontrollen verstärkt und angekündigt, eine zusätzliche „physische Barriere“ einzurichten. In Belarus werden seit einiger Zeit Proteste gegen die autoritäre Regierung gewaltsam niedergeschlagen, Regierungskritiker*innen werden häufig verhaftet und zu harten Gefängnistrafen verurteilt.
    Mehr zum Thema lest ihr auf rnd.de.

    Verschärfung des britischen Asylrechts

    Die angekündigte Veränderung des britischen Asylrechts hat Proteste vieler Hilfsorganisationen hervorgerufen. In Zukunft sollen Migrant*innen ohne Aufenthaltsrecht bis zu vier Jahre ins Gefängnis, Schleuser*innen bis zu 14 Jahre. Länder wie Afghanistan oder der Sudan, die ihre Bürger*innen nicht zurücknehmen, sollen mit Sanktionen bestraft werden. Unter die Bestrafungen fallen auch viele anerkannte Geflüchtete, die illegal nach Großbritannien eingereist sind. Hilfsorganisationen warnen daher, dass Unschuldige zu Kriminellen gemacht werden, die in Folge jahrelang inhaftiert werden.
    Mehr zum neuen britischen Asylgesetz lest ihr auf derstandart.at.

     

    Die gute Nachricht!

    Ocean Viking geht in Sizilien an Land

    Wir beenden unsern Überblick über die News der Woche mit dieser guten Nachricht: Nach tagelanger Suche kann das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit 572 geretteten Geflüchteten in Sizilien an Land gehen. Rund ein Drittel der Menschen sind minderjährig, die Geflüchteten leiden an Dehydrierung und Erschöpfung. Die Betreiberin der „Ocean Viking“, die Organisation SOS Mediteranée, zeigte sich erleichtert, dass die Tortur der Geflüchteten nun beinahe vorbei ist.
    Mehr dazu lest ihr auf zeit.de.

     

  • „Hakaya“ – mit Geschichten Brücken bauen

    Ich grüße Sie, Joudi Ayash. Mit Ihrem Projekt „Hakaya“ möchten Sie Hörbücher für Kinder in arabischer Sprache zu deutschen Geschichten anbieten. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

    J.A.: Als Flüchtlingsmutter mit arabischen Wurzeln habe ich immer versucht, meinem Kind Geschichten aus beiden Sprachen (Arabisch und Deutsch) in unserer neuen Heimat vorzulesen, um neue Kommunikationskanäle in unser Muttersprache zwischen meinem Kind und uns zu erstellen und neue Perspektiven in seiner Fantasie zu erschaffen. Ich hatte Schwierigkeiten, arabische Geschichten zu finden, die sich mit den Bedürfnissen der Kinder befassen und gleichzeitig den Zugang zu meiner Muttersprache erleichtern könnten.

    Zudem habe ich mit vielen arabischen Müttern gesprochen. Sie teilen die gleiche Meinung, dass die Kinder durch Kindergarten, Schule und Freunde die deutsche Sprache lernen und überwiegend sprechen, jedoch den Zugang zu der arabischen Sprache, die nur zuhause gesprochen wird, verlernen. Die Eltern lernen zwar auch Deutsch. Aber zu Hause sprechen sie Arabisch. Die Familie hat keine gemeinsame Sprache mehr. Dies führt zu Missverständnissen und Problemen.

    Durch das Lesen habe ich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturen bemerkt. Aber auch die gemeinsamen menschlichen Werte, die uns alle verbinden. Die genannten Erfahrungen habe mich auf meine Idee und mein Traumprojekt gebracht, das ich „Hakaya“ benannt habe: Es werden Kindergeschichten aus dem Deutschen ins Arabische zu übersetzt und als Hörbuch aufgenommen. „Hakaya“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet: Geschichten.

    Besonders wichtig ist mir: einen neuen Kommunikationskanal in arabischer Sprache ermöglichen zu können, nämlich den zwischen den Eltern und den Kindern und der Wahrnehmung zu ihrer ursprünglichen Umgebung und ihrer neuen Heimat.

    Im Ursprung sind es deutsche Geschichten, die für die Hörbücher ins Arabische übersetzt werden. Wie finden Sie Geschichten, die sich dafür eigenen?

    J.A: Zunächst sollten sich die Geschichten an Kinder im Vor- und Grundschulalter richten. Zudem wünsche ich mir neutrale Geschichten, die ohne religiösen oder politischen Hintergrund sind und sich mit den Bedürfnissen der Kinder befassen. Sie sollen Erziehungsstile fördern, die auf ein dialogisches Miteinander und dem Selbstausdruck der Kinder beruhen. Und sie sollen sich mit dem Alltag des Kindes beschäftigen und den nach Deutschland zugezogenen Kindern helfen sich in ihrer neuen Umgebung besser zurecht zu finden. Die gesellschaftlichen Werte wie Gemeinsinn, Mitgefühl und soziale Intelligenz sollen gestärkt werden.

    „Hakaya“ ist ein Online-Angebot. Was muss man tun, um die Geschichten zu hören? Und wie erfahren Familien von diesem Angebot?

    J.A.: Hakaya ist seit November 2020 online gestellt. Zur Vermarktung wurde dafür mit mehreren Kampagne auf Facebook geworben. Hakaya befindet sich momentan in der Probezeit und zwei Geschichten sind nun kostenlos für die Besucher verfügbar.
    Die eingesprochenen Bücher sind unter www.hakaya.de zu finden. Zudem sind wir auf unterschiedlichen Social-Media Kanälen zu finden, wie Spotify oder iTunes.
    Nach Ablauf der Testphase planen wir für die runter geladenen Geschichten kleine Preise zu verlangen, da die Geschichten mit Produktions- und Urheberrechtskosten verbunden sind.

    Mal in die Zukunft geschaut: Noch steht Ihr Projekt ganz am Anfang. Welche Schritte haben Sie sich für die nächste Zeit vorgenommen?

    J.A.: Mein Kopf ist immer voller Ideen. Es ist vielmehr eine Frage der Zeit und der finanziellen Unterstützung. Für die Zukunft hoffe ich, dass wir noch viel mehr Geschichten unterschiedlicher Genre auf die Website stellen können. Geplant sind anfänglich drei Bücher pro Monat, je nach urheberrechtlichen Vereinbarungen ist eine Ausweitung geplant.

    Wir möchten den Kontakt mit den Eltern fördern und die Meinungen der Kinder über die Geschichten hören. Auch sind wir offen für neue Ideen zur noch besseren Umsetzung. Zusätzlich planen wir auch zu den Geschichten eigene Kinderlieder auf  der Website zu veröffentlichen, beispielsweise von jungen Bands oder auch von Kindern, die selbst gerne Musik machen. Am liebsten in unterschiedlichen
    Musikrichtungen und über verschiedene Themen.

