Schlagwort: Einbürgerung

  • Vom Erhalt von Staatsangehörigkeiten und von solchen, die man nicht los wird

    „Ich bin Deutsche.“ Ich sage das nüchtern, so wie ‚ich bin 25 Jahre‘ oder ‚ich bin 1,60m‘. Ich bin nicht damit geboren, es ist dazu gekommen, so wie die Jahre zu meiner Altersangabe oder die Zentimeter zu meiner Körpergröße. Wobei es kein passiver Vorgang war, ich habe den Prozess von ‚nicht vorhanden‘ zu Häkchen bei der Auswahlkategorie ‚deutsche Staatsangehörigkeit‘ selbst angestoßen.

    Der Antrag

    Der Antrag kostete mich 255 Euro + 10 Euro für die Beantragung meiner Geburtsurkunde + die Kopierkosten für Unterlagen wie Schulabschlusszeugnis und Bafög-Bescheid als Gehaltsnachweis. Da ich in Deutschland geboren und zur Schule gegangen bin, entfiel für mich der Einbürgerungs- und Sprachtest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Einbürgerungstest ohne Vorbereitung bestanden hätte, aber der deutsche Staat hat Vertrauen in seine Schulbildung. Die auszufüllenden Formularseiten fand ich auch interessant. Wie bei einer Multiple-Choice Aufgabe galt es beispielsweise auszuwählen, ob ich einer rechts- oder linksradikalen, antisemitischen oder terroristischen Vereinigung angehöre oder aber keinem von allen.

    Termin im Standesamt

    Der Termin, der mir dann als Zwanzigjährige (ich habe das Datum auf der Einbürgerungsurkunde nachgeschaut) den Zusatz zu meinen Personenangaben beschert hat, fand im Standesamt statt. Nicht zum ersten Mal, oder zum ersten Mal so konkret kam mir die Frage: Gibt es in Deutschland ein Standessystem, gibt es höhere und niedrigere Stände? Laut der Website der Bundeszentrale für politische Bildung sei die deutsche Ständegesellschaft in der Zeit vom Mittelalter bis 1918 zu verorten. Ab 1918 gäbe es keine Vorrechte mehr für eine bestimmte Personengruppe.

    Tatsächlich habe ich den Antrag auf Einbürgerung oder anders gesagt auf Veränderung meines Standes aber gestellt, um ein Vorrecht zu gewinnen. Nämlich das Vorrecht auf Landes- und Bundesebene wählen zu dürfen. (Da ich durch Geburt eine andere EU-Staatbürgerschaft besaß, hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorrecht, auf kommunaler Ebene in Deutschland zu wählen.)

    Aufregung

    Ob ich im theoretisch nicht vorhandenen deutschen Ständesystem nun von hinten nach vorne oder von außen nach innen gerutscht bin, ich erinnere mich, ich war aufgeregt. Jetzt kann ich den Tag nicht mehr nennen, selbst das Jahr nicht auf Anhieb, nur dass es vor Corona war und nach 2017 (da lebte ich noch nicht in Marburg und ich weiß, den Antrag habe ich in Marburg gestellt). Ich erwarte, dass es mir bei dem einen Termin, den die meisten als erstes mit dem Standesamt verbinden, nicht so gehen wird. Es gibt wohl Wichtigeres im Leben als die Aufnahme einer Staatsbürgerschaft. Manchen mag es anders gehen.

    Bei dem Termin auf dem Standesamt in einem Raum wie jedem anderen Raum in solchen Ämtern, bekam ich von einer Angestellten, ich gehe mal davon aus einer Standesbeamtin, ein Papier in die Hand gedrückt. Ich sollte es vorlesen, etwas wie „ich will das deutsche Grundgesetz halten“, stand darauf.

    Auf einer Ecke ihres vollgepackten Schreibtischs musste ich dann unterschreiben, dass sie mir mitgeteilt hatte, dass der deutsche Staat unter gewissen Umständen nicht zu mir halten kann. Dort, wo ich andere Staatsangehörigkeiten besitze, in meinem Fall Belgien und Iran. Diese beiden Staatsangehörigkeiten durfte oder musste ich von deutscher Seite aus behalten. Die belgische, weil es eine Regelung gibt, dass eine EU-Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Deutschland behalten werden darf; die iranische, weil das iranische Zivilgesetz mich diese Staatsangehörigkeit nicht aufgeben lässt.

    Die iranische Staatsbürgerschaft

    Das Interessante ist dabei, dass der iranische Staat nichts von meiner Existenz weiß, da ich in Deutschland geboren bin und mein Vater nie bei irgendeinem iranischen Amt angegeben hat, dass ihm in Deutschland eine Tochter geboren wurde. Der deutsche Staat aber, wie immer bestrebt superkorrekt zu sein, kennt das iranische Zivilgesetz. Das besagt, wer einen iranischen Vater hat, hat automatisch die iranische Staatbürgerschaft. So wurde dies auch bei mir im Geburtenregister erfasst. Bis ins Alter von sechzehn Jahren wusste ich nichts davon.

