Schlagwort: Flucht

Der Weg

  • #hamburgistbereit – hier könnt ihr helfen

    Von Lilly M. und Anna Heudorfer

    Grundsätzlich wird über Flüchtlingspolitik auf Bundesebene entschieden. Doch ein vom Europa-Abgeordneten Erik Marquardt in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt, dass die Aufnahme durch die Länder ohne Zustimmung des Bundes durchaus möglich ist, wie z.B. die Oberhessische Presse berichtet (06.03.2020): Gutachten: Länder können Flüchtlinge aufnehmen – ohne Okay vom Bund 
    Das Original-Gutachten hat Erik Marquardt auf seiner Website zur Verfügung gestellt.

    Die Stadt Hamburg hat angeboten, 3.000 minderjährige Geflüchtete aufzunehmen, wie die TAZ Hamburg berichtet (05.03.2020): Bereit für Geflüchtete

    Außerdem bietet die ZEIT eine Zusammenfassung, was Deutschland seit 2015 in Sachen Integration “geschafft” hat (25.06.2020): Was schon geschafft ist – und was nicht

    Angesichts der Corona-Epidemie verschärft sich die Lage für die Geflüchteten extrem. Wie MIGazin berichtet, könnte es für geflüchtete Kinder Hoffnung geben, dass einige EU-Länder sich zur Aufnahme bereit erklären (16.03.2020). Zahlreiche Flüchtlingsorganisationen warnen indessen vor der Gefahr, die Corona für die Menschen in Flüchtlingslagern mit sich bringt und fordern in einem Aufruf (18.03.2020) sofortige Maßnahmen.

    Zurück nach Griechenland: Ihr fragt euch, wie ihr helfen könnt? Wir haben recherchiert, wer (noch) vor Ort aktiv ist.

    An diese Organisationen könnt ihr spenden:

    Hilfstransporte von Deutschland nach Griechenland, werden weiterhin von der Hamburger Organisation “Hamburger Hilfskonvoi” durchgeführt: www.hamburgerhilfskonvois.de Wer für den Hilfskonvoi spenden möchte (ob Geld oder Sachen oder Zeit): bitte wendet euch an Hanseatic Help e.V., die die Zusammenstellung und den Transport übernimmt: www.hanseatic-help.org/spenden

    Die Refugee Law Clinic Berlin hat auch eine “Außenstelle” auf Samos eingerichtet, sucht fortlaufend Ehrenamtliche und Spenden: www.rlc-berlin.org/samos

    Ärzte ohne Grenzen ist auch in Griechenland aktiv: www.aerzte-ohne-grenzen.de

    Die U.K. NGO HelpRefugees kooperiert mit mehreren lokalen Einrichtungen und Organisationen: helprefugees.org/greece/

    Die Schweizer NGO, die das Zentrum One Happy Family (wo auch die “School of Peace” zuhause war) betrieb, nimmt auch Spenden an. Das Community Centre wurde vor einigen Tagen Ziel eines Brandanschlags (mutmaßlich von Rechtsradikalen verübt):  ohf-lesvos.org/de/spenden

    Das Greek Council for Refugees (Griechischer Flüchtlingsrat) arbeitet seit 1989 und setzt sich für die Unterstützung für Geflüchtete ein, bietet z.B. eine Sozial- und Rechtsberatung an. Zu der aktuellen Lage in Griechenland haben sie einen offenen Brief an die Regiereung von über 85 griechischen Organisationen veröffentlicht: www.gcr.gr

    Auch der Druck der Öffentlichkeit kann helfen. Deshalb findet ihr unseren Hashtag #hamburgistbereit auf twitter. Nutzt ihn, um zu zeigen, dass wir Geflüchtete in unserer Stadt aufnehmen wollen!

  • Der Fluch eines Flüchtlings

    Die schönsten Tage meines Lebens sind die Tage, die ich in Damaskus gelebt habe. Ich war Damaskus‘ verwöhntes, lebendiges, munteres und energisches Kind. Aber hier habe ich meine Geschichte, meinen Schutz, meine Liebe, meinen Frieden verloren. Jetzt habe ich keine Ahnung, zu welchem Land ich überhaupt gehöre. Ich habe das Gefühl, dass alles, was ich in Syrien erlebt habe, ein Traum war.

    Exil oder Rückkehr, irgendwann …

    Und du Mutter! Ist das mein Schicksal, weit weg von dir zu leben? Seitdem ich nicht mehr in deiner Nähe bin, habe ich vieles gesehen und erfahren, und ich fühle mich alt. Als wäre ich fünfzig Jahre alt. Ich fühle mich nicht mehr jung. Die Sorgen begleiten mich Tag und Nacht. Die Hoffnung fehlt mir! Ist das mein Schicksal, im Exil weiter zu leben? Ist es Schicksal oder ist es die Folge des Krieges und der Fluch der Politik, ob Geliebte und Freunde beieinanderbleiben oder voneinander getrennt sind? Hier bin ich allein in meinem Zimmer, das nach Zigaretten und Double Apfel Schisha-Tabak riecht, und höre oder singe sehr traurige Musik.

