Schlagwort: Gesundheit

  • Welt-Suizid-Präventionstag: 10 Anlaufstellen und Medientipps für geflüchtete und migrantische Menschen

    Am 10. September ist der weltweite Suizid-Präventionstag. Der Aktionstag soll sensibilisieren und helfen, das Tabu zu brechen. Eine Studie von 2016 schätzt, dass sich weltweit rund 800.000 Menschen pro Jahr das Leben nehmen. Weltweit nehmen sich Männer häufiger das Leben als Frauen – in Deutschland wurden im Jahr 2021 laut statistischem Bundesamt 75% der Selbsttötungen von Männern durchgeführt. Laut Wissenschaftler*innen könnten traditionelle Geschlechterrollen ein Grund dafür sein, dass Männer früh lernen, Probleme mit sich selbst auszumachen, anstatt sich Hilfe zu suchen.

    Auch in migrantischen Familien wird häufig nicht über psychische Erkrankungen gesprochen. Menschen mit Migrationsgeschichte würden dem Konzept von psychischem Leid häufig skeptisch gegenüberstehen, erklärt die Bildungsmanagerin und Geschlechterforscherin Emina Šarić im Biber-Onlinemagazin. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte erfahren unter anderem durch Alltagsrassismus eine noch stärkere psychische Belastung.

    Es ist wichtig, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren und offen darüber zu sprechen, um Symptome frühzeitig zu erkennen und besser damit umgehen zu können. Im Folgenden empfehlen wir euch deshalb einige Artikel, die sich mit dem Thema mentale Gesundheit beschäftigen. Außerdem findet ihr eine Liste mit Beratungsstellen, die sich vorwiegend an Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte richten.

    Unsere Empfehlungen: Artikel

    1. Als Migrantin mit Depressionen umgehen 

    Unsere kohero Autorin Jesina hatte gerade ihr Jura-Studium abgeschlossen und wollte ins Berufsleben starten, als sie in eine Depression abrutscht. Die Erkrankung belastet sie nicht nur psychisch, sondern auch körperlich: Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Selbstzweifel und Angstzustände kommen dazu. Über all das spricht Jesina nicht mit ihren Eltern, die 1984 aus Sri Lanka nach Deutschland geflüchtet sind.

    Hier erzählt sie, wie sie mit der Depression umgegangen ist und erklärt, warum viele Kinder sich unter Druck gesetzt fühlen, den Erwartungen ihrer geflüchteten Eltern gerecht zu werden.


    2. Kultursensible Psychotherapie – wie geht das?

    Die angehende Psychologin Zara Momand hat im kohero-Onlinemagazin bereits über die Notwendigkeit von kultursensibler Psychotherapie geschrieben: “Migration und Flucht implizieren oftmals Veränderungen und psychische Traumata, bedeuten aber nicht zwingend bemerkbare, sich äußernde psychische Probleme”.  Menschen mit Migrationshintergrund hätten häufig mit noch mehr Belastung zu kämpfen – sowohl individuell und strukturell als auch emotional, so Zara. Warum das so ist, erfahrt ihr hier.

    3. Der Suizid meines Onkels brachte mich dazu, über meine eigene psychische Gesundheit nachzudenken

    In dem Buzzfeed-Artikel schreibt die Autorin Gabrielle Chenault über die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen in der BiPoC-Community. Sie zeigt auf, wie Rassismuserfahrungen, Polizeigewalt oder generationsübergreifende Traumata eine zusätzliche Belastung darstellen können. Wieso eine weiße Therapeutin Gabrielles Erfahrungen nur bedingt nachvollziehen konnte und warum sie Therapien trotzdem für sinnvoll und notwendig erachtet, lest ihr hier.

    4. Stell dich nicht so an! – Wenn Migra-Eltern psychische Erkrankungen nicht ernst nehmen

    Biber-Autorin Maria Lovrić-Anušić schreibt darüber, wie belastend es sein kann, wenn migrantische Eltern die psychischen Erkrankungen ihrer Kinder herunterspielen. In dem Artikel erzählen drei Menschen, wie sie mit ihren Depressionen und Panikattacken umgegangen sind. Warum ihre Eltern häufig mit Unverständnis reagiert haben und warum es wichtig ist, über psychische Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten aufzuklären, lest ihr hier.

     

    Unsere Empfehlungen: Beratungsstellen

    5. ifight Depression 

    Auf der Internetseite iFightDepression findest du wissenschaftlich belegte Informationen über suizidales Verhalten in 19 verschiedenen Sprachen. Das Angebot richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit, Familien und Angehörige, aber auch an Lehrkräfte und Gesundheitspersonal.

    Menschen, die von Depressionen betroffen sind, sollen mit Hilfe eines begleiteten Selbstmanagement-Tools außerdem leichter erste Symptome erkennen und lernen, besser damit umzugehen. Das Angebot gibt es in 15 verschiedenen Sprachen.


    6. Muslimisches SeelsorgeTelefon (MuTeS)

    Seit 2009 unterstützen Ehrenamtliche des Muslimischen SeelsorgeTelefons Menschen bei jeder Lebenslage und Notsituation – egal ob Eheprobleme, Trauer, Gewalterfahrung, Sucht oder andere Belastungen. Anrufer*innen bleiben anonym und die Mitarbeitenden des SeelsorgeTelefons sind rund um die Uhr unter 030 443 509 821 erreichbar.

     

    7. Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

    Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) ist seit 1972 die übergreifende Fachgesellschaft für alle Einrichtungen und Personen, die sich in Forschung, Lehre oder Praxis mit Suizidprävention als Hilfe in Lebenskrisen befassen. Die DGS hat es sich zur Aufgabe gemacht, Akteur*innen der Suizidprävention zu vernetzen, die Forschung in diesem Themenfeld voranzutreiben und die Öffentlichkeit über Suizidprävention zu informieren.


    8. Koordinierendes Zentrum für traumatisierte Geflüchtete – Hamburg 

    Centra ist Teil des Psychosozialen Zentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Das Team besteht unter anderem aus Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen und arbeitet interkulturell, mehrsprachig und berufsübergreifend. Bei Bedarf können geschulte Dolmetscher*innen oder muttersprachliche Mitarbeiter*innen mit einbezogen werden.  Die Beratung und Behandlung erfolgt traumaspezifisch, kultursensibel und mit einem ganzheitlichen Verständnis. Auf Wunsch können Beratungen auch telefonisch in Anspruch genommen werden.


