Schlagwort: Medien

z.B. Hass im Netz, Berichterstattung über Flucht

  • Wie geht mehr Vielfalt in Redaktionen?

    „Wir setzen uns für mehr Vielfalt in unserer Redaktion ein“, so lautet das Motto vieler Medienhäuser in Deutschland. Und viele von ihnen haben sogar die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben. Das sieht eindrucksvoll aus für viele Journalist*innen mit internationalem Hintergrund. Doch die Realität ist anders.

    Theoretisch ist den Medienhäusern seit ein paar Jahren bewusst, dass ihre Redaktionen vielfältiger sein müssen. Deshalb setzen sie sich für mehr Vielfalt unter den Bewerber*innen durch sprachliche und visuelle Anpassung der Stellenausschreibungen ein. Doch praktisch sind sie davon noch weit entfernt.

    Denn für viele Redaktionen ist die Sprache das größte Hindernis, Journalist*innen mit internationalem Hintergrund aufzunehmen. Damit bleibt diese Gruppe ohne echte Chance, eine Stelle zu finden, denn sie haben zum Beispiel einen Akzent, der in der deutschen Medienwelt, Zeitung, im Radio oder Fernsehen nicht erwünscht ist. Insbesondere wenn dieser Akzent ein arabischer, türkischer oder kurdischer ist.

    Immer auf der Suche

    Deswegen bleiben Journalist*innen mit internationalem Hintergrund immer auf der Suche nach echten Chancen, um sich in den Medien zu etablieren. Sie bewerben sich für ein Volontariat, bekommen jedoch stattdessen ein Praktikum ohne Aussicht auf Weiteres. Was dazu führt, dass sie immer unter Druck stehen, ihre Fähigkeiten zu beweisen, damit sie später eine richtige Stelle bekommen.

    Falls sie die Stelle überhaupt bekommen. Oder ihnen wurde im Vorstellungsgespräch mitgeteilt, dass sie für die Stelle nicht passen, weil sie sich für große Themen interessieren, die in den lokalen Medien keinen Platz haben.

    Aber um zu beschreiben, wie ihr Alltag in der Redaktion aussieht, braucht es viele Seiten. Sie dürfen beispielsweise ein wichtiges Thema „Asyl“ nicht kommentieren, weil der Chef dieses Thema kommentieren will. Eine junge Journalistin kann aus demselben Grund das Thema „Gewalt gegen Frauen“ nicht kommentieren. Sie werden täglich wegen ihres Hintergrunds unterschätzt und ihre Meinung wird wegen der Sprachbarriere nicht wahrgenommen.

    Trotz der Sprachbarriere hat die o.g. Zielgruppe das Recht, eine echte Chance zu haben, ihre Fähigkeiten in einer gesunden Arbeitsatmosphäre zu beweisen. Daher reicht es nicht aus, dass Medienunternehmen die Charta der Vielfalt unterschreiben und sich bereit erklären, die Vielfalt in den Redaktionen zu stärken. Sie müssen auch ihre Kultur ändern und darüber nachdenken, ein Arbeitsumfeld für Journalist*innen mit multikulturellen Kompetenzen zu schaffen.

    Eine Lösung könnte darin bestehen, ein Sprachtandem-Projekt innerhalb des Medienhauses zu gründen, damit die Sprachbarriere abgeschafft wird. Oder Sprachtraining als Teil des Volontariats zu erstellen, um die mit Akzent gesprochene Sprache zu verbessern.

    Stimmt, das kostet viel Geld. Doch wer an die Zukunft denkt, muss investieren.

     

  • Gleichnis über verlorene Religion

    Als meine Eltern 1995 aus Santiago de Chile nach Berlin emigrierten, stieß meine Mamá auf eine signifikante Überraschung. Sie begegnete zum ersten Mal in ihrem Leben einer Muslima. Damals dachte sie noch, das Kopftuch stamme aus der Verbindung zu Gottes Mutter Maria. Jedoch stellte sie im Nachhinein fest, dass die vielen Frauen mit Kopftuch in Moabit einer anderen Religion angehörten: dem Islam. Nun war die religiöse Unschuld verloren, und das richtige Chaos konnte beginnen.

    Das Leben meiner Eltern war durch die militärische Diktatur Pinochets geprägt. Ihr Zufluchtsort war die Kirche, deren Erziehung in meiner Kindheit auch bei mir noch Früchte trug. Obwohl ich in der multikulturellen Stadt Berlin aufgewachsen bin, bewahrten mich meine Eltern in ihrer Blase: Jedes Mahl wurde mit einem Padre Nuestro begleitet, jede Nacht wurde ein Ave María gebetet und jeden Sonntag ist man zur Iglesia gegangen.

    Ich besuchte einen katholischen Kindergarten, eine katholische Grundschule und ein katholisches Gymnasium. Meine Freizeit verbrachte ich damit, mich in einem katholischen Pfadfinder*innen-Verein zu engagieren und mit Ministranten*innen abzuhängen. Doch würde ich mich als treue Katholikin bezeichnen? Eher nicht. Hier in Deutschland begleitete mich in der kirchlichen Gemeinschaft ein Schamgefühl, das einerseits von Skandalen und Intrigen beeinflusst wurde. Andererseits stellte ich bei meiner Familie in Chile fest, wie die Kirche ihnen eine ignorante und naive Vernunft weismachen wollte. Ich sah keinen Sinn darin, an einen El Dios Sagrado zu glauben, den man nicht einmal hinterfragen darf. Meine Blase ist geplatzt.

    Wir und die Anderen

    Religionen, vor allem die monotheistischen Religionen, hatten schon immer einen starken historischen Einfluss. Aber besonders Kultur wird von Religion geformt. In diesem Kontext hängen Kultur und Religion unausweichlich zusammen, denn beide sind identitätsstiftend und geben Orientierung, beide vermitteln Hoffnung und nehmen Angst und beide geben dem menschlichen Leben eine höhere Bedeutung.

    Ich wuchs in einem chilenisch kulturellen Haushalt auf, der von einem religiösen Rahmen umgeben war. Lange empfand ich diesen „Lifestyle“ als irritierend und belastend, da ich mich nicht toleriert gefühlt habe. Aus welchem Grund, soll ich mich von etwas bedrängen lassen, das mir nicht das Gefühl von Zugehörigkeit geben kann. Dennoch hatte ich Angst, mich als katholische Chilenin zu verlieren. Nach einiger Zeit begriff ich, dass mir eine temporäre und unvollständige Wahrheit erzählt wurde. Durch Kontakt mit unterschiedlichen Meinungen wurde mir klar, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt. Ich wollte mir meine eigene kulturelle Identifikation zurückholen.