    Von Europa ist mir alles bekannt. Alles über Männer und Frauen, alles über Geografie und das Wetter. Ich habe alles probiert, um hier weiter leben zu können. Ich habe sogar versucht, Damaskus zu vergessen, aber ich habe festgestellt, dass das nicht machbar ist! Das syrische Sprichwort sagt “Wer den Geruch des Damaszener Jasmin gerochen hat, vergisst ihn nie wieder.” Und das stimmt!

    Jeden Tag, jede Stunde nehme ich meinen Reisepass und schaue, ob er noch gültig ist, um zu sehen, ob ich wieder nach Syrien kann. Immer wieder hoffe ich, dass es irgendetwas gibt, das den Krieg beendet und mich wieder zu meiner Mutter bringen kann.
    Ich lese alle möglichen Zeitungen, Internet-Webseiten und Nachrichten in der Hoffnung, dass ich die Nachricht vom Kriegsende lesen werde. Kriegsende – heißt das auch das Ende meiner Einsamkeit!?

    Vom Vermissen der Heimat und der Frage, wo ist Damaskus jetzt?

    Facebook und Twitter sind die einzigen Zugänge zu Bildern und Filmen aus Syrien. Das reicht mir aber nicht. Durch einen Bildschirm ist es nicht das Selbe.
    Meine Heimat habe ich auf den Bildern nicht mehr erkannt. Liegt das am Krieg? Die Straßen und Gassen, die ich kenne, sehen nicht mehr so aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Ich vermisse alles: die syrische Nacht, die Moscheen, die Kirschen und unsere alte Nachbarin, die jeden Tag betet, dass sie, wenn sie stirbt, nur in Damaskus beerdigt wird und NIE woanders. Als Kind habe ich nicht verstanden, was sie damit meinte, aber jetzt verstehe ich es und wünsche mir, ebenfalls in Damaskus beerdigt zu werden.

    Es ist Sommer, und er ist mit allen meinen syrischen Sommer-Erinnerungen gekommen. Aber ich frage mich jetzt, wo ist Damaskus, wo ist meine Mutter, wo bin ich überhaupt? Wo ist der Süßholzsaft- und Tamarindensaft-Verkäufer, der in Suq al-Hamidiya rumläuft und geschickt mit den Gläsern spielt? Wo ist der Dschabal Qāsiyūn? Wo ist die Stimme von Fairuz?

    Ein Freund von mir hat mir von seinen Erfahrungen mit demselben Gefühl, was ich jetzt empfinde, erzählt. Er konnte die Vergeudung und den Schmerz, die zur Depression führten, nicht mehr erdulden. Deswegen hat er seine Koffer gepackt und ist nach Syrien geflogen. Trotz des Kriegs und der Gefahr. Seine Entfremdung und der Schmerz haben dort aber nicht aufgehört, einfach weil sein Heimatland nicht mehr wie früher ist!

    Das Gefühl der Entfremdung folgt uns, egal wohin wir gehen

    Was für ein blödes Gefühl, in seiner Heimat zu sein, aber trotzdem nicht zufrieden zu sein! Alles hat sich geändert. Auch die Menschen, die wir kannten, sind jetzt nur noch lebende Körper ohne Seele oder Gefühle.
    Morgens stand er auf und er hatte dieselben schlechten Gefühle, obwohl er jetzt in Damaskus ist! Man fühlt die Entfremdung in der Heimat wegen des Fehlens der Gerechtigkeit, wegen des Fehlens der Freiheit, wegen der Abwesenheit deiner Lieblingsfreunde, wegen der Korruption aller Art und wegen der Tötung von unschuldigen Menschen.
    Man fühlt die Entfremdung in der Heimat auch wegen der ständigen Beleidigungen der Bürger durch das Regime. Wegen der Gefängnisse, die voll mit unschuldigen Menschen sind. Wegen der Vergewaltigung von Frauen überall, wegen der lügenden Medien, die die Wahrheit verfälschen.

    In meiner Heimat lebt ein Korrupter in einem Palast und die unschuldigen Menschen sind jetzt unter der Erde! Was für ein Fluch. Das Gefühl der Entfremdung folgt uns, egal wohin wir gehen. Die syrische Bevölkerung ist jetzt in zwei Gruppen geteilt: entweder Mörder oder Todesopfer.
    Die Heimat sollte keine Kriegszone sein. Die Heimat soll Liebe, Toleranz, Sicherheit, Gerechtigkeit, Wärme, Zugehörigkeit und Hoffnung bedeuten. Der Preis von Freiheit und Würde ist teuer. Egal wo ich auf der Welt meine Freiheit erreiche, das ist dann meine Heimat!

    Viele ungeklärte Fragen

    Ich habe sehr viele Fragen und dazu brauche ich auch Antworten. Was ist Heimat? Wer bin ich? Wozu gehöre ich? Das sind Fragen, über die ich immer wieder nachdenke. Noch eine Frage hat mich verwirrt: Ob ich, wenn ich wieder nach Syrien zurückkehre, meine jetzige Heimatstadt Hamburg und ihre Straßen, Bäume und Flüsse vermissen werde? Werde ich alle Leute, die ich hier in Hamburg kennengelernt habe, vermissen? Werde
    ich die deutsche Bürokratie vermissen? Bin ich jetzt der Verlobte, dessen Liebe wegen der Trennung ein Ende fand?
    Aber auch weiß ich: die Trennung an sich ist gar nicht schmerzhaft. Was ganz schmerzhaft ist, ist die Zeit danach. Trotz allem sollen und müssen wir einfach weiter leben, weiter lieben und die Hoffnung nie verlieren.

