Schlagwort: Jüdisches Leben in Deutschland

  • (Un)Glück patrilinearer jüdischer Identität

    Es ist ein dunkler Novemberabend in Hamburg. In der Aula der Jüdischen Gemeinde Hamburg sitzen, mit dem gebotenen Mindestabstand zueinander, gut zwanzig Besucher:innen der Lesung des Buches „Väter unser… Vaterjüdische Geschichten“. Die Autorinnen Ionka Senger, Regula Weil und Ruth Zeifert veröffentlichten das Buch im Jahr 2021. In dem Buch schreiben sie zu Themen wie Familie, Freundschaften, dem Verhältnis zu Israel. Allgemein schreiben sie über das Leben als Jüdin mit einem jüdischen Vater und einer nicht-jüdischen Mutter. Ebenso lassen sie in ihrem Buch sieben weitere Vaterjüdinnen zu Wort kommen. Auch im Publikum finden sich, wie sich später herausstellt, überwiegend Personen mit patrilinearer jüdischer Identität so wie die Autorinnen.

    Das “How To Become” der Religionen

    In jeder Religion erfolgt die Anerkennung in der Gemeinschaft nach jeweils eigenen Kriterien. Christlich wird man durch die Taufe, entweder als Säugling durch die Entscheidung der Eltern oder selbstbestimmt im Erwachsenenalter. Anders ist dies jedoch in anderen Religionen. Sowohl im Islam als auch im Judentum galt zunächst das Prinzip der väterlichen Religionsvererbung, auch Patrilinearität genannt. Das Prinzip der Patrilinearität besagt, dass die Religion des Vaters die Religion der Familie bestimmt. Aus rabbinischen Schriften heraus etablierte sich jedoch im Judentum vor etwa 2000 Jahren das Prinzip der Matrilinearität. Wie genau es dazu kam, ist nicht vollständig geklärt. Es liegen mehrere Vermutungen zu dieser historischen Entwicklung vor.

    Unabhängig des kausalen Zusammenhangs, wird seitdem ein Mensch nur dann von einer jüdischen Gemeinde anerkannt und darf ihr beitreten, wenn er oder sie von einer jüdischen Mutter auf die Welt gebracht wurde. Anderenfalls kann eine Aufnahme in eine jüdische Gemeinde nur durch den langwierigen und aufwändigen Konvertierungs-Prozess Gijur erfolgen. Diese Regel geht zurück auf die Halacha, den Teil der Überlieferung des Judentums, welcher Bräuche, Traditionen und Rechtsgrundsätze beinhaltet.

    Die Auslegung der Halacha

    Die Auslegung der Halacha in jüdischen Gemeinden erfolgt dabei unterschiedlich. So sind in den USA Menschen patrilinearer jüdischer Herkunft seit der Resolution der Central Conference of American Rabbis aus dem Jahre 1983 als gleichgestellte Mitglieder liberaler Gemeinden anzusehen. In Israel stellt sich die Frage weitgehend nicht. Dort gelten generell nur Personen als jüdisch, deren Mutter, Großmutter, Urgroßmutter oder Ururgroßmutter jüdisch war beziehungsweise noch ist.

    „Und die Deutschen, die sind stur.“

    „Und die Deutschen, die sind stur.“ Eine Besucherin der Lesung berichtet von ihrem Unverständnis über das Festhalten an der Tradition, Patrilineare als Nicht-Juden aus dem Gemeindeleben auszuschließen. Die Verfassung der jüdischen Gemeinde Hamburg beispielsweise besagt nach Stand von 2016, dass „alle Personen mit Wohnsitz in Hamburg und Schleswig-Holstein [Mitglieder der Gemeinde] werden [können], welche nach dem jüdischen Religionsgesetz Juden sind.” Und dieses Gesetz ist die Halacha, die keine Ausnahmen macht.

    Halle hält zusammen

    An die Regeln der Halacha halten nahezu alle jüdischen Gemeinden fest. Als eine der wenigen in Deutschland ist es die jüdische Gemeinde zu Halle, welche einen anderen Weg eingeschlagen hat. Dies schon seit über 20 Jahren. Die Gemeinde erlangte im Oktober 2019 auf tragische Weise Berühmtheit. Nach einem verhinderten Anschlag auf das Jom Kippur Fest in der Synagoge in Halle, fielen zwei Menschen in deren Nähe dem Täter zum Opfer. Max Privorozki ist seit 1999 Vorsitzender der Gemeinde. Seit 2009 ist er auch Vorsitzender des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Die Frage, ob seine Gemeinde offen gegenüber patrilinearen Juden und Jüdinnen ist, verneint er zunächst.

    Gemeindezugehörige in Gemeinden

    Es gibt jedoch eine Regelung, welche eine Integration ermöglicht, zumindest im Zusammenleben. Neben den 517 offiziellen Gemeindemitgliedern gibt es nämlich noch 96 sogenannte Gemeindezugehörige. Sie sind Verwandte von Gemeindemitgliedern – Enkelkinder, Ehepartner:innen und die Patrilinearen. Für die Eintragung eines Gemeindezugehörigen in eine entsprechende Sonderliste stellt das Gemeindemitglied einen Antrag und entrichtet (offiziell) dessen Beitragsgebühr. Ansprüche gegenüber der Gemeinde haben Gemeindezugehörige nicht, so Privorozki. Religiöse Riten wie die Bar/Bat Mitzwa sind ebenso den jüdischen Gemeindemitgliedern vorbehalten.

    “Grundsätzlich sind Gemeindezugehörige keine Mitglieder, weder aktiv noch passiv”, so Privorozki. “Wir möchten den Familien unserer Gemeindemitglieder mit nicht-jüdischen nahen Verwandten das Gemeindeleben zu hundert Prozent öffnen. Es geht aber auf keinen Fall um die Anerkennung von nicht-jüdischen Menschen als Gemeindemitglieder.”  Trotzdem, und das ist vielleicht auch wichtiger, nehmen alle Kinder der Jüdischen Gemeinde zu Halle geschlossen an Ferienfreizeiten, den sogenannten Machanot, teil. Und halten zusammen, indem sie Veranstaltungen, an denen patrilineare Kindern nicht teilnehmen dürfen, boykottieren. “Das hat mich sehr stolz gemacht”, erinnert sich Privorozki an einen solchen Vorfall.

    „Es ist wie Schach”

    Eine vom Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Halle für vertretbar befundene Lösung betrifft die Aufteilung des Jüdischen Friedhofs. Neben dem Hauptteil des Friedhofs liegt das Grabfeld A1. In einem Teil dieses Grabfeldes A1 finden nicht-jüdische Gemeindezugehörige ihre letzte Ruhestätte. Der zweite, durch ein mindestens 1,25 m hohes Gebüsch getrennte Teil steht deren Angehörigen, den Gemeindemitglieder, zur Verfügung. Beerdigungen von nicht-jüdischen Gemeindezugehörigen dürfen nur konfessions-neutral durchgeführt werden.