    Erst mit einem Umzug von einer deutschen Stadt in die nächste und die Anmeldung des neuen Wohnsitzes auf dem Bürgeramt fiel mir dieser kleine Zusatz unter den Angaben zu meiner Person auf. Ich war mir sicher, dass es sich um einen Tippfehler handelte und wollte, dass man das Adjektiv iranisch strich. Die Sachbearbeiterin war überfragt und wandte sich an ihren Chef. Der lud mich in sein Büro und erklärte mir, dass alles richtig sei, ich sei Iranerin, ob ich wollte oder nicht. Also fand ich mich damit ab: „Ich bin Iranerin.“

    Dass ich Iranerin bin, wird mir unmissverständlich vor Augen geführt, wenn ich in Israel einreise. Egal ob ich den belgischen oder deutschen Pass am Flughafenschalter für das Touristen-Visum vorzeige, die erste Frage lautet immer: „What is the origin of your family name?“ und die zweite: „Where was your father born?“ Dann wird mein Pass einbehalten und ich zu intensiven Befragungen geschickt, dazwischen lange Wartezeiten. Da sitze ich dann, ohne Pass. Und der Pass, den ich vorgezeigt hatte, scheint eh nicht von Belang, den alles was hier zählt, ist die Staatangehörigkeit, die mir vererbt ist und sich nicht ablegen lässt.

    Im Marburger Standesamt

    Aber jetzt zurück ins Marburger Standesamt ins Jahr 2018. Und zurück zur Info, dass ich im Iran als Iranerin behandelt werde und  bei Schwierigkeiten, die mir dort womöglich begegnen, der deutsche Staat sich nicht für mich einsetzten werde. Da ich bis dato nie im Iran war und mir sowieso nichts anderes übrigblieb, unterschrieb ich. Nach diesem recht mechanischen Vorgehen von Vorlesen und Unterschrift leisten, bekam ich die Einbürgerungsurkunde überreicht. Wobei überreicht zu feierlich klingt, eher ausgehändigt. Einen Pass oder Personalausweis habe ich nicht in die Hand gedrückt bekommen, den musste ich nochmal extra beantragen und extra bezahlen. Ich habe meine Jacke wieder angezogen und das Gebäude verlassen, so wie bei jedem anderen Termin auf einem deutschen Amt.

    Einladung des Bürgermeisters

    Ein paar Monate nach dem Termin im Standesamt, kam eine Einladung von der Stadt Marburg. Der Bürgermeister lud alle in diesem Jahr Eingebürgerten zu einem Empfang ins Rathaus ein. In mir machte sich Vorfreude breit. Die steckte meine Eltern und großen Bruder, die ich gefragt hatte, ob sie mich zu diesem Empfang begleiten wollen, nicht an. So ging ich mit einer Freundin, in langem Kleid mit hochgesteckten Haaren zu dem Termin. Nach der Rede des Bürgermeisters und dem Rahmenprogramm mit Musik und Gedichtlesung, wurde jede anwesende neu eingedeutschte Person einzeln nach vorne gerufen, insgesamt ca. 30 Personen.

    In einem Saal mit Holzvertäfelung, großen Gemälden und schicken Stühlen, überreichte mir der Bürgermeister nach kurzem Händeschütteln feierlich eine Orchidee. Ich habe sie nicht gehegt und gepflegt, sondern bei der nächsten Gelegenheit weiter verschenkt. Danach gab es noch Sektempfang mit Häppchen und Smalltalk. Zwei Kinder von einem meiner ägyptischen Uni-Dozenten waren da. Kurz sprach ich mit einem Iraner, einer Frau aus Südamerika und hielt nach einem Mitstudenten Ausschau, der die Einbürgerung auch in diesem Jahr beantragt und erhalten hatte.

    Er war nicht da. Ich weiß nicht wie viele nicht da waren. Zu meinem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft habe ich dank diesem Event ein Foto, auf dem ich mit Tina und Orchidee vor dem Marburger Rathaus stehe, sowie die oben geschilderten bruchstückhaften Erinnerungen.

    Zu dem Erhalt meiner anderen beiden Staatsangehörigkeiten gibt es auch ein Foto. Die neugeborene Persis mit zusammengekniffenen Augen im Arm ihrer Mutter im Krankenhausbett. Wobei ich wie gesagt, bis zu meinem 17. Lebensjahr immer davon ausgegangen bin ich sei nur belgische Staatsbürgerin. Und das dachte ich, sei fest, könnte mir keiner absprechen, außer ich selbst vielleicht.

    Post von der belgischen Botschaft

    Dann aber bekam ich in demselben Jahr, in dem ich mich in Deutschland einbürgern ließ, einen Brief von der belgischen Botschaft in Berlin. In dem Schreiben wurde ich darüber informiert, dass ich als im Ausland geborene Belgierin, die nie ihren Wohnsitz in Belgien hatte und eine andere Staatsbürgerschaft besitzt, mit dem Erreichen des 28. Lebensjahres meine belgische Staatsangehörigkeit verliere. Ich hätte aber die Möglichkeit einen Antrag auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu stellen.

    Ich war schockiert. Ich war gerade dabei meine deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, aber mein jüngerer Bruder nicht. Würde er die belgische Staatbürgerschaft verlieren, hätte er nur noch die iranische.

    Aber auch ich wollte die belgische Staatbürgerschaft nicht verlieren. Denn wenn ich etwas seit meiner Geburt zum Thema Staatbürgerschaft über mich sagen konnte, war es das: „Ich bin Belgierin.“ Den Satz, „Ich bin Belgierin.“, wollte ich nicht aus meinem Repertoire streichen. Wie bei der Einbürgerung in Deutschland, galt es eine Gebühr zu zahlen. Ich weiß nicht mehr wie hoch, eine Geburtsurkunde und zudem Meldebescheinigung einzureichen.