    9. Netzwerk für traumatisierte Geflüchtete Niedersachsen 

    Das Netzwerk für traumatisierte Geflüchtete (NTFN e.V.) setzt sich für Migrant*innen in Niedersachsen ein, die traumatisierende Erfahrungen durch Folter, Verfolgung oder Flucht gemacht haben. Das Team berät Menschen die körperlich oder psychisch unter den Folgen leiden und dadurch in ihrer Belastungs-, Arbeits- und Lebensfähigkeit eingeschränkt sind. Das Angebot richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Familienangehörige, insbesondere Kinder und Jugendliche.


    10. Refugio: Beratungsstelle und Behandlungszentrum für Geflüchtete und Folteropfer – Bremen

    Refugio ist eine Beratungsstelle und ein Behandlungszentrum für Geflüchtete und Folteropfer in Bremen und Bremerhaven. Refugio bietet kostenlos und auf mehreren Sprachen eine psychosoziale Beratung und psychotherapeutische Behandlung an.

  • Als Migrantin mit Depressionen umgehen

    Am 10. Oktober war der offizielle Mental Health Day. Ein Tag, der uns alle dazu mahnt, umsichtiger mit uns selbst umzugehen, uns eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und uns bei psychischen Problemen die Hilfe zu suchen, die wir brauchen.

    Mehr als nur Traurigkeit

    Psychische Gesundheit ist ein Thema, welches auch immer mehr Beachtung auf den Sozialen Medien findet. Das Gute an der vermehrten Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen ist, dass man so auch den Vorurteilen entgegenwirken kann, dass Depressive ja nur gerade „eine traurige Phase“ haben, Menschen, die unter Burnout leiden, einfach nur faul sind oder schlichtweg keinen Bock haben zu arbeiten.

    Ich selbst bin in dieser Spirale der Depressionen seit etwa drei Jahren gefangen. Ich bin mittlerweile dreißig Jahre alt, habe mein Jurastudium abgeschlossen und bin – statt ins Berufsleben zu starten – in die Depression abgerutscht. Sie kam schleichend, ich merkte zu Beginn kaum etwas. Ich zog zu Beginn meines Referendariats in eine neue Stadt, ich wollte etwas erleben, neue Menschen kennenlernen, etwas lernen. Ich fühlte mich selbstbewusst und war offen für neue Herausforderungen.

    Depressionen sind nicht nur im Kopf

    Bald merkte ich, dass mir die Arbeit beim Landgericht, bei dem ich während der Zeit meines Referendariats angestellt war, einfach keinen Spaß machte, zu viel war, ich fühlte mich nicht gut genug. Die Gedanken kreisten, und bald schon stellte ich mir Fragen wie: Bist du überhaupt gut genug, um Volljuristin zu sein?  Sind die anderen nicht viel besser, klüger, schneller als du?

    Ich begann alles, was ich tat, zu hinterfragen. Das Selbstbewusstsein und die Freude, die ich zu Beginn noch empfand, verschwand von Tag zu Tag mehr. Bald auch begann die Depression körperlich, und nicht nur gedanklich, an mir zu zehren. Ich war immer häufiger krank, hatte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Angstzustände und hatte das Gefühl, innerlich gelähmt zu sein. Ich weinte viel, und kämpfte tagtäglich mit dem Gedanken, meine juristische Karriere an Ort und Stelle zu beenden. Doch was dann?

    Darüber spricht man nicht

    Über all das sprach ich nie mit meinen Eltern. Denn darüber spricht man in unserem Kulturkreis nicht, fast so, als wären psychische Erkrankungen nicht existent und was für Leute „aus den westlichen Ländern“.

    Dazu muss man sagen, dass meine Eltern ursprünglich aus Sri-Lanka stammen. Sie kamen als Flüchtlinge 1984 nach Deutschland, um dem Krieg im Norden des Landes zu entfliehen und ihrer Familie ein Leben in Sicherheit zu bieten. Als sie herkamen, entschieden sie sich gleichzeitig auch dazu, ihr altes Leben, ihre Jobs, einen Teil ihrer Familien und ihre Heimat hinter sich zu lassen.  Stattdessen waren sie in einem Land, in dem sie wieder ganz bei Null anfangen mussten. Einen Uni-Abschluss konnten sie hier nie machen. Dazu fehlten die Sprachkenntnisse, die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten.

    Die Last der Erwartungen

    Ihre Kinder sollten es da besser haben. Mit Bildung sollte es uns möglich sein, mal ein gutes Leben zu führen, uns zu integrieren und ein Leben in dem Land zu führen, welches  für meine Eltern nie hätte zu ihrer Heimat werden können. Umso höher war natürlich auch der Druck für mich, dem Standard meiner Eltern gerecht zu werden.

    Diesem Druck sind viele Kinder geflüchteter Eltern ausgesetzt. Dass mir dieser Druck auch ziemlich oft zu viel war, habe ich selten nach außen hin gezeigt. Gerade in dem südasiatischen Kulturkreis, aus dem ich stamme, sind psychische Erkrankungen selten bis gar kein Thema. Wieso dies so ist, weiß ich selbst nicht.  Was ich aber weiß ist, dass die Hoffnung auf finanziellen Wohlstand auf dem Rücken vieler Kinder geflüchteter Eltern lastet.

     

  • An inventory of racism in health care

    Racism manifests itself in different ways in the health care system. But there is a lack of reliable numbers and data. An inventory of colonial assumptions, misdiagnosis and lack of sensitivity in medical education.

    In 2021, a research team commissioned by the German Federal Anti-Discrimination Agency presented the research project Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen (Discrimination Risks and Discrimination Protection in Health Care). The result: Discrimination risks exist both in access to and in the use of health care. Discrimination such as racism manifests itself not only in the form of discriminatory behaviour on the part of medical staff, but much more in the form of institutional practices and processes that favour unequal treatment of patient groups.

    Racism in healthcare is multi-faceted and affects people on many levels. Sometimes racism is directed at health care workers, sometimes at patients, and sometimes racism costs lives when it prevents diseases from being detected early and treated properly.

    In Germany, however, there is hardly any research on the topic. Due to a lack of data, the debate is often one-sided, and institutional practices and structural inequalities stay unaddressed. It is therefore worth taking a look at the USA, Canada and the UK, where there are far more reliable figures.

    Institutional racism in medicine

    According to the Human Rights Watch study „We Need Access“ in conjunction with the “Southern Rural Black Women’s Initiative of Economic and Social Justice”, Black women are diagnosed with cervical cancer much later than white women. They are also more likely to die from it, although cervical cancer is preventable and highly treatable if caught early enough. In the U.S. state of Georgia, Black women are twice as likely to die from cancer as white women. This is, for example, because they are less likely to be screened for cervical cancer, less likely to be informed about preventive measures, or less likely to have their pain taken seriously.