    Nach Inklusion und Toleranz klingt das alles irgendwie nicht. Ist es ein zu hoher Anspruch, den die Moderne an eine so alte und traditionsreiche Religion stellt? Privorozki findet dafür eine Metapher: “Es ist wie Schach. Zwei spielen Schach und kennen die Regeln. Eine Person führt neue Regeln ein und vielleicht macht das Spiel so auch mehr Spaß, aber dann ist es nicht mehr Schach.”

    Die Frage nach der patrilinearen jüdischen Identität

    Doch wenn es keine formelle religiöse Zugehörigkeit für Menschen wie Ionka und Regula geben kann, wie entsteht dann ihre Identifikation? Für die beiden ist Identität mehr als ein Eintrag in der Geburtsurkunde. Über Sprache, Herkunft und Geschichte könne man sich ebenso sehr mit einer Religion identifizieren. So teilen viele Patrilineare das Trauma der Shoa, unter welcher ihre Vorfahren litten. Kann man diesen Menschen trotzdem ihr religiöses Zugehörigkeitsgefühl absprechen? Wie wachsen patrilinear jüdische Kinder unter diesen Gegebenheiten auf? Die beiden Autorinnen berichten von teilweise gegensätzlichen Erfahrungen. Ionka fühlte sich damit wohl, „nichts Halbes, sondern etwas Doppeltes“ zu sein, sie genoss also ihre geteilte Identität. Sie ist irgendwie eine Jüdin, aber irgendwie auch nicht. Heute spricht sie davon, dass es „etwas Wunderbares ist, mehr als eine Wurzel zu haben“. „60-70 Prozent jüdisch“ sei sie nach eigenem Gefühl, und dabei grundsätzlich atheistisch.

    Nie mehr das billige Kind sein

    Deutlich belastender war das Heranwachsen für Co-Autorin Regula. Obwohl sich ihre Eltern – die Mutter eine Nicht-Jüdin – in der jüdischen Gemeinde in Bern aktiv einbrachten, spürt man bei ihrer Erzählung eine Art Traumatisierung. Sie habe sich immer gefragt, „wo denn die anderen sind“, die anderen Vaterjüdinnen und Vaterjuden, die sich dieselbe Frage nach ihrer Identität stellten. Durch die Arbeit an dem gemeinsamen Buch habe sie gemerkt, dass der gemeinsame Nenner im Endeffekt dieses Anders-Sein ist. Regula war in ihrem Freundeskreis das „billige Kind“, das weder eine Konfirmation noch eine Bat-Mitzwa feiern durfte. Dieses Gefühl wollte sie keinesfalls ihrer eigenen Tochter mitgeben. So veranstaltete sie eine große Feier mit Verwandten und Freundinnen für sie, ganz ohne religiöse Pflichten, allerdings auch ohne die Aufnahme in den Kreis einer Religionsgemeinschaft.

    Die Zukunft der Patrilinearität

    Im Zuge der Recherche stelle ich mir immer wieder eine Frage: Was, wenn es umgekehrt wäre? Wenn nicht die Religion der Mutter, sondern des Vaters über die Religion des Kindes bestimmt? Die Antwort ist leicht: es würde keinen Unterschied machen. Es wäre möglicherweise schwer für das Kind, welches sich zugehörig fühlen möchte, ganz egal ob einer Religion oder einer anderen Gruppe, dies aber nicht kann oder darf.

    Unsere Welt ist bunt und Partnerschaften genauso. In Zukunft wird es nicht weniger Kinder hybrider Elternherkünfte geben. Dies wird zur Normalität. Zeit, dies anzuerkennen und Gemeinschaft möglich zu machen.

  • „Wir müssen uns mit Antisemitismus auseinandersetzen“

    Herr Alter, wie wird man Rabbiner?

    Es gibt unterschiedliche Zugänge zu dieser Tätigkeit. Üblicherweise durchläuft man ein mehrjähriges Studium, an dessen Ende man in das Rabbinat berufen wird. Für mich persönlich war es so, dass ich einen großen Teil meines Lebens säkularisiert aufgewachsen bin. Als ich schon über 30 war, bin ich in Kontakt mit amerikanischen Juden gekommen.

    In Frankfurt, meinem damaligen Wohnort, gab es eine Jewish Military Community. Diese war auch offen für Nicht-Amerikaner. Ich bin dort mehr oder weniger einfach mitgenommen worden. All das war ganz anders, als das, was ich bisher kannte. Es hat auf mich einen sehr intensiven, positiven Eindruck gemacht.

    Dort habe ich dann auch zum ersten Mal Rabbiner kennengelernt, mit denen ich etwas anfangen konnte. Sie haben Aussagen getroffen, die mir etwas für mein Leben mitgegeben haben. All das hat mich nachhaltig beeindruckt. Das alles war Mitte der 80er Jahre, als die Amerikaner stark abgebaut haben, sowohl in Deutschland als auch in Europa.

    Ich bin also mit nicht-orthodoxen Rabbinern in Kontakt gekommen. Ich habe dann mit dem Gedanken gespielt, selbst Rabbiner zu werden. Zu dem Zeitpunkt hätte das aber bedeutet, dass ich für diese Ausbildung ins Ausland hätte gehen müssen. Ich war persönlich noch nicht so weit. Doch dann hat 2001 das Abraham Geiger Kolleg seine Türen geöffnet. Das war für mich der Zeitpunkt, an dem es einfach gepasst hat.

    Dort habe ich dann meine zweite Ausbildung absolviert. Diese dauert üblicherweise fünf Jahre, von denen ein Jahr in Israel obligatorisch ist. Das ist für das Lernen der Sprache einfach unglaublich wichtig, denn das Hebräische gehört zu einem der ganz, ganz wichtigen Skills, über die man als Rabbiner verfügen sollte.

    Hauptaufgabe eines Rabbiners ist es, die Tora zu lehren. Mögen Sie einmal erklären, was die Tora genau ist?

    Der Begriff Tora lässt sich wörtlich übersetzen mit Lehre. Die Tora selbst sind die fünf Bücher Moses. Die biblische Geschichte beginnt mit der Erschaffung der Welt und endet mit dem Tod Moses, kurz vor dem Einzug in das Land Israel. Es gibt dann noch das, was man früher als das Alte Testament bezeichnet hat. Das ist natürlich ganz wichtig, weil das letzen Endes das Narrativ ist, in welchem Sinne die jüdische Geschichte erzählt wird.

    Darüber hinaus transportiert die Tora, gerade im ersten Teil, ganz viel Ethik und Moral. In ihr stehen Gebote. Diese Gebote haben in erster Linie das Ziel, eine möglichst soziale und gerechte Gesellschaft zu schaffen, die auf Nächstenliebe und Gerechtigkeit basiert. Denn: Nächstenliebe und Gerechtigkeit – das sind die beiden großen und wichtigen Ideen der Tora. Und genau das sollten wir versuchen – diese Inhalte aus der Tora den Menschen zu vermitteln.

    Das ist also eine der Aufgaben eines Rabbiners. Dazu gehört eben auch die Auseinandersetzung mit den Texten. Wenn wir von den fünf Büchern Moses sprechen, dann lesen wir einen Abschnitt daraus an jedem Schabbat, also am siebten Tag, dem Schöpfungstag. Unser Kalender geht nach dem Mond, und unsere Tage fangen mit dem Abend an. Der Schabbat also beginnt am Freitagabend, ab dem Sonnenuntergang. Das ist zum Beispiel auch aus der Tora abgeleitet.