    Aktuell etabliert sich ein öffentlicher Diskurs, der die religiöse Beständigkeit auf die Probe stellt. Wie kann dieser religiös-kulturelle Wandel in unserer globalisierten Gesellschaft kommuniziert werden? Eine Frage, die unterschiedlich beantworten werden kann:

    Religiöse Ansichten in homogenen Gesellschaftsstrukturen prägen das Verständnis für anderen Religionen und Atheismus nicht auf dieselbe Weise, wie in globalisierten Gesellschaften. Trotzdem stößt man, auch hier in Deutschland, auf Fremdenfeindlichkeit. Die Angst gegenüber anderen religiösen Weltanschauungen basiert auf unreflektierter Übernahme kultureller Stereotypen. Doch wie der Psychologe Perry Hinton sagt: »[…] stereotyping involves judging people as category members rather than individuals.«

    Der typische Denkansatz Wir und die Anderen schleppt im Fall der drei monotheistischen Weltreligionen antisemitische Vorwürfe, islamfeindliche Anschläge und antichristliche Pauschalisierungen mit. Diese dogmatischen Klischees sind eine gewaltige Bedrohung für die Weiterentwicklung homogener Gesellschaften.

    Representation Matters

    Medien haben die Verantwortung, religiöse und kulturelle Eigenschaften strukturiert zu kommunizieren. Aufgrund ihrer komplexen Tiefe wird schnell eine subjektive Reduzierung vorgenommen, welche die Betroffenen nicht repräsentiert. Die Abbildung jener kulturellen und religiösen Realitäten beruht auf der Auswahl der Fakten, Erzählungen und Ereignisse, aber auch auf dem Fehlen von Kontakt und Auseinandersetzung mit der dementsprechenden Kultur. Deswegen ist die selektierte Perspektive für das mediale Endprodukt entscheidend.

    Digitale Medien, Printmedien und Werbung übermitteln nur einige von vielen kulturellen Wirklichkeiten. Da Religion in vielen Kulturen zur Realität gehört, sollte sie auch in den Medien global repräsentiert und kommuniziert werden und das nicht nur aus dem westlichen Standpunkt. Entscheidende Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten von Religion und Kultur können so ans Licht gebracht und zelebriert werden. Sobald ein Stück der Komplexität wegfällt, wirkt ein so persönliches Thema identifizierend und somit greifbarer. Mein Lieblingsbeispiel ist die Benetton-Kampagne von Oliviero Toscani.

    Mit einer scharfsinnigen Darstellung wird mit der Juxtaposition zwischen religiöser Kultur und Menschlichkeit gespielt. Es ist faszinierend, dass die Kampagne, obwohl sie vor allem als skandalös und irritierend aufgenommen wurde, die Diskussion direkt auf den Punkt bringt: Unsere Gegensätze müssen nicht Annäherungen ausschließen.

    Kommunikation besitzt das enorme Potenzial, Kultur und Religion zu evolvieren. Auch wenn manche Gesellschaftssysteme unerreichbar scheinen, bleiben die Ressourcen keine Illusion. Kommunikation kann Strukturen offener gestalten und bilden. Kommunikation kann Strukturen revolutionieren.

    Die Nähe zum Göttlichen

    Nach 25 Jahren in Moabit haben meine Eltern ihre kulturelle und religiöse Perspektive erweitert. Jedes Mahl wird mit Dank gegessen, jede Nacht wird ruhig geschlafen und an jedem Sonntag wird unsere Kultur mit lateinamerikanischer Musik und chilenischem Essen geehrt. Ich studiere an einer staatlichen Hochschule, ich treffe mich mit verschiedenen Menschen und ich verbringe meine Freizeit so wie ich will. Meine Eltern haben keine Angst mehr vor dem Fremden.

    Lustigerweise fühle ich mich jetzt mit dem Göttlichen näher verbunden als je zuvor. Erst als ich mit 18 Jahren Menschen kennenlernen durfte, die einer fremden oder keiner Religion angehörten, habe ich die göttliche Transzendenz begriffen. Es war für mich erstaunlich, dass ich mit diesen Personen mehr Gemeinsamkeiten teilte als mit denen aus meiner ehemaligen Gemeinde. Denn die Religion formt nicht den Menschen, sondern der Mensch die Religion.

     

  • 8 Empfehlungen zum Thema “Medien & Journalismus”

    Das MiGAZIN

    Das MiGAZIN (MiG=„Migration in Germany“) ist ein Online-Magazin zum Thema Migration. Themen, die vorrangig Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte betreffen, werden darin so aufgearbeitet, dass sie auch für Menschen ohne Migrationsgeschichte zugänglich sind. Die Idee dahinter: Mehr Ausgewogenheit in der Medienagenda herstellen und einen Platz für diese Themen schaffen, um Zugang und Verständnis zu fördern. Die Artikel werden von der Redaktion sowie ehrenamtlichen Autor*innen – den MiGmachern – erstellt. Da diese selbst entscheiden, über welche Themen sie berichten, schreibt sich das MiGAZIN ein hohes Maß an Authentizität und eine diverse Themenauswahl zu, die die eigene Community repräsentiert.

    Mediendienst Integration

    Fakten statt Fake News: Beim Mediendienst Integration (MDI) handelt es sich um eine verlässliche Informationsplattform für Journalist*innen, die sich den Themen Flucht und Migration widmet. Auch bei kohero nutzen wir häufig die zusammengetragenen Zahlen und Fakten, Quellen und Hintergrundberichte für unsere Recherchen. Zudem fördert der MDI Projekte zur Weiterbildung, bietet Informationsveranstaltungen an und vermittelt Kontakte zu Expert*innen für eine ausgewogene und qualitativ hochwertige Berichterstattung.

    Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen

    Warum sollten Medien lieber von Asylsuchenden als von Asylbewerber*innen sprechen? Die Antwort darauf gibt das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen. Der Verein setzt sich seit 15 Jahren für mehr Vielfalt im Journalismus ein und stellt seit einigen Jahren ein Online-Glossar zur Berichterstattung über die Einwanderungsgesellschaft zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Wörterverzeichnis, in dem Begriffe erklärt und definiert werden. Es soll helfen, präzise und korrekte Begriffe zu verwenden, um eine genaue und diskriminierungssensible Berichterstattung zu gewährleisten. Darüber hinaus soll es dazu anregen, alternative und möglichst wertfreie Begriffe zu finden und in der Berichterstattung zu etablieren.

     

    NDR Doku „Das denken Deutsche über Akzente in Medien“

    ZAPP, das Medienmagazin des NDR veröffentlichte dieses Jahr eine Dokumentation mit dem Titel „Das denken Deutsche über Akzente in Medien“. Der Moderator Raja Khadour, welcher selbst Deutsch mit Akzent spricht, stellt die Frage, inwieweit Diversität in den deutschen Medien tatsächlich hörbar wird – und ob dies gewünscht ist. Dafür führt er Interviews mit Entertainer Jorge Gonzáles, Reporterin Katja Garmasch und Journalist Sulaiman Tadmory von Strg_F.

    Für die Dokumentation wurde auch eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, die eine Einschätzung darüber möglich machen soll, ob Zuhörer*innen offen für mehr Personen mit Akzent vor dem Mikrophon und vor der Kamera sind. Die Ergebnisse dieser Umfrage und viele spannende Gespräche findet ihr in diesem Videobeitrag.