    Although cervical cancer is preventable in most cases, institutional racism, or factors such as socioeconomic background, ensure the opposite. This excludes BIPoC from the health care system and cuts them off from important information and services that can be crucial to life and death.

    In Germany, too, accusations of racism in the health care system are piling up, primarily as a result of the corona pandemic. The proportion of foreign nationals among all deaths increased during the pandemic at an above-average rate. Between January and August 2021, 4500 foreign nationals died – more than in 2019 during the same period.

    Causes of the increased mortality could include on average poorer housing and working conditions, limited access to healthy nutrition, and more frequent use of public transportation. But again, there is a lack of data that could validly reflect structural discrimination.

    A short history lesson – colonial-historical assumptions

    People with a history of migration and flight often receiving inadequate medical care is also due to a research and knowledge gap in medicine. Many pathologies such as skin rashes, neurodermatitis or Lyme disease are difficult to recognise for the untrained eye on dark skin – which is due to the fact that corresponding textbooks predominantly refer to white patients. In 2020, Malone Mukwende, a Black medical student from the UK, published the textbook „Mind the Gap“, where symptoms are shown on different skin colours to counteract this problem.

    In addition, there are still colonial-historical presumptions that need to be dismantled. Other studies from the USA, for example, show that heart attacks in Black women are more often overlooked and therefore only treated half as often. In Great Britain, it was found that the mortality of Black mothers due to birth complications is five times higher than that of white mothers.

    An intersectional perspective is needed

    What is striking: Black women are particularly often affected. This is due to a combination of anti-Black racism and sexism, which has its roots in colonial times. In order to trivialise slavery, Black bodies were said to be more physically capable. This is still evident today in the stereotype of the „strong Black woman“, who is supposed to be more resistant and allegedly less sensitive to pain.

    The so-called „southerner’s syndrome“ (morbus bosporus) is also still widespread today. According to this, patients whose origin is assumed to be Mediterranean are said to have an exaggerated sensitivity to pain and an exaggerated expression of pain, although it has been known for a long time that people perceive pain individually and independently of gender and origin. Black people often report being confronted with stereotypes by medical professionel or not being taken seriously with their complaints.

    The result: trust in the health care system is declining. This can lead to those affected visiting medical facilities less often – and thus their health is increasingly at risk.

    This article was also published in German.

  • Artikel 21 – help for queer refugees

     

    Joe, also known as Josefine, is involved in the project Artikel 21, which supports refugees from the LGBTQIA+ community in the asylum process. She herself fled from Syria to Germany in 2015. We meet at Joe’s home, sit on the balcony and eat the various snacks Joe has prepared.

     

    What experiences did you have with health care during your asylum procedure in Germany?

    I didn’t feel well at all: I didn’t feel safe and my queer identity was denied to me. Queer refugees are put into collective accommodation in Germany and are very alone there and have no access to the queer community. There are perpetrators, homophobic and transphobic people there. The place where you are supposed to have the possibility to withdraw is unsafe. Moreover, the asylum procedure is based on a heteronormative system.

     

    „I was very afraid of the future“

     

    What is the impact of this?

    This means, for example, that in the personal interview in the asylum procedure, there are people and translators present who have not been not sensitised. During my first interview, things were written down in the protocol that I did not say. My appearance with a beard was used to infer that I can’t be queer. I also get looked at strangely on the street. This has led to me suffering from depression.

    Did you have any support?

    My accommodation had no counselling centre for queer people.The staff of the accommodation were able to help me after I had experienced or witnessed violence. Social workers are not educated about the queer community. I was always told to inform the police. This made me very upset. I was very afraid of the future. My health was not good.

     

    „“Artikel 21″ shines a light on these problems“

     

    Where you able to seek medical support?

    Medical care is accessible in a very limited way. In 2015, there were no insurance cards, but treatment vouchers instead and it was not possible to just see doctors like usual. You are dependent on the given time frames. In the asylum process, there are trans* people who are at an important point in their transition and don’t get any support.

     

    How did you get involved in the “Artikel 21” project?

    „Artikel 21“ shines a light on these problems and draws particular attention to the situation of refugees from the LGBTQIA+ community in the asylum process. I know about the project from other organisations like Refugees Sisters or Queer Refugees Support. I got help there and that sparked my motivation to help other people who suffer from the situation in the same way. In the project, queer people talk about their experiences in the asylum process.

    What are you asking for?

    We are asking for shelters especially for queer people and protection from the first day of the asylum procedure. We have also started a petition for this. We want protection to actually happen and for the traumatisation not to continue. We want to question the system of initial admission. Protection is needed right from the first moment. We demand access to counselling centres and training for the staff involved in the asylum process, as well as better medical and psychological care. When we organise exhibitions, there is always an open list as an opportunity to share further demands and ideas. Something is aways added. That helps us move forward.

     

     

     

    This article was also published in German.

     

  • Culturally sensitive therapy – how can it work?

    Topics surrounding mental health have now arrived in many parts of society. On everyones lips on TikTok, topic of many infographics on Instagram – content that is designed to make us think, reflect and that encourages us to engage in exchange. The importance of mindfulness, empathy awareness of needs to ourselves and others is often mentioned. It is also known that psychotherapy should be more accessible and that the lack of space needs to be addressed. In short: psychotherapy for all.
    But even today in 2023 it is still a fact that the psychotherapeutic care system is not designed to relieve the high proportion of people with a migration background – statistically more than a quarter of the German population, trend rising. Yet there are approaches that attempt to do just that

    Culturally sensitive therapy

    So-called culturally sensitive therapy focuses on engaging people who have grown up in and with other cultures in a way that is appropriately adapted and open. It is important to take into account that people with a migration background often bring with them different traditions as well as religious beliefs and are impacted by these. A different approach to health and illness or language barriers can also play a major role. The goal of culturally sensitive therapy is to give consideration to those affected in a holistic way. This means being sensitive to the particularities of everyday life and the needs of patients in order to improve care – or even make it possible in the first place.
    Intercultural, transcultural or culturally sensitive therapy are buzzwords that psychology students, prospective therapists and those interested in therapy encounter in articles and the occasional lecture – but that’s pretty much it. Even though universities receive funding to pursue research in the field they are still not a fixed component of university teaching.
    If topics such as flight and migration are discussed, this is usually done by white teachers who reproduce racist stereotypes in their work and cannot step outside of their perspective. In therapy, it can happen that those affected encounter therapists who have neither understanding, sensitivity nor sufficient competence, often scaring off those seeking help, or putting them under additional strain. This is not surprising: even if (prospective) therapists devote themselves to these relevant topics and want to incorporate them into their work, they are dependent on external workshops, seminars and further training. Trainees can receive credit for these, but they usually have to bear the costs themselves.