    Übersetzung aus dem Arabischen: Ebaa Hamadah. Aus dem Buch „Fluchtpunkt Hamburg. Texte im Exil„.

  • Viertes Hörbuch: Sudanesische Flüchtlinge in Ägypten

    Refugees worldwide – Reportagen über Flucht weltweit: Das war ein Projekt der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e. V. Um den weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine Stimme zu geben, schreiben Autorinnen und Autoren aus aller Welt die Schicksale von Geflüchteten auf. Sie fangen Momente und Ereignisse ein, die zugleich eine jahrzehntelange Vorgeschichte haben. Lilli Janik vom Flüchtling-Magazin liest die Reportagen.
    In dieser Folge erzählt Basma Abdel Aziz vom Schicksal der Sudanesen, die nach Ägypten geflohen sind und dort Asyl beantragen. In Ägypten sind sie neben großen bürokratischen Hürden vor allem mit Feindseligkeit und Rassismus konfroniert.
    Hinweis: Nach 30 Jahren wurde am 11. April 2019 die Diktatur von Omar Hasan Ahmad al-Baschir im Sudan beendet. Er wurde bei einem Militärputsch verhaftet und abgesetzt. Seitdem herrscht eine Militärregierung, die Proteste der Zivilbevölkerung brutal unterdrückt. Da der Text von Basma Abdel Aziz vor diesem Machtwechsel entstand, muss beachtet werden, dass einige Informationen und die Zahlen der Geflüchteten nicht mehr aktuell sind. Er beschreibt aber eindrücklich die Lage im Sudan vor dem Putsch und vor allem das Leben der Sudanesen in Ägypten.
    https://soundcloud.com/fluechtling-magazin/zuflucht-in-einer-fluchtigen-heimat
    Das Buch zur Reportage-Reihe kann hier bestellt werden: www.wagenbach.de

  • Das Ende der Willkommenskultur

    Im Herbst 2015 öffnete Deutschland seine Türen für uns. Es fanden viele Veranstaltungen an Bahnhöfen statt. Die Willkommenskultur war ein wichtiger Aspekt bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Herbst 2015. Wir wurden von den deutschen Staatsbürgern unterstützt. Diese Menschen haben uns freiwillig geholfen. Ich bin 2015 in Hessen gelandet. Dort wurden beispielsweise mehrere Restaurants für uns eingerichtet, die auf uns warteten.  Ich werde niemals das Lächeln eines Mädchens am Hauptbahnhof in München vergessen, als sie mir gesagt hat: „Welcome to Germany!“ Als Erstes habe ich am Hauptbahnhof viele Bilder von deutschen Staatsbürgern gesehen, die die Flüchtlinge begrüßt haben. Ich habe mich in Deutschland und in die Deutschen verliebt.

    Eigentlich wollte ich nach Schweden, denn dort habe ich ein paar Verwandte. Aber nach einem Blick auf die Willkommenskultur habe ich meine Meinung geändert.

    In Frieden leben

    Die Polizei war auch sehr nett, sie hat mich gut behandelt. Ich kann eine Frau nicht vergessen, die zu mir kam und mich fragte, ob ich Englisch spreche. Meine Antwort war JA und dann hat sie mir gesagt: „Willkommen in Deutschland, hier wird Ihr Leiden enden. Hier lebt ihr in Sicherheit und Frieden, hier seid ihr nicht fremd.“ Sie hat mich nach Syrien, nach meiner Familie gefragt. Ihre Augen waren voller Tränen. Ihre Entscheidung war es, Flüchtlinge freiwillig zu betreuen und ihnen zu helfen.

    Ich hatte Glück, sie hat mir angeboten, zweimal in der Woche Deutsch mit mir zu lernen. Wir haben uns schnell kennengelernt. Nach vier Einheiten Deutschunterricht waren wir echte Freunde. Sie hat mir die Sprache effizient und zuverlässig beigebracht.

    Eine neue Familie

    Und ich bin sogar ihr Mieter. Sie besitzt eine leere Zwei-Zimmer-Wohnung im Dach ihres Hauses. Sie stellte mich ihrer Familie vor und ich habe ihre Familie kennengelernt. Jetzt bin ich Teil ihrer Familie. Ich bin ihr sehr dankbar! In meinem Vorstellungsgespräch für einen Job habe ich meinen Chef von ihr erzählt. Er schüttelte seinen Kopf und sagte: „Siehst du, die Deutschen sind toll!“

    Aktuell hat sich die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland gewandelt. Es gibt viele Demonstrationen gegen Flüchtlinge, viel Hetze im Internet. Und auch Abschiebung und Rückführungen nach Afghanistan. Die sexuelle Belästigung in Köln in der Silvesternacht hat alles geändert, auch die Stimmung. Ich sehe in der Silvesternacht 2016 das Ende der Willkommenskultur. Ein Attentat auf einen deutschen Politiker, der Flüchtlinge unterstützt und Brandstiftungen in Flüchtlingsheimen kommen nicht aus dem Nichts. Sie sind Folge von rechtsextremer Hetze.