     

    MeKriF

    Das Projekt „MeKriF – Flucht als Krise. Mediale Krisendarstellung, Medienumgang und Bewältigung durch Heranwachsende am Beispiel Flucht“ widmete sich einer vertieften Analyse des Medienverhaltens von Jugendlichen in Bezug auf Fluchtthemen und untersuchte, welchen Medieninhalten Jugendliche ausgesetzt sind. Auf Grundlage dieser Analyse wurden Veröffentlichungen erstellt, die konkrete Handlungsempfehlungen für Journalist*innen bieten, die eine jugendliche Zielgruppe ansprechen und über das Thema Flucht berichten. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, die Kompetenzen und Ressourcen von Jugendlichen im Umgang mit dem sensiblen Thema Flucht zu stärken.

    quoted. der medienpodcast & „Was sich ändern muss“ von der SZ

    Die Süddeutsche Zeitung bietet gleich zwei Formate, die sich kritisch mit Medieninhalten beschäftigen. Im Podcast „quoted. der medienpodcast“, der gemeinsam mit der CIVIS-Medienstiftung für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa produziert wird, nehmen Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und SZ-Autor Nils Minkmar regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mediale Diskurse unter die Lupe. Sie sprechen unter anderem über die Berichterstattung über den Krieg in Nahost, die Proteste im Iran sowie den Umgang von Medien mit verschiedenen Kriegsregionen und Krisen weltweit.

    In der SZ-Artikelreihe „Was sich ändern muss“ schreiben hingegen Medienschaffende mit Migrationsgeschichte Beiträge darüber, welche Verbesserungen sie sich in der deutschen Medienlandschaft wünschen, um rassistische Strukturen aufzubrechen und einen inklusiven und diversen Journalismus zu schaffen. Besonders gut ist, dass die Handlungsmöglichkeiten sehr konkret werden und sich direkt an diejenigen richten, die über diese Handlungsmöglichkeiten verfügen.

     

    Media Diversity Institute

    Das Media Diversity Institute (MDI) arbeitet global an einer Verbesserung der Berichterstattung über diverse soziale Identitäten und Merkmale wie Religion, Ethnie, Klasse, Alter, Behinderung, Geschlecht und sexuelle Identität. Sie setzen sich für die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz ein.

    Ihre Aktivitäten umfassen Konferenzen, Schulungen, Workshops und die Formulierung von Empfehlungen für Regierungen und Medienanstalten weltweit. Zusätzlich bieten sie eine Vielzahl an akademischen und journalistischen Ressourcen.  Ihr Ziel ist es, Redaktionen in aller Welt zur Nutzung dieser Angebote und damit zu einer akkuraten Berichterstattung zu ermutigen.

     

    Newsletter „What Happened Last Week“

    Sham Jaff ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin aus Berlin. Sie wurde in Slemani, Kurdistan, Irak, geboren und zog im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Seit 2014 schreibt sie den englischsprachigen Newsletter „what happened last week“, in dem sie wöchentlich die wichtigsten Nachrichten aus Afrika, Asien und Lateinamerika zusammenstellt und erklärt. Sie berichtet von Stimmen, Geschehnissen und Blickwinkeln aus dem Globalen Süden. Dazu gibt die Autorin Empfehlungen für andere Formate ab und lässt in die ein oder andere Nachricht auch ihren Humor mit einfließen. Super daran: Der Newsletter ist leicht verständlich und kostenlos zugänglich.  Bereits über 15.000 Menschen aus verschiedenen Ländern lesen regelmäßig „what happened last week“.

  • Wie die deutsche Berichterstattung die Debatte über Migration prägt

    Eine fast endlose Schar an Menschen, ein beunruhigendes Rot und Orange und in alarmierend großen Buchstaben „Schaffen wir das – nochmal?“. So zeigt sich das Cover des Spiegels vom September dieses Jahres. Abgebildet sind Geflüchtete auf der italienischen Insel Lampedusa. Das originale Foto sieht jedoch weitaus weniger bedrohlich aus. Und es stellt eher die Strapazen der Geflüchteten dar. Es ist nur ein Beispiel, wie Medien ein bestimmtes Narrativ um Migration und Flucht nutzen.

     

    Die Kölner Silvesternacht 2015/16

    Noch in den 1990er Jahren machte das Thema „Migration“ kaum mehr als 1 % der Gesamtberichterstattung aus. Doch spätestens mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ war das Thema dann täglich in so gut wie jedem journalistischen Medium zu finden.

    Als es dann in der Silvesternacht 2015/16 in Köln zu einer Reihe an sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen kam, zeigte sich die einseitige Berichterstattung der deutschen Leitmedien. Einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge stellten die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF die Täter als eine homogene Gruppe dar. „Damit werden die ‚Täter‘ als die ‚Anderen‘ („nordafrikanischer Raum“, „Flüchtlinge“) verortet und damit Sexismus und sexualisierte Gewalt kulturalisiert“ so die Studie.

    Die Debatte nach der Silvesternacht fokussierte sich schnell auf die Konsequenzen für die homogene Tätergruppe – Abschiebungen und die Verschärfung der Asyl-Gesetzgebung. Eine Überarbeitung des derzeitig geltenden Sexualstrafrechts wurde laut der Studie in nur 3,1 % der Berichte angesprochen, auch die Thematisierung von toxisch männlichen Verhalten und normalisierter sexueller Gewalt in unserer Gesellschaft fehlte fast gänzlich.

     

    Wie sehr bedroht die „Überlastung“ Deutschland wirklich?

    Migrant*innen und Geflüchtete werden von den Medien eben genau darauf reduziert, dass sie eingewandert sind. Diese einseitige Darstellung kritisiert auch ARD-Reporterin Isabel Schayani. „Manche stecken die Menschen, die hier um Asyl bitten, eindimensional in die Opferkiste, andere malen ein krasses Bedrohungsszenario.“ So Schayani in einem Interview mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

    Doch nicht nur das Täter – Opfer Schema ist in der journalistischen Berichterstattung beliebt. Wie eingangs beschrieben, ist die „Überlastung“ Deutschlands durch eine zu hohe Anzahl Geflüchteter ein gern genommenes Frame. So auch das Spiegel-Titelbild, das durch die Masse an in Deutschland ankommenden Menschen und die Worte „Schaffen wir das – nochmal?“ suggeriert, dass noch mehr geflüchtete Menschen Deutschland überlasten würden.

    „Übermedien“ Autor Frederik von Castell fragte Valeria Ferraro, die Fotografin des ursprünglichen Fotos, was sie von dem Spiegel Cover hielte. Ihre Antwort: Man habe sich beim Spiegel vermutlich bewusst darauf konzentriert, die lange Reihe der Menschen, statt den Gesamtkontext des Bildes in den Fokus zu nehmen. Das ursprüngliche Bild ist nämlich in Querformat aufgenommen.