    “Intersectionality remains an unknown word”

     
    White, privileged professors write manuals about and for disadvantaged, migrant and often racialised, non-homogeneous groups. What is neglected are sociological and demographic factors that significantly shape people’s lives. Yet it would be so important, especially in a country like Germany – whose history is steeped in the oppression of the „other“ – to convey these issues in a concrete and differentiated way. Only in this way can a realistic picture of society be presented and oppression actively countered.
    Structural disadvantage with regard to different aspects – poverty, ethnicity, sexism, ableism – thus become invisible. Intersectionality remains an unknown word. Migration and flight often imply changes and psychological trauma, but do not necessarily mean noticeable, manifesting psychological problems. Those affected can, however, be more susceptible to them depending on individual conditions and circumstances, precisely because they are often also affected by other circumstances that place an additional burden on them.
    At the same time, people with a migration background are put under even more strain: individually and structurally as well as emotionally. Experienced insecurity, lived pressure to integrate and assimilate, isolation, and lack of social support all have a negative impact on mental health.

    Perspectives of people with migration background are missing in research

    Available studies offer indications that those affected are generally confronted with poorer mental health, but they are rarely significant enough to be considered representative and thus able to create awareness. This is partly due to the fact that experiences of discrimination in connection with the mental health of people with a migration background are almost never recorded in research, which in turn considerably reduces the significance of the studies.
    Individual migration processes and their diverse causes, forms of development and the manifestations of mental illness may not be adequately captured by the usual diagnostic categories: these correspond to western criteria and definitions. Expressions of grief and fear can also differ between cultures and thus require a more dynamic diagnostic approach.
    In addition, more complex situations such as successive traumatic events and life situations are not taken into account. Post-traumatic stress disorder for example is diagnosed by recording a single event that begins and ends at a specific point. Yet many people it does not remain with one definable event. A traumatic flight involves multiple places, times, routes, languages, interactions, losses, emotions.

    Deeds not words

    So, what needs to change? First of all, it is important to advocate for further training to increase in number, gain more attention and be made accessible. Above all, it is crucial to establish culturally sensitive content at universities. Even if a research base already exists, more studies are needed that look at the connections between migration and vulnerability to mental disorders in Germany – without leaving out significant social factors. It is time to turn performative figureheads of universities that adorn themselves with research on flight and migration into deeds. And to dissolve structures that prevent reflective engagement.
    This article was also published in German

  • Kultursensible Psychotherapie – wie geht das?

    Themen rund um die mentale Gesundheit sind mittlerweile in vielen Teilen der Gesellschaft angekommen. Auf TikTok in aller Munde, auf Instagram in vielen Infoposts nachzulesen sind Inhalte, die uns zum Nachdenken anregen, zum Reflektieren ermutigen und uns dazu bewegen sollen, in den Austausch zu treten. Dass Achtsamkeit, Empathie und Bedürfniswahrnehmung wichtig für uns selbst und das Miteinander sind, hören wir häufig. Auch, dass Psychotherapie zugänglicher sein sollte und der Platzmangel angegangen werden muss, ist bekannt. Psychotherapie für alle eben.

    Aber auch 2023 ist es immer noch Fakt, dass das psychotherapeutische Versorgungssystem nicht darauf ausgelegt ist, den hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund – statistisch mehr als ein Viertel der deutschen Bevölkerung, Tendenz steigend – zu entlasten. Dabei gibt es Ansätze, die genau das versuchen.

    Kultursensible Psychotherapie

    Die sogenannte kultursensible Therapie legt den Fokus darauf, Menschen, die in und mit anderen Kulturen aufgewachsen sind, entsprechend angepasst und offen zu begegnen. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Personen mit Migrationsgeschichte häufig sowohl andere Traditionen als auch religiöse Überzeugungen mitbringen und von diesen geprägt sind. Auch ein anderer Umgang mit Gesundheit und Krankheit oder sprachliche Barrieren können eine große Rolle spielen. Ziel einer kultursensiblen Therapie ist es, Betroffenen ganzheitlich gerecht zu werden. Das bedeutet, sensibel für die Besonderheiten im Alltag und die Bedürfnisse der Patient*innen zu sein, um die Versorgung zu verbessern oder sie überhaupt erst zu ermöglichen.

    Interkulturelle, transkulturelle oder kultursensible Therapie sind Schlagwörter, denen Psychologiestudierende, angehende Therapeut*innen und Therapieinteressierte in Artikeln und vereinzelten Vorträgen begegnen – da hört es dann aber schnell wieder auf. Universitäten erhalten zwar Förderungen, um der Forschung in dem Bereich nachzugehen, doch fester Bestandteil der universitären Lehre sind sie immer noch nicht.

    Werden Themen wie Flucht und Migration doch aufgegriffen, übernehmen dies meist weiße Lehrpersonen, die in ihrer Arbeit selbst rassistische Stereotype reproduzieren und aus ihrer Perspektive nicht heraustreten können. In Therapien kann es dann dazu kommen, dass Betroffene Therapeut*innen begegnen, die weder über Verständnis, Sensibilität noch ausreichende Kompetenzen verfügen, und nicht selten Hilfesuchende abschrecken, wenn nicht sogar zusätzlich belasten. Das ist nicht verwunderlich, denn selbst wenn sich (angehende) Therapeut*innen diesen relevanten Themen widmen und sie in ihre Arbeit einfließen lassen möchten, sind sie auf externe Workshopangebote, Seminare und Fortbildungen angewiesen. Auszubildende können sich diese anrechnen lassen, die Kosten müssen sie allerdings meist selbst tragen.

     

    „Intersektionalität bleibt ein Fremdwort“

    Weiße, privilegierte Professor*innen schreiben Handbücher über und für von Benachteiligung betroffene, migrantische und häufig rassifizierte, nicht-homogene Gruppen. Was zu kurz kommt, sind soziologische und demographische Faktoren, die das Leben von Menschen maßgeblich prägen. Dabei wäre es gerade in einem Land wie Deutschland – dessen Geschichte durchzogen ist vom Unterdrücken der „Anderen“ – so wichtig, diese Themen konkret und differenziert zu vermitteln. Nur so kann ein realistisches Bild der Gesellschaft abgebildet und diesem aktiv entgegengetreten werden.

