Schlagwort: Liebe

zwischen unterschiedliche Kultur

  • Kultur der Liebe #6: Wertschätzung und Empathie

    Dating und Liebe – das kann sehr schön, aber auch sehr anstrengend sein. Schön, weil man auf einen Menschen treffen kann, der eine*n inspiriert, mit der man Nähe und Intimität austauschen kann. Anstrengend, weil wir in einer Gesellschaft leben, die immer schnelllebiger wird, mit sexistischen und rassistischen Stereotypen und Normen. Welche Erfahrungen machen Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung in Deutschland beim Daten und in der Liebe? 

    Zwei Menschen treffen aufeinander und damit auch zwei (kulturelle) Identitäten mit unterschiedlichen Erwartungen, Sozialisierungen und Erfahrungen. Unterschiedliche Wünsche, Freiheiten und manchmal auch Sprachen. Dabei kann es zu Missverständnissen, Vorurteilen, neuen Einblicken und Gemeinsamkeiten kommen. 

     

    Si-Hao, meistens Didi genannt, ist 26 Jahre alt und kommt aus Hamburg. Seine beiden Eltern kommen aus China, sein Vater lebt seit seinen Zwanzigern in Hamburg, seine Mutter ist in Hamburg aufgewachsen. Sie haben hier gemeinsam ein Restaurant. Zu Hause wurde nicht viel über Liebe und Romantik gesprochen. Seinen Zugang zu Sexualität hatte Didi in der Pubertät durch Pornografie. Die ersten sexuellen Erfahrungen waren nicht sehr romantisch. Durch seine erste feste Beziehung hat er gelernt, was Wertschätzung, Ehrlichkeit und Kommunikation ausmacht. 

     

    Der Wunsch nach Empathie, Verständnis und Aufklärung

     

    Wenn ich an meine Kindheit und Jugend denke, war das Thema Aufklärung nur im Rahmen der Schule im Sexualkundeunterricht präsent. Zu Hause mit meinen Eltern gab es solche Gespräche nicht. Mit meinem Vater hatte ich nie ein ‘Vater-Sohn’-Gespräch. Das lag, denke ich, zwar auch an unserer Sprachbarriere, aber er ist generell keine sehr kommunikative Person und hat sich auch sonst eher aus der Erziehung rausgehalten.

    Mein Vater ist in einem sehr konservativen Haushalt in Hongkong groß geworden und auch meine Mutter hatte einen strengen Vater. Bei beiden war das Aufwachsen eher strikt, es war beispielsweise klar für meine Mutter, dass sie in der Gastro arbeiten wird, weil das ihre Eltern auch gemacht haben. Sie und ihre Schwestern mussten meistens nach der Schule in deren Restaurant mithelfen. Das war bei mir und meinen Geschwistern nicht der Fall.

    Meine Eltern führen gemeinsam ein Restaurant, sie arbeiten täglich zusammen und dadurch ist Arbeit auch immer ein Thema zwischen ihnen. Sie sind aus einer Generation, wo es schon noch anders war, Beziehungen einzugehen, da wurde nicht so lange gesucht, bis es ‘perfekt’ passt. Sie führen nicht unbedingt eine sehr liebevolle Beziehung, meine Eltern sind auch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Manchmal wirkt es, als ob die Beziehung stagniert und ich frage mich, ob sie noch zusammen wären, wenn die Arbeit nicht wäre.

    „Ich habe das so von der chinesischen Kultur gar nicht so mitbekommen, was Sexualität, Liebe oder Beziehung angeht“

    Trotzdem habe ich durch das Aufwachsen in meinem Elternhaus viel an Empathie und Mitgefühl mitgenommen und weiß, wie ich wertschätzend agiere. Dadurch habe ich das von der chinesischen Kultur auch nicht so mitbekommen, was Sexualität, Liebe und Beziehungen angeht. Das Einzige, das ich einmal in China gesehen habe, war, dass teilweise an öffentlichen Plätzen Steckbriefe von Leuten hingen, die ein*e Partner*in gesucht haben. Und dann konnte man sich da melden.

    Ich weiß aber nicht, ob das die Familien für ihre Kinder gemacht haben, damit die eine*n Partner*in finden, oder die Kinder selbst. In Hongkong, ist es eher nicht der Fall, dass man im Jugendalter auszieht und seine eigene Wohnung hat. Man wohnt bei den Eltern bis man heiratet, das war bei meiner Familie so.

    Aber sowohl ihre als auch meine Beziehung(en) waren nicht wirklich ein Gesprächsthema. Ich wurde mal gefragt wie es mit Partner*innen aussieht, aber das war es dann auch. Ich denke, meine Mutter dachte zwischenzeitlich, ich wäre homosexuell, weil ich viele Freundinnen hatte, aber in keiner Beziehung war.

     

    „In der Pubertät war es schon eher kein sehr wertschätzender Umgang in der Sexualität“

     

    Das Thema Sexualität ist bei mir im typischen Jugendalter präsent geworden – erste Kontakte mit Pornografie, deren Konsum und masturbieren. Ich war sehr unsicher, mich hat beispielsweise das Klischee vom kleinen Penis bei Chinesen belastet, was mein Selbstbild sehr beeinflusst hat. Aber auch, dass männliche Personen im Bett performen müssen. Ich hatte mein erstes Mal Sex relativ früh, mit vierzehn Jahren, und die Person, mit der ich Sex hatte, war zwei Jahre älter. Aber danach ist lange nicht viel passiert. Das erste Mal war für mich nicht romantisch oder sehr intim. Es war so schnell vorbei, wie es angefangen hat.

    Im Nachhinein hätte ich es schön gefunden, wenn ich einen wertschätzenden Austausch erfahren hätte. Oder wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, mit einer Person über meine Erfahrungen in Austausch zu kommen. Aber auch in meinem Umfeld, im Freund*innenkreis und vor allem den Jungsgruppen habe ich in der Pubertät eher keinen wertschätzenden Umgang in der Sexualität erlebt. Erst als ich schon älter war, hatte ich meine erste Beziehung.

    Meine damalige Freundin ist eine sehr reflektierte Person, die mir einen sehr wertschätzenden Umgang gezeigt hat. Durch Gespräche mit ihr habe ich dann gemerkt, dass der Pornokonsum irgendwie schon meine Vorstellungen von Sexualität beeinflusst hat, und vielleicht auch bestimmte Handlungen durch den Konsum von Pornografie entstanden sind. Nicht, dass das riesige Ausmaße angenommen hat, aber rückwirkend hätte ich mir einen anderen Zugang zu Sexualität gewünscht.