    Verantwortung der Flüchtlinge

    Wir als Flüchtlinge haben auch Verantwortung. Wenn jemand  gerne in einer Gesellschaft lebt, wo er Respekt finden möchte, dann sollte er ein aktives Mitglied dieser Gesellschaft sein. Wir müssen das negative Bild von Flüchtlingen ändern. Viele Medien haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, das öffentliche Bild von Flüchtlingen zu schädigen, vor allem nach den Bombenanschlägen in Europa. Aber die größte Verzerrung der Flüchtlinge in Europa liegt in den Händen der Flüchtlinge selbst. Wenn beispielsweise ein Flüchtling drei Jahre lang bleibt, aber die Sprache nicht lernt und auch nicht arbeitet, dann wirft dies ein negatives Licht auf uns Flüchtlinge.

  • Drittes Hörbuch: Schuld

    Refugees worldwide – Reportagen über Flucht weltweit: Das war ein Projekt der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e. V. Um den weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine Stimme zu geben, schreiben Autorinnen und Autoren aus aller Welt die Schicksale von Geflüchteten auf. Sie fangen Momente und Ereignisse ein, die zugleich eine jahrzehntelange Vorgeschichte haben. Lilli Janik vom Flüchtling-Magazin liest die Reportagen.
    Unsere dritte Folge führt in eine Region, aus der wir in Deutschland vergleichsweise wenig über Flucht und Vertreibung mitbekommen: Myanmar. Eine junge Frau berichtet, wie sie die Freundschaften ihrer Jugend aus den Augen verlor und später feststellen muss, dass ihre Bekannten aus ihrem Dorf vertrieben wurden. Der Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen hat eine lange Geschichte in Mayanmar, die in diesem Einzelschicksal spürbar wird.
    https://soundcloud.com/fluechtling-magazin/schuld
    Das Buch zur Reportage-Reihe kann hier bestellt werden: www.wagenbach.de

  • Frieden: Die Schönheit im Anderen sehen

    Die Erfahrungen aus meiner Vergangenheit sind nicht schön. Sie sind gekennzeichnet durch Schmerz, Qual, Leiden, Folter und die knappe Flucht vor dem Tod. Ich komme aus einem Land, das von unaufhörlichen Morden, Konflikten, Terrorismus, Krisen, Entführungen, Militanz und der unmenschlichen Gewalt durch die gefürchtete Gruppe Boko Haram verwüstet wird.

    Kein Frieden in Nigeria

    Die Existenz von Boko Haram und den jetzt militarisierten Fulani-Hirten hat das Land Nigeria und seine Bürger in Angst und Schrecken versetzt. Es gibt keinen Frieden im Land. Der Nordosten wird belagert. Die mittleren Gürtelstaaten befinden sich im Chaos. Die südliche Region, die reich an Ölvorräten ist, wurde bombardiert, die Bodenschätze gestohlen und Einrichtungen des Staates zerstört.

    Die Geschichte von Trauer, Qual und Schmerz in Nigeria ist endlos. Es scheint keinen möglichen Ausweg zu geben, um die Probleme in absehbarer Zeit zu beheben. Denn diejenigen, die sich an der Macht befinden, unterdrücken durch systemische Korruption, Vetternwirtschaft, Faschismus und Militärdemokratie den Rest des Landes. Damit verhindern sie die Bildung einer sozial liberalen Zivilgesellschaft und Pressefreiheit.

    Leben mit Angst und Unsicherheit

    Das Handeln der gescheiterten Regierung von Präsident Muhammadu Buharis hat dafür gesorgt, dass die schändlichen Gruppen ermutigt und unterstützt werden. Diejenigen, die vom „Mayham“ – dem Chaos, der Verwüstung – profitieren, sind die im Korridor der Macht. Gleichzeitig leiden und sterben unzählige unschuldige Zivilisten und müssen weiterhin in ständiger Angst und Unsicherheit leben.

    Das Streben nach Frieden und dessen Nachhaltigkeit weltweit ist uns allen ein großes Anliegen. Ich möchte in diesem Zusammenhang das Wort von Martin Luther King Jr. aufnehmen und umformulieren: „Kein Frieden irgendwo ist eine Bedrohung für den Frieden überall.“ Und ich verweise auch auf die Bemühungen von Weltorganisationen wie den Vereinten Nationen, die sich für die Förderung und Erhaltung des Weltfriedens einsetzen.

    Unfrieden anderswo bedroht den Frieden überall

    In der jüngsten Vergangenheit, am Sonntag, dem 21. April 2019, wurden Gläubige im ostasiatischen Bundesstaat Sri Lanka, die sich zur Feier der Wiederauferstehung Jesu Christi versammelt hatten, in einem willkürlichen Ausmaß von Terroranschlägen ermordet. Die Bombenexplosionen verursachten den Tod von 290 Menschen und verletzten viele weitere Menschen schwer.