    Gibt es etwas, was Interessierte noch über Hakaya wissen sollten? Und haben Sie noch einen Wunsch, bei dem andere Menschen helfen können, damit er vielleicht in Erfüllung geht?

    J.A.: Bei meinem Projekt Hakaya werden deutsche Kindergeschichten als Hörbücher ins Arabische übersetzt und eingesprochen. Aber es ist vielmehr auch der Versuch, die verschiedenen Kulturen einander näher zu bringen und die Barrieren zwischen den unterschiedlichen Mentalitäten zu verringern. Die Kinder sollen mit den gemeinsamen menschlichen Werten aufwachsen und schon im Kindesalter ein solidarisches Miteinander lernen.

    Wichtig, besonders für arabischsprachige Kinder, sind Geschichten aus denen die Kinder etwas über ihren Körper, ihre Gefühle und ihr Selbstbewusstsein lernen können. Hakaya braucht momentan viele Geschichten und Autoren, die von der Idee
    begeistert sind und mich in der ersten Phase unterstützen möchten. Ich bin sehr an Kinderbüchern interessiert, die von Freundschaft, Liebe oder Sachgeschichten/ Erziehungsgeschichten handeln.

  • Gefährliche Kritik – Pressefreiheit in Gefahr

    „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Eine Zensur findet nicht statt“, so steht es in Artikel 5 des Grundgesetzes. Diese Pressefreiheit bezeichnet also das Recht von Medien – Zeitungen (auch netzbasierte Zeitungen und Blogs), Rundfunk und TV – auf eine ungehinderte Ausübung ihrer Tätigkeit. Vor allem ist es auch das Recht auf die staatlich unzensierte Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungen. Details zu Rechtsfragen regelt das deutsche Presserecht.

    Die Idee dieser Presse- und Meinungsfreiheit wurde vor allem während der Zeit der Aufklärung ab dem 17. Jahrhundert entwickelt. Doch diese Rechte gelten leider in weiten Teilen der Welt nicht: In vielen Staaten gibt es  eine systematische Hetze  gegen Medienschaffende. Sie werden verfolgt und unterdrückt. Das führt dazu, dass sie zunehmend in einem Klima der Angst arbeiten müssen. Viele von ihnen werden inhaftiert und weggesperrt. Diktaturen und autoritäre Regime fürchten nichts so sehr wie das freie, kritische Wort.

    Der „Tag des inhaftierten Schriftstellers

    Jedes Jahr ist am 15. November der „Tag des inhaftierten Schriftstellers“. Man gedenkt denjenigen Medienschaffenden, die aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Dieser Tag soll weltweit auf das Schicksal von Schriftsteller*innen, Journalist*innen, Verleger*innen und Blogger*innen aufmerksam machen, die zu Unrecht inhaftiert und verfolgt sind. Außerdem soll an diejenigen erinnert werden, die getötet wurden – getötet, weil sie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

    Auch in diesem Jahr ruft die internationale Schriftstellervereinigung PEN (Abkürzung für Poets, Essayists und Novelists) zur Solidarität mit den Inhaftierten auf. Der 15. November hat Tradition: Zum ersten Mal gedachte das Writers in Prison–Komitee der PEN den Gefangenen im November 1980.

    Gründe für Inhaftierungen

    Es gibt viele Gründe, warum Medienschaffende rund um den Globus in Haft sitzen. Manchmal werden sie direkt wegen Majestätsbeleidigung oder regierungskritischen Äußerungen angeklagt. Sehr oft werden andere Tatbestände auch einfach nur erfunden. In den meisten Fällen verfolgen die Regierungen die Betroffenen, aber nicht nur. In Lateinamerika und Südosteuropa z.B.  sind es auch Gruppierungen der organisierten Kriminalität, die Journalist*innen, die zu deren Verbrechen recherchieren, zum Schweigen bringen wollen. Denn genau darum geht es: Kritiker*innen mundtot zu machen.

    Die weltweite Liste der Pressefreiheit

    Auch in diesem Jahr ist die Pressefreiheit in vielen Staaten gefährdet oder sie existiert schlichtweg nicht. Die Corona-Krise befördert das Handeln autoritärer Regimes. Nach wie vor ist der freie Journalismus durch Populismus und Machtstreben in Gefahr. Die NGO „Reporter ohne Grenzen“ vergleicht jährlich die Situation für Medienschaffende weltweit in ihrer „Liste der Pressefreiheit“. Auf den oberen Plätzen stehen Länder mit demokratischen Regierungen: Es sind Staaten, in denen es eine funktionierende Gewaltenteilung gibt. Zum vierten Mal in Folge führt Norwegen die Liste an, Finnland, Dänemark, Schweden und die Niederlanden folgen. Deutschland belegt Platz 11.

    In Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea und China existiert die Pressefreiheit schlichtweg nicht. Deren diktatorischen Regierungen erlauben keine unabhängige und freie Berichterstattung. Journalist*innen werden offen verfolgt, inhaftiert und oft getötet. In fast ganz Asien hat sich die Situation für Medienschaffende negativ entwickelt. Zusammen mit dem Nahen Osten und Nordafrika bildet Asien das Schlusslicht der Rangliste. Auch die Türkei und Russland finden sich im unteren Drittel der Statistik wieder: In Russland wird kritische Berichterstattung massiv unterdrückt. In der Türkei ist die Zahl der inhaftierten Journalist*innen die höchste weltweit.

    Die Caselist für das Jahr 2019 vom deutschen PEN-Zentrum

    Am 7. Mai 2020 hat das deutsche PEN-Zentrum die Caselist für das letzten Jahr veröffentlicht. Diese Statistik verzeichnet insgesamt 212 Übergriffe auf Schriftsteller*innen, Journalist*innen und Blogger*innen. Zwei wurden aufgrund ihrer Arbeit ermordet, die anderen sitzen im Gefängnis – oft ohne Anlage und juristische Unterstützung.

    2019 ermordete man  den irakischen Schriftsteller Alaa Mashthob Abbaud sowie die nordirische Journalistin Lyra McKee wegen ihrer Publikationen und Recherche. Es gibt weitere Fälle, bei denen man den  Verdacht hat, dass man die Betroffenen ermordet hat, weil sie dabei waren, Skandale aufzudecken. Allerdings konnte man hier  das Motiv nicht eindeutig nachweisen.

    Im Jahr 2019 wurden insgesamt 67 Autor*innen inhaftiert – mit dem Ziel, ihre kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Weitere 37 Schreiber standen 2019 vor Gericht und davon mindestens zehn in der Türkei.

    Die Situation im Iran

    Seit der Islamischen Revolution 1979 gehört der Iran zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Seitdem wurden Hunderte von ihnen verfolgt, inhaftiert oder getötet. Der Staat kontrolliert systematisch die iranischen Medien. Besonders das Internet unterliegt einer strengen Zensur und Überwachung.