     

    „Ich lebe meine Sexualität aus, mit einer Person, die ich liebe“

     

    Mittlerweile habe ich einen sehr guten Umgang mit meiner Sexualität, was vor allem mit meiner ersten Beziehungen und meiner jetzigen Beziehung zu tun hat. Ich habe meine Sexualität ausgelebt, mit einer Person, die ich geliebt habe und dadurch sind wir viel mehr in den Austausch gegangen. Wir haben über vieles geredet, unsere Wünsche, Unsicherheiten und Bedürfnisse. Durch meine erste Beziehung habe ich viel Wertschätzung erfahren und konnte mich viel reflektieren. Und das kann ich in meiner jetzigen Beziehung weiterführen und vertiefen. Wir reden viel über uns, was wir mögen, was wir nicht mögen.

     

    „In unserer Generation ist auch Beziehungsunfähigkeit ein Thema“

     

    Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil von Wertschätzung meiner Meinung nach. Ich habe das Gefühl, das geht in der Generation Tinder manchmal verloren – die Schnelligkeit und Liebe auf Abruf. Vor meiner jetzigen Beziehung habe ich das mal ausprobiert. Ein schneller Ego-Push durch einen Like tut gut, ich hatte dann ein einziges Date und es war schrecklich.

    Für mich persönlich ist es einfach komisch, sich mit jemanden zu treffen, den*die ich gar nicht kenne. Ich mag es lieber, Menschen in einem ‘natürlichen’ Kontext kennenzulernen. In unserer Generation ist, glaube ich, auch Beziehungsunfähigkeit ein Thema. Viele Menschen, die heutzutage eine offene Beziehung führen, verwechseln, glaube ich, manchmal Freiheit mit der Angst vor Bindung, sich zu öffnen und verletzlich zu zeigen. Dabei ist es auch in einer offenen Beziehung sehr wichtig, Emotionalität zuzulassen, Gefühle zu teilen und gut zu kommunizieren. Ich führe eine offene Beziehung und merke dort, wie wichtig dieser ehrliche Austausch miteinander ist. In jeder Beziehung ist ein wertschätzender Umgang miteinander wichtig.

     

    Didi’s Wunsch in Bezug auf Liebe und Dating ist es, dass es eine bessere, transparentere und öffentliche Aufklärung gibt. Das sollte einerseits ein einseitiges Bild von Liebe und Beziehung neu beleuchten, und aufzeigen, dass nicht immer alles perfekt ist, als auch klassische Geschlechterrollen und Familienbilder hinterfragen. Vor allem in den Medien muss sich das repräsentierte Bild wandeln. Eine vielfältige sexuelle Aufklärung führt zu einem breiteren Allgemeinwissen zu Familien- und Beziehungsformen und fördert Empathie und Verständnis gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen. Für Liebe und Sexualität sollte Kindern und Jugendlichen viel Empathie und bewusstes Handeln nahegebracht werden. 

     

  • Heilige Liebe – Gedanken zum Valentinstag

    Alles beginnt mit Liebe; des Frühlings lächelndes Gesicht, auffällige Farben, (deren Frische die Luft tief einatmet) oder mit seiner frischen Luft, ein anderes Gesicht der Liebe.

    Lädt zum Verlieren ein, zur wahren Liebe… Kommen! Komm mit Liebe! Als ob man gesagt hätte (oder- wie er (der Frühling) sagt/ oder- es ist wie gesagt)

    Liebe ist ein wunderbares Geschenk, das uns zuteil wird. Herzen öffnen sich damit füreinander.

    „Valentinstag“

    Valentinstag in der Geschichte: Ein Priester namens Valentin sorgte zu einer Zeit, als die Eheschließung verboten war, dafür, dass eine solch heilige Institution nicht zerstört wurde. Er erklärte den Menschen weiterhin die Bedeutung der Ehe und ermutigte sie, einander zu heiraten. Deshalb wurde er zum Verräter erklärt und hingerichtet. Es scheint, dass die Ehe in vielen Religionen als heilig angesehen wird. Es ist seit Jahrhunderten der am weitesten verbreitete Weg für die Fortsetzung der Generationen.

    Lerne, deine Liebe zu geben

    „Lerne, deine Liebe zu geben, denn dein Herz wird verstehen, dass es Platz für alle Lieben gibt. Denke daran, dass die Welt Angst vor Menschen ohne Liebe hat.“ (Rumi)

    Gib deine Liebe nicht nur deiner Ehepartnerin oder deinem Ehepartner, sondern auch dir selbst, deinem Kind, deiner Katze, den Pflanzen in deinem Garten, deinem Job, deinen Freund*innen… Manchmal ist Liebe Vergebung, besonders sich selbst gegenüber…

    Sterben, um zu lieben

    Wenn wir versuchen zu lieben, anstatt uns zu hassen, werden vielleicht alle Feindseligkeiten enden und durch Frieden und Glück ersetzt werden. Wie also lieben Menschen? Wie Said Nursî, ein große Denker des letzten Jahrhunderts sagte: „Wer gut sieht, denkt gut, und wer gut denkt, hat Freude an seinem Leben.“

    Echte Liebe

    Es wird eine Geschichte erzählt, die auch zum Thema des Literaturunterrichts in meinem Land wurde, sie heißt „Leyla und Majnun“.

    Majnun verliebt sich in Leyla. Er bittet Leylas Vater um Erlaubnis, Leyla zu heiraten. Doch Leylas Vater lässt diese Heirat nicht zu. Verrückt vor Liebe macht sich Majnun auf den Weg und beginnt, in den Bergen zu wandern. Überall sucht er nach seiner Leyla. Eines Tages begegnet er einer Gazelle. Deren Augen erinnern ihn an Leyla. Doch als er der Gazelle in die Augen blickt, sieht er die wahre Liebe und vergisst Leyla. Danach beginnt Mejnun, wohin er auch schaut, die wahre Liebe zu sehen, nicht Leyla.

    Am Ende verwandelt sich Majnuns Liebe in eine spirituelle Liebe, und er sieht den wahren Künstler in jedem Naturwunder, das er betrachtet.

    Rumi sagte: „Das Herz, das wahre Liebe kennt, betrachtet sogar einen Wassertropfen mit Respekt.“ Man kann keine Blume von ihrem Zweig pflücken, man kann kein Tier misshandeln.

    Wenn du die Liebe in dein Leben einlädst, wird sie zu dir kommen.