    Diskriminierung und Rassismus finden genauso wenig Raum im Lehrplan. Strukturelle Benachteiligung hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte – Armut, ethnische Zugehörigkeit, Sexismus, Ableismus – werden somit unsichtbar. Intersektionalität bleibt ein Fremdwort. Migration und Flucht implizieren oftmals Veränderungen und psychische Traumata, bedeuten aber nicht zwingend bemerkbare, sich äußernde psychische Probleme. Betroffene können aber je nach individuellen Voraussetzungen und Umständen anfälliger für diese sein, eben weil sie häufig auch von anderen Umständen betroffen sind, die sie zusätzlich belasten.

    Dabei haben Menschen mit Migrationshintergrund mit noch mehr Belastung zu kämpfen: sowohl individuell und strukturell als auch emotional. Erfahrene Unsicherheit, erlebter Integrations- und Assimilationsdruck, Isolation, und mangelhafte soziale Unterstützung wirken sich negativ auf die psychische Gesundheit aus.

     

    Perspektiven von Menschen mit Migrationsgeschichte fehlen in der Forschung

    Die Studienlage bietet Hinweise darauf, dass Betroffene im Allgemeinen mit einer schlechteren psychischen Gesundheit konfrontiert sind, sie ist jedoch selten aussagekräftig genug, um als repräsentativ zu gelten und somit Bewusstsein schaffen zu können. Das liegt unter anderem daran, dass Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der psychischen Verfassung von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Forschung so gut wie nie erfasst werden, was wiederum die Aussagekraft erheblich mindert.

    Auch individuelle Migrationsprozesse und deren vielfältige Ursachen, Entwicklungsformen und die Äußerungsformen psychischer Erkrankungen können von den üblichen diagnostischen Kategorien unter Umständen nicht adäquat erfasst werden, da diese westlichen Kriterien und Definitionen entsprechen. Auch Ausdruck von Trauer und Angst können sich kulturspezifisch unterscheiden und erfordern somit eine dynamischere Diagnostik.

    Dazu kommt, dass komplexere Sachlagen wie beispielsweise aufeinanderfolgende traumatische Ereignisse und Lebenssituationen nicht berücksichtigt werden. Eine Posttraumatische Belastungsstörung wird zum Beispiel durch die Erfassung eines punktuellen, an einem bestimmten Punkt beginnenden und endenden Ereignisses diagnostiziert. Für viele Menschen bleibt es jedoch nicht bei einem festzulegenden Ereignis. Eine traumatische Flucht umfasst mehrere Orte, Zeitpunkte, Wege, Sprachen, Interaktionen, Verluste, Gefühle.

     

    Taten sind nötig

    Was muss sich also verändern? Zunächst ist es wichtig, dafür einzustehen, dass Fortbildungen in ihrer Anzahl steigen, mehr Aufmerksamkeit erlangen und barrierefrei zugänglich gemacht werden. Vor allem ist entscheidend, kultursensible Inhalte an den Universitäten zu etablieren. Auch wenn eine Forschungsgrundlage bereits existiert, braucht es mehr Studien, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Migration und der Anfälligkeit für psychische Störungen in Deutschland beschäftigen – ohne entscheidende soziale Faktoren auszuklammern.  Es ist an der Zeit, performative Aushängeschilder von Universitäten, die sich mit der Flucht- und Migrationsforschung schmücken, in Taten umzuwandeln. Und Strukturen, die ein reflektiertes Auseinandersetzen verhindern, aufzulösen.

     

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  • Artikel 21 – Hilfe für queere Menschen im Asylverfahren

    Joe, auch Josefine genannt, engagiert sich im Projekt Artikel 21, welches sich für geflüchtete Personen aus der LGBTQIA+ Community im Asylverfahren einsetzt. Sie selbst ist 2015 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Wir treffen uns bei Joe zuhause, sitzen auf dem Balkon und essen die diversen Snacks, die Joe vorbereitet hat.

     

    Welche Erfahrungen hast Du mit der Gesundheitsversorgung während deines Asylverfahrens in Deutschland gemacht?

    Mir ging es gar nicht gut, weil ich mich nicht sicher gefühlt habe und mir meine queere Identität abgesprochen wurde. Queere geflüchtete Personen werden in Deutschland in Sammelunterkünfte abgeschoben und sind dort sehr alleine und haben keinen Zugang zur queeren Community. Dort gibt es Täter*innen, homo- und transfeindlichen Personen. Der Platz, an dem du eigentlich die Möglichkeit haben solltest, dich zurückzuziehen, ist unsicher. Zudem baut das Asylverfahren auf einem heteronormativen System auf.

     

    „Ich hatte große Angst vor der Zukunft“

     

    Wie wirkt sich das aus?

    Das bedeutet, dass zum Beispiel in der persönlichen Anhörung im Asylverfahren Personen und Übersetzer*innen sitzen, die nicht sensibilisiert sind. Bei meinem ersten Gespräch wurden Dinge ins Protokoll geschrieben, die ich nicht gesagt habe. Über mein Aussehen mit Bart wurde darauf geschlossen, dass ich nicht queer sein kann. Auch auf der Straße werde ich komisch angeschaut. Das hat dazu geführt, dass ich Depressionen bekommen habe.

    Hast Du Unterstützung bekommen?

    In meiner Unterkunft gab es keine Beratungsstelle für queere Menschen. Die Mitarbeiter*innen von der Wohnunterkunft konnten mir nach erfahrener oder beobachteter Gewalt nicht weiterhelfen. Sozialarbeiter*innen sind nicht weitergebildet, was die Queer-Community angeht. Mir wurde immer gesagt, ich soll der Polizei Bescheid geben. Mich hat das sehr fertig gemacht. Ich hatte große Angst vor der Zukunft. Mein gesundheitlicher Zustand war nicht gut.

     

    „“Artikel 21″ bringt diese Probleme ans Licht“

     

    Konntest Du medizinische Hilfe aufsuchen?

    Die ärztliche Versorgung ist sehr begrenzt zugänglich. 2015 gab es keine Versichertenkarten, sondern Behandlungsscheine und es war nicht möglich, ganz normal zu Ärzt*innen zu gehen. Du bist abhängig von den vorgegebenen Zeiträumen. Im Asylverfahren gibt es trans* Personen, die gerade an einem wichtigen Punkt ihrer Transition sind und keine Unterstützung bekommen.

    Wie bist Du zu dem Projekt „Artikel 21“ gekommen?

    „Artikel 21“ bringt diese Probleme ans Licht und macht insbesondere auf die Situation von geflüchteten Personen aus der LGBTQIA+ Community im Asylverfahren aufmerksam. Ich kenne das Projekt von anderen Organisationen wie Refugees Sisters oder Queer Refugees Support. Dort habe ich Hilfe bekommen und das hat meine Motivation geweckt, auch anderen Personen zu helfen, die genauso unter der Situation leiden. In dem Projekt sprechen queere Personen über deren Erfahrungen im Asylverfahren.