    Kritik im Iran ist gefährlich. Man nimmt Journalist*innen willkürlich fest. Hinzu kommt ihre Verurteilung zu absurd langen Haftstrafen in einem sehr unfairen Verfahren. In den Gefängnissen selbst befinden sich die Betroffenen in Lebensgefahr. Man foltert sie und oft sterben sie an den Folgen. Auch Autor*innen, die im Exil leben, sind vor der Verfolgung durch die iranische Regierung nicht sicher. Oft wird auch ihre Verwandtschaft, die noch im Iran lebt,  angefeindet und bedroht. Der Iran befindet sich auf Rang 173. Derzeit befinden sich dort 22 Medienschaffende im Gefängnis.

    Der Fall Sedigeh Vasmaghi

    Eine von ihnen ist die Theologin und Publizistin Sedigeh Vasmaghi. Die kritische Autorin soll für sechs Jahre im Gefängnis bleiben. Mittlerweile sind ihre Bücher und Schriften  im Iran verboten. Vasmaghi schrieb unter anderem über religiöse, politische und gesellschaftskritische Themen. Sie stand lange Zeit unter der Beobachtung des iranischen Regimes, und auch unter ausländischer Observation. Grund hierfür waren ihre Kommentare über die islamische Rechtsprechung in ihrem Heimatland Iran. Im August 2020 verurteilte man Vasmaghi zunächst zu einem Jahr Gefängnis, weil sie eine Petition unterschrieben hatte, die heftig die Polizeigewalt während der Demonstrationen im November 2019 kritisierte.

    Vasmaghi ist 1961 in Teheran geboren. Von 1999 bis 2003 war sie Mitglied des City Council of Teheran, außerdem unterstützte sie die iranische Reformationsbewegung. Vasmaghi war eine der wenigen Frauen im Iran, die islamisches Recht unterrichten durfte. 1989 veröffentlichte die Menschenrechtsaktivistin ihren ersten Gedichtband Praying for Rain. Bis heute hat sie fünf Gedichtbände sowie einige akademische Lehrbücher herausgebracht. Ihre Übersetzungen von Texten aus dem klassischen Arabisch in die Sprache Farsi vervollständigen ihr Werk.

    Die Arbeit Vasmaghis wurde und wird weiterhin heftig zensiert. Man schüchtert sie ein. Derzeit sitzt sie unter menschenunwürdigen Bedingungen in Teheran im Gefängnis und wartet auf ihren Prozess.

    Die Lage in der Türkei: 

    Auch in der Türkei ist die Situation für Journalist*innen nach wie vor bedenklich. Das Land belegt aktuell Platz 154 auf der Liste der Pressefreiheit. Die einst pluralistische Medienlandschaft steht so gut wie vollständig unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. Die Regierung unter Erdogan und die türkische Justiz gehen mit extremer Härte gegen Journalist*innen vor.

    Dies musste auch Can Dündar erfahren. Dündar ist Journalist, Dokumentarfilmer, Buchautor und TV-Moderator und ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet. Dündar und die Cumhuriyet berichteten am 29. Mai 2015 unter der Überschrift „İşte Erdoğan’ın yok dediği silahlar“ (zu Deutsch: Hier sind die Waffen, die Erdogan leugnet) über Munition, die der türkische Geheimdienst MIT im Jahr 2014 per LKW an islamistische Milizen in Syrien geliefert hat. Präsident Erdogan bedrohte Dündar daraufhin öffentlich und stellte Strafanzeige gegen ihn wegen des Verdachts auf Spionage: Die Rede war von Beleidigung und übler Nachrede gegen den MIT sowie der Verbreitung von Staatsgeheimnissen.

    Der Cumhuriyet-Prozess

    Am 26. November nahm man dann Dündar zusammen mit dem Leiter des Hauptstadtbüros Erdem Gül fest und inhaftierte sie. Die Türkei geriet mit der Festnahme Güls und Dündars in die internationale Kritik. Beide Journalisten erfuhren Solidarität innerhalb der türkischen Zivilgesellschaft und in der ganzen Welt. Am 25. Februar 2016 erklärte das türkische Verfassungsgericht die Verhängung der Untersuchungshaft gegen Dündar und Gül für nicht rechtens. Einen Tag später kamen beide nach drei Monaten Haft aus dem Gefängnis. Das Verfahren geht unter dem Namen „Cumhuriyet-Prozess“ in die Geschichte ein.

    Am 6. Mai 2016 war Dündar Ziel eines Schusswaffenattentats. Dündars Frau und sein Anwalt konnten den Attentäter jedoch überwältigen und Dündar wurde nicht verletzt. Wenige Tage später hob das Gericht das Ausreiseverbot gegen Dündar auf und er reiste aus der Türkei nach Deutschland aus. Dündar lebt und arbeitet derzeit in Deutschland. Er ist Chefredakteur des Webradios ÖZGÜRÜZ (zu Deutsch: Wir sind frei) und schreibt unter anderem für die Wochenzeitung „Die Zeit“.

    Zensur in Uganda

    Uganda befindet sich derzeit auf Platz 125 der Liste der Pressefreiheit. Diverse Gesetzte schränken die Pressefreiheit in dem afrikanischen Staat stark ein. Medien werden willkürlich zensiert oder sie werden für kürzere oder längere Zeit ganz geschlossen. Oft werden Journalist*innen wegen Hochverrats angeklagt – mit gravierenden Folgen, denn häufig greift in diesen Fällen die Todesstrafe. Immer wieder kommt es vor, dass Polizisten oder Soldaten Journalist*innen angreifen. Die Regierung billigt dies und trägt mit Drohungen zu diesem Klima der Angst entscheidend bei. Häufig werden Medienschaffende bei ihrer Arbeit schwer verletzt und viele tauchen nach Morddrohungen unter.

    Kritik am ugandischen Staatspräsidenten

    Am 18. September 2020 wurde der ugandische Schriftsteller und Journalist Kakwenza Rukirabashaija in seiner Wohnung in Kigulu verhaftet. Inzwischen inhaftierte man ihn in Mbuya, und wenig später transportierte man ihn in die Sonderuntersuchungseinheit nach Kireka. In Kireka hielt man ihn drei Tage ohne jegliche rechtliche Grundlage fest. Und das, obwohl das ugandische Recht vorsieht, dass nach einer Festnahme innerhalb von zwei Tagen vor Gericht Anklage erhoben werden muss. In Zusammenhang mit seiner Festnahme steht ein Schreiben, in dem er sich kritisch gegenüber Staatspräsident Museveni geäußert haben soll. Nun starten die Ermittlungen gegen Rukirabashaija wegen „Anstiftung zur Gewalt und Förderung von Sektierertum“.