    Bleib immer bei der Liebe.

     

    Fröhlichen Valentinstag!

    Dieser Beitrag entstand im Schreibtandem mit Ciara Fischer.

  • Kultur der Liebe #1: Wunsch nach Kommunikation und Empathie

    Dating und Liebe – das kann sehr schön aber auch sehr anstrengend sein. Schön, weil man auf eine Person treffen kann, die einen inspiriert, mit der man Nähe und Intimität austauschen kann. Anstrengend, weil wir in einer Gesellschaft leben, die immer schnelllebiger wird, mit sexistischen und rassistischen Stereotypen und Normen. Welche Erfahrungen machen Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung in Deutschland beim Daten und in der Liebe? Zwei Menschen treffen aufeinander und damit auch zwei (kulturelle) Identitäten mit unterschiedlichen Erwartungen, Sozialisierungen und Erfahrungen. Unterschiedliche Wünsche, Freiheiten und manchmal auch Sprachen. Dabei kann es zu Missverständnissen, Vorurteilen, neuen Einblicken und Gemeinsamkeiten kommen. In unserer Reihe „Kultur der Liebe“ wollen wir es genauer wissen.

    In Mexiko ist Stef (29) in einer katholisch-konservativen Gesellschaft aufgewachsen. Und obwohl ihre Familie selbst nicht religiös war, ist Stef auf christliche Schulen gegangen, da diese eine gute Ausbildung boten. Durch die dortige Sexualerziehung war sie zunächst von sexueller Intimität abgeschreckt und wollte am Liebsten für immer Kind bleiben. Zwar kann sie sich daran erinnern, schon im Kindergarten immer in irgendjemanden verliebt gewesen zu sein, aber Sex wurde ihr als etwas sehr Schlimmes und Verbotenes vermittelt, vor allem für “brave Mädchen”. Sexualität war ein schambehaftetes Thema. Mittlerweile ist das nicht mehr so.

    „Das war alles nicht so sexuell. Ich weiß nicht wieso“

    Ich bin in Bezug auf Dating und Liebe eine Spätzünderin gewesen. Auf der einen Seite gab es das konservative Umfeld meiner Schule und auf der anderen Seite meine Freundinnen. Sie sind nicht auf christliche Schulen gegangen und hatten bereits Interesse an Sex. Häufig hatte ich dadurch das Gefühl, unter Druck zu stehen, sexuell aktiv sein zu müssen. Genau das wollte ich nicht. Deshalb war ich froh, dass ich erst spät meine Menstruation bekommen habe. Ich hatte keine Lust auf sexuelle  Erfahrungen und am liebsten wäre ich für immer Kind geblieben. Zum Teil hat das wohl schon mit der Tabuisierung an meiner Schule zu tun, das hat mich abgeschreckt. Ich wollte kein HIV bekommen oder schwanger werden.

    Mit 17 Jahren hatte ich dann meinen ersten Freund. Eigentlich waren wir wie beste Freunde und daraus hat sich dann eine Beziehung entwickelt. Das Freund*innenschaftliche war überwiegend, wir hatten beide kein großes Interesse daran, Sex miteinander zu haben. Das war alles nicht so sexuell, ich weiß nicht wieso. Einmal ist es dann doch dazu gekommen, aber das hat mir nicht gut gefallen. Eigentlich haben wir es nur ausprobiert , weil es diese gesellschaftliche Erwartung gibt, dass Sex zu einer ‘richtigen’ Beziehung gehört. Es blieb das einzige Mal. Als ich mich dazu entschied, als Au-Pair nach Deutschland zu gehen, trennten wir uns. In Deutschland hatte ich erstmal keine Lust, irgendjemanden auf dieser Ebene kennenzulernen. Ich war von dem neuen Land überfordert. Nach einem Jahr fühlte ich mich hier wirklich angekommen und war bereit, neue Leute kennenzulernen.

    Ich glaube, diese Zeit habe ich gebraucht, um mich ein wenig von diesen Strukturen loszulösen. Danach konnte mir niemand mehr etwas vorschreiben. Ich habe angefangen, meine eigenen Grenzen zu überschreiten, Neues auszuprobieren. Es war auf einmal völlig okay für mich, mich auch auf romantische Beziehungen einzulassen. In diesem Sommer verknallte ich mich das erste Mal in Deutschland. Das war meine erste Summer-Romance. Nach diesem Sommer habe ich sozusagen meine Teenagerzeit mit Anfang 20 nachgeholt. Und seitdem hat mein Dating-Leben angefangen.

    „Ich merke es einfach, dass es für Männer immer so ein Winning ist, dass ich aus Mexiko komme“

    Im Laufe der Jahre habe ich für mich herausgefunden, dass ich One-Night-Stands nicht gerne mag. Wenn dort das Vertrauen fehlt, fühle ich mich, als ob ich der Person etwas von mir gezeigt hätte, was sie nicht verdient hat. Um mit jemandem eine Beziehung anzufangen, muss ich eine Verbindung zu dem Menschen spüren und Vertrauen haben. Ich kann das nicht nur auf das Körperliche reduzieren, nur weil ich Lust auf Sex habe. Ich hatte trotzdem auch schon gute One-Night-Stands, aber da gab es dann eine Verbindung zu der Person.

    Beim Daten fällt mir immer wieder auf, dass Männer meine mexikanische Herkunft interessant finden. Ich merke einfach, dass es für Männer immer so ein Winning ist, dass ich aus Mexiko komme. Dass es als ein Pluspunkt gesehen wird und dass es für sie meine Attraktivität ausmacht. Aber ich denke, der Grund warum sie mit mir connecten können, ist, weil ich ziemlich mexikanisch-westlich aufgewachsen bin. Ich habe selbst nicht mal einen wirklichen Eindruck von meiner Kultur. Wäre ich traditioneller aufgewachsen, so vermute ich, wäre da nicht so ein großes Interesse der Männer.

    Es fühlt sich aber so an, als ob sie genau diese ‘mexikanische Kultur’ in mir sehen wollen und dabei gar nicht checken, wer und wie ich eigentlich bin. Das finde ich sehr problematisch. Denn ich bin zwar Mexikanerin, aber ich fühle mich gar nicht verbunden mit den kulturellen Traditionen Mexikos. Von genau diesen wollte ich mich auch immer distanzieren. Mir wird dann ein traditionell mexikanisches Bild zugeschrieben, dem ich gar nicht entspreche. Mir ist beispielsweise erst im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung klar geworden, dass ich in Deutschland nicht als weiß wahrgenommen werde.