    Wenn wir uns nun das Narrativ der Schöpfungsgeschichte anschauen, dann lesen wir, dass der Abend immer zuerst genannt wird. Daher kommt unsere Wahrnehmung, dass mit dem Sonnenuntergang der neue Tag beginnt. Wenn man sich das Klima anschaut, aus dem eben diese Texte kommen, dann macht das Sinn, denn es war in der Zeit vor Klimaanlagen. Also: Unser Samstag, der heilige Tag, der siebte Tag, fängt am Freitagabend an.

    Es wird immer ein Stück aus der Tora gelesen, in chronologischer Reihenfolge. Wir fangen nach unserem Neujahrsfest, welches in den September fällt, mit bestimmten Texten an und lesen im Zyklus der Tora. Wir beginnen also mit der Schöpfungsgeschichte und lesen die ersten zwei, vielleicht auch mehrere Kapitel. Diese werden im Gottesdienst in einer bestimmten Form vorgelesen. Am nächsten Schabbat, also eine Woche später, lesen wir dann dort weiter, wo wir aufgehört haben. Am Ende des Jahres haben wir die heilige Schrift einmal komplett durchgelesen.

    Wie sieht ein typischer jüdischer Gottesdienst aus?

    Das ist eine schwierige Frage, da die einzelnen Gottesdienste sehr unterschiedlich sind. Ein Abendgottesdienst unterscheidet sich von einem Morgengottesdienst. Am Schabbatmorgen wird – wie ich es eben schon beschrieben habe – in chronologischer Reihenfolge aus der Tora gelesen.

    Am Schabbatabend dagegen gibt es üblicherweise keine Textlesungen. Der Schabbatabend lässt sich relativ leicht beschreiben. Die anderen Gottesdienste sind jedoch recht komplex. Der Schabbatabend beginnt damit – und in diesem Punkt haben die jüdischen Gottesdienste etwas gemeinsam –, dass man einen Teil hat, den man nicht als das Pflichtgebet betrachtet, sondern vielmehr als einen emotionalen, spirituellen Einstieg.

    Am Freitagabend ist es so, dass wir mit einem Lied anfangen. Man singt dann sechs Psalmen – für jeden profanen Tag der Woche einen. Jedem Tag wird ein Psalm traditionell zugeordnet. Also beten und singen wir diese sechs Psalmen. Dann kommt eine mystische Hymne, mit der wir den Schabbat willkommen heißen. Danach beten wir den siebten Psalm: Das ist der Psalm für den Schabbat-Tag. Es folgt ein achter Psalm in Form, und dann gehen wir über in das eigentliche Abendgebet.

    Seit Oktober 2020 sind Sie der Landesrabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg. Worin bestehen Ihre Aufgaben?

    Meine Aufgaben sind vielfältig. Sowohl die Erwachsenenbildung als auch die Auseinandersetzung mit der Religion sowie das Transportieren der rabbinischen Auslegungstradition gehören zu meinem Tätigkeitsbereich. Wenn wir von Kindern und Jugendlichen sprechen, dann gibt es im Judentum bestimmte Feste im Lebenszyklus.

    Wenn ein junger jüdischer Mensch – ein Mädchen mit 12 und ein Junge mit 13 – also diesen Geburtstag feiert, dann gibt es für die Jungen die Bar Mitzwa und für die Mädchen die Bat Mitzwa. Hierbei übernehmen die Jugendlichen zum ersten Mal aktiv einen Teil des Gottesdienstes. Sie lesen einen Text auf Hebräisch aus der Tora. Auf diese Aufgabe müssen sie also vorbereitet werden. Genau diesen Part übernehme ich.

    Es geht also einmal um rein technische Fragen: Wie mache ich so etwas? Wie lese ich einen Text auf Hebräisch? Aber auch inhaltlich, damit das Verständnis dafür entsteht, in welchem Kontext dieser Text steht. Diese Bar Mitzwa-Vorbereitungen sind also Teil meiner Aufgaben.

    Hinzu kommt die seelsorgerliche und spirituelle Betreuung meiner Gemeinde. Natürlich bin ich auch aufgefordert, mit einem wachen Auge auf meine Gemeinde zu schauen und zu sehen, ob es allen gut geht. Wenn ich also den Eindruck habe, dass jemand Unterstützung oder ein Coaching benötigt, dann muss ich an dieser Stelle handeln und konkret helfen. Und ich beteilige mich an Projekten für den interreligiösen Dialog. Sowohl mit christlichen als auch mit muslimischen Gemeinden stehe ich im Kontakt und gehe mit ihnen in den Austausch. Und Öffentlichkeitsarbeit gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben.

    Blicken wir noch auf einen anderen Abschnitt Ihres Werdegangs: 1999 wurden Sie Lehrer für Religion an der jüdischen Oberschule Berlin. Wie sah dort Ihre Tätigkeit im Detail aus?

    Es ging unter anderem um jüdische Religionsphilosophie. Fragen wie diese standen im Vordergrund: Was ist das jüdische Gottesbild? Was ist das jüdische Menschenbild? Welchen Blick auf die Welt und auf den Menschen haben wir? Mit den jüngeren Klassen habe ich mich auch mit Bibeltexten und klassischer Religion auseinandergesetzt.

    Von 2012 bis 2015 waren Sie an der jüdischen Gemeinde zu Berlin Beauftragter für Antisemitismus. Welche Erfahrungen haben Sie hier gesammelt?

    Ich war damals in einer Doppelfunktion für den interreligiösen Dialog und als Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus. Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, waren erschreckend. Mir war schon klar, dass wir ein Problem mit Antisemitismus haben, aber wie hasserfüllt dieser zutage trat, das war wirklich schockierend. Jüdische Institutionen bekommen hasserfüllte Zuschriften. Und das ist ja auch nichts Neues. Aber bis weit in die 80er Jahre hinein kamen diese Botschaften anonym und häufig aus einem eher bildungsfernen Milieu; das ließ sich an Stil und Rechtschreibung erkennen.

    Doch dies hat sich massiv geändert. Die neueren Zuschriften sind oft so geschickt formuliert, dass sie zwar von Judenhass triefen, aber nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung oder Beleidigung erfüllen. Und sie kommen mit vollem Namen und vollständiger Anschrift, oft von Menschen mit akademischen Titeln – Ärzte, Lehrer, Rechtsanwälte. Die tägliche Auseinandersetzung mit diesem massiven Hass – das war belastend und wirklich anstrengend.

    Antisemitismus ist nach wie vor ein großes Problem in Deutschland. Wie kann dem entgegengetreten werden?