    Fazit

    Nach wie vor leben einige Medienschaffende in weiten Teilen der Welt gefährlich. Sie riskieren ihre Sicherheit und ihr Leben, um kritischen, unabhängigen Journalismus zu betreiben, um aufzuklären und um zu informieren. Sie wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, aber man bringt sie zum Schweigen. Regierungen oder Gruppierungen der organisierten Kriminalität stecken sie ins Gefängnis, oft ohne Anklage, ohne Prozess und ohne juristische Unterstützung. Diese mutigen und couragierten Menschen müssen wir unterstützen. So ruft der PEN dazu auf, Briefe an die jeweiligen Regierungen zu schicken oder die Geschichten der Inhaftierten beispielsweise auf Social Media zu teilen und somit auf deren Schicksäle aufmerksam zu machen.

     

     

    Quellen: echo-online.de / pen-international.de / pen-deutschland.de / neues-deutschland.de / reporter-ohne-grenzen.de / dejure.org

     

     

  • Wie kann ich meine Heimaten lieben?

    August 1993.
    Die Passagiere des Flugs Il-96 Sankt Petersburg – Hamburg, werden zum Boarding gebeten. Eine junge Frau, kurze Haare, runde Brille, findet ihren Platz direkt am Fenster. Dies ist ein schicksalhafter Flug für sie. Ihre Gedanken rasen. Sie sucht die Blicke anderer Passagiere, die in die Kabine drängen. Wer beginnt gerade ein neues Leben, bewaffnet nur mit ein paar Habseligkeiten, die ins Handgepäck passen? Manchmal trifft sich ihr Blick mit dem anderer junger Passagiere. Nur für einen Augenblick. Dann schauen beide verlegen weg. Was treibt sie ins Ausland, in das wohlgeordnete Deutschland? Warum schämen sie sich?

    Die junge Frau dreht sich zum Kabinenfenster. Das Terminalgebäude wirkt trostlos und schäbig. Obendrüber schweben riesige, ergraute Lettern: „HELDENSTADT LENINGRAD“. „Heldenstadt“ durften sich sowjetische Städte nennen, die sich im Großen Vaterländischen Krieg mit besonderer Tapferkeit gegen den Faschismus verteidigt und gesiegt hatten. Später wird an diesem Flughafen „Leningrad“ durch „Sankt Petersburg“ ersetzt werden und die „Heldenstadt“ verschwinden. Aber jetzt scheint es der jungen Frau, als hieße „Heldenstadt“ vor allem eins: dass all die jungen Menschen, die dieses Land für immer verlassen wollen, die ihr Glück im Deutschland suchen, nicht mehr dazu gehören. Eine von ihnen bin ich, Katja Fedulova.

    Zu ungeduldig für lange Veränderungsprozesse

    25 Jahre lang lebe und arbeite ich nun schon als Filmemacherin in Deutschland, seit ich den chaotischen Zuständen meines Heimatlandes in den 90ern Jahren entflohen bin. Jenes Land, das mitten im Umbruch war, auf der Suche nach neuen Perspektiven, voller Hoffnungen auf vielleicht Besseres. Ich war zu jung, zu ungeduldig, um an dem langen Veränderungsprozess meines Heimatlandes teilzunehmen. Ich wollte mein Leben auf der Stelle ändern. Und ging nach Deutschland. Um mich in der Fremde zurecht zu finden, wählte ich mir eine neue Identität: Ich wollte deutsch sein. Es hat eine Weile gedauert, bis ich erkannt habe, dass es unmöglich ist, die eigenen Wurzeln komplett zu verleugnen.

    Ich begann über meine Vergangenheit nachzudenken. Warum bin ich und mit mir viele andere junge Russen Anfang der 90er Jahre in den Westen gegangen? Meine Generation machte den Schulabschluss kurz nach der Wende. Russland erlebte damals eine schwere Depression. Unerschwingliche Studiengebühren, dramatisch ansteigende Arbeitslosenzahlen und willkürliche Kriminalität machten uns das Leben schwer. Alkohol- und Drogenprobleme, besonders bei den jungen Männern, waren an der Tagesordnung. Und während die Scheidungsrate zunahm, fanden immer weniger Eheschließungen und Geburten statt.

    Was hat sich seit damals in meinem Land verändert? Mit Ernüchterung stelle ich fest, dass Russland sich zivilisatorisch zurückentwickelt. Die schwächer werdende Wirtschaft und die erstarkende Diktatur verursachen erneut ein Chaos im Land. Andersdenkende werden mit Methoden zum Schweigen gebracht, die an sowjetische Zeiten erinnern. Nationalistische Bewegungen wachsen in bisher unbekanntem Ausmaß. Russisch-orthodoxe Institutionen diktieren der Politik immer dreister eigene Interessen. Die Bürgerrechte werden täglich verletzt. Junge Menschen müssen wieder um ihre Existenz fürchten oder, wie ich damals, ins Ausland gehen.

    Hoffnung und Sorge

    Aber ist Flucht die einzige richtige Lösung, um ein würdiges Leben zu führen? Was kann ich heute für meine alte Heimat tun? Diese Fragen treiben mich immer wieder mit der Kamera nach Russland zurück, begleitet von gemischten Gefühlen: Scham, Zuversicht und dem ungesättigten Bedürfnis nach eigenem Engagement. Meine Sehnsucht ist groß. Habe ich einen differenzierteren und objektiveren Blick auf mein Land als meine Landsleute, die geblieben sind? Kann ich diejenige sein, die meiner neuen Heimat meine alte näher bringen kann? Ist es möglich, mit meinen Protagonisten zusammen für Russland zu hoffen? Kann ich Zeugin, Mitwisserin, am liebsten sogar „Mittäterin“ werden?

    In meinen bisherigen Dokumentarfilmen habe ich Frauen und Männer aus der jungen Generation Russlands porträtiert. Ihre Sichtweise ist zum Teil rechts-nationalistisch und ultrakonservativ. Meine Auswahl traf ich nach politischen und sozialen Kriterien, die ich in der derzeitigen russischen Gesellschaft als gleichermaßen exemplarisch wie alarmierend wahrnehme. Noch bis vor kurzem galten die Werte Europas und insbesondere Deutschlands den meisten russischen Bürgern als Orientierung. Doch in der letzten Zeit werden viele europäische Gesetze von Russen verhöhnt, am stärksten die Toleranz gegenüber Homosexuellen und die Aufnahme von Geflüchteten. Doch auch Deutschland spaltet sich. Das Land, das einst von Toleranz und multinationalem Miteinander schwärmte, zeigt heute zunehmend Unsicherheit und Unstimmigkeit.