     

    Die Positivbeispiele

    Von überlasteten Kommunen, Gemeinden und Städten, die mit der Aufnahme einer viel zu hohen Anzahl geflüchteter Menschen überfordert sind, ist durchaus häufig die Rede. Doch dass es auch Orte gibt, die problemlos mit der Aufnahme vieler Geflüchteten klarkommen, wird nur selten erwähnt.

    In einem Bericht des WDR fragte sich der Moderator und Journalist Georg Restle, ob die Überforderung der Kommunen einiger Orts vielleicht „hausgemacht“ sei. Denn die Kommunen, die im Bericht als Positivbeispiel beleuchtet wurden, zeigten Strukturen, die auch an anderen Orten gut umsetzbar wären. So gebe es in Marburg beispielsweise einen Fachbereich, in dem Fachleute für Asyl, Integration und Arbeitsmarkt zusammenarbeiten. In Rüsselsheim setze man auch auf vorausschauende Wohnungsbaukonzepte, die die Unterbringung von Geflüchteten aktiv mit einbezieht; in Haltern am See seien es die ehrenamtlichen Vereine, die Hand in Hand mit der Stadt arbeiten und so die Integration der neu ankommenden Menschen unterstützen. Von Überlastung wird in diesen Kommunen nicht gesprochen.

     

     

  • zu.flucht Podcast: Zu Medien & Journalismus

    Wie berichten Medien über Migration und Flucht? Und welche Hürden begegnen Journalist*innen mit Migrations- und Fluchtgeschichte? In dieser Folge vom zu.flucht Podcast schauen wir auf Mediendiskurse im Jahr 2023 zurück.
    Wie wurde zum Beispiel über die Ausschreitungen an Silvester in Neukölln berichtet? Warum ist uns das Thema Seenotrettung so präsent geblieben? Und welche Perspektiven fehlen uns in den Nachrichten zum Krieg in Gaza und Israel?
    Dazu haben wir die Journalist*innen Büşra Delikaya, Ahmad Shihabi und Natalia Grote befragt.
    Außerdem hat uns Prof. Christine Horz-Ishak von der TH Köln eine Einführung ins Thema gegeben.
    Natürlich beenden wir diese Staffel zu.flucht auch mit konstruktiven Anregungen: Wir besprechen, wie Journalismus diverser werden kann und stellen wichtige Initiativen und Plattformen vor, die sich bereits darum bemühen.
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    An dieser Produktion mitgewirkt haben: Valeria Bajaña Bilbao, Jonas Graeber, Jana Mühleck, Anne Josephine Thiel, Sarah Zaheer
    Sounddesign: Christian Petzold
    Infos zur Folge:
    Unsere Folgen zu Willkommenskultur, Sicherheit und Männlichkeiten
    Newsletter migrationews bei kohero
    Studie der Neuen Deutschen Medienmacher*innen
    Mediendienst Integration über Kriminalität und Zuwanderung
    Sprachforschung zu Flucht (Studie aus Österreich)
    Übermedien zum Spiegel-Cover

  • Berichterstattung über Migration und Flucht – eine Bestandsaufnahme

    „Sexualdelikte, Mord, Raub: Die Wahrheit über kriminelle Zuwanderer“ (FOKUS Online), „Nicht mal Schüsse konnten den Messer-Flüchtling stoppen“ (BILD) – Schlagzeilen, die auch 2023 immer noch aufkommen, wenn man sich auf die Suche nach aktuellen Meldungen zu Migration macht. Solche Titel und viele weitere Formen der Berichterstattung über Migration und Flucht werfen viele Fragen zu der Verantwortung der Medien auf.

    Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration – eine Studie 

    Die Studie „Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration“ der Universität Mainz und der Merkator Stiftung zeigt, dass interessante Entwicklungen in der Art der Berichterstattung über Flucht und Migration zu verzeichnen sind.

    Als zentraler Punkt lässt sich feststellen, dass immer seltener und immer negativer über Themen rund um Migration und Flucht berichtet wird. Die Studie stützt sich auf eine Analyse sechs deutscher Leitmedien, darunter Printmedien wie die Frankfurter Allgemeine, die Süddeutsche und die Bild sowie Nachrichtensendungen der Tagesschau, ZDF heute und des Senders RTL. Der untersuchte Zeitraum beläuft sich auf vier Jahre von 2016 bis 2020.

    Die Studie zeigt nicht nur, dass die Anzahl der Medienbeiträge zum Thema Flucht drastisch abgenommen hat, sondern auch, dass die Berichterstattung vor allem die Unsicherheiten und Gefahren, die damit in Zusammenhang stehen sollen, herausstellt.

    Jeder zehnte der untersuchten Beiträge behandelte dabei Terrorismus oder Flüchtlingskriminalität. Die Beziehung zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Zuwanderern wird zudem häufig als Konflikt inszeniert. Auch die dargestellte Demographie deckt sich hierbei nicht mit den tatsächlichen Zahlen. Überwiegend werden in den Beiträgen, gerade bei Fotos und Videos, Männer gezeigt, trotz dessen im untersuchten Zeitraum Kinder unter vier Jahren die größte Gruppe bei der Erstasylbeantragung darstellten.

    Die Berichterstattung folgt vor allem den aktuellen Ereignissen und orientiert sich maßgeblich an politischen Beschlussfassungen. Die Geflüchteten selbst kommen hierbei in der Regel nicht zu Wort und die Geschichten über gelungene Integration bleiben weit zurück hinter den Erzählungen über Schädigungen und Konflikte.

    Frames and Biases

    Durch die Studie wird klar, dass bestimmte Narrative über Migration und Flucht durch die mediale Berichterstattung entstehen. Es kommt zum Framing. Framing meint hierbei, dass spezifischen Aspekten mehr Raum gegeben wird und dadurch Informationsweitergabe nur in selektiver Weise stattfindet. Wenn dies wiederholt auftritt und man von einem Kommunikationsmuster sprechen kann, führt das in der Folge dazu, dass auch die zukünftige Auswahl von Informationen davon geprägt wird. Man spricht dabei auch von dem „confirmation bias“ oder „Bestätigungsfehler“.

    Dieser meint, dass Informationen so ausgewählt werden, dass das eigene Weltbild und die eigenen Erwartungen bestätigt werden. Sowohl Medienschaffende als auch Konsument*innen können von diesem Bias betroffen sein. Medienschaffende können, bewusst oder unbewusst, bestimmte Perspektiven verstärken oder vernachlässigen, während Konsument*innen dazu neigen, Medieninhalte auszuwählen, die ihre bestehenden Überzeugungen unterstützen, und andere Meinungen zu ignorieren. Es handelt sich hierbei also um einen Prozess mit nachhaltigen, meinungsbildenden Auswirkungen. Eine dieser Auswirkungen ist die Reproduktion von rassistischen Stereotypen. Dies lässt sich am Beispiel der Berichterstattung über Ausländerkriminalität verdeutlichen.