    Was fordert ihr?

    Wir fordern, dass es Unterkünfte extra für queere Personen und Schutz ab dem ersten Tag des Asylverfahrens gibt. Dafür haben wir auch eine Petition gestartet. Wir wollen, dass der Schutz wirklich passiert und die Traumatisierung nicht weitergeht. Wir wollen das System der Erstaufnahme in Frage stellen. Es bedarf Schutz gerade vom ersten Augenblick an. Wir fordern Zugang zu Beratungsstellen und Schulungen für die Mitarbeiter*innen, die am Asylverfahren beteiligt sind, und eine bessere medizinische und psychologische Versorgung. Wenn wir Ausstellungen machen, dann gibt es aber immer eine offene Liste, als Möglichkeit, uns weitere Forderungen und Ideen mitzuteilen. Da kommt immer wieder was dazu. Das hilft uns, weiterzukommen.

     

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  • Gesundheitssystem in Afghanistan zerfällt

    Als Afghanin war das Gesundheitssystem für mich in Deutschland neu und anders. Denn als ich in Deutschland angekommen bin, wurden mir alle notwendigen Impfungen vorgeschrieben, und ich wurde darüber informiert, dass ich eine Versicherungskarte bekommen werde, mit der ich Ärzte besuchen kann. Neu für mich war, dass man für Arztbesuche hier in Deutschland manchmal Monate vorher einen Termin vereinbaren muss und es nur einige Allgemeinmediziner*innen gibt, die man ohne Termin besuchen kann.

    Aber wenn was Schlimmes oder Dringendes ansteht, kann man notfalls ins Krankenhaus gehen, was ich sehr schätze. Ich habe einige Monate in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich habe viel in dieser Zeit gelernt.

    Gesundheit als Menschenrecht

    Diskriminiert bin ich nicht worden. Oder zumindest bin ich mir nicht sicher, ob ich das als Diskriminierung ansehe oder nicht. Als ich krank war und mein Hausarzt nicht verfügbar war, rief ich einen anderen Arzt an und fragte, ob ich zu ihm kommen könne. Der Assistent sagte mir jedoch, dass sie keine neuen Patient*innen annehmen. Da ich nicht in der Nähe der Praxis wohne, könne er mich nicht aufnehmen oder mir etwas verschreiben. Für mich ist der Zugang zur Gesundheit ein grundlegendes Menschenrecht für jeden. Für Ärzte muss es ihre Hauptverantwortung sein, einen Patienten zu behandeln, egal wie schlimm der Fall ist.

    Übernahme durch die Taliban hat Folgen für Gesundheit

    In Afghanistan hat niemand eine Krankenversicherung. Wenn man medizinische Hilfe benötigt, geht man direkt zum Arzt, und nach der Behandlung oder vor der Behandlung bezahlt man den Arzt für die Untersuchung.

    Aktuell ist die medizinische Grundversorgung stark bedroht, weil die finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft seit der Übernahme der Taliban zurückgegangen ist. Das Gesundheitssystem ist insofern völlig zerstört, dass die meisten Ärzte und Spezialisten aus dem Land geflohen sind.

    Die alltäglichen Einschränkungen für Frauen, die im Gesundheitssektor arbeiten, werden immer größer: Im letzten Jahr durften Mädchen bei der Aufnahmeprüfung an der Universität nicht in den Fachbereich Gesundheit aufgenommen werden und Teilnehmerinnen hatten nicht das Recht, ihre Studienfächer zu wählen. Die meisten Hebammen haben ihre Arbeit aufgegeben, weil es an Gesundheitseinrichtungen, Wasser und Notfallausrüstung fehlt oder sie ihr Gehalt nicht erhalten.

    Fehlende Zugänge für Frauen und Kinder

    Auch der Zugang zu medizinischen Versorgungen ist für Frauen stark eingeschränkt. Frauen mit gesundheitlichen Problemen können nicht ohne eine männliche Begleitung einen männlichen Arzt aufsuchen. Lebensrettende Impfungen für Kinder und Frauen fehlen, und in den meisten Provinzen hat die Regierung bestimmte Tage festgelegt, an denen dann jeweils nur weibliche und männliche Patient*innen kommen können, was eine Versorgung im Notfall erschwert.

    Dabei hat sich das Gesundheitssystem in den letzten 20 Jahren rasant entwickelt. Auch in weit entfernten Bezirken und Provinzen hatten die Menschen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, die Lebenserwartung stieg, die Zahl der neugeborenen Kinder ging zurück. Doch die Errungenschaften der 20-jährigen harten Arbeit scheinen heute verloren. Es sind dringend internationale Geber benötigt, die dafür Lösungen finden – das fordert auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

     

    Mehr zu unserem Fokusthema Gesundheit erfahrt ihr im zu.flucht-Podcast, im Online-Magazin und hier in unserem zu.flucht-Newsletter!

     

  • zu.flucht Podcast: Zu Gesundheit

    Wir haben in dieser Folge Nabard Faiz zu Gast, der uns davon erzählt, wie er als Arzt rassistische Strukturen im Gesundheitswesen wahrnimmt.
    Dr. Sidra Khan-Gökayya ist eine der wenigen Anti-Rassismus-Beauftragten in einem Krankenhaus und gibt uns eine Einführung in das Thema.
    Nasanin Montazeri von Baba Future hat uns in einer Sprachnachricht erzählt, wie Migration und Flucht mit der Gesundheit von BIPOC zusammenhängen.
    Außerdem haben wir mit Simon Knobloch vom Medibüro Hamburg und Verena Barchfeld von der Poliklinik Veddel darüber gesprochen, wie sie Zugänge für medizinische Beratung und Behandlung für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte schaffen und was sich noch ändern muss.
     

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    An dieser Produktion mitgewirkt haben: Jonas Graeber, Natalia Grote, Anna Seifert, Anne Josephine Thiel, Sarah Zaheer

    Sounddesign: Christian Petzold

    Infos zur Folge:
    Nabards Projekt⁠ “Empowerment für Diversität”⁠

    Migration und Gesundheit | Datenreport 2021 | bpb.de⁠

    Omer Ouedraugo: ⁠Rassismus im Gesundheitswesen⁠

    Foto (von links nach rechts):
    Oben: Simon Knobloch, Sidra Khan-Gökayya
    Unten: Nabard Faiz, Nasanin Montazeri, Verena Barchfeld

  • Zentrum ÜBERLEBEN: Psychologische Versorgung Geflüchteter

    Herr Diab, welche Angebote für Geflüchtete gibt es am Zentrum ÜBERLEBEN?