    Ich habe Hoffnung für meine alte Heimat, und ich fürchte auch um meine neue. Den russischen Nationalismus kann ich nicht anschauen, ohne den Vergleich mit den neuen nationalistischen Strömungen in Westeuropa zu sehen, das von der Flüchtlingskrise erschüttert wird. Wie kann ich meine Heimaten lieben?

    Katja Fedulova
    Textmitarbeit Calle Overweg / Ulrike Zinke

    Aktuell gibt es 2 Filme von Katja in der 3SAT Mediathek bis Anfang November zu sehen: DER PATRIOT (bis 06.11.2020 in 3SAT Mediathek) . Mein Name ist Khadija (bis 04.11.2020 in 3SAT Mediathek).
  • Journalistin – ein gefährlicher Beruf in Syrien

    Mein Name ist Rawa Zarkan Al Farkh. Ich komme ursprüngich aus Damaskus und bin jetzt 30 Jahre alt.  Wegen des Krieges und der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Situation in meinem Land, bin ich nach Deutschland gekommen. Das Leben in Syrien wurde während des Krieges immer schwieriger, da es nur noch wenige Beschäftigungsmöglichkeiten und Gehälter gab.
    Auch wegen meiner Tätigkeit als Journalistin wurde es sehr schwierig. Meine Familie lebt immer noch in Syrien. Aufgrund des zunehmenden Lebensdrucks entschloss ich mich, Syrien zunächst zu verlassen. Ich wusste nicht, wohin.  Zu dieser Zeit gab es jedoch die Asylwelle nach Europa. Ich entschied mich für das Abenteuer, obwohl ich allein als Frau mit vielen Schwierigkeiten auf dem Weg rechnen musste. Konnte ich es schaffen? Die Angst war da:  Was wird nach dieser langen Reise auf mich warten??  Werde ich diese Entscheidung treffen oder bereuen?

    Beruflicher Background in Syrien

    Dies ist mein beruflicher Background:  In Damaskus habe ich ein Studium zum Journalismus abgeschlossen. Dort habe ich für einen privaten Radiosender gearbeitet. Ich habe Sendungen vorbereitet und in der Sendung als Moderatorin gewirkt. Nach Beginn des Bürgerkriegs 2011 war ich für das staatliche TV im Rahmen einer sozialkritischen Sendung ebenfalls als Moderatorin tätig..

    Im syrischen Fernsehen habe ich soziale und kulturelle Programme  bearbeitet und präsentiert. Zusätzlich zu den täglichen Filmen über die Bedingungen der Menschen auf der Straße, habe ich mich immer darum gekümmert, interessante Themen für den Empfänger auszuwählen. So habe ich seine Probleme wie beispielsweise Armut oder Arbeitslosigkeit angesprochen

    Weiterbildung als Journalistin in Deutschland

    Der Grund für meine Flucht war die ständige Eskalation der Barbarei des Bürgerkrieges in meiner Heimat Syrien. Nach meiner Flucht war es, parallel zum Erlernen der deutschen Sprache, mein Bestreben mich in die Gesellschaft in Deutschland zu integrieren.  2018 habe ich ein Praktikum beim Radio Leinehertz in Hannover absolviert. Hier habe ich gelernt, wie man einen Radiobericht auf Deutsch macht, und nahm mehrere Berichte mit meiner Stimme auf.

    Danach habe ich eine Weiterbildung an der Hamburg Media School https://www.hamburgmediaschool.com/weiterbildung gemacht. Durch die Besuche, die wir machten, habe ich einige der deutschen Medien  kennengelernt. Dieser Kurs ist gut für diejenigen, die wissen wollen, wie die deutschen Medien funktionieren

    Herausforderung für die Journalistin im fremden Land

    Die Hauptschwierigkeiten für eine Journalistin sind die Sprachbarrieren. Um in einem Land im Bereich der Medien zu arbeiten, muss man fließend sprechen und die Gesetze und das Wesen der Gesellschaft verstehen. Man  kann sich in die Gesellschaft integrieren, indem man mehr deutsche Freunde kennenlernt und versucht, die Gesetze des Landes besser zu verstehen.  Integration ist das Verständnis und die Akzeptanz der Gesellschaft in allen  ihren Vor-und Nachteilen. Meiner Meinung nach muss sich ein Mensch als Teil einer Gesellschaft fühlen und für sie arbeiten, um integriert zu werden. Wenn du Menschen kennenlernen möchtest, solltest du mehr über ihre Bräuche und Traditionen lesen, nicht nur oberflächlich.

    Ausblick für die Zukunft

    Meine Universitätsausbildung möchte ich fortsetzen und meinen Master und Doktor erreichen. Die Arbeit als Journalistin ist in jedem Land schwierig und erfordert viel Mut und Abenteuerlust. In Syrien war und ist es schwierig eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Natürlich bestehen Unterschiede, jede Gesellschaft hat ihre eigenen Bräuche und Traditionen. Ich lerne Deutsch und suche immer nach Artikeln und Themen, die mir in der wissenschaftlichen Forschung zugute komme.
    Täglich lese ich Nachrichten in deutschen Zeitungen, um mich über das Geschehen im Land auf dem Laufenden zu halten. Ich schaue mir auch deutsche Kanäle und Nachrichtensendungen wie das ZDF an. Die Einfachheit in der Art und Weise, wie die Nachrichten geschrieben und präsentiert werden, liegt mir.
    Die Gesellschaft als Ganzes unterscheidet sich in Bezug auf Aufbau und sozialen Beziehungen. In Syrien steht immer die Familie an erster Stelle.  Hiist der Einzelne das Wichtigste. Wenn du  nach dem Ursprung der Völker und ihrer Geschichte suchst, entsteht das reale Bild.
  • Grundrechte in der Zinnschmelze – #unantastbar

    Musik, Tanz, Diskussionen, Filme – das Spektrum ist breit. In der Zinnschmelze und anderen Kulturorten in Hamburg kann man sich informieren und austauschen oder künstlerische Arbeiten bewundern, die in Verbindung mit den Grundgesetzen stehen. „Jeder Veranstaltung ist ein Artikel des Grundgesetzes vorangestellt, auf dem der jeweilige Fokus liegt“, erklärt die Organisatorin Sonja Engler.

    Vor einigen Tagen fand die erste Veranstaltung der Reihe im Kulturschloss Wandsbek statt. Mit der „Koscher-Maschine“ wurde jüdisches Leben als Puppenspiel auf die Bühne gebracht. In der Beschreibung des Puppentheaters heißt es:

    Babett, das Schweinchen möchte unbedingt so koscher wie Mendel, das Schaf werden. Da kommt der rothaarige Shlomo mit seiner selbsterfundenen Koscher-Maschine genau richtig. Shlomos türkische Freundin Ayse wundert sich, dass auch bei Juden Schweine verboten sind und Max, der Lachs, singt uns etwas über koschere Wassertiere. Bald schon sorgt die Koscher-Maschine für großes Chaos. Zum Glück hilft Ayse Shlomo aus dem Schlamassel wieder raus. Mit lustigen Songs und vielen bunten Tieren erklärten uns die „Bubales“ die jüdischen Speiseregeln.