     

    Reproduktion von Vorurteilen am Beispiel „Ausländerkriminalität“

    Ein Rechercheteam von NDR und BR hat eine Datenerhebung durchgeführt, um zu untersuchen, wie die Polizei über die Nationalität von Tatverdächtigen berichtet. Dafür wurden 700 000 Polizeipresse-Meldungen über einen Zeitraum von 6 Jahren erhoben und analysiert. Das Ergebnis: Bei Menschen aus Flucht-Herkunftsländern wird die Nationalität doppelt so oft genannt wie bei deutschen Tatverdächtigen.

    Dies wird oft unhinterfragt von den Medien übernommen. Die Überbetonung der Nationalität legt einen Zusammenhang zwischen dieser und der Tat nahe und begünstigt damit die Bildung und Bestätigung bereits bestehender Vorurteile.

    In Anbetracht dieser Problematik stellt der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez in seinem Vortrag „Die verhängnisvolle Neigung der Medien … Plädoyer für einen Humanitären Journalismus.“ die Frage nach der Wirksamkeit ethischer Grundsätze in der Berichterstattung, wie sie im Pressekodex repräsentiert werden. Hafez argumentiert, dass die bestehenden ethischen Standards oft nicht ausreichen, um die Fehler in der Berichterstattung zu erfassen.

    Am vorhergehenden Beispiel kann man diese These einordnen, denn das begründete öffentliche Interesse, unter welchem die Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigung oft gerechtfertigt wird, ist nicht ausreichend definiert. Für Hafez ist klar, dass die Nennung der ethnischen und religiösen Herkunft nur erfolgen darf, wenn sie in klarem Zusammenhang mit der Tat steht. Dies trifft für die meisten Fälle nicht zu.

     

    Die Forderung nach einem humanitären Journalismus

    Kai Hafez plädiert für ein Umdenken im journalistischen Arbeiten und für einen humanitären Journalismus, der sich nicht dem Populismus und den Gesetzen des Marktes unterwirft. Denn die formale Medienethik ist nicht ausreichend gut aufgestellt, um die Bekämpfung des strukturell begründeten Rassismus durch die Art und Weise, wie Diskurs geführt wird, aufzubrechen.

    Hierfür formuliert er Kriterien in Anlehnung an den Friedensjournalismus. Darunter die Forderung einer Reform der Berichterstattung über Migration, mehr Ausgewogenheit und Komplexität in der Medienagenda und die Wiederbelebung der Fähigkeit des Journalismus, eigenständig kreativ zu sein und Lösungsansätze zu entwickeln. Bei diesem sensiblen Thema stehen nicht nur die Informationen im Vordergrund, sondern auch das Wohl und die Würde der betroffenen Menschen. Hafez appelliert daher an die Verantwortung der Medien, insbesondere wenn es um Themen wie Migration geht, bei denen Menschenrechte und -leben im Mittelpunkt stehen, eine ausgewogene, ethisch fundierte Berichterstattung zu leisten.

    „… diese Schwankungen mögen wir uns bei manchen Themen leisten können, sie sind bei niedrigschwelligen Themen sogar unvermeidlich – wir können und sollten sie uns aber nicht dort erlauben, wo Menschenleben auf dem Spiel stehen.“ (Hafez, 2019)

  • Ist Eisessen im Freien eine Kulturdebatte?

    “Ist Eisessen im Freien obszön?” Das ist der Titel einer aktuellen Kolumne von dem syrischen Autor Mohamad Alkhalaf. Der Artikel wurde in den letzten Tagen viel auf Twitter und in konservativen und rechten Medien diskutiert. Die Süddeutsche Zeitung und vor allem der Journalist Alkhalaf wurden kritisiert. Übermedien hat in einem sehr interessanten Kommentar ausführlich beschrieben, wie aus dem Kommentar eine “erfundene Debatte” entstehen konnte. 

    Ich möchte in meiner Kolumne nicht über diese (fast schon typisch deutsche) Diskussion zwischen Twitter User*innen und konservativen Medien sprechen, wo jede Aussage von einem Ausländer mit Absicht falsch verstanden und umgedreht wird. Viel interessanter ist das sowalif aus der syrischen und der arabischsprachigen Community und wie diese auf die Kolumne reagiert hat. 

    Kritik an Alkhalaf

    Der auf Facebook bekannte syrische Journalist Omar Kasir hat den Artikel übersetzt und Alkhalaf kritisiert, weil er den Rechten eine Grundlage gegeben hat, um noch mehr gegen Syrer*innen zu hetzen. Aber er kritisiert auch die Süddeutsche Zeitung, warum sie dem Autor Platz für diese Meinung eingeräumt hat. Es gab sehr viele zustimmende Kommentare

    Was ich interessant finde, ist, dass Alkhalaf seit 2018 monatlich seine Kolumne schreibt, aber die syrische Community ihm bisher wenig Aufmerksamkeit gegeben hat. Erst mit der Übersetzung und der Kritik durch Kommentatoren wie Kasir wurden viele Syrer*innen auf Alkhalafs Kolumne aufmerksam.

    Hier zeigt sich, wie wichtig es für uns ist, die Muttersprache Arabisch zu nutzen, um die Syrer*innen online zu erreichen, auch wenn viele Syrer*innen sehr gut Deutsch sprechen. Als Plattform kann man nur mit der arabischen Sprache (und hauptsächlich durch Facebook) die erste Generation erreichen. Oder aber man braucht einen Shitstorm von den konservativen Medien, um die Aufmerksamkeit der Syrer*innen in Deutschland zu gewinnen. Denn viele syrische Journalist*innen beobachten die konservativen und rechten Medien und wissen, dass diese oft negativ über die syrische Community berichten, während liberale und linke Medien das weniger tun.

    Ebenfalls ist interessant, wie diese Art von Kolumne uns vor die große Frage stellt, wer die Syrer*innen repräsentieren kann und darf, und wer über “die” syrische Gesellschaft schreiben kann.

    Die Vielfalt syrischer Kulturen

    Ich habe selbst schon lange bemerkt, dass ich, wenn ich über Syrien spreche und schreibe, immer sagen sollte: „Mein Syrien“ oder „Die Syrerinnen und Syrer, die ich kenne“. Denn ich habe schon oft Kritik von syrischen Leser*innen bekommen, die andere Erfahrungen gemacht haben. Das hat mich zum Nachdenken gebracht und die Frage gestellt, wie viel syrische Kultur wir eigentlich besitzen und warum wir keine einheitliche syrische Identität und Kultur haben.

    Syrien ist so vielfältig, es gibt Menschen verschiedener Ethnien und Glaubensrichtungen und es ist (oder war, vor 2011) das viert-dichtest besiedelte Land in der Region. Wir wissen, dass dadurch über die Jahrhunderte verschiedene Geschichten, Traditionen und unterschiedliche Kulturen in fast jeder Provinz entstanden sind. Nur die Regierung fokussiert sich gerne nur auf die Großstädte Damaskus und Aleppo als Zentrum der syrischen Kultur. 