    Was wir als jüdische Gemeinde dagegen machen können, ist einmal Aufklärung. Und wir müssen in den öffentlichen Raum treten und klar machen, wer und was wir sind. Aber eigentlich sollte das nicht nur unsere Aufgabe sein. Denn es ist ja nicht nur ein Problem für unsere Community, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

    Natürlich können wir viel machen: Wir können Juden in Schulen schicken, damit die Kinder jüdische Geschichte kennenlernen. Wir müssen uns mit Antisemitismus, mit Judenhass auseinandersetzen. Es ist ein Ruck, der durch unsere Gesellschaft gehen sollte. In unserer Gesellschaft müsste sich ganz weit das Bewusstsein verankern, dass die Bekämpfung von Judenhass kein Kampf für die Juden und auch kein Kampf, kein Einsatz für Israel ist.

    Vielmehr ist es ein Kampf und ein Einsatz für die Stärkung und den Erhalt einer demokratischen Zivilgesellschaft. Diese Form von Diskriminierung und Hass darf in unserer demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben – das ist völlig klar. Und erst dann, wenn die Gesellschaft dies annimmt und versteht, erst dann haben wir überhaupt die Chance, erfolgreich in diese Auseinandersetzung zu gehen.

    Sie haben persönlich Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht: 2012 wurden Sie und Ihre Tochter in Berlin angegriffen. Was war Hintergrund dieses Angriffes?

    Es kam dazu, weil ich als Jude identifiziert wurde. Das war – wie so oft – anlasslos. Eine Gruppe von Jugendlichen mit islamischem Migrationshintergrund hat uns angegriffen. Dafür braucht es nicht so fürchterlich viel Anlass – leider. Die Tat wurde nie aufgeklärt. Ich war zwar häufig in Kontakt mit den ermittelnden Kriminalbeamten und diese haben meiner Meinung nach auch professionell und engagiert ermittelt. Aber die Täter konnten nicht ausfindig gemacht werden.

    1993 haben Sie das Jugendbuch „Prinzessin Sabbat“ herausgebracht. Worum geht es in diesem Buch?

    Das liegt ja nun schon ziemlich lange zurück. Ich bin damals angesprochen worden, ob ich nicht Lust hätte, dieses Buch herauszugeben. Das Buch selbst ist eine Sammlung jüdischer Geschichten, beziehungsweise Geschichten mit einem jüdischen Background von jüdischen Autoren für Kinder und Jugendliche. Damit sollte gezeigt werden: Schau mal – das ist unser Leben. Das ist die Welt, in der wir leben, mit all ihren Problemen und Herausforderungen. Es ging vor allem darum, ein Stück jüdisches Leben zu zeigen.

    Vielen Dank, Herr Alter, für das Gespräch.

     

  • Myriam Halberstam – Jüdischsein muss zur Normalität gehören

    „Normalität heißt, dass man weiß, wann Chanukka ist, oder dass es in der Zeitung nicht nur Bilder vom Weihnachtsfest gibt, sondern auch von Jom Kippur, dem wichtigsten jüdischen Feiertag“, erklärt Myriam Halberstam. Sie ist die Tochter eines amerikanisch-jüdischen Vaters und einer deutschen, zum Judentum konvertierten Mutter. 1962 wurde sie in New York geboren und kam als Neugeborenes nach Deutschland, wo sie im Rhein-Main Gebiet ihre Kindheit und Jugend verbrachte.

    Als Jüdin in Deutschland weiß Myriam Halberstam, was es bedeutet, kein Teil der Norm zu sein. Als „anders“, aus der Masse herauszustechen. Für sie als Kind war es das Normalste der Welt, zu Hause Englisch zu sprechen, die jüdisch-amerikanischen Traditionen und Feste ihres Vaters zu leben und für den Besuch der Synagoge Hebräisch zu lernen. Probleme mit ihrer eigenen Identität hatte sie dabei nie. Die Probleme mit ihrer Identität hatten immer nur die anderen – Menschen, die nichts über die Lebensrealität von Jüd*innen in Deutschland wissen.

    Für mehr Vielfalt im Kinderzimmer

    Nach der Geburt ihrer beiden Töchter wird ihr als Mutter nochmal besonders schmerzlich bewusst, wie wenig die jüdische Kultur Teil des deutschen Alltags ist. Neben zahlreichen bunten, für Kinderaugen so verlockenden Geschichten über das Weihnachtsfest, gibt es damals keine jüdischen Kinderbücher, die ihre Kinder ansprechen und deren geliebte jüdische Feste und Traditionen in den Vordergrund rücken. Kurzerhand entschließt Myriam Halberstam, das zu ändern. 2007 beginnt sie, ihr erstes Kinderbuch zu schreiben: Lena feiert Pessach mit Alma. Die Geschichte vermittelt nicht nur jüdischen Kindern eine Wertschätzung ihrer familiären Traditionen, sondern holt auch nicht-jüdische Kinder ab. Almas jüdische Familie feiert Pessach und ihre beste Freundin darf mitfeiern. Ausgehend von ihrem ersten Kinderbuch, konzipiert die Autorin als Co-Herausgeberin für den Carlsen Verlag die neunbändige Bücherreihe:  „Alle Kinder dieser Welt“.  In jedem Buch der Reihe können Kinder ein neues fröhliches Fest einer zur Deutschland gehörenden Minderheit entdecken.

    Die Zusammenarbeit mit dem Carlsen-Verlag macht ihr Spaß, aber bis zur Fertigstellung der Kinderbuchreihe dauert es ganze drei Jahre. Myriam Halberstam will mehr. Sie möchte schneller und vor allem noch mehr Bücher mit jüdischen Inhalten in die deutschen Buchmärkte und Bibliotheken bringen. 2010 wagt sie den Schritt und gründet in Berlin ihren eigenen Verlag Ariella. Im Nachhinein nennt sie die Idee zwar naiv – solch einen Nischenverlag profitabel zu führen ist keine einfache Aufgabe – aber es hat sich gelohnt. 2020 wird Ariella beim Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet.

    Deutschland, Amerika, Israel – eine „klassisch zerrissene jüdische Frau“

    Nicht nur ihre Familiengeschichte ist geprägt von Immigration und Heimatsuche, sondern auch Myriam Halberstams eigenes Leben. „Eine klassisch zerrissene jüdische Frau“, nennt sie sich lachend selbst. Nach ihrem Abi kehrt sie zum Studium an ihren Geburtsort New York zurück – wie es sich ihr Vater immer gewünscht hatte. Nicht ohne Grund. New York ist nicht nur die Heimat ihres Vaters, sondern auch ein Ort, an dem „gefühlt alle jüdisch sind“. Myriam Halberstam studiert dort Kunstgeschichte, Theaterregie und Schauspiel. In einer Stadt zu leben, in der  das Judentum ein fester Bestandteil des Alltags ist – an jüdischen Feiertagen werden sogar die für die Metropole so heiligen Parkregeln ausgesetzt – genießt sie sehr.

    Doch das Fernweh treibt sie 1988, wie viele ihrer jüdischen Freund*innen, weiter nach Tel Aviv. „Es war schon so ne Clique, eine ganze Menge Jugendliche, die dann ausgewandert sind, um sich dort ein Leben aufzubauen, fernab von den Zwängen des so Andersseins und der deutschen Geschichte, die doch sehr belastend war und auch immer noch ist“. Sie beginnt, als Journalistin und Nahostkorrespondentin zu arbeiten. In Israel empfindet sie das erste Mal in ihrem Leben eine große Befreiung. Hier gehört das Jüdischsein nicht nur zum Mainstream, sondern ist die Basis von allem, der Grundstein der Kultur und des Mindsets der Menschen. „Dann muss man sich selber nicht immer erklären, darum geht’s eigentlich“.