    Am 28. September folgt ein Auftritt der Musikerin, Künstlerin und Kolumnistin Leyla Yenirce (aka Rosaceae) mit einer Performance, die Artikel 5 des Grundgesetzes, das Recht auf freie Meinungsäußerung in den Mittelpunkt stellt. Weitere Veranstaltungen finden sich im Programm zur Grundgesetz-Reihe hier: Grundgesetz-Flyer.

    Wir freuen uns auf ein umfangreiches Programm mit politischen, künstlerischen und musikalischen Beiträgen und werden hier weiter berichten.

  • Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe! Zum Umgang mit Rassismus

    Das Thema Rassismus beschäftigt mich seit vielen Jahren. Als ich in meiner Heimat war, war ich der Ansicht, dass Rassismus zwischen weißen und schwarzen Menschen passiert. Allerdings hatte ich diese Meinung, ohne es selber erlebt zu haben. Erst als ich mein Land verließ, aber immer noch in Afrika war, habe ich das Gefühl bekommen, dass ich diskriminiert wurde. Ich versuchte oft, nicht darüber zu reden, weil ich dann zeigen würde, dass ich schwach bin. Und manchmal dachte ich, das ist bestimmt, was sie wollen, und ich würde ihnen nicht geben, was sie wollen. Mindestens nicht durch mich.

    Seit meiner Zeit außerhalb meines Landes und seit meiner Flucht nach Europa hat sich meine Definition von Rassismus weiterentwickelt. Nicht nur schwarze Menschen, sondern viele Flüchtlinge (unterschiedlicher Hautfarbe) erleben Rassismus. Ich wusste: Wenn ich in Afrika diskriminiert werde, ist es nicht merkwürdig, dass ich es auch in Europa erlebe. Da ich aber nach Freiheit und Bildung suchte und mir sicher war, dass ich diese in Europa finden kann, habe ich mir gesagt, dass es sich lohnt, das in Kauf zu nehmen.

    Sie haben im Bus den Platz gewechselt

    Ich habe verschiedene Erfahrungen in verschiedenen Teilen von Deutschland gemacht: In der ersten deutschen Stadt, in der ich gewohnt habe, war es schon genug, eine Straße entlang zu gehen, um Rassismus zu erleben. Die Blicke, die mich getroffen haben war einfach hart. Manche Männer zeigten mir und meinen Freunden den Mittelfinger. Manche Menschen gingen mir aus dem Weg, wenn ich nach einer Adresse gefragt habe.

    Ich habe mir dort abgewöhnt, den Bus zu nehmen. Das erste Mal Bus gefahren bin ich mit sechs anderen Männern aus Eritrea und einem Afghanen auf dem Weg zu unserem A1-Deutschkurs. Zwei von uns haben sich neben zwei jugendliche Männer gesetzt. Die beiden haben sich die Nase zugehalten, so dass wir es sehen sollten, sind aufgestanden und haben den Platz gewechselt. Ich bin danach nie wieder Bus gefahren.

    Meine Kollegen haben damals gesagt, ich sollte mir eine „dickere Haut“ zulegen. Viele haben gefragt, warum ich ihretwegen nicht mehr Bus fahre. Aber für mich war es wichtig, mich auf das Lernen zu konzentrieren, nicht auf solche Leute. Ich wollte nicht ausprobieren, ob es nochmal passiert. Es war ein Erlebnis, was zu vielen anderen dazu gekommen ist und ich konnte es nicht einfach ignorieren.

    Meine Definition von Rassismus hat sich verändert

    Seitdem ich in Deutschland lebe, hat sich meine Definition von Rassismus vergrößert. Es sind ein paar Themen dazugekommen wie z.B., dass unsere Religion, Bildung und Kultur negativ bewertet werden. Ich versuchte darüber mit Deutschen, die mir nahe stehen, zu reden. Sie halfen mir sehr, mein Leben in Deutschland besser zu verstehen.

    Aber auch von ihnen habe ich ab und zu rassistische Wörter gehört, die ich nie vergessen werde. Das bedeutet für mich nicht, dass meine deutschen Freunde Rassisten sind. Das sind sie nicht! Aber sie haben ihre Meinung über mich/uns (als Afrikaner und Flüchtlinge) gezeigt und diese hat mich verletzt und mich traurig gemacht. Manchmal ist es schwieriger, zu vergessen was Menschen sagen, denen wir vertrauen, weil sie Freunde oder Familie sind. Ich möchte damit auch zeigen, dass man gleichzeitig rassistische Sachen sagen kann, wenn man Flüchtlingen hilft und ein guter Mensch ist. Es gibt Unterschiede zwischen „ein Rassist sein“ und „rassistische Sachen sagen“.

    Hier in Hamburg hat mich zum Beispiel ein Türsteher aus einer Disko rausgeworfen, weil andere Gäste sich beschwert hatten, dass es einen Diebstahl gab. Vielleicht war der Türsteher kein Rassist. Aber sein Vorurteil, sofort den jungen schwarzen Mann zu verdächtigen, ist rassistisch. Als er vor allen zu mir sagte „RAUS!“ war mir das peinlich. Ich war verletzt und fühlte mich unfair behandelt. Warum bin ich eher verdächtig, als die (weißen) deutschen Freunde, mit denen ich tanzen war? Die Freunde, mit denen wir unterwegs waren, wollten trotzdem weiter tanzen. Ich sollte lächeln und einfach weitermachen. Als ich gesagt habe, dass ich lieber nach Hause will, versuchten sie, mich zum Bleiben zu überreden.

    Und das ist eine wichtige Frage, wenn wir über Rassismus und Diskriminierung reden: Warum glauben mir andere meine Erfahrungen nicht?

    Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe!

    Für diesen Artikel hat Lilly mich bei unserem Treffen gefragt, welche Reaktionen helfen und welche nicht. Also: Wie sollten andere Menschen reagieren, wenn ich sage, dass ich Rassismus erlebt habe? Ganz klar: Die Antwort „sei nicht so sensibel“ ist keine Hilfe. Manche Menschen denken, sie helfen mir, wenn sie die Erklärung für eine Situation bei mir suchen. Wenn sie z.B. sagen „ja, aber vielleicht hast du in diesem Moment X oder Y gemacht“. Bitte erklärt mir nicht, was ich selber erlebt habe! Dann kann es passieren, dass ich gar nicht mehr erzählen möchte.

    Eine Erklärung kann helfen, wenn sie die Situation einordnet, z.B. wenn mir Menschen sagen „ich habe davon gehört, dass das schon mal passiert ist“. Das ist aber nicht das gleiche. Am meisten hilft es mir, wenn mir zugehört wird. Vielleicht ist die Situation schneller vorbei, wenn ich das Gefühl habe, man hört mir zu.