    Unsere therapeutischen Angebote – die Tagesklinik, die ambulante Abteilung für Erwachsene und die Kinder- und Jugendabteilung – sind für Geflüchtete gedacht, die in ihrem Heimatland oder während der Flucht Folter, Verfolgung, Krieg oder Menschenhandel erlebt haben und infolgedessen psychische Belastungen in Form von Trauma und Traumafolgestörungen erlitten haben.

    Die Berufsfachschule Paulo Freire und die Abteilung für Flüchtlingshilfen können wiederum eine deutlich breitere Gruppe von Migrant*innen und geflüchteten Menschen bedienen. Dort werden Sprach- und Computerkurse, das Nachholen von Schulabschlüssen, Berufsvorbereitungskurse sowie Aus- und Weiterbildungen angeboten.

    Zudem haben wir niedrigschwellige Angebote wie die Fachstelle des Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen. Zu dem Netzwerk gehören sieben Organisationen in Berlin, die unter anderem eine Erstdiagnostik durchführen und die besondere Schutzbedürftigkeit für LSBTIQ+-Menschen, Menschen mit Behinderung, Frauen, Schwangere sowie Minderjährige feststellen. Die Fachstelle im Zentrum ist in diesem Rahmen die Kontakt- und Beratungsstelle für traumatisierte Menschen und Opfer schwerer Gewalt.

     

    Diverses Team als Schlüssel zum Erfolg

    Aus welchen Ländern stammen Ihre Patient*innen in der Tagesklinik?

    Menschen aus allen Krisengebieten der letzten 30 bis 35 Jahre, die in Reichweite Europas liegen, finden den Weg zu uns. Zum Beispiel aus der Subsahararegion, West- und Ostafrika, dem Nahen Osten, asiatischen Ländern wie Aserbaidschan, Turkmenistan oder Afghanistan und dem Balkan. Im letzten Jahr hatten wir einen deutlichen Anstieg von Anfragen aus Afghanistan und dem Iran, verständlicherweise wegen der Machtübernahme der Taliban und der Proteste im Iran. Solche Ereignisse haben einen direkten Einfluss auf unsere Arbeit. Zurzeit gibt es auch viele Anfragen von Geflüchteten aus der Türkei.

     

    „Die wortgenaue Übersetzung ist nur ein Teil ihrer Arbeit“

     

    Geflüchtete, die in der Tagesklinik behandelt werden, sprechen in der Regel verschiedene Sprachen und kommen aus unterschiedlichen Kulturen und politischen Kontexten. Wie stellen Sie und Ihre Kolleg*innen sich darauf ein?

    Wir sind ein ziemlich diverses Team. Das kann zwar noch besser werden, wir haben jedoch Mitarbeitende, die aus Afrika oder Asien stammen, Kolleg*innen, die Französisch, Farsi oder wie ich Arabisch als Muttersprache sprechen. Dies bietet vielfältige Anknüpfungspunkte für unsere Patient*innen.

    Genauso tragen die Kolleg:innen, die hier aufgewachsen sind, mit ihren Erfahrungen viel zum Behandlungskonzept bei. Aber vor allem sind unsere Sprach- und Kulturmittler*innen von enormer Wichtigkeit: Die wortgenaue Übersetzung ist nur ein Teil ihrer Arbeit. Manchmal hat man als Therapeut*in das Gefühl, dass etwas im Verborgenen bleibt, was sprachliche oder kulturelle Gründe haben kann. Die Sprach- und Kulturmittler*innen wissen, wie man sich in den jeweiligen Ländern ausdrückt oder Dinge anspricht und sie können zwischen den Zeilen lesen. Das hilft, um zu verstehen, was in den Patient*innen vorgeht.

     

    Traumafolgestörung – die Gefahr der Abspaltung

    Wie schwer tun sich Ihre Patient*innen damit, über Probleme zu reden?

    Die meisten haben Schwierigkeiten, das Geschehene in Worte zu fassen, was zum einen mit den traumatischen Ereignissen selbst zu tun hat und zum anderen mit der Art und Weise, wie traumatische Erlebnisse verarbeitet werden.

    Zentral ist hier der Begriff der Spaltung. Wenn wir etwas Grauenvolles erleben, versucht unsere Psyche uns zu schützen, indem sie Belastendes abspaltet und beiseite schiebt, um die Überlebensfähigkeit in einem solchen Bedrohungsszenario zu sichern. Das ist ein sinnvoller Prozess, um die Bedrohung zu überstehen.

    Aber wenn die Bedrohung vorbei ist und es nicht gelingt, die Erlebnisse in den Rest des psychischen Geschehens zu integrieren, dann bleibt die Abspaltung bestehen. Die Gefahr der Entstehung einer Traumafolgestörung im Sinne einer Posttraumatischen Belastungsstörung ist dann sehr hoch.

     

    „Bilder, die so stark sind, dass die Person das Gefühl hat, das Trauma oder Teile davon erneut zu durchleben“

     

    Welche Symptome sind mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung verbunden?

    Ein zentrales Symptom ist das Hyperarousal. Menschen befinden sich in einer permanenten Anspannung gegenüber ihrer Umwelt. Jedes Geräusch, jede Bewegung oder Belastung von außen kann schnell zu einer Reizüberflutung führen.

    Das Widererleben ist ein zweiter, sehr wichtiger Faktor. Ausgelöst durch einen Schlüsselreiz, kehrt die traumatische Erfahrung zurück und kontrolliert die Wahrnehmung der Betroffenen. Die häufigste Form sind Flashbacks. Das sind Bilder, die so stark sind, dass die Person das Gefühl hat, das Trauma oder Teile davon erneut zu durchleben, manchmal sogar begleitet von den körperlichen Schmerzen, die mit der ursprünglichen Folter verbunden waren. Die Bilder können im Wachzustand und in Form von Albträumen auftreten.

    Ein weiteres Symptom ist Vermeidungsverhalten: Aufgrund der Überflutung an Reizen und der durch den Alltag ausgelösten Flashbacks neigen Betroffene dazu, Situationen zu meiden, die Erinnerungen an das Trauma hervorrufen könnten. Das beeinflusst den Alltag der Menschen erheblich und kann in einigen Fällen zu vollständiger Isolation führen.

     

    Inwiefern machen sich die seelischen Beschwerden auch körperlich bemerkbar?

    Verdrängtes Traumamaterial und damit verbundene Gefühlslagen, die nicht rechtzeitig verarbeitet oder geäußert wurden, können schnell in körperliche Beschwerden münden. Viele haben mit Rücken- oder Kopfschmerzen zu kämpfen.