    Anders als beim deutschen Staat war meine finanzielle Situation, Sprach- oder Landeskenntnisse nicht von Belang. Kurz darauf wurde ich ins belgische Generalkonsulat in Berlin eingeladen, um dort die Urkunde auf Beibehaltung der belgischen Nationalität zu unterschreiben. Von der Mitarbeiterin, die mich dort empfing erfuhr ich, dass sie mich gewissermaßen aus Kulanz über den möglichen Verlust informiert hatte. Ich hätte die belgische Staatsbürgerschaft unbemerkt verlieren können. Ich hoffe, dass die eine Unterschrift genügt, um mir auf Lebenszeit die belgische Staatsangehörigkeit zu erhalten. Bisher verbindet mich zwar augenscheinlich nur die Wahlpflicht mit Belgien, denn wer in Belgien bei den nationalen Wahlen nicht wählt, bezahlt eine Strafe.

    Ich bin ein Mensch

    Missen will ich jetzt aber weder die belgische noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch an die iranische habe ich mich mittlerweile gewöhnt, wobei ich diese zugegebenermaßen recht stiefmütterlich behandle. Wenn bei Formularen eine Staatsangehörigkeit angegeben werden soll, nenne ich meist zunächst die deutsche. Und in dem Feld für weitere Staatsangehörigkeiten notiere ich die belgische. Die iranische nenne ich nur dann, wenn ich mir sicher bin, dass diese auf positive Resonanz stoßen wird. Ansonsten lasse ich sie bei solchen unpersönlichen Abfragen meiner personenbezogenen Daten unter den Tisch fallen.

    Im Gespräch mit Personen, die über eine einzige Staatsbürgerschaft verfügen, sind meine drei Staatsangehörigkeiten meist der Renner. Ich weiß nicht wie viele Gespräche ich darüber schon geführt habe. Zum ersten Mal habe ich jetzt auch darüber geschrieben, als Deutsche, Belgierin und Iranerin.

    Vielleicht liegt die Faszination darin, dass eine Person, so viel mehr sein kann als eine Kategorie, ein Stand abbildet. Ich bin Inländerin, EU-Ausländerin und Nicht-EU-Ausländerin. Ich bin gleichzeitig Teil eines parlamentarischen Bundesstaats, einer parlamentarischen Monarchie und einer islamischen Republik. Das bedeutet manchmal wahrscheinlich viel mehr als ich begreifen kann und ein anders mal viel weniger als wonach es sich anhört. Und wenn ich oder jemand anderes dabei durcheinanderkommen sollte, oder mir die eine oder andere Staatsangehörigkeit abhanden käme, dann weiß ich: „Ich bin Mensch.“

     

    Weitere Beiträge zum Thema Staatsangehörigkeit findest du hier.

  • Einbürgerung – wie geht das?

    Ich lebe jetzt schon so lange in Deutschland, wie kann ich so richtig „Deutsche*r“ werden? 13% der in Deutschland lebenden Menschen haben nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Aber nur 2,5% der Menschen in Deutschland, die einen Anspruch auf Einbürgerung haben, lassen sich auch einbürgern. Woran liegt das?

    Liegt es vielleicht daran, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung so hoch sind? In erster Lesung liegt jetzt eine Gesetzesänderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vor, die die Einbürgerung in Deutschland erleichtern soll.

    Warum soll ich mich einbürgern? Welche Vorteile habe ich?

    • die freie Wahl des Aufenthalts und Wohnsitzes in Deutschland und allen Ländern der Europäischen Union (EU Freizügigkeit).
    • Unverwirkbares Aufenthaltsrecht : Keine regelmäßige Beantragung/Verlängerung  von Aufenthaltstiteln mehr und kein Gang zu ausländischen Konsulaten und Botschaften, um dort den Heimatpass zu beantragen oder zu verlängern.
    • freier Zugang zu allen Berufen, Zugang zum deutschen Beamtenstatus.
    • visafreie Reisemöglichkeit in 189 Länder und dort Schutz durch die deutsche Auslandsvertretung.Nur bei Reisen in das Herkunftsland kein Schutz durch die Bundesrepublik.
    • politisch mitentscheiden: wählen und gewählt werden (aktives und passives Wahlrecht).
    • Erlangung der sogenannten Deutschengrundrechte (Art. 8 Grundgesetz (GG) – Versammlungsfreiheit , Art. 9 Abs. 1 GG – Vereinigungsfreiheit, Art. 11 GG  – Freizügigkeit, Art. 12 GG – Berufsfreiheit).

    Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen? In Klammern stehen die möglichen Änderungen im Entwurf des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes:

    • seit 8 Jahren (Entwurf 5 Jahre) gewöhnlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland:

    Diese Frist kann (Ermessensentscheidung der Einbürgerungsbehörde) nach erfolgreichem Besuch eines Integrationskurses auf sieben Jahre verkürzt werden, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf sechs Jahre (Entwurf: 3 Jahre). Wichtig: Auch die Dauer des Asylverfahrens ist ein Teil dieser sechs Jahre. Bei staatenlosen Personen kann die Einbürgerungsbehörde die notwendige Aufenthaltsdauer ebenfalls auf sechs Jahre verkürzen.

    Wenn man mit einem*r deutschen Partner*in verheiratet ist, ist die  Einbürgerung nach 3 Jahren möglich. Familienangehörige lassen sich miteinbürgern. Der/die Ehepartner*in kann bereits nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland mit eingebürgert werden. Dafür muss man zwei Jahre als Ehepaar in Deutschland verbracht haben. Das Gleiche gilt für eingetragene Lebenspartner/-innen. Für Kinder unter 16 Jahren genügt ein dreijähriger Aufenthalt.