    Also besteht der Hauptfehler von uns allen darin, dass wir der Kolumne von Mohamad Alkhalaf viel mehr Bedeutung beimessen, als sie eigentlich tragen kann. Diese Kolumne soll oberflächliche und humorvolle Vergleiche zwischen den Kulturen ziehen, die der Autor kennengelernt hat. Sie ist nicht dafür da, tief in die syrischen Kulturen einzutauchen, oder die historischen Wurzeln für heutige Vorurteile zu suchen.

    Ich finde es einerseits gut, dass deutschsprachige Medien Interesse und Offenheit für diese Art von Kolumne zeigen. Aber andererseits: warum können die Medien nicht mehr als nur eine Kolumne über Vergleiche zwischen den Kulturen leisten? Interviews und Reportagen, die einen tiefen Einblick in andere Kulturen geben, könnten Vorurteile reduzieren. Sind die großen Medien zu faul dafür? Oder sind es die Leser*innen, die sich dafür nicht interessieren? 

    Wem gehört der öffentliche Raum?

    Eine tiefergehende Reportage könnte zum Beispiel der Frage nachgehen, wie sich der öffentliche Raum in syrischen Städten verändert hat. In seiner Kolumne schreibt Alkhalaf: „In vielen konservativen Gesellschaften, dazu zählt Syrien in gewisser Hinsicht definitiv, wird – speziell von Frauen – erwartet, dass sie in der Öffentlichkeit eine zurückhaltende und respektvolle Haltung zeigen. Das Verspeisen von Speiseeis und anderen Mahlzeiten, die als phallisch geformt angesehen werden könnten, würde als provokant oder anstößig empfunden werden.

    Dabei ist die Frage, wem der öffentliche Raum gehört und wer entscheidet, was in der Öffentlichkeit gemacht werden darf, gar nicht so einfach und klar zu beantworten. Das liegt nicht nur daran, dass Syrien eine konservative Gesellschaft ist. Der öffentliche Raum gehört der Regierung, und da Syrien eine Diktatur ist, konzentriert diese sich vor allem auf Stabilität und Kontinuität. Also erlaubt die syrische Regierung und auch die Gesellschaft, über die geherrscht wird, nur sehr konservative Werte in der Öffentlichkeit zu zeigen. 

    Warum diese Werte vor allem auf dem Rücken der Frauen (oder auf ihren Köpfen) ausgetragen werden, ist auch eine komplizierte Frage. 

    Im Privaten sind den Syrer*innen jedoch ganz andere Freiheiten gewährt und dort entscheidet vor allem die Familie, welche Werte gelebt werden. Ich finde es also eigentlich schwierig zu sagen, ob die syrische Gesellschaft konservativ ist oder nicht, weil wir dafür die privaten Leben in den verschiedenen Kulturen, Städten und Religionen des Landes verstehen müssen. Das erfordert aber eher jahrelange Forschung als Kolumnen wie meine oder die von Alkhalaf. 

    Eiscreme-These

    Zurück zu den oberflächlichen Vergleichen, könnten wir außerdem darüber sprechen, dass Syrien auch ganz anders ist als Deutschland aufgrund des Wetters. Die Syrer*innen vermissen die Sonne nicht so sehr wie die Deutschen, daher setzen sie sich nicht bei den ersten Anzeichen des Frühlings oder zweistelligen Temperaturen den ganzen Tag draußen hin, um ein paar Sonnenstrahlen zu klauen und für den langen Winter zu speichern.

    Ich stelle daher die These auf, dass es deshalb nicht in jeder Straße so viele Eiscreme-Geschäfte wie in Deutschland gibt. Die Deutschen essen wirklich gerne Eis: laut dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie waren es im vergangenen Jahr circa 8,1 Liter Eis pro Person, das sind circa 116 Kugeln. Leider gibt es keine Statistik, wie viel Eis die Syrer*innen pro Jahr essen. Aber ich glaube, dass es erstens mehr zu Hause passiert und zweitens mehr arabisches Eis, oder “Booza” gegessen wird. Booza wird aus Milch, Sahne, Zucker, Mastix und “Sahlab” (Orchideenmehl) hergestellt, was ihm eine dehnbare und zähe Textur gibt, weshalb es typischerweise mit Löffeln gegessen wird.  

    Beginn einer neuen Diskussion

    Würde der Freund von Mohamad Alkhalaf, um den es in seiner Kolumne geht, weniger Scham empfinden, wenn Frauen Eis mit dem Löffel essen? Vielleicht nicht, laut einem Kommentar auf Twitter liegt das Problem woanders. Jemand schrieb als Reaktion auf die Kolumne: „Du siehst zu viele Pornofilme“. Obwohl dies ein gemeines Vorurteil ist, hat die Pornografie leider doch viele Männer geprägt und beeinflusst, wie sie die Frauen in ihrer Umwelt sehen. Irgendwie ironisch, dass Pornofilme hauptsächlich aus den westlichen, liberalen Gesellschaften kommen, aber Frauen darin meistens als Objekte und “Sexmaschinen” dargestellt werden. Weltweit gucken viele junge Männer solche Videos an und verbinden Frauen in ihren Gedanken sofort mit Sex. 

    Da in Syrien aber nicht öffentlich (und meistens auch nicht innerhalb der Familie) über Sex gesprochen wird, werden diese Gedanken nicht weiter analysiert oder diskutiert. Und das ist auch eine Gefahr, denn so wird die Sexualisierung von Frauen und Mädchen nicht hinterfragt oder unterbrochen. Dank des provokanten, aber interessanten Titels und der Fragestellung in dieser Kolumne wird in der syrischen Community jetzt darüber diskutiert. Mehr Syrer*innen teilen ihre Perspektiven und Erfahrungen, und schaffen Raum für Kritik. 

    Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich in Deutschland den Spruch gelernt habe, “Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten”. Die Frage ist der erste Impuls zum Nachdenken und Diskutieren. Durch solche Diskussionen können wir uns weiterentwickeln und Neues lernen. Deshalb danke ich Mohamad Alkhalaf für seine Fragen und für seine Kolumne.

     

  • ZEIT für Qualitätsjournalismus?

    Am 30. Mai postet ZEIT Online Politik auf Twitter Folgendes: “Integration war gestern: Deutschland ist das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt und die Urdeutschen dürften auf absehbare Zeit zu einer numerischen Minderheit unter vielen werden. Und nun?” Darunter ein Bild von vier migrantisch gelesenen Männern in einem Cabrio, einer von ihnen am Handy. “Migranten: Sie werden die Mächtigen sein” heißt der Beitrag, der hier angeteasert werden soll. Mein erster Gedanke: ein nicht ganz so qualitätsjournalistisches wtf.

    Der Artikel erscheint unter dem Schwerpunkt Weltland. In drei Beiträgen sollen Migrationsbewegungen nach Deutschland erklärt werden, so far so good. Hätte man ein wenig weiter als 1950 zurückgeschaut, würde klar werden, dass es Migration schon immer gab und wir alle in irgendeiner Form eine Migrationsgeschichte haben, doch daran will ich mich an dieser Stelle nicht aufhängen.