    Kinderbücher – Geschichten für die Zukunft

    Nur der Zufall bringt sie 1993 zurück nach Deutschland, zu einem Studium der Film-und Fernsehregie. Und wie es der Zufall will, ist Berlin nun ihre Heimat und der Ort, wo Myriam Halberstam dafür kämpft, sich auch in Deutschland nicht mehr erklären zu müssen.

    Erst Regieassistentin und Journalistin, nach ihrem zweiten Studium Dokumentarfilmerin und zuletzt Kinderbuchautorin und Verlegerin. Myriam Halberstam lässt sich nicht auf ein Berufsbild oder Medium begrenzen. „Sehr undeutsch“, wie sie amüsiert feststellt. „Mir war schon immer die Botschaft wichtiger als das Medium“. Durch die Erziehung ihrer eigenen Kinder lernt sie die Macht von Kinderbüchern kennen. Sie geben die Möglichkeit, „die Zukunft so zu erzählen, wie wir sie uns wünschen würden – dass wir nämlich alle, ohne Diskriminierung, ohne Rassismus, in einer Gesellschaft zusammenleben können“. Die Autorin ärgert es, wenn Menschen, vor allem Politiker*innen, Kinderbücher nur belächeln und nicht verstehen, wie wichtig es ist, in Kinder und deren Bildung zu investieren. „Jede*r erinnert sich, welches Buch wir als Kind gelesen haben. Das sind bleibende und sehr prägende Erlebnisse und Geschichten.“ Geschichten, die das Weltbild der Generation formen, die in Zukunft das Land führen wird.

    Mit Humor Antisemitismus entlarven

    Seit 2019 hat Myriam Halberstam noch eine neue Mission: Jetzt sollen bei Ariella auch Erwachsene angesprochen und vor allem zum Nachdenken angeregt werden. Ihr bisher erfolgreichstes Erwachsenenbuch ist „Antisemitismus für Anfänger“. Das humoristische Cartoon-Buch, dessen provokanter Titel Menschen aus ihrer Komfortzone locken soll, vereint 63 Karikaturen und 17 ironisch-satirische Texte von verschiedenen Cartoonist*innen und Autor*innen. Manchmal bissig und derb, manchmal albern und skurril, aber immer clever – So machen sich die Karikaturen über die Dummheit und die schiere Absurdität von Antisemitismus in unserer Gesellschaft lustig.

    Die Idee zu dem Buch kommt der Verlegerin, als sie eine Karikatur von Til Mette sieht, ein bekannter Cartoonist, dessen Zeichnungen regelmäßig beim Stern veröffentlicht werden. „Der Cartoon war so auf den Punkt, sehr witzig, sehr entlarvend und dann dachte ich: wow so kann man das machen.“ Schon seit Anfang der Pandemie ärgert sich Myriam Halberstam enorm über die aufkommenden Verschwörungstheorien. Besorgt beobachtet sie, wie diese antisemitische Stereotypen befeuern oder schlichtweg durch und durch antisemitisch sind. Doch erst als sie Til Mettes Cartoon entdeckt, weiß sie endlich, wie sie etwas dagegen tun kann. Mit Humor Antisemitismus entlarven. „Unser Cartoon-Buch macht einfach Spaß und ich glaube Umerziehung muss Spaß machen, sonst bleibt sie wirkungslos“.

    Antisemitismus scheint wieder zu wachsen. Ein Problem ist, dass Menschen manchmal gar nicht wissen, wo der eigene Antisemitismus schon anfängt. So zeigt eine Karikatur von Til Mette, wie pure Ignoranz schon zum steigenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft beiträgt. Da sagt eine Frau auf einem Spaziergang zu ihrem Partner: „Was mich an diesem Holocaust-Denkmal stört, ist, dass man dabei automatisch an den Holocaust denkt“.

    Normalität herstellen – ein Fazit

    „Es wäre schön eine Normalität herzustellen und nicht nur die Normalität zu wollen. Dieses ‚Wir wollen endlich Normalität‘ heißt oftmals ‚Wir wollen endlich in Ruhe gelassen werden, nicht mehr drüber reden‘“, fasst Myriam Halberstam abschließend zusammen. Doch um echte Teilhabe für Jüd*innen in Deutschland zu schaffen und Antisemitismus zu bekämpfen, müssen wir genau das tun: Reden – in den Austausch treten und das jüdische Leben mit mehr Freude und Spaß in unseren Alltag holen.

     

  • Jüdisches Leben zum HÖREN & SEHEN

    In Teil 3 gibts für dich Tipps zum HÖREN und SEHEN: Podcasts oder Serien, die jüdische Perspektiven darstellen.

    Podcast: Jüdisch in Hamburg – Inspirationen und Insights

    Einblicke ins jüdisches Leben in der Hansestadt Hamburg? Das bietet dir der Podcast Jüdisch in Hamburg, der als Kooperation zwischen der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule und der Hamburger Volkshochschule durchgeführt wird. Für “Inspirationen und Insights” werden jüdische Menschen interviewt, “die etwas bewegen wollen”. Geplant sind sechs Folgen, die monatlich erscheinen. Die ersten Folgen sind bereits veröffentlicht. Im ersten Beitrag wird Mascha, Initiatorin von Meet a Jew, interviewt. Sie erzählt von ihren Beweggründen zu diesem Projekt und was sie sich von Teilnehmenden wünscht. Hier geht’s zum Podcast.

     

    Podcastfolge von Realitäter*innen

    Jüdische queere Identitäten? Oder auch ganz aktuell: Antisemitische Verbindungen zu Verschwörungstheorien? Diese Themen werden in einer Folge des Podcasts Realitäter*innen besprochen. In der Episode mit dem Titel Warum Deutschland bis heute ein Antisemitismusproblem hat, spricht das HipHop DJ-Duo Hoe_mies mit Mirna Funk und Leo Schapiro. Hier geht’s zur Folge, die im Januar 2021 erschien ist.

     

    Podcast: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

    Hast du schon mitbekommen, dass wir in diesem Jahr  1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern ? Zu diesem Anlass gibt es bundesweit eine Reihe verschiedener Veranstaltungen. In dem offiziellen wöchentlichen Podcasts #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland sprechen die Moderator*innen Shelly Kupferberg, Mirna Funk und Miron Tenenberg abwechselnd mit Gäst*innen über jüdische Perspektiven in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ziel des Podcasts ist es über persönliche Erfahrungen der Gesprächsteilnehmer*innen, die Diversität jüdischen Lebens sichtbar zu machen. Zu hören hier auf der offiziellen Website des Festjahres oder auf Spotify und Deezer. Weitere Informationen zum Festjahr gibt’s auch auf hier auf Instagram.