    Neben dem Angriff auf Sri Lanka, der sich gegen Christen richtete, gab es auch einen ähnlichen Angriff im einst terrorfreien Neuseeland. Bei diesem Waffenangriff stand die Tötung von Muslimen im Mittelpunkt des Schützen. Es war ein schreckliches Ereignis, das ebenfalls viele unschuldige Opfer forderte. Dem Terrorakt in Neuseeland folgte nur wenige Wochen später das Attentat auf eine jüdische Gemeinde in Kalifornien in den Vereinigten Staaten von Amerika.

    Egal, ob es sich um einen Angriff von Muslimen auf Christen oder um einen Angriff von Christen auf Muslime handelt – fast täglich berichten unsere Medien über beunruhigende Geschichten, über Konflikte, Krisen, Kriege und die damit verbundenen Schmerzen, Qualen, Ängste, Leiden von Menschen.

    Feindseligkeit zwischen Bauern und Hirten

    Besonders in Afrika, so auch in Nigeria, wo die Feindseligkeiten zwischen Bauern und Hirten wieder aufleben, ist das Leiden groß. Die fundamentalistische islamische Boko Haram-Miliz, die die gesamte Sahelsahara- und Westafrika-Region mit bereits zehntausenden Toten verwüstet hat, ist eines der traurigsten Beispiele für den Terror auf diesem Kontinent. Die Stärke der Gruppe wuchs zweifellos durch das Scheitern der Regierungssysteme in den afrikanischen Staaten. Natürlich spielt auch die Unterstützung anderer terroristischer Organisationen wie Al-Shaababab, Isis und Al-Qaeda eine große Rolle.

    In Venezuela und in der indisch-pakistanischen Grenzregion –  ja,  fast auf der ganzen Welt – herrschen Krieg und Konflikte. Und deshalb sollte der Ruf nach Frieden auch in diesem Moment lauter sein als je zuvor.

    Aus den Weltkriegen lernen

    Die schlimmen Erfahrungen der Weltkriege des 20. Jahrhunderts bieten den Menschen eine Lehre, aus der sie lernen können. Die unermessliche Zerstörung dieser Kriege ebnete zumindest den Weg für die Etablierung einer internationalen, multikulturellen Organisation wie den Vereinten Nationen.

    Die UNO hat neben anderen Funktionen den Auftrag, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren. Sie wirkt hin auf freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen. Durch internationale Zusammenarbeit erfährt das Handeln der Nationen eine Harmonisierung und zielt darauf ab, einen weiteren Konflikt zu verhindern.

    Obwohl ihre Mission zur Erhaltung des Weltfriedens in den ersten Jahrzehnten des Kalten Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion und ihren jeweiligen Verbündeten im Laufe der Jahre scheinbar kompliziert war, können ihre Bemühungen um die Erhaltung des Weltfriedens nicht genug betont werden. Die Organisation hat Fortschritte bei der Wiederherstellung des Friedens in den bisher vom Krieg verwüsteten und konfliktreichen Regionen der Welt gemacht.

    Der Völkermord an den Hutu und Tutsi, der über 800.000 Ruandern das Leben kostete, wurde durch den wirksam koordinierten Mechanismus der Vereinten Nationen für Frieden und Konfliktlösung gestoppt. Glücklicherweise leben die Bewohner dieses Landes heute in gegenseitigem Verständnis, Toleranz und nachhaltigem Frieden.

    Durch ein gemeinsames Ziel verbunden

    Als Flüchtling habe ich ebenfalls versucht, die Zusammenarbeit und den Frieden zwischen in Deutschland lebenden Flüchtlingen zu analysieren und zu bewerten. Im Lager der LEA Mannheim, in dem ich wohne, aber auch in den meisten Lagern in ganz Deutschland bietet das Verhältnis des friedlichen Zusammenlebens unter Flüchtlingen eine interessante Fallstudie.

    Ich habe festgestellt, dass diese Flüchtlinge trotz unterschiedlicher Nationalität, Herkunft, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Sprache, sozialer und politischer Perspektiven offensichtlich an ein gemeinsames Ziel gebunden sind. So leben sie in den Lagern herzlich und in Frieden zusammen. Offenbar haben die selbstlosen und vorsichtigen Bemühungen der Sozialarbeiter und Pflegekräfte, die in diesen Lagern tätig sind, eine wesentliche Rolle in dieser Hinsicht gespielt.

    Einzigartigkeit der Nachbarn schätzen

    Bei der Ankunft im Lager werden die Flüchtlinge ermutigt, angeleitet und auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Werte anderer Bewohner und Gastgeber zu schätzen und zu respektieren. Kein Wunder, dass mein Freund aus der Region Kurdistan im Irak, der sich in Deutschland aufhält, Stipendiaten aus anderen Regionen in den Nahostländern schätzt und mit ihnen zusammenlebt. Hier ist der Muslim ein Freund eines Juden. Und der palästinensische Gefährte speist in derselben Cafeteria, sitzt von Angesicht zu Angesicht mit einem Israeli zusammen. Beide haben ein Lächeln auf dem Gesicht. Dies wird zweifellos nur dadurch ermöglicht, dass wir die Einzigartigkeit unserer Nachbarn schätzen.