    In Mexiko hingegen habe ich durch mein Aussehen viele Privilegien. Ich hab auch das Gefühl, dass Leute hier das gar nicht verstehen, dass es in der mexikanischen Gesellschaft auch sehr rassistische Diskriminierungen gibt, vor allem gegen die indigene Bevölkerung. In Deutschland  ist es, als ob ich quasi noch white genug bin. Würde ich wie die Hauptdarstellerin in dem mexikanischen Film ROMA aussehen, würde der Pluspunkt der Mexikanerin plötzlich nicht mehr gelten, sondern eher ein Nachteil sein.

    Und obwohl ich mich lange auch selbst als sehr weiß wahrgenommen habe und nicht akzeptieren wollte, dass ich aufgrund meiner Herkunft oder meines Aussehens Diskriminierungen erlebe, muss ich mir schon eingestehen, auch rassistische Erfahrungen in einer Beziehung gemacht zu haben.

    „Ich versuch es zu ändern, aber ich komme immer wieder an dieselben Leute“

    Ich muss auch zugeben, dass ich diese Stereotypisierung und Präferenzen bei mir selber merke und das hat viel mit meiner westlichen Sozialisierung zu tun. Zum Beispiel bin ich nicht so interessiert daran, mexikanische Typen zu daten. Ich orientiere mich auch eher an westlichen Weißen, das finde ich richtig crazy. Das hat damit zu tun, dass man in Mexiko so erzogen wird, sich am Westen zu orientieren und danach zu streben. Und mir ist das auch krass eingetrichtert, ich kann das nicht von jetzt auf morgen ändern.

    Ich merke, dass das die Spuren des Kolonialismus sind. Da wurde die Bevölkerung in unterschiedliche Klassen aufgeteilt, je nach Aussehen. Die Weißen, die Gemischten und die Indigenen, die waren die unterste Klasse. Und seitdem hat sich ein Regelsystem mit gewissen Privilegien entwickelt, das bis heute präsent ist und für das ich ein Beispiel bin. Aber natürlich ist es nicht so, dass es niemanden in Mexiko gibt, den ich interessant finde. Ich versuche, meine Einstellung zu ändern, orientiere mich dann aber doch wieder an denselben Leuten. Ich bin aber schon offener geworden.

    Beim Daten fühle ich mich mittlerweile so sicher im Deutschen, dass es meine bevorzugte Sprache ist. In meiner Ex-Beziehung gab es immer wieder Momente, in denen ich mich nicht auf Deutsch ausdrücken konnte und dann auf Englisch gesprochen habe. Mir haben da die sprachlichen Mittel gefehlt. Erst jetzt fühle ich mich wirklich in der Lage, auf Deutsch alle meine Gefühle kommunizieren zu können und mich dabei wohl zu fühlen. Auf Spanisch mochte ich es bisher nicht zu daten, zumindest nicht mit Personen, deren Muttersprache es nicht ist.

    Ich habe häufig erlebt, dass Männer mich mit ihrem nicht akzentfreien Spanisch anlabern und das finde ich einfach nur unangenehm. Mit denen auf Spanisch zu reden, mag ich nicht. Ich hab nichts dagegen, auf Spanisch zu daten und zu sprechen, aber dann möchte ich es auf meine mexikanische Art und Weise tun. Das kann ich nur, wenn ich weiß, dass die andere Person nicht nur die Hälfte versteht und auch kulturelle Bezüge zu der Sprache hat. Sonst macht es mir keinen Spaß, die Sprache zu sprechen.

    Stefs Wunsch in Bezug auf Dating und Liebe ist, dass Männer sich ernsthafter mit dem Thema Feminismus auseinandersetzen. Ihr fällt auf, wie häufig die Rolle der Frau in einer Beziehung noch immer auf Care-Arbeit reduziert wird und es kein Gleichgewicht gibt. Sie wünscht sich eine ausgeglichene Fähigkeit der Kommunikation, den Umgang mit eigenen Gefühlen und dabei auch eine Selbstreflexion. Stef wünscht sich, dass bei Menschen mehr Empathie im Umgang miteinander herrschen würde.

     

    Die Reihe „Kultur der Liebe“ erscheint zweiwöchentlich. Möchtest auch du Teil unserer Reihe werden und uns von deinen Erfahrungen rund ums Dating erzählen? Melde dich unter team@kohero-magazin.de oder per DM auf Instagram oder Facebook. Die Porträts der Reihe “Kultur der Liebe” werden von Maxi Spalek illustriert.

  • Sonderausstellung – Fluchtursache: Liebe

    Seit dem 10. Juni 2020 widmet sich das Museum in einer Sonderausstellung den Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung flüchten bzw. auswandern müssen. „Die Sonderausstellung Fluchtursache: Liebe gibt einem wichtigen Thema, welches auch schon in der Hauptausstellung der BallinStadt Erwähnung findet, mehr Raum“, so der Geschäftsführer Volker Reimers. Unterstützt wird das Projekt von Deutschlands bekanntester Drag-Queen Olivia Jones und der offiziellen „Familienbotschafterin“, Veuve Noire. Jones musste selbst ihr Leben lang mit Anfeindungen und Diskriminierung kämpfen, deswegen sei die Ausstellung für sie eine Herzensangelegenheit. „Unsere Freiheiten sind nicht selbstverständlich. Das muss man sich immer wieder bewusst machen“, erklärt sie.

    Auf ca. 320 Quadratmetern gibt die Ausstellung einen Überblick über die LGBT-Rechte weltweit. Zunächst geht es um den Begriff der Freiheit und um seine konkrete Bedeutung. Anschließend halten riesige Daten, Zahlen und Statistiken eindringlich vor Augen, was homosexuellen, bi- oder transsexuellen Menschen in vielen Ländern auch heute noch droht: In zwölf UN-Mitgliedstaaten steht auf einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehr die Todesstrafe, in 56 von ihnen gelten hohe Gefängnisstrafen. Konfrontiert werden diese „hard facts“ aber auch mit den „Errungenschaften“ der LGBT-Bewegung.

    Acht Gesichter, eine Geschichte

    Im Mittelpunkt stehen acht erschütternde, aber auch sehr bewegende Biographien von Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität ihr Heimatland verlassen mussten. Zusammengestellt wurden diese von der Initiative Rainbow Refugees (Stories), die auch Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Herkunftsländern präsentiert, um das Erzählte in einen gesellschaftspolitischen Kontext zu setzen.