     

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    Serie: Unorthodox

    Wie sieht das Leben von Familien in ultraorthodoxen Gemeinschaften aus? Die Netflix-Serie Unorthodox erzählt die Geschichte von Esty, die vor ihrer ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft aus Williamsburg, New York City, nach Berlin flieht. In der Serie entdeckt sie nach und nach ihre eigene Identität und einen selbstbestimmten Weg in ihre Zukunft.

    Die Verfilmung beruht auf dem gleichnamigen Roman von Deborah Feldman, die in dem autobiographischen Roman ihre eigenen Erlebnisse verarbeitet. Das Buch und die Serie sind von Kritiker*innen und Publikum hoch gelobt. Die Serie findest du hier auf Netflix.

     

    WDR: Freitagnacht Jews mit Daniel Donskoy

    Freitagnacht Jews ist die erste jüdische Late Night Show Deutschlands. Dabei spricht Schauspieler Daniel Donskay mit seinen Gäst*innen über das Jüdischsein und Integration – auf provokante Art und Weise, aber mit Humor. Die dreißigminütige Sendung wurde frisch im WDR-Programm aufgenommen und läuft seit zwei Wochen um 23.30 Uhr am Freitag – zum jüdischen Shabbat – im Fernsehen. Zudem findest du die Episoden entweder hier auf dem Youtube-Kanal vom WDR oder hier in der ARD Mediathek.

     

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    Doku: Jung, jüdisch, weiblich – Die selbstbewusste Generation

    Die dreißigminütige Dokumentation bietet dir Einblicke in die Lebensrealitäten von drei jüdischen Frauen in Deutschland. Sowohl orthodoxe als auch liberale Lebensvorstellungen prägen dabei gegenwärtige jüdische Kultur. Der Film zeigt, wie vielfältig die Protagonistinnen ihren Glauben und Traditionen leben. Ein verbindendes Element der drei unterschiedlichen Frauen: der Wunsch, besser verstanden zu werden und die Befürchtung, dass die gesellschaftlichen Anfeindungen eher zu als abnehmen. Die Doku findest du bei der ARD hier.

     

    Online-Sonderausstellung zu Jüdischem Leben in Rheinland-Pfalz

    Anschauliches Wissen über jüdisches Leben? Das gibt’s jetzt auch digital! „Lebenswege“, das Online-Migrationsmuseum der Landesregierung Rheinland-Pfalz, widmet jüdischem Leben eine Sonderausstellung. Dabei sind verschiedene Schwerpunkte gesetzt. So gibt es einen historischen Überblick und Videoberichte von Frauen über ihr Jüdischsein heutzutage. Zudem wird das Thema des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland aufgegriffen.

     

    Du möchtest noch mehr über das jüdische Leben in Deutschland erfahren? Dann entdecke hier in Teil 1 spannenden Lesestoff und hier in Teil 2 interessante Instagram-Accounts, den du folgen kannst.

     

  • Jüdisches Leben zum FOLGEN

    In unserem zweiten Teil stellen wir dir Instagram-Accounts vor, die für mehr jüdische Vielfalt in deinem Feed sorgen.

    Juedisch.und.deutsch

    Auf ihrem Kanal juedisch.und.deutsch porträtiert die 23-jährige Journalistin und Autorin Fanny junge deutsch-jüdische Menschen. Hiermit will sie zeigen, wie divers jüdisches Leben ist. Außerdem stellt sie jüdische Personen der Zeitgeschichte vor, erklärt jüdische Feiertage sowie wichtige Begriffe rund ums Judentum. Dabei spricht sie verschiedene Erscheinungsformen von Antisemitismus in unserer Gesellschaft an. Und sie räumt mit Verschwörungsmythen auf, über deren Ursprünge und aktuelle Verbreitungen jede*r Bescheid wissen sollte. Hier geht’s zum Instagram-Account.

     

    2021JLID

    Verpasse nichts mehr rund um das laufende Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Auf dem Kanal findest du alle Projekte –  Konzerte, Ausstellungen, Musik, Podcastfolgen, Theater oder Filme – die der Gastgeber, der Verein 321, für dieses besondere Jahr organisiert hat. Für mehr Vielfalt in deinem Feed sorgt zum Beispiel die Video-Ausstellung Jewersity von Jan Feldman. In kurzen Video-Clips erklären dir Jüd*innen was es für sie persönlich bedeutet jüdisch zu sein. Hier findest du den Instagram-Account.

     

    Jewishintersectional

    Im Diskurs über Feminismus fehtl oft eine jüdische Perspektive. Die Journalistin Ina Holev und die Bildungsvermittlerin Miriam Yoself wollen das ändern. Auf ihrem Account erklären sie, wie Antismemitismus sich mit anderen Unterdrückungsstrukturen – wie Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus oder Klassismus – überschneidet. Darüber hinaus erklären sie, warum eine intersektionale Perspektive wichtig ist. Außerdem wollen sie Jüd*innen in feministischen Kontexten empowern und sichtbar machen. Hier geht’s zum Instagram-Account.

     

    Antisemitismus_geschichte

    Hast du dich schon immer mal gefragt, woher der Begriff Antisemitismus eigentlich stammt? Oder warum Judas als der Verräter schlechthin gilt?  Studierende vom Zentrum für Antisemitismus (ZfA) bieten dir auf diesem Account einen anfänger*innenfreundlichen Einblick in die Antisemitismusforschung. Dort kannst du gut aufbereitetes, präzises und mit Quellen angegebenes Wissen rund um Judenhass, dessen Ursprünge und aktuellen Erscheinungsformen finden. Hier findest du den Instagram-Account.

     

    Rebecca_dora

    „Ich bin mehr als mein Trauma, oder das Trauma meiner Familie! Ich bin nicht euer Opfer und ich will auch nicht von euch beschützt werden!” Rebecca, selbsternannte “Medien-Jüdin” und “angry Jew” auf Instagram, gibt einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben und die Vorurteile, mit denen sie als Jüdin in Deutschland immer wieder konfrontiert ist. Außergewöhnlich klar, mutig und bestimmend macht sie auf alltäglichen Antisemitismus aufmerksam.  Und sie erklärt warum Sprüche wie “Oh, ähm wow! Du bist meine erste Jüdin:Jude” einfach nur verletzend sind. Hier geht’s zum Instagram-Account.

     

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    Ein Beitrag geteilt von Rebecca D. Rogowski (she/her) (@rebecca_dora)

    Wenn du noch mehr über Rebecca Rogowski erfahren möchtest, findest du hier ein Interview mit ihr.

     

    Du möchtest noch mehr über das jüdische Leben in Deutschland erfahren? Dann entdecke hier in unserem ersten Teil „Jüdisches Leben zum LESEN“ ganz viel interessanten Lesestoff, und Jüdisches Leben zum Hören.

  • Jüdisches Leben zum LESEN

    In unserem ersten Teil versorgen wir dich mit Lesestoff, der dich mit jüdischen Perspektiven bereichert.

    Max Czollek – Desintegriert euch!