    Am Beispiel Ruandas und durch meine fast dreijährige Erfahrung als Flüchtling gibt es ein gutes Argument, dass der Weltfrieden erreicht und erhalten werden könnte. Ich weiß: Es gibt die Möglichkeit der gegenseitigen Toleranz, des Zusammenlebens, des Respekts, der Liebe und des Friedens, und zwar durch die Wertschätzung der Werte anderer.

    Wertschätzung für individuelle Unterschiede

    Konfuzius (551 v. Chr. – 479 v. Chr.), der chinesische Lehrer, Herausgeber, Politiker und Philosoph, sagte einmal: „Alles hat Schönheit. Aber nicht jeder sieht es.“ Ich glaube, dass wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten sollten, das Wesen in jedem Menschen zu schätzen. Das ist die Grundlage für den globalen Frieden.

    Es geht nicht um unsere Farbe, unsere Herkunft, unseren Hintergrund, unseren Status oder unsere Geographie, die uns durch Gedanken trennen. Vielmehr geht es darum, dass Menschen das Gute und die Schönheit in anderen Menschen sehen. Wir müssen ein tiefes Bewusstsein der Wertschätzung der individuellen Unterschiede entwickeln, die zwischen uns bestehen. Durch die Wertschätzung sehen wir diese Einzigartigkeit unter uns als ein wahres Werkzeug für die globale Entwicklung, die vom Frieden zwischen den Menschen eingeleitet wird.

    Unsere Welt durchläuft zweifellos schwierige und beunruhigende Zeiten. Dies zeigt uns die Notwendigkeit, umzugestalten, zu lernen und mehr Anstrengungen zu unternehmen, uns hinzusetzen und miteinander zu sprechen. Denn wenn wir reden, verstehen wir auch uns selbst besser. Und indem wir uns selbst verstehen, lernen wir, auch andere zu schätzen. Durch Anerkennung fördern wir die Liebe. Durch die Liebe könnten wir glücklich zusammenleben. Das ist unser größter Wunsch. Dass dadurch Frieden erreicht werden kann.

    Es wird Friede sein!

  • Zweites Hörbuch: Syrische Flüchtlinge im Libanon

    Refugees worldwide – Reportagen über Flucht weltweit: Das war ein Projekt der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e. V. Um den weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine Stimme zu geben, schreiben Autorinnen und Autoren aus aller Welt die Schicksale von Geflüchteten auf. Sie fangen Momente und Ereignisse ein, die zugleich eine jahrzehntelange Vorgeschichte haben. Lilli Janik vom Flüchtling-Magazin liest die Reportagen.
    In unserer zweiten Folge geht es um fünf Menschen aus Syrien, die im Libanon Schutz vor dem Krieg suchen. Die libanesische Autorin Alawiyya Sobh erzählt die Schicksale von Nawal, Muhammad, Murad, Amer und Basma und beschreibt eindrücklich, wie ihre Flucht ins Nachbarland zu Glück und Unglück führt.
    WARNUNG:
    Wir möchten darauf hinweisen, dass einige Inhalte dieser Folge für Menschen mit Gewalterfahrungen traumatische Erinnerungen auslösen können. Da es in der ersten Geschichte von Nawal auch um Vergewaltigung geht, kann sie für Opfer von sexueller Gewalt besonders aufwühlend sein.
    https://soundcloud.com/fluechtling-magazin/syrische-fluchtlinge-im-libanon-bestraft-fur-den-traum-von-freiheit
    Das Buch zur Reportage-Reihe kann hier bestellt werden: www.wagenbach.de

  • Fluchtursachen

    Viele Menschen befinden sich gerade auf der Flucht. Wir tragen alle dafür die Verantwortung. Doch über die Fluchtursachen wird kaum gesprochen. Stattdessen wird viel darüber diskutiert, wie die Anzahl der Flüchtlinge reduziert werden könnte. Viele Politiker fordern eine Beschleunigung der Abschiebung. Das ist grausam, denn die Polizei bringt Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltsstatus im äußersten Fall mit Gewalt außer Landes. Das Thema „Flüchtlinge“ spielt eine große Rolle in den Wahlprogrammen der Parteien. Asylbescheide werden dauerhaft und ständig geprüft. Auch die Situation in den Herkunftsländern der Geflüchteten wird alle sechs Monate geprüft. Deshalb wird oft darüber gefachsimpelt, ob nicht doch die Möglichkeit der Abschiebung besteht. Dazu kommt, dass die Bundesregierung zahlreiche Gesetzesänderungen in den Bereichen Migration und Asylrecht plant. Der Familiennachzug wurde ausgesetzt und eingeschränkt. Dabei wird ignoriert, dass sich derzeit mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht befinden.

    Die Heimat in den Augen der Betroffenen

    Aber wie sehen die Geflüchteten selbst die Situation in ihren Herkunftsländern? Lassen Sie mich dazu etwas aus meiner persönlichen Erfahrung berichten.