     

    • unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, eine Blaue Karte EU oder eine befristete Aufenthaltserlaubnis (z.B. subsidiärer Schutz), die ihrem Zweck nach zu einem dauerhaften Aufenthalt führen kann – keine Einbürgerung mit Duldung/Abschiebungsverbot oder im Asylverfahren!
    • Nachweis der Identität:

    Die Einbürgerungsbehörde muss die Identität und die bisherige Staatsangehörigkeit überprüfen. Dazu ist ein biometrischer Pass oder ein anderes Identitätsdokument mit Foto (zum Beispiel eine Identitätskarte) vorzulegen.

    Bei Vorlage eines Passersatzes für Ausländer ist dieser nur zu berücksichtigen, wenn die Angaben des Passes nicht auf eigenen Angaben beruhen, sondern aus anderen Dokumenten übernommen wurden. Wenn kein Pass vorgezeigt werden kann, gibt es noch andere Möglichkeiten, die Identität zu belegen:

    Vor allem mit anderen öffentlichen Dokumenten aus dem Herkunftsstaat, die biometrische Merkmale enthalten. Dazu gehören beispielsweise der Führerschein, ein Dienstausweis, ein Wehrpass oder eine Personenstandsurkunde mit Lichtbild. Wenn auch diese nicht vorhanden sind, bleiben noch andere Dokumente aus dem Herkunftsstaat, wie eine Geburtsurkunde, Taufbescheinigung, Heiratsurkunde, eine Meldebescheinigung oder Schulzeugnisse.

    • bestandener Einbürgerungstes:

    (Kenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie die Lebensverhältnisse in Deutschland). Hier ein Link zum Online Test: https://oet.bamf.de/ords/oetut/f?p=514:1:0

    • eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts:

    (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II. Kinder- und Elterngeld werden nicht in die Berechnung einbezogen.

    • ausreichende Deutschkenntnisse B1 (Entwurf: ab 67 Jahren nicht erforderlich)
    • keine Verurteilung wegen einer Straftat:

    Ausnahmen bestehen lediglich bei Verurteilungen wegen geringfügiger Straftaten, wie Strafen nach dem Jugendgerichtsgesetz, Geldstrafen von bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Monaten auf Bewährung, wenn die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurde.

    Dies gilt nicht, wenn im Rahmen der Verurteilung zu einer Straftat rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder menschenverachtende Beweggründe festgestellt wurden. In diesem Fall ist eine Einbürgerung nicht möglich. Aus dem Register getilgte Verurteilungen haben keine Relevanz.

    • Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:

    Likes in den Sozialen Medien für nicht verfassungskonforme Institutionen, Vereinigungen oder Seiten können von den Einbürgerungsbehörden überprüft werden und es erfolgt eine Aufforderung, diese Likes zu löschen. Also lieber vorher einmal die Likes überprüfen!

    • grundsätzlich der Verlust beziehungsweise die Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit (Entwurf: Doppelte Staatsangehörigkeit möglich)

    Die Heimatstaatsangehörigkeit kann man behalten, wenn man aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder der Schweiz kommt und der Heimatstaat dies zulässt.

    Einige Länder ermöglichen eine Aufgabe ihrer Staatsangehörigkeit nicht. Menschen aus folgenden Staaten können nach aktueller Rechtslage ihre Staatsangehörigkeit nicht aufgeben: Afghanistan, Algerien, Angola, Argentinien, Brasilien, Bolivien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Eritrea, Guatemala, Honduras, Iran, Kuba, Libanon, Malediven, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Panama, Syrien, Thailand, Tunesien und Uruguay. Stammt man aus einem dieser Staaten, kann die alte Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung bestehen bleiben.  Es gibt auch Länder, bei denen der Verlust automatisch eintritt, wenn man die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, z. B. China oder Kasachstan.

    Für diejenigen, die Ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, gilt Folgendes:

    Erst wenn über den Einbürgerungsantrag positiv entschieden wurde, kann oder darf man damit beginnen, die Heimatstaatsangehörigkeit aufzugeben.

    Liegen nun alle Voraussetzungen vor, sollte ein schriftlicher Antrag auf Einbürgerung bei der zuständigen Einbürgerungsbehörde gestellt werden. Dieser kann meistens aus dem Internet geladen werden. Alle Fragen sollten wahrheitsgemäß beantwortet werden.

    Folgende Unterlagen müssen dann in Kopie beigefügt werden. Bitte keine zusammengehefteten Dokumente und nie Originale! Das kann nun persönlich bei der Einbürgerungsbehörde abgegeben werden oder aber per Post (Einschreiben mit Rückschein) geschickt werden:

    • ausgefüllter und unterschriebener Antrag
    • Lichtbild
    • Handgeschriebener Lebenslauf
    • Herkunftspass, bzw. Nachweis der Identität durch einen anderen biometrischen Ausweis
    • Geburtsurkunde (Kopie der Originalkunde mit beglaubigter Übersetzung)
    • Heiratsurkunde (Kopie mit beglaubigter Übersetzung)
    • Urkunde über den Einbürgerungstest oder Abschlusszeugnis einer deutschen allgemeinbildenden Schule
    • Zertifikat über B1 Sprachkurs oder Abschlusszeugnis einer allgemeinbildenden deutschen Schule
    • Einkommensnachweis (Arbeitsvertrag und Einkommensnachweise der letzten 3 Monate)
    • Aufenthaltstitel
    • Mietnachweis (aktueller Kontoauszug, aus dem monatlicher Mietzins hervorgeht)
    • Kindergeldbescheid, Elterngeldbescheid

    Zusätzlich können noch andere Dokumente gefordert werden. Auf jeden Fall sollte man sämtliche Zertifikate, Arbeitszeugnisse, Referenzschreiben, Zeugnisse über ehrenamtliche Tätigkeiten, Veröffentlichungen etc. beifügen.