    Da ist zum Beispiel das Transgender-Paar Ragni und Anmol aus Pakistan, dass von ihren Familien verstoßen wurde. Obwohl der pakistanische Staat das „dritte Geschlecht“ seit 2009 offiziell anerkennt, sind die sogenannten „Hijras“ extremer Diskriminierung ausgesetzt. Die Nigerianerin Kehinde flieht aus ihrer Heimatstadt, um den Misshandlungen ihrer eigenen Familien zu entgehen und gerät dabei an einen Menschenhändlerring. In Libyen verliert sie den Kontakt zu ihrer einzigen Freundin und Partnerin und wird von einem Freier schwanger. Heute lebt sie mit ihrem Sohn in Bayern und wartet seit vier Jahren auf ihren Asylbescheid. Ihr Leben ist geprägt von Zurückweisung und Enttäuschung, Gewalt, aber auch von der Hoffnung auf ein besseres Leben.

    Migration — so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst

    Zwischen 1850 und 1934 war Hamburg das „Tor zur Welt“. Über fünf Millionen Menschen, die aus Europa über den Hamburger Hafen in die neue Welt nach Amerika emigrierten, fanden hier einen Zufluchtsort, bevor sie die beschwerliche Schiffsreise über den Ozean antraten. In den ehemaligen Gebäuden der HAPAG Reederei öffnete im Juli 2007 das Auswanderermuseum BallinStadt seine Türen und erinnert seit jeher daran, dass Migration schon immer ein Teil der Menschheitsgeschichte war. Seinen Namen verdankt das Museum dem berühmten jüdischen Reeder Albert Ballin, seiner Zeit Generaldirektor der HAPAG Reederei. 1901 ließ er auf der Elbinsel Veddel auf etwa 55.000 tausend Quadratmetern die BallinStadt errichten, einschließlich Schlaf- und Speisesälen, Musikpavillon, Krankenstation, Kirche und Synagoge.

    In seiner Dauerausstellung thematisiert das Auswanderermuseum heute die Geschichte der Migration exemplarisch anhand von vier Epochen. Angefangen bei der Kolonialisierung durch Auswanderer, über den Boom der europäischen Überseewanderung im „langen“ 19. Jahrhundert und die Massenflucht während der beiden Weltkriege bis hin zur Binnenmigration im Nachkriegsdeutschland. Dabei laden die zahlreichen Zeitzeugenberichte aus verschiedenen Jahrhunderten auf eine interaktive Zeitreise ein und gewähren Einblick in die unterschiedlichen Umstände und Beweggründe der Ein- und Auswander*Innen. Zugleich wird der Bogen in die Gegenwart gespannt: An mehreren Computerterminals können Besucher*Innen mittels digitalisierter Passierlisten auf Spurensuche ihrer ausgewanderten Vorfahren gehen.

    Auswanderermuseum BallinStadt
    Veddeler Bogen 2
    20539 Hamburg
    Telefon: (040) 31 97 91 60

    Die Sonderausstellung ist im Eintrittspreis des Auswanderermuseum enthalten. Der reguläre Preis für Erwachsene beträgt 13 Euro, mit Ermäßigung 11 Euro. Für Kinder zwischen 5 und 12 kostet der Eintritt 7 Euro.

    Verlängerung bis 15.11.2020: Sonderausstellung „Fluchtursache: Liebe“
    Mehr Infos unter
  • Wenn die Mutter die Tochter verkuppelt

    Im Sommer 2016 verspürte ich das Bedürfnis, mich in irgendeiner Form in der Flüchtlingshilfe einzubringen. Deshalb schloss ich mich dem Helferkreis in unserem Dorf an. Bei einem Treffen der Initiative wurde erzählt, das sieben junge syrische Männer in unser Flüchtlingsheim kommen sollten. Die Frage stand im Raum: Wer kümmert sich um sie? Ich meldete mich dafür.

    Gesagt, getan. Eine Woche später waren sie da. Ich ging zu den jungen Männern, bewaffnet mit einer kleinen Schokolade für jeden. Ich stellte mich vor und wir kamen ins Gespräch. Einer der Jungs, Eili, war sehr schüchtern, sagte nicht viel und hatte zu der Zeit immer eine Mütze auf. Ich glaube, er fand sich schick. Kurze Zeit später gab es in unserem Dorf ein Treffen zwischen den bisherigen Bewohnern und den Neuankömmlingen. Dort lernten Jessica und Eili sich kennen.

    Sie kamen ins Gespräch, so gut es eben ging, denn Eili sprach damals noch nicht sehr gut Deutsch. Eili zeigte Jessica Musik auf seinem Handy, die er mag. Sie staunte nicht schlecht: Eili hörte deutschen Schlager, nicht zuletzt um besser Deutsch zu lernen, wie er erzählte. Als auch Jessica ihm Musik auf ihrem Handy zeigte, stellte sich heraus, dass es genau die gleiche Musik war. Sie hatten den gleichen Geschmack.

    Missglückte Annäherungsversuche

    Durch meine Hilfe bei den jungen Männern, waren sie alle sehr oft bei uns zu Hause zu Besuch. So konnten Jessica und Eili sich beschnuppern. Es wurden viele Blicke hin und her geworfen. Mehr passierte erstmal nicht, da beide und ganz besonders Eili sehr schüchtern waren. Jessica versuchte dann, Eili auf einen Tee in ihr Zimmer einzuladen, weil sie mit ihm ein paar Wort alleine wechseln wollte. Eili lehnte das allerdings immer wieder ab und Jessica war ratlos.

    Eilis Freund Mouad leistete Hilfe, indem er Eili auf den Zahn fühlte, wie er zu Jessica steht. Mein Gedanke war, dass Eili aufgrund seiner syrischen Erziehung nicht in ihr Zimmer gehen konnte. Sein Respekt vor mir als seiner ehrenamtlichen Helferin und gleichzeitig Jessicas Mutter war wahrscheinlich zu groß.

    Also nahm ich die Sache in die Hand und teilte ihm mit, das es für mich überhaupt kein Problem ist, wenn er mit Jessica Zeit in ihrem Zimmer verbringt. Nachdem das geklärt war, wurde Eili etwas mutiger und lud Jessica auf einen Kaffee in ein Café ein. Danach war das Eis gebrochen. Sie lernten sich besser kennen und verliebten sich ineinander.