    ABER: Wer rechte Rhetorik und rassistische Framings nutzt, diskriminiert, schürt Ängste und stärkt rechtsextreme Strömungen. Das sieht man schon daran, dass sich unter dem Post Personen tummeln, die man überwiegend rechten Gruppen zuordnen würde. Beifall von AfD-Anhänger*innen ist kein Kompliment.

    Es reicht nicht, den Post zu löschen und sich erklären zu wollen. “Wir haben einen Tweet zu einem Essay von @_vanessavu gelöscht. Die Wortwahl war missverständlich. Der Text handelt davon, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland statistisch bald nicht mehr in der Minderheit sein könnten” – das war nicht missverständlich, es war richtig schlimm und problematisch! Statt des Dreizeilers sollte sich die ZEIT für das Posting entschuldigen und die Bezahlschranke vor dem Beitrag entfernen. Nach diesem Teaser kann dann zumindest jede Person den Inhalt für sich selbst einordnen.

    Höchster Anspruch?

    Inzwischen gibt es ein neues Posting von ZEIT Online zu dem Beitrag. Als neues Bild für den Tweet wurde ein Foto von zwei Ukrainerinnen aus dem Beitrag genutzt, im Text wird das Narrativ der “Anderen” genutzt, um migrierte Menschen zu beschreiben. ZEIT Online stehe nach eigener Bezeichnung für “einen einordnenden Qualitätsjournalismus mit höchstem Anspruch”.

    Was bei diesen Postings mit höchstem Anspruch eingeordnet wurde, erkenne ich ehrlich gesagt nicht. Und genau das überrascht mich auch nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass von einem deutschen Massenmedium unsensibel, diskriminierend und verallgemeinernd über geflüchtete und migrierte Menschen berichtet wird.

    Als Journalist*innen haben wir eine Verantwortung. Die ZEIT sollte das wissen und ernst nehmen. Gerade bei Themen, wo es um gesellschaftlich, politisch und strukturell diskriminierte Menschen geht, hat die Berichterstattung viel Macht. Sich dieser Macht bewusst zu sein, sie konstruktiv zu nutzen und der informierenden und einordnenden Funktion von Medien nachzukommen – das wäre eher Qualitätsjournalismus.

     

  • Mathias Döpfner: Meinungen. Macht. Medien

    “free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs” – niemand scheint so wirklich überrascht, als die Nachrichten von Mathias Döpfner an die Öffentlichkeit kommen. Schon seit Jahren hetzen Springer-Medien gegen geflüchtete und migrierte Menschen, sie fordern eine “härtere Linie” in der Asylpolitik. Doch ein Wort, das in den Kommentarspalten unter dem Instagram-Posting der ZEIT immer wieder zu finden ist: beängstigend. Beängstigend, dass ein Mensch mit solcher Verantwortung so denkt. Beängstigend, dass er eine solche Reichweite hat.

    Nachdem sogar innerhalb des eigenen Verlags eine Entschuldigung für die Aussagen gefordert wird, kommt Döpfner dieser nach. In der Bild schreibt er: “’Eigentlich ist eine Entschuldigung fällig, Chef!’ Das hat Marion Horn am Samstag in “Bild” geschrieben. Stimmt.” Doch er greift nur die Aussage auf, die auch so oft in anderen deutschen Medien zitiert wird: „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.”

    Die Allianz gegen Islam- und Muslim­feind­lichkeit (CLAIM) hat nun eine Petition gestartet, in der sie auch eine Entschuldigung für die anti-muslimischen Äußerungen einfordern.

    Aber sie zeigt eben auch, bei welchen Aussagen der öffentliche Aufschrei lauter ist. Die CLAIM-Allianz argumentiert meiner Meinung nach ganz folgerichtig, dass anti-muslimischer Rassismus ein viel größerer Skandal in Deutschland sein muss.

    Aber reichen diese Entschuldigungen? Reichen Entschuldigungen aus, zu denen man aufgefordert werden muss? Reichen Entschuldigungen aus, die man nur macht, weil dieses eine Mal “leider” doch durchgekommen ist, was man wirklich denkt? Sie reichen nicht aus. Klar, Journalismus ist nicht objektiv. Persönliche Meinungen und Erfahrungen scheinen durch, allein in der Themenauswahl, beim implicit bias oder bei der Auswahl von Gesprächspartner*innen.

    Die vierte Gewalt

    Doch Journalist*innen sollten aufrichtig versuchen, facettenreich und vielschichtig zu berichten. Und in keinem Fall dürfen diskriminierende Ansichten einer Einzelperson die Meinungsmache im ganzen Land beeinflussen. Dass Döpfner direkt mit der Haltung seiner Medien in Verbindung steht und diese beeinflusst, wird durch die Leaks seiner Nachrichten bestätigt. Und damit gehört er nicht an die Spitze eines Verlagshauses.

    Die konkrete Unterstützung bestimmter Parteien – auch das zeigen die veröffentlichten Nachrichten von Döpfner – und die menschenfeindliche Haltung der Springer-Verlagsspitze und ihrer Medien sind demokratiegefährdend. Als vierte Gewalt einer Demokratie haben Medien Macht. Man kann also von Machtmissbrauch sprechen, wenn Mathias Döpfner politische und gesellschaftliche Diskussionen durch seine Medien beeinflusst. Eine Entschuldigung reicht nicht. Ein Rücktritt von seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE eher.

  • Wer spricht im Klimajournalismus und wem hört er zu?

    Reichlich spät und ziemlich lückenhaft, aber Klima ist angekommen, könnte man sagen.

    Die Journalistin Sara Schurmann, die sich seit Jahren intensiv mit der Klimakrise und der Rolle des Journalismus beschäftigt, aber schreibt: „Die Lücke zwischen Berichterstattung und Klimakrise schließt sich nicht. Die Klimakrise eskaliert zusehends und wir kommen nicht hinterher.“ Die journalistische Abbildung der Welt zeige nicht die strukturellen Zusammenhänge. Dabei sei die „journalistische Abbildung der planetaren Krisen […] ein entscheidender Schlüssel zum öffentlichen Bewusstsein und damit zu politischer Verantwortlichkeit. Aber Medien bilden das Ausmaß und die Dringlichkeit nicht angemessen ab.“

    Wo sind all die Stimmen?

    Ein Problem durchzieht all das: die mangelnde Vielfalt im Klimajournalismus und im Journalismus im Allgemeinen. Wer hat denn überhaupt die Möglichkeiten, Gehör zu finden? Wer wird aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Glauben, Körper ausgeschlossen? 

    Eine demokratische Gesellschaft soll allen Menschen ermöglichen, ihre Perspektiven einzubringen und mitzugestalten. Voraussetzung dafür ist, dass es Räume gibt, gleiche Chancen zur Beteiligung und Zugänge. Aber spiegelt sich das wider in dem, wer berichtet, wer gefragt wird, was gezeigt wird? 