    Die Bearbeitungszeit ist sehr unterschiedlich, von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Sollte sich aber trotz Anfragen nichts tun, kann man mit dem Erheben einer Untätigkeitsklage unter Umständen etwas „Druck“ bei der Einbürgerungsbehörde machen.

    Die Kosten betragen € 255 und für jedes mit einzubürgende Kind € 51.

    Häufige Gründe, warum eine Einbürgerung scheitern kann:

    • Nicht gut ausgebildete Mitarbeiter*innen in der Behörde (überfordert)
    • Aufenthaltszeiten in Deutschland nicht korrekt berechnet
    • Kein ausreichender Identitätsnachweis (Herkunftspass nicht mehr erforderlich bei Eritreer*innen – sie müssen nicht mehr in die eritreische Botschaft und dort einen Pass beantragen, da es ihnen unzumutbar ist die geforderte Reueerklärung zu unterschreiben, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2022 – 1 C 9.21 – , Afghan*innen – afghanische Botschaft in Deutschland stellt keine neuen Pässe mehr aus)
    • Berechnung des Lebensunterhalts nicht korrekt
    • Vorstrafe

    Wird der Antrag abgelehnt, sollte man die Gründe dafür genau prüfen und nicht gleich aufgeben!

    Viel Erfolg für alle, die sich einbürgern wollen, wir ermutigen Euch, diesen Schritt zu gehen.

  • Mein Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft

    Als kohero-Redaktionsleiterin Natalia bekannt gab, dass das Fokusthema für die nächsten Wochen „Staatsbürgerschaft“ lauten würde, kam mir sofort mein eigener steiniger Weg zum deutschen Pass in den Sinn. Obwohl ich 1986 in Berlin geboren wurde, konnte ich erst mit Anfang 20 den Reiseausweis für Geflüchtete, den man an seiner blauen Farbe und den zwei schwarzen Streifen in der linken oberen Ecke erkennt, gegen einen bordeauxroten Pass für deutsche Staatsbürger*innen eintauschen. Meine Geschichte mag eine besondere und wahrscheinlich extreme sein, aber es gibt da draußen sehr viele Menschen, die wie meine Familie und ich mit den Hürden und der Bürokratie der Einbürgerung zu kämpfen haben.

    Nach der Flucht aus dem Iran: Leben unter falschem Namen in der DDR

    Aber fangen wir erstmal damit an, warum meine Eltern gezwungen waren, ihre Heimat hinter sich zu lassen. Mein Vater war im Iran politisch aktiv. Mit 21 Jahren wurde er, wie so viele zu jener Zeit, ins Gefängnis gesteckt, weil er sich gegen den Schah aufgelehnt hatte. Trotz drei Jahren Haft setzte er seine politischen Aktivitäten auch während der Islamischen Revolution fort und arbeitete als Journalist.

    Er war Mitglied einer linken Partei, die 1983 verboten wurde, nachdem in den Monaten zuvor bereits Tausende von Anhänger*innen verhaftet worden waren. Mein Vater tauchte ein Jahr lang unter und war weiterhin im Untergrund aktiv, bis die Situation zu gefährlich wurde und er in die ehemalige Sowjetrepublik Aserbaidschan fliehen musste.

    Nach einem kurzen Aufenthalt in Baku wurde er von seiner Partei, die inzwischen aus dem Exil heraus agierte, in die DDR geschickt, um mit einer Handvoll anderer für eine linke Zeitung zu arbeiten, die u. a. im Iran heimlich verbreitet wurde. Meine Mutter, die in Moskau russische Philologie studiert hatte, folgte meinem Vater 1985 nach Ost-Berlin, wo ich dann ein Jahr später zur Welt kam. Um die Handelsbeziehungen zum Iran nicht zu gefährden, war die DDR sehr darauf bedacht, die Tatsache, dass sie einigen wenigen Iraner*innen Asyl gewährt hatte, geheim zu halten. Und so erhielten meine Eltern und ich Decknamen und aus einer iranischen Familie wurde auf dem Papier eine pakistanische.

    Der Name als Stolperstein

    Kurz vor dem Fall der Mauer wurden endlich wieder unsere richtigen Namen in unsere DDR-Pässe für politische Immigrant*innen eingetragen. Die Rückgängigmachung der Namensänderung, speziell in meinem Fall, sollte später für meine ganze Familie zum Stolperstein bei der Einbürgerung werden. Nach der Wiedervereinigung stellten meine Eltern bei der Ausländerbehörde in West-Berlin einen Asylantrag, weil unsere bisherigen Pässe dabei waren, ihre Gültigkeit zu verlieren.

    Sie engagierten eine Anwältin, die die Ausländerbehörde darüber informierte, dass die DDR und die BRD unmittelbar vor der deutschen Einheit ein Abkommen unterzeichnet hatten, das die BRD dazu verpflichtete, alle politischen Immigrant*innen der DDR als Geflüchtete anzuerkennen. Durch das Schreiben wurde unser Asylantrag rasch bewilligt, und wir erhielten einen Pass für Geflüchtete, zunächst mit befristetem und nach einigen Jahren mit unbefristetem Aufenthalt.

    Die Einbürgerung klappte erst im zweiten Anlauf, und das nach vielen Jahren

    Ende der 1990er Jahre beantragte meine Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit, da sie unheilbar krank war und ein letztes Mal in den Iran reisen wollte. Schon bei der Antragstellung wurden ihr keine Erfolgsaussichten eingeräumt, da unsere Familie auf Sozialhilfe angewiesen war und mein Vater als Studierender BAföG bezog.