    Alle unter einem Dach

    Weihnachten 2016 stand vor der Tür und Eili fragte mich, ob Jessicas sich über ein silbernes Armband mit den eingravierten Namen der beiden freuen würde. Natürlich würde sie das! Ab diesem Zeitpunkt waren sie fest zusammen. Im Mai 2017 haben sie sich verlobt, was in Deutschland ja gar nicht mehr so üblich ist. Eili war die Verlobung jedoch aufgrund seines Glaubens sehr wichtig.

    Im Juni 2017 zog er zu uns ins Haus. Seitdem leben wir hier alle zusammen, was trotz der kulturellen Unterschiede sehr gut funktioniert. Jessica und Eili haben sich im Obergeschoss unseres Hauses eine kleine Wohnung eingerichtet, gehen beide arbeiten und leben ihren gemeinsamen Alltag wie jedes andere Paar auch. Wenn weiterhin alles so gut klappt, wollen Sie nach ihren Ausbildungen heiraten.

  • Beziehung auf Vorbehalt – Liebe, Dublin und Tattoos

    Wir lernten uns im Februar 2017 in einer Facebook-Gruppe für tätowierte Singles kennen. Was Dates anging, war ich allerdings ein wenig scheu und es vergingen ein paar Wochen, bis wir uns das erste Mal trafen. Dieses Treffen war dann aber besonders. Wir schrieben an diesem Tag und er berichtete mir, dass es ihm nicht gut ginge – sein Asylantrag wurde zum wiederholten Male abgelehnt und ihm drohe eine Abschiebung. Er floh 2014 aus Syrien und landete zuerst in Spanien, weshalb er ein Fall für die Dublin 02-Verordnung ist. Ich weiß nicht genau wieso, vielleicht war es meine fürsorgliche Ader und linksliberale Einstellung, aber ich wollte ihn an diesem Tag kennenlernen und ihm in dieser schwierigen Zeit beistehen.

    Also vereinbarten wir ein spontanes Treffen. Er holte mich vom Bahnhof ab und wir gingen ganz romantisch essen – bei McDonald’s. Er sprach bereits gutes verständliches Deutsch, sodass wir uns leicht unterhalten konnten. Sowieso ist er ein absoluter Musterflüchtling: Er befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in seiner Berufsausbildung, hatte eine eigene Wohnung und ein Auto. In dieser Woche haben wir uns täglich getroffen und schnell kamen Gefühle dazu. Dann wurde es ernst: Wir kamen zusammen.

    Für ihn gehören sie zur Familie und es ist ihm egal welche politische Einstellung sie haben

    Am Anfang machte es den Eindruck, dass meine Familie ihn mochte und akzeptierte. Bis es im Sommer zum großen Knall kam. Es war kurz vor meinem Geburtstag im August, als er mir erzählte, dass er mir einen Ring schenken wolle und sich mit mir verloben möchte. Nach nur sechs Monaten. Deshalb hat er sich mit meiner Schwester in Verbindung gesetzt, doch diese reagierte sehr negativ. Sie fand es einfach zu früh für eine Verlobung und sein Hintergrund machte sie misstrauisch. Sie machte sich Sorgen, ob er es wirklich ernst meinte oder nur auf eine Scheinehe aus war.

    Doch wie sich herausstellte, war das Ganze ein riesiges Missverständnis: Er erklärte mir, dass er mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht heiraten wollte. Für ihn war diese Verlobung rein symbolisch, als Zeichen, dass wir zusammen gehören. Danach hat es aber noch einige Zeit gedauert, bis meine Schwester ihm wieder vertraute und sich die Beziehung zwischen den Beiden besserte.

    Auch meine andere Schwester sah das Ganze kritisch. Sie und ihr Partner haben einfach eine komplett andere politische Einstellung als ich und lernten ihn obendrein auch erst nach dem erwähnten Missverständnis kennen. Im Sommer fuhren wir zu ihrer Einweihungsfeier ins 500 km entfernte Bayern, an denen auch einige rechts-gesinnte Bekannte meines Schwagers teilnahmen.

    Trotz aller Bedenken liefen die Feier und das Kennenlernen sehr entspannt. Mittlerweile haben wir schon zweimal Weihnachten mit meiner Schwester und ihrem Partner gefeiert. Für mich sind diese Situationen wahrscheinlich aufregender als für ihn. Er ist in dieser Hinsicht einfach wesentlich entspannter. Für ihn gehören sie zur Familie und es ist ihm egal, welche politische Einstellung sie haben. Dennoch versuchen wir, Streit und unnötige Diskussionen über Politik zu vermeiden.

    Die fast perfekte Beziehung

    Dann kam unser Jahr: Anfang 2018 zogen wir in eine gemeinsame Wohnung und im Sommer machte er mir einen offiziellen Heiratsantrag – sogar meine Schwestern freuten sich für mich. Sie sind glücklich, solange ich es bin und akzeptieren unsere Beziehung, wenn auch mit einer gewissen Vorsicht. Mit seiner Familie gibt es ebenfalls keine Probleme, denn obwohl sie muslimischen Glaubens sind, sind sie sehr liberal mir und unserer Beziehung gegenüber.

    Im Herbst wurde ich schwanger, worüber sie sich sehr gefreut haben, obwohl das Kind unehelich entstanden ist. Leider gibt es noch einige Hürden zu nehmen, was unsere Hochzeit betrifft: Unser Antrag ruht noch beim Oberlandesgericht und auch das Klageverfahren um seinen Asylstatus ist noch offen. Unsere Zukunft ist deswegen noch unklar.

    Unser Zusammenleben ist sehr einfach und harmonisch. Das liegt sicherlich auch daran, dass er gute Sprachkenntnisse hat und offen und tolerant erzogen wurde. Selbst wenn es mal zu Missverständnissen kommen sollte, können wir diese gut wieder auflösen. Eine Sache gibt es aber noch, die immer noch fehlt: Er hat nach wie vor kein Tattoo.

  • Dialog über Liebe, Ehe und Familie

    Was bedeutet für euch die Ehe?

    Moaayad: Ich finde die Ehe sehr wichtig und bedeutender als eine Beziehung. Man verpflichtet sich für eine Person. Die Ehe wird von einem Ehevormund arrangiert. Das sind in der Regel die Eltern des Mannes. Es ist eher unüblich, dass eine Frau ihren Eltern sagt, wen sie heiraten will. Von der Verlobung bis zur Heirat kann es bis zu einem Jahr dauern.