    Der Medienverbund Covering Climate Now schreibt: „Eine vollständige Erzählung der Klimageschichte schließt die Menschen ein, die davon betroffen sind, und die Menschen, die versuchen, das Problem zu lösen […] Eine Berichterstattung, die sich überwiegend auf wohlhabende Gemeinschaften konzentriert und nur weiße Stimmen zu Wort kommen lässt, geht einfach an der Geschichte vorbei.“ Sind bestimmte Stimmen unserer Gesellschaft nicht präsent, fehlen uns ihre Erfahrungen, Ideen und Blickwinkel, die für nachhaltige Veränderungen unverzichtbar sind. 

    Eintönigkeit als Sinnbild für Ungleichheiten

    Alle Menschen tragen die eigenen Geschichten mit sich und die wirken sich darauf aus, wie ein Thema betrachtet wird, wie recherchiert wird, wer für Interviews angefragt wird, was ausgelassen wird, wie geschrieben wird. Mangelt es an Geschichten, wird auch die Vielfalt der Gesellschaft nicht repräsentiert. Die Wahrnehmung des Publikums der Wirklichkeit verzerrt sich. Gemessen an der Vielfalt der Gesellschaft, bleiben öffentliche Diskurse zwangsweise gleichförmig.

    Realitätscheck: Genau das passiert nach wie vor. 

    Die internationale Nachrichtenagentur Reuters hat 2021 die nach ihren Kriterien die 1.000 „einflussreichsten“ Klimawissenschaftler*innen aufgelistet. Sie enthält nur fünf Wissenschaftler aus Afrika, die in Ländern des Kontinents forschen. Fünf von 1.000. Die immens ungleiche Verteilung von Ressourcen und Zugängen etwa kann dieses Ungleichgewicht nur teilweise erklären. Denn es gibt sie ja, die Expert*innen: Grob zehn Prozent der Autor*innen des Berichts des Weltklimarats, dem wohl wichtigsten Bericht in der globalen Klimapolitik, sind Bürger*innen afrikanischer Staaten. 

    Wessen Geschichten werden erzählt?

    In einer Studie zeigte das Netzwerk Neue deutsche Medienmacher*innen, dass sechs Prozent der Chefredakteur*innen der reichweitenstärksten Medien in Deutschland einen Migrationshintergrund hätten. Zwar wünschten sich viele Redaktionen mehr Vielfalt, etwas getan hätten dafür die wenigsten. 

    Im Projekt „Wer Macht Meinung“ wiederum haben die Autor*innen knapp 15.000 Artikel untersucht. Im Ergebnis überwogen männliche Journalisten deutlich. Wie sollen weiße Männer im mittleren Alter die postmigrantische, diversifizierte Gesellschaft widerspiegeln oder sich in bestimmte Lebensrealitäten denken?

    Im „Media Pluralism Monitor 2022“ für Deutschland des Centre for Media Pluralism and Media Freedom stufen die Autoren den Zugang zu Medien für Minderheiten und Frauen als höchstes Risiko für die Pluralität in Medien ein. Bislang hätten Maßnahmen kaum Auswirkung.

    Expert*innen vor Ort

    Mangelnde Vielfalt ist kein Problem des Journalismus allein, sondern über Sektoren hinweg und prägt ebenso Wissenschaft, Klima- und Naturschutz und soziale Bewegungen. Diese Ungleichheiten bestimmen, wessen Geschichten erzählt werden und wessen nicht.

    Die Wissenschaftsjournalistin Ayesha Tandon der Plattform Carbon Brief hat 2021 Autor*innen der 100 meistzitierten klimawissenschaftlichen Arbeiten analysiert. Das Ergebnis: 90 Prozent waren mit Institutionen aus dem globalen Norden verbunden. Weniger als ein Prozent waren in Afrika ansässige Autor*innen. Letztlich sind diese damit auch in Medien weniger sichtbar. Ihre Sichtweisen, Expertise und Erfahrungen verschwinden an den Rändern der Aufmerksamkeit.

    Vielfalt finden per Datenbank

    Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte Carbon Brief zusammen mit dem Oxford Climate Journalism Network die Global South Climate Database. Dazu schrieben die Macher*innen, dass die Stimmen, die die Klimageschichten erzählen, in den Medien zu homogen seien. Über die Datenbank können Journalist*innen aus aller Welt Klimaexpert*innen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik sowie dem Pazifik anfragen. Sie ist öffentlich zugänglich und enthält inzwischen über 900 Expert*innen, die mehr als 70 Sprachen sprechen – ihre Handynummern inklusive. Ähnliche Projekte gibt es auch in Deutschland. Der Vielfaltfinder des postmigrantischen Netzwerks bietet eine Datenbank mit Expert*innen verschiedener Disziplinen. 

    Journalismus weiterdenken

    „Denk doch mal positiv!“ In den meisten Fällen ist das ein leerer Zuspruch, der kaum hilft. Krisen muss man nicht schönreden. Aber man kann sich mit Lösungen befassen, die in der eigenen Handlungsmacht stehen. Das Solutions Journalism Network vergibt zum Beispiel Stipendien an Journalist*innen in den USA, mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Backgrounds.

    Außerdem organisiert das Netzwerk Trainings im lösungsorientierten Journalismus. Das ist kein naiver Gute-Laune-Journalismus. Vielmehr sind für ihn auch Lösungsversuche berichtenswert. Expert*innen dafür sind oft Menschen aus Gemeinschaften, die bereits unverhältnismäßig unter Ungleichheit leiden.

    Wiederum internationale Zusammenschlüsse von Redaktionen, etwa für grenzüberschreitende Recherchen, können dazu beitragen, hervorragende journalistische Arbeit im Ausland hierzulande sichtbarer zu machen. 

    Gleichberechtigung 

    Nicht zuletzt muss die Klimakrise immer noch als alles durchdringendes Problem erkannt und behandelt werden. Die globale Erderhitzung ist kein rein naturwissenschaftliches Phänomen. Vielmehr offenbart sie den katastrophalen Stand der gesellschaftlichen Beziehungen zur Umwelt.

    Dieser Zustand ist eng mit schwerwiegenden Ungerechtigkeiten im Zusammenleben der Menschen verzahnt. Die Klimakrise trifft jene am stärksten, die bereits unter Ungleichheiten leiden und besonders verletzlich sind. Das sind außerdem jene, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben. In einer Studie von Oxfam und des Stockholm Environment Institute heißt es, dass die reichsten ein Prozent der Weltbevölkerung doppelt so viele CO2-Emissionen verursachen würden wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung. 

    Umso wichtiger ist, dass verschiedene Stimmen Gehör finden. Zusammenhänge und Ungleichheiten transparent gemacht werden. Menschen von ihren Erfahrungen erzählen können und nicht als Schablonen für vorgefertigte Ideen dienen. Die Autorin Kübra Gümüşay schreibt in ihrem Buch „Sprache und Sein“: „[Es] ist die beständige Vielzahl der Perspektiven, die den Unterschied macht. Eine neue Erzählung – die Ausnahme – reicht nicht aus. Wir brauchen zahlreiche Betrachtungen […], die gleichberechtigt nebeneinander stehen.“

    Weitere Beiträge zum Schwerpunktthema Klimaaktivismus gibt es hier.

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