    Kurz nach ihrem Tod versuchten wir es 2002 erneut mit einem Einbürgerungsantrag. Dies war vor allem für meinen Vater wichtig, damit wir die Verwandten meiner Mutter im Iran besuchen konnten. Nun nahm das Drama seinen Lauf, das erst nach fünf Jahren enden sollte. Immerhin lag es diesmal nicht an unserer wirtschaftlichen Situation, denn mein Vater arbeitete jetzt als Architekt. Der Grund, warum wir als Familie so lange auf die Bewilligung warten mussten, war, dass in meiner Geburtsurkunde und in meinem Ausweis zwei verschiedene Namen angegeben waren.

    Und obwohl das nur mich betraf, mussten mein Vater und sogar meine vier Jahre jüngere Schwester, die immer ihren richtigen Namen trug, genauso lange wie ich auf ihre deutschen Pässe warten. Die Sachbearbeiterin bestand auf die Vorlage einer Geburtsurkunde mit dem Namen Ajda Omrani, aber ein solches Schriftstück existierte nicht.

    Ein Brief meiner Kindergartenleiterin, die über unsere Decknamen in der DDR-Zeit Bescheid wusste, half nicht weiter, genauso wenig wie diverse Schreiben unseres Anwalts. Irgendwann wurde dann sogar die Vaterschaft meines Papas angezweifelt, was wir nicht einfach durch einen Bluttest widerlegen durften. Wir konnten erst aufatmen, als die Gauck-Behörde meinem Vater Einsicht in unsere Stasi-Akte gewährte. Durch Auszüge aus der Akte ließ sich nämlich endlich unsere Identität feststellen.

    Die Vorteile der deutschen Staatsbürgerschaft

    Ich erinnere mich noch gut an die Überreichung der Einbürgerungsurkunde und daran, wie unsere Sachbearbeiterin wissen wollte, wie ich mich fühle. Wahrscheinlich erwartete sie einen Freudentanz, aber das ganze Verfahren war so zermürbend, dass ich leider nur ein müdes Lächeln aufbringen konnte. Der Ärger verflog jedoch recht schnell und es dauerte nicht lange, bis ich meinen deutschen Pass immer mehr zu schätzen wusste.

    Reisen ist beispielsweise deutlich angenehmer geworden. Während Grenzkontrollen früher jede Menge Zeit in Anspruch nahmen, ist dies mit dem deutschen Pass nicht mehr der Fall. Außerdem belegt der deutsche Pass im Global Passport Ranking von Henley & Partners aktuell den geteilten dritten Rang mit Spanien und gilt damit als einer der mächtigsten Pässe der Welt. Der deutsche Reisepass ermöglicht die visafreie Einreise in 191 Länder.

    Neben dem Reisen ist die Begeisterung für politische Themen eine weitere Leidenschaft von mir. Es bedeutet mir sehr viel, dass ich, seitdem ich die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, das Recht habe, bei Wahlen auf europäischer, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie bei Volksentscheiden abzustimmen und über die politische Ausrichtung mitzuentscheiden. Ich habe noch nie eine Wahl verpasst und betrachte es als ein Privileg, daran teilnehmen zu können, denn es gibt unzählige Menschen auf der Welt, die sich nach freien, gleichen und geheimen Wahlen sehnen. Theoretisch könnte ich sogar selbst für ein politisches Amt kandidieren oder eine Beamtenlaufbahn im öffentlichen Dienst einschlagen, wenn ich wollte.

    Abgesehen von den genannten Vorteilen sorgt die deutsche Staatsbürgerschaft aber auch für ein Gefühl der Zugehörigkeit zur hiesigen Gesellschaft. Um die Identifikation mit den deutschen Werten zu stärken und die Integrationsbemühungen der Menschen zu honorieren, halte ich den Vorschlag der Ampelkoalition, die Einbürgerung nicht erst nach acht Jahren, sondern bereits nach fünf Jahren und bei besonderen Integrationsleistungen sogar schon nach drei Jahren zu ermöglichen, für richtig und längst überfällig.

    Fachkräftemangel macht erleichterte Zuwanderung und Einbürgerung dringend notwendig

    Darüber hinaus müssen die hohen Hürden der Zuwanderung abgebaut werden, woran die Ampelkoalition derzeit ebenfalls arbeitet, um die Leistungsfähigkeit Deutschlands und den Wohlstand im Land zu sichern. Aufgrund des demografischen Wandels und des akuten Fachkräftemangels ist Zuwanderung dringend notwendig. Ohne Gegenmaßnahmen könnte Deutschland bis 2035 ein Arbeitskräftedefizit von sieben Millionen Menschen drohen, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, weil deutlich mehr Menschen in den Ruhestand gehen als in den Arbeitsmarkt eintreten werden. An Einwanderung führt also kein Weg vorbei, schließlich müssen all diese Renten irgendwie finanziert werden.

    Deutschland ist bereits eine multikulturelle Gesellschaft, und wenn jetzt noch mehr Menschen aus dem Ausland hinzukommen, sollte sichergestellt werden, dass sie sich als Teil dieses Landes fühlen, und dazu gehört aus meiner Sicht auch ein schnellerer Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft, um so einen Anreiz für Integration zu schaffen. Außerdem wäre dies demokratiefördernd, wenn man bedenkt, dass dem ZDF zufolge 9,7 Millionen Erwachsene von der Bundestagswahl 2021 ausgeschlossen waren, weil sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Kein Wunder, wenn sich unter diesen Menschen das Gefühl breit macht, von der Politik nicht repräsentiert zu werden.