    „Vertrauen in die Souveränität des eigenen Körpers zurückzugewinnen“

    Zudem kann die Wahrnehmung des eigenen Körpers gestört sein. Immerhin sprechen wir von einem Körper, der einen Übergriff im Sinne von Folter, Menschenhandel oder sexualisierter Gewalt erlebt hat. Gerade bei sexualisierter Gewalt wird der Körper oft als etwas Beschämendes, Verletzliches und Abstoßendes empfunden und nicht als etwas Liebenswertes und Genussvolles.

    Vertrauen in die Souveränität des eigenen Körpers zurückzugewinnen und die gegenseitige positive Beeinflussung von Psyche und Körper neu zu erfahren, kann viel zu einem gelungenen therapeutischen Prozess beitragen. Aus diesem Grund sind etwa ein Drittel unserer Therapieangebote körperbezogen. Beispiele hierfür sind Achtsamkeitstraining, Tanztherapie, Sport und Entspannungstechniken.

     

    Methoden und Mittel des Zentrum ÜBERLEBEN

    Warum liegt der Fokus in der Tagesklinik auf Gruppentherapien?

    Zu uns in die Tagesklinik kommen Menschen, deren Beschwerden chronisch sind und die den Alltag nicht mehr bewältigen können. Der Aufbau von Vertrauen und der Umgang mit anderen Menschen ist für viele eine große Herausforderung. Gruppenangebote haben den Vorteil, dass Schwierigkeiten vor Ort erlebbar sind und eine Intervention direkt möglich ist. Das, was den Menschen draußen im Alltag widerfährt, erleben sie auch in unseren Gruppen, nur dass sie hier therapeutisch begleitet werden und sich in einem geschützten Raum befinden.

    Wenn Probleme auftauchen, gibt es die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren und neue Wege zu gehen. Unsere Angebote lassen sich grob in körperbezogene, kreative und sprachbasierte Therapien einteilen. Außerdem bieten wir neben den Gruppentherapien Einzelsitzungen mit Therapeut*innen, Physiotherapie und sozialarbeiterische Sitzungen an. Gerade die Treffen mit den Sozialarbeiter*innen sind sehr wichtig, denn unsere Patient*innen haben nicht nur mit psychischen Belastungen zu kämpfen, sondern ebenso mit der Herausforderung, in einem Land zu sein, in dem sie nicht wissen, wie alles funktioniert.

     

    Wie finden Geflüchtete den Weg zum Zentrum ÜBERLEBEN?

    Die meisten Patient:innen werden von ihren Ersthelfer*innen in ihrer Gemeinschaftsunterkunft an uns verwiesen. Krankenhäuser, Ambulanzen, niedergelassene Kolleg*innen, Beratungsstellen oder semiprofessionelle Hilfesysteme schicken ebenfalls viele Menschen zu uns. Es kommt auch vor, dass Betroffene, die Englisch beherrschen, uns im Internet finden. Manche stoßen wiederum über die Community auf uns.

     

    Wie finanziert sich das Zentrum?

    Jede Abteilung hat ein eigenes Konzept und eine eigene Finanzierung. Die Tagesklinik hat zurzeit 24 Plätze. Wir sind relativ gut aufgestellt, weil wir kassenfinanziert sind. Jeder, der eine Krankenversicherung hat, kann bei uns behandelt werden. Das deckt zwar nicht unsere Kosten, aber einen guten Teil davon.

    Andere Bereiche, wie die ambulante Abteilung, werden gemischt finanziert durch die Kassenärztliche Vereinigung, Projektmittel und Spenden. Das Zentrum Überleben hat einen Etat von 8 Millionen Euro und dieser kommt von allen möglichen Stellen: vom Bund, vom Land, von den Krankenkassen, Bezirken, der Kassenärztlichen Vereinigung, von Privatpersonen und so weiter. Das macht die Sache nicht gerade einfach.

     

    Schlechte psychosoziale Versorgung im ländlichen Raum

    Der psychologische Versorgungsbedarf von Geflüchteten ist in Deutschland bei weitem nicht gedeckt. Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern?

    Wir sind in Berlin so gut aufgestellt wie in keinem anderen Bundesland, aber selbst hier ist die Situation oft prekär. Wenn man sich außerhalb umschaut, ist die Lage zum Teil sogar desaströs. Es gibt ganze Landschaften, in denen es keine Versorgung für Geflüchtete gibt. Aufgrund der Sprachbarriere bleiben diesen Menschen viele Möglichkeiten verschlossen.

    Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Seit Jahren wird darauf hingewiesen, dass das Recht auf Behandlung nicht bei der Infrastruktur und dem Vorhandensein von Ärzt*innen, Therapeut*innen und Pfleger*innen aufhört, sondern dass auch die Vermittlung dazugehört. Die Kosten für Dolmetschende werden immer noch nicht übernommen. Es muss eine Gesetzesänderung geben, damit die Krankenkassen diese Kosten tragen.

    Diese Missstände betreffen nicht nur den psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich. Es gibt viele Erkrankungen, die übersehen werden und damit unbehandelt bleiben. Bei uns werden oft nebenbei Bluthochdruck, Diabetes und Infektionserkrankungen diagnostiziert. Das läuft völlig unter dem Radar, weil die Menschen keinen ausreichenden Zugang zum Gesundheitssystem haben.

     

    Wie empfinden Sie das medial vermittelte Bild von Geflüchteten angesichts der Geschichten, mit denen Sie tagtäglich konfrontiert werden?

    Ich empfinde die Berichterstattung in den Medien als sehr einseitig. Sie wird der Komplexität und Vielfalt dieser Gruppe nicht gerecht. Mein persönlicher Eindruck ist, dass Integration auf die Betroffenen abgewälzt wird. Es schwingt häufig der Vorwurf mit, sie würden sich nicht integrieren und an die Regeln halten.

    Ich verstehe Integration anders. Integration ist ein gemeinsamer Prozess. Die Hauptverantwortung liegt aus meiner Sicht allerdings bei den politischen Entscheidungsträger*innen und nicht bei denen, die hier „gestrandet“ und isoliert sind. Hier hat die Politik einiges versäumt.

    Der politische Diskurs sollte nicht dahin gehen, dass alle Migrant:innen und Geflüchtete Deutsche werden. Der Fokus sollte viel eher darauf liegen, wie wir eine pluralistische Gesellschaft mit all diesen Unterschieden, aber auch klaren Grenzen, hinbekommen. Aus meiner Erfahrung als Therapeut, der mit sehr diversen Gruppen arbeitet, kann ich sagen, dass das durchaus funktionieren kann.

     

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