    Bereits im Vorwort ist bemerkbar, dass Max Czollek sehr wütend ist. Der jüdische Autor hat ein Problem damit, dass viele Menschen in Deutschland nach wie vor Minderheiten in Rollen drängen. Dabei geht es bei Czollek vor allem um Jüd*innen, die zu Themen wie Holocaust oder Antisemitismus immer eine Antwort haben müssen. Sie sind Teil eines “Integrationstheaters”, das das Bild einer geläuterten Gesellschaft stabilisiert. Das verschleiert rechte Gedanken, die sich währenddessen auch in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte ausbreiten. Czolleks Lösung: Desintegration.

    In Desintgriert euch! plädiert, appelliert und argumentiert Czollek für eine Gesellschaft, in der niemand das Recht hat, andere zur Integration aufzufordern. Das Buch findest du hier beim Verlag btb.

     

    Eve Harris – Die Hochzeit der Chani Kaufman

    Kann ein junges Paar heiraten, obwohl es sich nur dreimal gesehen hat, kaum ausgetauscht und noch nie berührt hat? Die eigensinnige Chani Kaufman und der schüchterne Baruch Levy tun es. Beide leben in London und stammen aus jüdisch-orthodoxen Familien – arrangierte Ehen gehören zur Tradition. Auf die Ehe wird Chani von der Rebbetzin Zilberman vorbereitet. Sie und ihr Ehemann Chaim Zilberman sind angesehene Mitglieder der Gemeinde. Während Chani sich Gedanken über ihren Zukünftigen, die Ehe, das Glück und die Zukunft macht, erinnert sich die Rebbetzin an ihr “altes” Leben zurück. Ein Leben, in dem sie Sneaker, Jeans und lange Haare trug. Und das sie aus Liebe hinter sich gelassen hat.

    Eve Harris lässt ihre Leser*innen nicht nur an den Gedanken ihrer Figuren teilnehmen, sondern bringt ihnen auch den jüdischen Alltag gleich mehrerer Familien näher. Am Ende des Buches gibt es ein Glossar, das die jiddischen Begriffe erklärt. Das Buch ist hier beim Diogenes-Verlag erschienen.

     

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    Thomas Meyer –  Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

    Die Mutter von Mordechai Wolkenbruch, der von allen Motti genannt wird, will eigentlich nur das Beste für ihren Sohn. Dazu gehört auch die Vermählung mit einer jungen orthodoxen Frau. Doch die Frauen, die Mottis Mutter ihm vorstellt, sehen alle aus wie sie. Motti lehnt ab und wirft ein Auge auf seine Kommilitonin Laura – einer schickse, eine Nichtjüdin. Sie trägt Jeans, trinkt auf Partys am liebsten Gin Tonic und redet, wie ihr der Mund gewachsen ist. Aber geht das? Eine schickse heiraten und glücklich werden? Nach einem Aufenthalt in Israel erkennt Motti schnell, dass das Leben weit mehr zu bieten hat, als er bislang dachte. Und das dieses “mehr” nicht immer gut ist.

    Thomas Meyer erzählt mit viel Humor die Geschichte eines jungen Juden aus Zürich, der versucht, sich von seiner Mutter zu befreien und damit ins Ungewisse stürzt. Auch hier gibt es am Ende des Buches ein Glossar mit jiddischen Begriffen. Das Buch findest du hier beim Diogenes-Verlag.

     

    Katharina Höftmann Ciobotaru – Alef

    Maja liebt Eitan. Eitan liebt Maja. Eigentlich nichts Ungewöhnliches – doch die beiden stammen aus zwei völlig unterschiedlichen Welten. Maja wächst in der DDR auf. Ihre Mutter ist Karrierefrau mit Alkoholproblem. Ihr Vater verliert sich nach der Wende.

    Eitan ist Israeli. Die Angehörigen seiner Familie haben den Holocaust überlebt. Auf dem Weg bis zur ersten Begegnung von Maja und Eitan erzählt Höftman Ciobotaru die Geschichten der beiden Familien, die sich durch ein Jahrhundert zieht. Es geht um Schicksalssschläge, Veränderungen, Schuld und Liebe.

    Mit Alef hat Höftman Ciobotaru eine Liebes-, Herkunfts- und Familiengeschichte geschaffen, die ihrer eigenen nicht unähnlich ist und die Leser*innen bis zur letzten Seite in Atem hält. Das Buch ist hier bei Ecco, einem Verlag für weibliche Stimmen, erschienen.

     

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    Juna Grossmann – Schonzeit vorbei : Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus und ihr Blog “irgendwie jüdisch”

    Wie der Titel bereits verrät, erzählt Juna Grossmann in ihrem Buch “große und kleine Geschichten des alltäglichen Antisemitismus”. Sie berichtet von Menschen, denen sie während ihrer Arbeit in einem jüdischen Museum begegnet und den verletzenden Aussagen und Vorwürfen, die sie sich immer wieder anhören muss. Von einem koscheren Ladenbesitzer in Berlin Tegel, der seinen Laden nach Anfeindungen aufgegeben und daraufhin seine Heimat Deutschland verlassen hat. Und von ihrer Mutter, die die Mesusa (Schriftkapsel, die an der Haus- oder Wohnungstür hängt) von ihrer Wohnungstür genommen und aus der Wohnung entfernt hat. “Man kann ja nie wissen”, sagt Grossmanns Mutter. Das Buch findest du hier bei Droemer Knaur.

    Seit 2008 beschreibt sie zudem hier auf ihrem Blog “irgendwie jüdisch” ihren Alltag als Jüdin. Hier rezensiert sie Bücher anderer Autor*innen und sammelt Empfehlungen.

     

    Ira Ginzburg & Citykat Stories – Tel Aviv Stadtgeschichten 

    Wie könnte man besser die jüdische Kultur kennenlernen als mit einer Reise nach Tel Aviv? Auch wenn ihr vielleicht (noch) nicht die Möglichkeit habt, physisch nach Tel Aviv zu reisen, könnt ihr mit dem illustrierten City-Guide trotzdem schon auf Entdeckungsreise in der pulsierenden Metropole gehen. Es handelt sich bei dem Guide nicht um einen gewöhnlichen Stadtführer, sondern um ein Mal- und Kreativbuch, ein Reisetagebuch und einen Ratgeber rund um die Kultur, Architektur, Kulinarik und das Lebensgefühl von Tel Aviv. Ob Tipps für die schönsten Sehenswürdigkeiten und Party-Locations, Fun-Facts über die israelischen Eigenarten oder Hebräisch-Vokabeln für die gelungene Kaffeebestellung – In diesem kreativen Büchlein ist für jede*n etwas dabei!

    Der deutsch-jüdische Verlag Ariella möchte mit dem City-Guide einen neuen, modernen und  humorvollen Zugang zur israelischen Stadt Tel Aviv, und letztendlich zum Judentum schaffen. Die deutsche Ausgabe des City-Guides findest du hier.

     

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    Wenn du noch mehr über das jüdische Leben erfahren möchtest, dann lies doch hier das Interview mit Rebecca Rogowski, einer gläubigen Jüdin.

    Du möchtest noch mehr über das jüdische Leben in Deutschland erfahren? Dann entdecke hier in Teil 3 spannenden Hören  und hier in Teil 2 interessante Instagram-Accounts, den du folgen kannst.