    Laut dem Statistischen Bundesamt lag das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial im Jahr 2021 gerade einmal bei 2,45 %. Bei diesem Wert wird die Anzahl der Einbürgerungen mit der Zahl der Ausländer*innen, die seit mindestens 10 Jahren in Deutschland wohnen, ins Verhältnis gesetzt. Es ist nachvollziehbar, wenn EU-Bürger*innen keinen Grund sehen, sich einbürgern zu lassen, aber bei den anderen stehen die hohen Hürden, die Einbürgerungsgebühr und die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft im Weg.

    Doppelte Staatsbürgerschaft und enge Verbundenheit mit Deutschland schließen sich nicht aus

    Dass die Ampelkoalition den letzten Punkt angehen will, wird viele Migrant*innen erfreuen. Ich selbst habe die doppelte Staatsbürgerschaft. Obwohl ich mich mit der Islamischen Republik Iran, also mit dem derzeitigen Regime, überhaupt nicht identifizieren kann, spiegeln diese beiden Pässe eine Realität wider, nämlich mit zwei Kulturen aufgewachsen zu sein, was ich als absolute Bereicherung empfinde. Dabei steht meine iranische Kultur keineswegs im Widerspruch zu meinem tiefsten Respekt vor der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland.

    Wenn sich die Opposition in Gestalt von CDU/CSU und AFD gegen den erleichterten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausspricht und befürchtet, der deutsche Pass werde verramscht, wird der Eindruck erweckt, die deutsche Kultur sei etwas Heiliges, Unantastbares und damit anderen Kulturen überlegen. Dabei wird übersehen, dass sich Deutschsein gewandelt hat.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat inzwischen mehr als ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen einen Migrationshintergrund. Dem sollte mit einem modernen Staatsangehörigkeits- und Einwanderungsrecht Rechnung getragen werden. Um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu sein, muss man mit der Zeit gehen. Vielleicht hat die Opposition aber auch nur Angst vor dem enormen Wählerpotenzial, das dadurch freigesetzt würde. Angesichts der Ressentiments von CDU/CSU und AFD werden diese Menschen vielleicht nicht unbedingt gewillt sein, für diese beiden Parteien zu stimmen.

  • Der Mensch ist Mensch

    Warum lässt sich ein Mensch in Deutschland einbürgern? Unsere chilenische Autorin teilt mit uns ihre Gedanken zur Einbürgerung. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemach?

    Sich in Deutschland einzubürgern ist mit vielen Formalitäten verbunden. Man muss gewisse Richtlinien verfolgen, mindestens acht Jahre in Deutschland leben, sich ausweisen können, nicht straffällig geworden sein, für sein Lebenseinkommen selber aufkommen können….u.s.w. Das wäre die rechtliche Lage.
    Aber die wichtigste Frage :

    Warum lassen sich Menschen einbürgern ?

    An erster Stelle geht es um die eigene Sicherheit, Schutz, Dazugehörigkeit und Rechte. Und sicherlich geht es auch um Formalitäten, denn man muss nicht alle paar Jahre den Aufenthaltsstatus erneuern und darum bangen, dass er überhaupt erneuert wird.
    Ich habe mich vor 30 Jahren eingebürgert, als ich mit 18 Jahren den Entschluss dazu gefasst habe.
    Ich hatte grosse Sorge abgeschoben zu werden, hatte allerdings Asyl und Aufenthaltsberechtigung .

    Flucht aus Chile

    Im Alter von 10 Jahren flüchtete ich mit meinen Eltern aus Chile, denn dort war Diktatur. Als ich 18 war, war in Chile offiziell keine
    Diktatur mehr, aber die Spuren waren noch sichtbar und die Reformen begannen erst langsam das Leben zu ändern.
    Das einzige worüber ich noch schlucken musste war, dass ich meine chilenische Nationalität aufgeben musste.
    Es fühlte sich schwer an … das Land in dem ich geboren bin, wo meine geliebte Oma noch lebt, meine Tanten, wo Menschen auf mich warten, an mich denken, für mich beten, wo ich sozialisiert war, sollte ich kündigen?

    Die innere Stimme

    Plötzlich sagte mir damals meine Innere Stimme,  das ist nur ein Stück Papier. Das wird weiterhin so bleiben, ich bin kein anderer Mensch geworden. Nur weil ich einen deutschen Pass habe,  werde ich mich nicht ändern. Meine Familie in Chile wird weiterhin an mich denken. Und ich habe die Sicherheit in meiner WAHLSTADT zu bleiben, und kann viele andere Länder bereisen. Kann auch parlamentarisch wählen .

    Meine Wurzeln habe ich nicht abgelegt, weil ich einen deutschen Pass habe. Mir war es sehr wichtig und eine Herzensangelegenheit meinen Mädchennamen zu behalten.
    Delgado González.
    Und innerlich fühle ich mich als beides.

    Mutter und Bruder

    Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: meine Mutter ist ein Jahr später nach meiner Einbürgerung mit meinem Bruder nach Chile zurückgekehrt. Allerdings hat das Leben meine Mutter dann weiter in die USA geführt. Mein Bruder dagegen ist in Chile geblieben. Er war bis zum 18. Lebensjahr staatenlos; kein Deutscher, weil die Eltern keine Deutschen waren, kein Chilene, weil er nicht in Chile geboren wurde. Mit 18 Jahren konnte er sich entscheiden, welche Nationalität er annehmen möchte. Da er in Chile lebte, hat er sich für die chilenische Staatsbürgschaft entschieden.