    Meiner Meinung nach ist Rassismus das Niedermachen von anderen Menschen wegen ihrer Religion, Hautfarbe, Herkunft oder ihrem Bildungshintergrund. Das alles würde ich auch als Vorurteile bezeichnen. Daher sind  diese Vorurteile meines Wissens nach ein Teil von Rassismus.

    Dieser Text entstand im Rahmen unseres Schreibtandem-Projekts. Idris schrieb den Artikel in Zusammenarbeit mit Lilly Murmann

  • WelcomeCamp: Vernetzung als gemeinsamer Nenner

    TeilnehmerInnen aus über 40 Projekten und Initiativen tummeln sich an einem sonnigen Samstag Ende Juni in den Räumlichkeiten sowie im Innenhof eines Plattenbaus in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs. Die Stimmung wirkt ungezwungen und fröhlich und gleicht eher der eines Sommerfests als einer Netzwerk-Veranstaltung.

    Perspektiven beim WelcomeCamp 2018

    Tatsächlich passt die Atmosphäre zum diesjährigen Motto „Looking forward!“ des WelcomeCamp. Die vom Projekt-Team Media Residents organisierte Veranstaltung ist eine Vernetzungsplattform für Geflüchtete, Medienschaffende und Initiativen, die seit 2016 jedes Jahr in Berlin stattfindet.
    Foto: Dominik Butzmann. Bastian erklärt den Ablauf des Camps.

    Vernetzung als gemeinsamer Nenner

    Einige engagierte Berliner „Locals“ begannen 2015, die Idee zu dem Event Schritt für Schritt zu entwickeln, nachdem gerade besonders viele Geflüchtete in Deutschland eingetroffen waren. Auch Bastian, Geschäftsführer einer Berliner Marketingagentur, gehörte zu denen, die helfen wollten. Zusammen mit Freunden wollte er Unterstützung geben, sah aber bald, wie viele Hilfsorganisationen und Projekte sich innerhalb kürzester Zeit schon gegründet hatten und für die Neuankömmlinge in ganz unterschiedlicher Art und Weise aktiv waren.

    Es formte sich schließlich ein Team von Medienprofis, die Media Residents. Sie machten bei
    der Vielzahl an Hilfsangeboten das Bedürfnis aus, die Initiativen an einen Tisch zu bekommen. Die Engagierten sollten sich gegenseitig kennenlernen und sich austauschen. Zusätzlich sollten Geflüchtete von der vielfältigen Unterstützung erfahren, die geboten wurde, von der sie aber meist gar nichts mitbekamen.

    Das erste „BarCamp“ wurde innerhalb von zwei Monaten umgesetzt – mit gratis Anmeldung für die ca. 100 Interessierten. Catering, Material und Räume wurden den Teilnehmenden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Bastian erinnert sich gern: „Das war eine tolle Veranstaltung und die Reaktion der Leute war überragend. Deshalb lag es nahe, das Event nochmal zu durchzuführen.“

    Bunter Mix aus Angeboten

    Das eintägige Event gestaltet sich so offen und flexibel, wie man es von einem BarCamp erwartet: Die Workshops, die vormittags und nachmittags abgehalten wurden, wurden erst morgens vorgeschlagen und dem Plenum vorgestellt. Inhaltlich decken die Initiativen ein breites Spektrum ab: Von Traditionseinrichtungen wie
    die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung oder dem Volkshochschulen-Ehrenamtsportal bis hin zu kleineren nicht-staatlichen Organisation und Projekten ist alles vertreten. Zu den  Letzteren gehört z.B. HiMate, die mittels der Bereitstellung kostenloser Gutscheine für Kulturveranstaltungen versuchen, den Austausch zwischen Geflüchteten und „Locals“ zu fördern.

    Aber auch Einzelpersonen traten als Akteure auf: Der gelernte Maschinenbauer Omid arbeitet in Deutschland als Journalist und beschloss ganz spontan, einen Workshop über „innovativen Journalismus“ abzuhalten. Der Iraner sagt von sich selbst, dass er sich viel im Umfeld von Initiativen aufhalte, die Geflüchteten helfen. „Das ist Grund genug für mich, hier zu sein.“

    Ulrike und Israa vom Projekt „Die neuen Verbraucher“ des iRights e.V. dagegen hatten ihren Workshop im Vorhinein geplant. Sie „touren“ zum Thema Verbraucherschutz damit seit Monaten durch Deutschland. Ulrike erklärt, dass das Anliegen sei, den Geflüchteten die Informationen auch online möglichst leicht zugänglich zu machen und viele Dinge zu erklären, die notwendig für den Alltag sind. Israa aus Syrien fügt an, dass es sich dabei um den Kauf einer SIM-Karte, das Einkaufen im Supermarkt oder den Abschluss eines Vertrags im Fitnessstudio handeln könne.

    Wandel der Herausforderungen

    Obwohl die Geschichte des WelcomeCamp noch nicht alt ist, erlebte die Veranstaltung schon einige Veränderungen. Was sich im Laufe der drei Jahre herauskristallisiert habe, sei vor allem die Benötigung einer „Ankommens- und nicht einer Willkommenskultur“, erklärt Bastian. 2017 stand dies schon im Raum: Ein großes Thema war das Eintreten der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, weshalb viele VertreterInnen aus Politik und Wirtschaft vor Ort waren.

    Welcome Camp 2018. Foto: Dominik Butzmann.

    12 Monate später ist die Ausgangslage schon wieder eine andere: Schwerpunkte sind die Sichtbarkeit von Geflüchteten in der Öffentlichkeit und „Hate Speech“ in den sozialen Medien. Laut Bastian besteht im Moment die Herausforderung vor allem darin, den Geflüchteten, die schon in den Kiezen seien, in der Wirtschaft, in den Medien und in der Gesellschaft ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Der Medienprofi betont, dass sich das Media Residents-Team diesen Fokus „nicht ausgedacht“ hätte, sondern er eher natürlich aus der gegenwärtigen Situation entstanden sei.

    Mitglieder von Initiativen machen den größten Teil der Anwesenden aus. Bastian erklärt, wie auffällig auch hier die Veränderung sei: „Noch vor zwei Jahren war es relativ eindeutig gewesen, wer Geflüchteter ist und wer einer Initiative angehört. Jetzt vermischt sich das total: Nicht wenige Initiativen haben Geflüchtete im Team, teilweise sogar hauptamtlich.“

    „Eigentlich darf es ruhig weitergehen“

    Trotz der ganz unterschiedlichen Gründe zur Teilnahme wie auch der weiten Bandbreite der Beiträge zum Camp erkennt man beim Lauschen der Vorträge und dem angeregten Austausch mindestens eine gemeinsame Grundlage bei allen: An Energie und Tatendrang mangelt es nicht. Auch deshalb gefällt Bastian das ursprüngliche Ziel, nämlich die Veranstaltung überflüssig zu machen, eigentlich gar nicht mehr. Seiner Ansicht nach dürfe es damit „ruhig weitergehen“.