  • Judentum: Der Weg heraus aus der Opferrolle

    Tikun Olam“ bedeutet „Die Reparatur der Welt“ auf hebräisch und beschreibt ein Prinzip aus der frühen Periode des rabbinischen Judentums. Demnach liegt die Gerechtigkeit in den Händen des Menschen. Man selbst ist dafür verantwortlich, die Welt so zu prägen, wie man sie sich vorstellt. Für die 24-jährige Judaistikstudentin Rebecca Rogowski ist dieses Konzept ein Leitbild, das ihr Handeln prägt und sie dazu inspiriert sich politisch zu engagieren.

    Als Stipendiatin des jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich Studierendenwerks setzt sie sich für den interreligiösen Dialog im Rahmen des jüdisch-muslimischen Thinktank Karov-Qareeb ein. Dabei wählen die Mitglieder selber Themenschwerpunkte, um nicht einfach auf die Dominanzkultur der Gesellschaft zu reagieren. Man wolle ein eigenes Bild der Gemeinschaft zeichnen, um der oft verzerrten Fremdwahrnehmung entgegenzuwirken. Rogowski findet: Auch heute leben wir in einer Gesellschaft, in der jüdische Menschen kein Gehör finden.

    Auf die Opferrolle reduziert

    „Viele Leute lernen Juden nur als historisches Subjekt oder Opfer kennen“, beginnt die junge Frau zu erzählen. Die verschiedenartigen Facetten der Religion seien dabei kaum sichtbar. Als freiberufliche Referentin für jüdische Themen im Bereich Jugendbildung, erlebt sie, dass bereits in der Schule mit der Thematik nicht richtig umgegangen wird:

    „Wir Juden werden immer wieder in diese Opferrolle gedrängt. Wir müssen „beschützt“ werden. Ich will aber nicht beschützt werden, von Menschen, die mich nur als Opfer verstehen“, sagt Rogowski.

    Immer wieder werden jüdischen Zeitzeugen „rumgereicht, um von ihren traumatischen Erlebnissen zu erzählen“. Dadurch habe eine Vielzahl von Schüler*innen Angst, sich mit dem Thema wirklich auseinanderzusetzen. Stattdessen müsse es Stimmen auf der Täter*innen Seite geben, um tatsächlich Verantwortung zu übernehmen. „Deutsche Familien, die hier seit mehreren Generationen leben und Familie im dritten Reich hatten, müssen sich ihrer Familiengeschichte bewusst werden und diese thematisieren“. Nur so könne man sich mit den Geschehnissen beschäftigen, ohne stets ein Schuldgefühl weiterzugeben. Dies verhindere ein nachhaltiges Bewusstsein für die Vergangenheit, so Rogowski.

    Über das Judentum aufklären

    Um darüber hinaus allerdings ein umfassendes Bild des Judentums zu vermitteln, müsse man aber vor allem auch im Religionsunterricht anknüpfen. Es sei wichtig die Religion getrennt von der Geschichte Deutschlands kennenzulernen. „Im Religionsunterricht wird über andere Religionen aus der Sicht des Christentums geredet. Die Synagoge ist aber keine Kirche und der Rabbi ist auch kein Pfarrer“, kritisiert Rogowski. Ein Verständnis für das Judentum könne man nur schaffen, wenn sich Lehrer*innen über das Selbstverständnis der Gruppierungen informieren.

    Dass man zugehörige Menschen der Religion nicht einlade, sei „ein riesiges Versäumnis“. Rogowski betont: „Man muss das Judentum auch abseits der Shoa betrachten. Die Leute haben oft keine Ahnung, dass es ein lebendiges und pluralistisches jüdisches Leben in Deutschland gibt“.

    Struktur und Zugehörigkeit

    Rogowski stammt aus einer säkularen Familie, also aus einer Familie mit jüdischen Atheist*innen, die sich zwar der Ethnoreligion zugehörig fühlen und so beispielsweise Feiertage feiern, aber nicht wie im herkömmlichen Sinne glauben. Sie wählte bewusst die Möglichkeit ihren Glauben auszuleben und jüdische Traditionen zu praktizieren.

    „Manche Leute sehen das vielleicht als überholt und veraltet an, aber ich sehe es ein bisschen wie meinen Wegbegleiter“, erklärt sie. Mit der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, setzte sie sich genau auseinander. Dadurch entscheidet sie für sich welche der Bräuche sie befolgen will und welche nicht. „In meinem Alltag ist es nicht so, dass ich morgens, mittags und abends bete, aber ich versuche mich koscher-style zu ernähren“, erläutert sie.

    Zudem beachte sie Sabbat. Der jüdische Ruhetag beginnt und endet am Freitag und Samstag mit dem Sonnenuntergang. In diesem Zeitrahmen ist das Arbeiten verboten, weshalb auch Rogowski den Tag nutzt, um Ruhe zu finden. Weder das Handy noch den Laptop schaltet sie an. All dies betrachtet sie in keiner Weise als Einschränkung. Jung und religiös zu sein bedeute für sie eine Struktur und einen Sinn von Zugehörigkeit zu haben, der sie an Familie und Geschichte bindet.

    „Antisemitismus ist immer ein Teil Deutschlands gewesen“

    Diese Geschichte aufzuarbeiten, sei wichtig, betont die junge Frau. Dabei dürfe man allerdings nicht vergessen, dass Antisemitismus ein von diesen Geschehnissen klar zu trennendes Phänomen sei, dass auch heute tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist. „Antisemitismus ist immer ein Teil Deutschlands gewesen. Meine Mutter hat Antisemitismus erfahren und er ist auch ein permanente Teil meines Alltags“, berichtet Rogowski. Sie erzählt von einzelnen Erlebnissen in der Schulzeit und an der Universität. Doch ins Detail möchte sie nicht gehen:

    „Jedes Mal, wenn ich wiederhole, was mir gesagt wird, gebe ich Raum für diese widerliche Ideologie“.

    Anstatt Betroffene vereinzelt in Interviews und Beitragen anekdotenhaft von ihren Erfahrungen erzählen zu lassen, müsse man bereits in der Schule ein Gespräch über Antisemitismus initiieren. Bislang fehle diese Aufklärung gänzlich: „Es wird nicht erklärt was genau Antisemitismus ist, dass es diesen heute noch gibt und wie er sich äußert“.

    Antisemitismus gewinnt an Akzeptanz

    Das Resultat dessen sei insbesondere momentan zu erkennen. Im Zuge von Querdenker-Demonstrationen gewinne antisemitisches Gedankengut zunehmend an Akzeptanz. Auch Verschwörungstheorien würden immer öfter auf Resonanz treffen. Nicht zuletzt seien auch Vergleiche mit Anne Frank und Sophie Scholl Anmaßungen, die laut Rogowski Ausdruck eines fehlenden Verständnisses seien. Sie führt aus: „Wir müssen uns bei alldem überlegen, wie wir das strukturell auffangen können. Es zeigt mir, dass Deutschland, obwohl es sich auf die Erinnerungskultur beruft, zum Teil im Bildungswesen versagt hat“.

    Dieser Artikel wurde auch auf Englisch veröffentlicht.

    https://kohero-magazin.com/judaism-escaping-victimhood/

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