    Selbstverständlich ist das verlobte Paar nie allein, sondern immer in Begleitung. Da die Eheschließung den Mann schon mal über 5.000 Euro kosten kann, überlegt man sich sehr genau, wen man heiratet. Männer müssen sehr lange und viel arbeiten, um sich eine Familie leisten zu können. Mein Bruder hat zum Beispiel in Saudi Arabien gearbeitet, um sich eine Heirat leisten zu können. Mehrere Frauen kann sich also nicht jeder leisten.  

    Thing: Die Ehe halte ich für etwas Unantastbares. Beide geben sich ein Versprechen bis zum Lebensende: Füreinander da sein. Dieses Versprechen sollte man ernst nehmen – aber auch schon in der Beziehung. Die Schnelllebigkeit heutiger Beziehungen und deren Abbruchgründe machen mich sprachlos. Dieses Ghosting finde ich unehrenhaft und letztens habe ich mitbekommen, wie sich eine Frau von ihrem Freund getrennt hat, weil er hässliche Schuhe trug.

    Meine Eltern haben mir gut vor Augen geführt, dass man es in der Ehe – und im Leben generell – mit ganz vielen Hürden zu tun hat. Gängige Themen wie sexuelle Unlust, Alltagsstress und das Gefühl des Auseinanderlebens sind hier eher Kleinigkeiten.

    Gibt es einen Unterschied zwischen einer Beziehung und der Ehe?

    Moaayad: In jedem Fall. Aus meiner Sicht kann man in einer Beziehung sein und die Frau darf schon Sex mit anderen Männern gehabt haben. Aber ich würde niemals eine Frau heiraten, die schon mal Sex gehabt hat. In einer Ehe sollte die Frau Jungfrau sein. Sonst ist es komisch, denn in meinem Kopf weiß ich ja, dass sie schon mal einen anderen Mann hatte. Wenn ich ihn dann noch sehen oder kennen würde, wäre das schlimm. Für einen Mann ist es aber in Ordnung, mit sexueller Erfahrung in die Ehe zu gehen. Bei uns ist die Jungfräulichkeit auch mit 30 Jahren ganz normal.

    Thing: Ich sehe hier keinen großen Unterschied. Die Verbindlichkeit in einer Ehe ist stärker. Aber bei einer Beziehung ab zwei Jahren ist die Verbindlichkeit auch gegeben. Daher kann ich Leute verstehen, die nur zusammen sind, aber nicht heiraten. Schließlich empfinde ich die Ehe als eine von der Gesellschaft erschaffene Institution, um die Frauen an die Männer zu binden und weiter in der Abhängigkeit zu behalten. Einen sexuell unerfahrenen Mann kann ich mir nicht vorstellen. Meine Mutter hat mal gesagt, dass unerfahrene Männer dann später ihre Erfahrungen sammeln. Mein Umkreis bestätigt mir dieses Bild. Zudem sind erfahrene Männer eher weise. So etwas mag ich eh lieber.  

    Welchen Sinn hat für euch die Ehe?

    Thing: Das Verfolgen gemeinsamer Ziele und die gemeinsame persönliche Entwicklung – ein Leben lang.

    Moaayad: Eine Heirat hat für mich den Sinn der Familienplanung. Dann gehe ich arbeiten, bekomme Kinder und ziehe diese groß. Die Familie aber bleibt zusammen und im Alter kümmere ich mich um die Eltern. Wenn ich mich hier in Deutschland umschaue, sehe ich die Einsamkeit, die ältere Menschen plagen. Das finde ich schade. Bei uns ist es normal, dass sich die Kinder dann später um die Eltern kümmern und sie nicht einfach ins Altersheim schicken. Weiterhin ist die Ehe auch mit Pflichten verbunden: Ich muss mich um die Frau finanziell kümmern können. Sie kann, muss aber nicht arbeiten. Letztendlich beinhaltet die Ehe den Lebenssinn für mich, weil damit das Leben beginnt.

    Wie ist es mit dem Thema Liebe für die Flüchtlinge?

    Moaayad: Für Männer ist es etwas einfacher. Als Mann darf ich eine Frau heiraten, die nicht die gleiche Religion hat. Zudem kann ich mehrere Frauen haben. Aber das kostet viel. Eine Frau darf leider keinen Mann heiraten, der eine andere Religion hat. Daher sind viele bereits froh, dass sie ihre Töchter überhaupt verheiratet bekommen, und verzichten dann auch schon mal auf die Mitgift. Zudem haben viele geflüchtete Frauen das Problem, dass meist nur noch ältere Männer auf dem Heiratsmarkt sind. Es gibt mehr ältere als jüngere Männer.

    Wenn ein syrischer Flüchtling und eine deutsche Frau zusammen kommen, wird es schwer. Es treffen kulturelle Unterschiede aufeinander und man muss noch kompromissbereiter sein. Es gibt aber auch viele Paare, die sich nach der Ankunft in Deutschland für eine Scheidung entschieden haben. Das ist verständlich. Denn bei einer Flucht erlebt jeder Extremsituationen und lernt den Ehepartner auf eine ganz andere Weise kennen. Zudem entwickeln sich die Menschen weiter. Die Mischung der Kulturen sorgt auch bei uns für Verwirrung und man kommt schnell in eine kulturelle Identitätskrise. Langfristig werden wir wohl alle liberaler.

    Thing: Ich bekomme das Thema nur am Rande mit. Eine Beziehung an sich ist bereits kompliziert. Wie ist es nur, wenn zwei komplett verschiedene Ansichten aufeinandertreffen? Ich würde mir nicht vorschreiben lassen, ob ich einen Mann zur Begrüßung umarme oder nicht. Und Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit austauschen ist für mich auch normal. Die Lebensansichten müssen sehr gleich sein.  

    Welche Meinung habt ihr über Scheidung?

    Moaayad: Mir ist klar, dass Beziehungen oft mit Streitereien verbunden sind. Diese sollte man aber versuchen zu lösen. Meistens lassen sich Probleme mit der Zeit klären. Wenn es aber überhaupt nicht geht, ist eine Scheidung in Ordnung. Auch Frauen dürfen sich bei uns scheiden lassen. Dann ist deren Mitgift aber hinüber und sie haben es schwerer im Leben. Meist kümmern sich dann die Familie und Eltern der Frau finanziell um sie. Ist ein Kind im Spiel, wird es komplizierter. Der Mann muss sich natürlich finanziell um ihn kümmern, aber nicht um die Frau. Es gibt also keinen Unterhalt.