    Ich komme aus Syrien. Dort bin ich ausgewachsen und dort habe ich studiert. Ich hatte in der Vergangenheit ein tolles Leben. Dann kam der Krieg, den ich von 2011 bis 2015 miterlebt habe. Der Gedanke an meine Heimat ist seither von schlechten Erinnerungen geprägt. Jede syrische Familie hat eine traurige Geschichte zu erzählen. Syrien bedeutet für uns nur mehr Explosionen und Krieg. Obwohl die Lage inzwischen etwas besser geworden ist, herrschen dort nach wie vor Verfolgung, Armut und Unsicherheit.

    Ein Trümmerhaufen: Das Haus von Shadis Familie in Syrien. Foto: Shadi Al Salamat

    Wenn ich an meine Heimat Syrien denke, habe ich Bilder von zerbombten Häusern, von Schießereien und Toten vor Augen. Die Mitglieder meiner Familie wurden in verschiedene Länder vertrieben. Ich bin der einzige, der in Deutschland lebt. Damit bin ich nicht allein – vielen Geflüchteten geht es ähnlich. Auch sie leben unter den diesen Umständen in Deutschland.

    Wer sagt, dass wir alles verloren haben, spricht leider die Wahrheit. Denn wir haben unsere Familien verloren, unsere Verwandten und unsere Zukunftsperspektive. Viele von uns haben sogar ihre Persönlichkeit und ihre Identität verloren.

    Wer ist Schuld?

    Fest steht: Flucht ist  keine freiwillige Option. Immer mehr Menschen sind dazu gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen und ihr Zuhause zu verlassen. Es gibt viele Gründe und Faktoren, die dazu führen, dass sie dieses Schicksal auf sich nehmen. Die führende Rolle spielt hierfür der Krieg. In vielen Ländern auf der Welt herrscht Krieg oder ein bewaffneter Konflikt. Über 60 Millionen Menschen sind hiervon betroffen.

    Armut macht krank – und Krankheit macht arm. Weltweit leiden rund 700 Millionen Menschen unter extremer Armut. Mit der Armut stellt sich Chancenlosigkeit und Perspektivlosigkeit ein. Die Armut setzt der Menschlichkeit zu und steigert die Kriminalität. Das motiviert viele Menschen aus ihrer Heimat zu fliehen. Kein Mensch kann es ertragen, seine Kinder hungern zu sehen. Sie vor den eigenen Augen sterben zu sehen.

    Viele Menschen leiden zudem wegen ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung unter Diskriminierung. Dabei sind alle Menschen gleich frei, haben dieselbe Würde und wurden mit denselben Rechten geboren. Jeder von uns verdient diese Rechte – unabhängig von seiner Sprache, seiner Religion, seiner Hautfarbe und seiner Herkunft.

    Ich bin davon überzeugt: Die Flüchtlingskrise wird erst beendet werden können, wenn wir all diese Probleme gelöst haben. Wenn Krieg, Armut und Diskriminierung besiegt wurden. Und nicht durch eine Verschärfung des Asylrechts!

  • Unser erstes Hörbuch: Sie haben keine neuen Nachrichten

    Um den weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine Stimme zu geben, schreiben Autorinnen und Autoren aus aller Welt die Schicksale von Geflüchteten auf. Sie fangen Momente und Ereignisse ein, die zugleich eine jahrzehntelange Vorgeschichte haben. Lilli Janik vom Flüchtling-Magazin liest die Reportagen.
    In der ersten Geschichte geht es um eine Familie, die Syrien verlassen muss und auf tragische Weise getrennt wird. Hashem erreicht Schweden allein und will seine Familie aus Ägypten nachholen. Ein Fehler im Pass seiner Frau legt ihm Steine in den Weg. Wird es gelingen, sie und die drei Kinder in Europa wiederzusehen? Patrick Kingsley hat die Familie begleitet und ihre Geschichte dokumentiert.
    Das Buch zur Reportage-Reihe kann hier bestellt werden: www.wagenbach.de

  • Katastrophenhilfe braucht Humanitäre Logistik

    So war er beispielsweise in brasilianischen Flüchtlingslagern in Teresópolis und Petrópolis im Einsatz. 2011 wurden dort nach heftigen Unwettern ganze Stadtviertel durch gewaltige Lawinen aus Schlamm und Gesteinsbrocken weggeschwemmt. Tausende Menschen wurden dadurch obdachlos. Douglas Sant’ Anna da Cunha ist u. a. Berater des brasilianischen und mexikanischen Roten Kreuzes sowie Autor eines Buches über Humanitäre Logistik*.

     

    Die erste Aufgabe des Logistikers eines Flüchtlingslager besteht darin, die lebenswichtigen Ressourcen wie Lebensmittel, Wasser, Hygiene- und Reinigungssets, Kleidung und Schuhe für die dort lebenden Menschen zu koordinieren. Der Bestand an diesen Gütern wird strukturiert oder in machen Fällen auch umstrukturiert. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Geflüchteten und Kranken in den Flüchtlingslagern oder Krankenhäusern stets mit ausreichend Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden können.