    Nicht ohne Stolz erzählt er, dass sich im Jahr zuvor VertreterInnen der UNO Flüchtlingshilfe und der Industrie- und Handelskammer auf dem WelcomeCamp kennengelernt hätten, was dieses Jahr zu einem gemeinsam veranstalteten Event in Mannheim geführt habe. Auch kleinere Projekte wie das Welcome Meetup haben sich durch ein erstes Kennenlernen am WelcomeCamp gegründet: Die Gründerinnen organisieren jeden Monat ein Treffen für Geflüchteten-Initiativen, auf dem sich diese vorstellen und vernetzen können.

    Das Motto „Looking Forward!“ könnte für das nächste WelcomeCamp eigentlich beibehalten werden. Einerseits wird es wieder bisher unbekannte Herausforderungen geben, denen sich die Teilnehmenden mit Tatendrang stellen werden. Aber schließlich bedeutet der Ausdruck  auch, sich zu freuen. So ein Ausblick auf die nahe Zukunft, in der gemeinsam angepackt wird, verspricht doch Hoffnung.

  • Drei Tage bei der Yalla Media Akademie

    Alle wollen lernen, so war die Atmosphäre bei der Yalla Media Akademie: eine Mischung von vielen verschiedenen Leuten und Kulturen. Viele Leute können zusammen arbeiten, egal woher sie kommen. Das war das, was wir zuerst gelernt haben. Es ist nicht wichtig ob, wir uns ähnlich sind oder nicht. Manchmal ist es genau das, was schön ist!

    Was ist die Yalla Media Akademie?

    Yalla Media Akademie ist ein Projekt der Vereine Jugendpresse Deutschland und Eed be Eed Magazin mit Politikorange. Sie organisieren eine Reihe von Workshops und Seminaren in Essen, Berlin und Bremen. Dahin können Menschen aus allen Ländern, die sich für Journalismus interessieren, kostenlos gehen, wenn sie einen Platz bekommen.

    Was wir machen sollten, war ein Magazin auf Arabisch und Deutsch. Wir waren zwei Gruppen: eine Gruppe schreibt und die andere macht Fotos und Videos.

    Als wir dort angekommen sind, waren wir alle in einem Raum, wo wir auch die nächsten drei Tage gearbeitet haben. Lustig war, dass zuerst die Deutschen alleine gesessen haben und die Flüchtlinge auch für sich. Aber noch am gleichen Nachmittag, nachdem wir uns vorgestellt und unsere Themen diskutiert hatten, gab es keine Fremden mehr.

    Schnell gab es keine Fremden mehr

    Am ersten Tag haben wir viel über Journalismus gelernt. Dazu gehörten sehr wichtige Informationen: Wie schreibt man was? Was sind die verschiedenen Arten von einem Artikel? Was sind die Punkte, die wir beim Schreiben brauchen?

    Später haben wir Ali Can getroffen, der junge Mann aus der Türkei, der eine „Hotline für besorgte Bürger“ gemacht hat. Nachdem wir seine Geschichte gehört und ein Interview mit ihm gemacht hatten, sind wir sofort zu unseren Zimmern gegangen, weil wir sehr müde waren.

    Wir dachten, dass die Zimmer klein wären, einfach mit Etagenbett, denn wir teilten uns zu zweit ein Schlafzimmer. Aber das war ganz anders: Die Zimmer waren sehr groß und schön und perfekt! Das war echt etwas, was wir nicht erwartet haben. Deshalb habe ich oft gedacht: Warum heißt das Haus „Unperfekthaus“, wenn doch alles hier perfekt ist? Später hat der Hausbesitzer das erklärt. Er meinte, dass es auf unserem Weg viele gescheiterte unperfekte Versuche geben wird, bis wir eine Sache perfekt machen. Das Haus ist für Leute,  die diesen Weg gehen wollen, unabhängig davon, ob uns das sofort gelingt oder nicht. Und unsere unperfekten Sachen, die dort perfekt werden konnten, bleiben im Haus zurück.

    Das Unperfekte bleibt zurück

    Für unsere Arbeit sollten wir die Stadt nutzen, dahin und dorthin gehen, Interviews machen. Ich entschied mich dafür, über „Warum glauben Leute fake news?“ auf Deutsch, nicht auf Arabisch zu schreiben. Deshalb wollte ich nach den Erfahrungen der Leute suchen. Leider hat das nicht funktioniert. Manche hatten keine Lust zu antworten und manche hatten fake news falsch verstanden: Wenn Leute in ihren Familien oder unter Freunden tricksen, um Spaß zu machen, dann geht es nicht um fake news. Darüber kann ich nicht schreiben.

    So fehlte mir das Herzstück von meinem Artikel. Deshalb musste ich andere Weg finden, und das war echt anstrengend und schwer. Aber mit ein bisschen Fokussieren hat das geklappt. Bis 2 Uhr morgens habe ich gearbeitet, dann war ich zufrieden und habe meinen Artikel am nächsten Tag abgegeben.

    Ein Ausflug zum Sender WDR foryou

    Am letzten Tag in Essen haben wir einen Ausflug gemacht. Meine Gruppe hat den WDR foryou in Köln besucht. Wir wollten da einen Mann interviewen, aber leider war er nicht da. Die andere waren irritiert und wussten nicht, was sie mit uns machen sollten. Deshalb, nachdem wir uns vorgestellt hatten, kam die Idee auf, mich zu interviewen. Sie sagten, dass ich nach so kurzer Zeit in Deutschland schon gut Deutsch könne. Das war sehr spontan und unerwartet!

    Am Abend hatten wir Team-Treffen, wo wir alle ein feedback gegeben haben: Was war gut, was war nicht gut und was wünschen wir uns? Alle wünschten sich einen Arbeitsraum mit Fenstern. Denn dort, wo wir gearbeitet hatten, gab es keine.

    Mit der Hoffnung, dass wir uns alle nochmal beim nächsten Workshop in Berlin treffen werden, haben wir uns verabschiedet. Nach diesen schönen drei Tagen, an denen wir viel gelernt und Spaß gehabt haben, wollten wir alle nochmal zusammenarbeiten.

    Unser Dank und unsere hohe Achtung gilt der Yalla Media Akademie, weil sie uns die Chance gegeben hat, eine so tolle Erfahrung zu machen.

    Dieser Artikel wurde im Schreibtandem mit Tilla Lingenberg geschrieben. 

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