    Thing: Man gibt heute leider zu schnell auf. Bei ersten Hürden oder Gefühlsveränderungen denkt man ans Aufgeben. Aber eine Beziehung ist wie das Leben: ein auf und ab. Und diese Schmetterlinge nehmen auch mit der Zeit ab. Ich bin hier pragmatisch und bin der Meinung, dass die Liebe eine Erfindung der Moderne ist. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass sich auch andere Gesellschaften irgendwann dem zuwenden.  

    Autoren: Sook Thing und Moaayed Eudy.

  • „Wir haben einfach Spaß zusammen!“

    Die erste Begegnung

    Kennengelernt haben sich Natascha und Alireza im September dieses Jahres. Die Studentin der Künste in sozialen Veränderungsprozessen absolviert zur Zeit ihr Praxissemester im Café why not?. Im Rahmen dieser Tätigkeit bietet sie verschiedene Kunstworkshops an. Der attraktive Iraner arbeitet ebenfalls regelmäßig im Café, übernimmt Schichten hinterm Tresen, bereitet Kaffee und kleine Snacks zu.

    „Natascha ist mir sofort aufgefallen“, beginnt er mit einem Lächeln auf den Lippen zu erzählen, „ihre offene, freundliche Art hat mir von Anfang an zugesagt.“ „Ich habe Anfang September begonnen, im why not? zu arbeiten. Alireza und ich haben uns jeden Tag gesehen. Mir haben seine selbstgemachten, bunten Armbänder sehr gefallen und mir kam die Idee, mit einer kleinen Gruppe solche Armbänder herzustellen. Alireza hat mir dabei geholfen“, ergänzt Natascha.
    „So sind wir uns näher gekommen, haben dann auch unsere Telefonnummern ausgetauscht und uns privat, also außerhalb des why not?, getroffen“, erläutert Alireza.

    Der Beginn einer Liebe

    „Bei mir gibt es einen Schlüsselmoment in dem ich gemerkt habe, dass ich dabei bin, mich zu verlieben. Das war, als ich das dialogische Malen angeboten habe. Beim dialogischen Malen geht es vor allem um nonverbale Begegnung auf dem Papier. Also um soziale Interaktion und aufeinander reagieren durch den Einsatz von Farben. Alireza und ich saßen sehr nah beieinander, als ich begann, meine Hand abzumalen. Alireza hat dann seine Hand neben meine gelegt und ich habe seine Hand abgemalt. In diesem Moment waren wir uns sehr nahe“, erklärt Natascha.
    „Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick. Ich habe Natascha gesehen und dachte nur: Wow!“, sagt Alireza mit Nachdruck, und gibt Natascha einen Kuss auf die Wange.

    Kulturelle Unterschiede und sprachliche Barrieren

    Alireza lebt jetzt seit zwei Jahren in Deutschland. Er kommt aus einer völlig anderen Kultur als Natascha.
    „Im Iran ist man nicht frei, das Land ist eine Diktatur, man muss immer vorsichtig sein, was man sagt. Und in dem Land kann man sich zum Beispiel nicht offen gegen den Islam entscheiden oder auch nur dementsprechende Äußerungen von sich geben. Darüber hinaus ist es nicht erlaubt, öffentlich zu musizieren oder zu feiern, schon gar nicht Männer und Frauen gemeinsam. Ich hätte in meinem Heimatland keine Perspektive entwickeln können, obwohl ich sogar die Universität besucht habe“, erklärt Alireza. „Später habe ich als Friseur in meinem eigenen Salon gearbeitet, bis ich dann 2015 geflohen bin.“

    „Ich bin immer wieder schockiert, wenn Alireza von seinem Heimatland erzählt. Schockiert darüber, was dort alles verboten ist, Sachen, die hier in Deutschland so selbstverständlich sind“, sagt Natascha, dabei wird ihre Stimme ein wenig lauter.
    Natascha hilft Alireza dabei, in Deutschland, in Hamburg anzukommen. „Mir ist es sehr wichtig, dass Alireza sein Deutsch verbessert. Deswegen sprechen wir ganz, ganz viel und ich korrigiere ihn, wenn er Fehler macht.“

    Kann sich die 31-Jährige vorstellen, Persisch zu lernen? „Ja, das würde mich schon reizen. Aber es ist wichtiger, dass Alireza erstmal Deutsch lernt. Nur so kann er sich richtig in unsere Gesellschaft integrieren. Oft verständigen wir uns auch mit Händen und Füßen“, erklärt Natascha, lacht und streicht sich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Dann erklärt sie weiter: „Ich würde gar nicht unbedingt sagen, dass die Sprache ein Hindernis darstellt. Man muss Geduld haben. Beide müssen bereit sein, Zeit zu investieren. Und auch mal den Google Translator zu Rate ziehen. Dann klappt das schon.“

    Alireza ist passionierter Musiker, kann in Deutschland seiner Leidenschaft nachgehen, was im Iran nicht erlaubt war. Er spielt in den persischen Bands Coca und Opatan. Hier in Hamburg ist es Alireza möglich, öffentliche Auftritte zu geben und Natascha begleitet ihn oft zu diesen Konzerten.

    „Für Alireza ist die Musik das Wichtigste in seinem Leben. Ich komme gerne mit zu seinen Auftritten, das ist immer total spannend. Denn durch seine Musik findet ein kultureller Austausch statt. Und durch das Kochen. Wir kochen oft persische Gerichte zusammen. Das Essen, vor allem das gemeinsame Essen spielt in seiner Kultur eine viel wichtigere Rolle als bei uns. Das gefällt mir. Ich habe das Gefühl, dass unsere Beziehung meinen Horizont erweitert. Dieses Gefühl ist sehr wertvoll und schön“, merkt Natascha an.

    Was wir aneinander schätzen

    „Ich mag ihre Offenheit und ihre liebevolle und fürsorgliche Art. Und dass sie so süß ist“, erzählt Alireza mit einem Lächeln.
    „Wir haben einfach Spaß zusammen, lachen viel, machen Witze. Und wir nehmen es mit Humor, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen und es manchmal schwer ist, sich zu verständigen. Also kommunizieren wir oft auch nonverbal durch Gesten und Mimik“, führt Natascha weiter aus.
    „Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich Natascha kennenlernen durfte.  Sie ist eine absolute Bereicherung für mein Leben!“, sagt Alireza und man kann die Begeisterung in seiner Stimme hören. „Mir geht es genauso. Wir sind sehr verliebt“, erwidert Natascha, drückt Alirezas Hand und gibt ihm einen Kuss.

kohero-magazin.com