    Der erste Schritt bei der Planung und Entscheidungsfindung eines Logistikfachmanns in der Katastrophenhilfe besteht darin, die Zielgruppen quantitativ zu bewerten. Es ist wichtig, so viele Informationen wie möglich über die geflüchteten Menschen zu generieren. Nur so ist es möglich, alle zufriedenstellend unterzubringen, zu verpflegen und zu behandeln. Dabei müssen die Logistiker immer berücksichtigen, dass die Zahlen bei der Ankunft von neuen Opfern abweichen können.

    So war beispielsweise das Flüchtlingslager in Domeez unweit der Stadt Dohuk im irakischen Kurdengebiet für nur rund 20.000 Menschen ausgerüstet. Tatsächlich aber lebten dort zwischen 2011 und 2014 zeitweise mehr als 35.000 syrische Flüchtlinge, die die syrische Grenze zum Irak überquert hatten, um in Domeez Zuflucht zu suchen.

    Die Strukturen im Flüchtlingslager

    Wenn der Informationsfluss aller Beteiligten funktioniert, kann die Verteilung der Hilfgüter beginnen. Wichtig bei der Planung ist es, die Art der Unterbringung der Geflüchteten zu beachten. Viele der Zeltlager sind improvisiert. Oft gibt es keine Infrastruktur und die Beschaffung von Produkten für den Dauereinsatz oder die Wartung der Anlagen lassen zu wünschen übrig. Es geht nicht nur darum, Hilfsgüter zu lagern und zu verteilen. Ziel ist es auch, Verbesserungen der Wohnstruktur zu treffen und grundlegende Dienstleistungen für die Geflüchteten zu organisieren, z.B. die Kontrolle der Trinkwasserqualität.

    Wenn es keine Sanitärstruktur gibt, hat das unangenehme Folgen. Die Ableitung von Abfällen aus den Latrinen muss geregelt werden.  Nur so lassen sich Gesundheitsschäden verhindern. Normalerweise wächst ein Lager sehr schnell und unerwartet. Deshalb fehlen oft für lange Zeit Sanitärsysteme, die die Bedürfnisse der Geflüchteten decken. Dadurch entsteht ein hohes Krankheitsrisiko.

    Es ist belastend zu wissen, dass es sich bei den Geflüchteten um Menschen handelt, die einmal ein Zuhause und Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung hatten. Nun haben sie alles das verloren. Umso wichtiger ist es bei der Umsetzung des logistischen Prozesses, die Ressourcen sorgfältig strukturiert zu managen. Nur so kann man den Anforderungen dieser Familien gerecht werden.

    Schließlich befinden sich die Geflüchteten in einem Ausnahmezustand. Dadurch sind sie besonders anfällig für physische und psychische Erkrankungen. Das vorrangige Ziel ist es deshalb, ihnen ein Leben in Sicherheit mit strukturierten Tagesabläufen zu ermöglichen und ihnen Hoffnung zu geben, schon in naher Zukunft ein neues Leben beginnen zu können.

    Die Ursachen der Probleme außerhalb der Lager bekämpfen

    Leider ist die Situation in den Lagern oft extrem angespannt. Meist liegen sie nur unweit von Orten, in denen es nach wie vor zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. In einigen Regionen, etwa in Flüchtlingslagern im Sudan, wurden Entführungen durch extremistische Gruppen wie der Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) gemeldet. An anderen kam es zu Gewalttaten gegen Frauen und Kinder.

    Der logistische Prozess bei humanitären Hilfsmaßnahmen sollte sich deshalb generell nicht nur um die Gewährleistung der Menschenrechte innerhalb der Lager drehen. Wichtig ist auch die Veränderung der Verhältnisse in den Herkunftsgebieten der Geflüchteten. Es geht darum, die notwendigen Ressourcen für den Bau von Wohnungen, die Strukturierung von Dienstleistungen und die Umsetzung von Mitteln zur Stärkung der Wirtschaft in den betroffenen Regionen bereitzustellen. Erst dann können sich die Lebensumstände der Betroffenen nachhaltig verbessern.

    Schließlich fliehen die allermeisten ja nicht willentlich aus ihrer Heimat, sondern vor den Problemen, die dort herrschen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Hauptfaktoren für die Migration der Menschen aus diesen Gebieten mit Natur- oder Technologie-Katastrophen wie Kriegen und Konflikten, mit Hunger, Durst und Krankheiten zu tun haben.

    Um es Geflüchteten zu ermöglichen, in ihre Heimat zurückkehren zu können und die Probleme vor Ort zu lösen, müssen alle Beteiligten gehört werden. Das gilt besonders für diejenigen, die direkt oder indirekt von den Katastrophen betroffen sind. Und zwar ohne, dass bestimmten Nationen oder Gruppen vorgeworfen wird, sie wollten durch populistische Maßnahmen polarisieren. Um Flüchtlingskrisen zu beenden, müssen Probleme an ihrem Ursprung gelöst werden. Nur zusammen werden wir stark sein, aber zusammen für den richtigen Zweck und nicht für Staaten, Armeen oder Flaggen.

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