    Aber zum Glück hat sich dieses Gesetz geändert.  Seit dem 1. Januar 2000 bestimmt nicht allein die Nationalität der Eltern eines Kindes seine Staatsangehörigkeit, sondern auch der Geburtsort. Das nennt sich Geburtsortsprinzip. Trotz allem müssen noch Auflagen erbracht werden, z.B., dass die Eltern mindestens 8 Jahre in Deutschland leben müssen.

    Meine Mutter hat sich letztes Jahr einbürgern können und die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Sie musste eine Prüfung absolvieren und Fragen beantworten. Eine Frage, die mir im Gedächtnis bleiben wird: ‚Sind sie bereit dieses Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, mit einer Waffe zu verteidigen?‘
    Bin ich froh, dass mir nicht so eine Frage gestellt worden ist, für die Deutsche Staatsbürgerschaft.

    So haben wir drei verschieden Nationalitäten in der Familie: mein Bruder die chilenische, meine Mutter die amerikanische und ich die deutsche.

    Der Mensch im Fokus

    Im Nachhinein habe ich diesen Schritt der Einbürgerung nie bereut. Letztlich haben wir keinen Einfluss darauf, wo wir geboren wurden. Einwanderung hat es immer gegeben und wird es immer geben. Und sicherlich habe ich ein gewisses Glück gehabt.

    Mir ist auch bekannt, dass viele Einwander*innen diese Frage lange, wenn nicht lebenslang, beschäftigt. Einerseits wird man hier von der Gesellschaft, obwohl hier geboren, durch die Herkunftsfamilie nicht als Deutsche*r anerkannt. Und andererseits andererseits wird
    man auch im Herkunftsland der Familie nicht anerkannt, weil man in Deutschland geboren wurde und teilweise die Sprache der
    Eltern nicht sprechen kann.

    Vielleicht sollten wir uns mehr darauf besinnen den Menschen im Fokus zu sehen mit seinen Stärken und Schwächen, denn Gefühle haben keine Nationalität. Gefühle sind international. Dazu fällt mit der Musiktext von Hebert Grönemeyer ein :

    Der Mensch heißt Mensch
    Weil er erinnert, weil er kämpft
    Und weil er hofft und liebt
    Weil er mitfühlt und vergibt
    Und weil er lacht und weil er lebt
    Du fehlst
    Oh, weil er lacht und weil er lebt
    Du fehlst…

    Im diesem Sinne :
    Der Mensch ist Mensch

    Hier könnt ihr einen weiteren Artikel zum Thema Einbürgerung lesen.

  • zu.flucht Podcast: Zu Staatsbürgerschaft und Einbürgerung

    Wir haben Miman Jasharovski vom Bündnis Pass(t) uns allen! zu Gast, der an Hand seiner persönlichen Erfahrung erzählt, weshalb er sich für ein gerechteres Staatsbürgerschaftsrecht einsetzt.
    Professor Tarik Tabbara lehrt öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und erklärt uns, welche rechtlichen Unterscheidungen zwischen Staatsbürger*innen und Nicht-Staatsbürger*innen gemacht werden.
    Außerdem stellen wir euch zwei spannende Projekte vor: Tülin Akkoc von der Türkischen Gemeinde Hamburg begleitet mit den Einbürgerungslots*innen Menschen beim Einbürgerungsprozess. Und Christiana Bukalo hat mit der Organisation Statefree eine Anlaufstelle für staatenlose Menschen geschaffen.
    Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder Feedback? Schreibt uns gerne an podcast@kohero-magazin.de oder über Instagram!
    Abonniert hier unseren Newsletter, um alle Infos zum Thema Staatsbürgerschaft gebündelt in euer Postfach zu bekommen.
    An dieser Produktion mitgewirkt haben: Jonas Graeber, Natalia Grote, Anna Seifert, Anne Josephine Thiel, Sarah Zaheer
    Den Faktenüberblick zu unserem Schwerpunkt Staatsbürgerschaft findet ihr hier.

  • Rentenversicherung für Aufenthaltserlaubnis

    Antwort

    Lieber Ratsuchender,

    bei der Beantragung der unbefristeten Niederlassungserlaubnis für Menschen mit subsidiärem Schutz oder einem anderen humanitären Titel (z.B. Abschiebungsverbot) richtet sich diese Erlaubnis nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit § 9 AufenthG und dort ist u..a. festgelegt:

    „… er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist! Berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet.“

    Die wenigsten Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus dürften das nach fünf Jahren schaffen, insbesondere, weil das Asylverfahren zwar bei den Zeiten angerechnet wird, aber in dieser Zeit selten bis wenig rentenversicherungspflichtige Beiträge erarbeitet werden konnten.

    TIPP: Minijobs annehmen und damit Nachweis von Rentenversicherung

    Ein Tipp hat sich daraus allerdings auch für diejenigen ergeben, die z.B. auch schon während des Asylverfahrens oder auch später einen Minijob aufnehmen: Statt die oft gewählte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu wählen, weil aus den 450 € ohnehin kaum Rentenansprüche erwachsen, macht es bei denjenigen, die z.B. nur subsidiären Schutz haben und die 60 Monate nachweisen müssen, Sinn, auf diese Befreiung zu verzichten. Benötigt wird ja nur die Anzahl an Monaten und nicht etwas ein bestimmter Mindestverdienst bzw. ein bestimmter Mindestanspruch aus der Rentenversicherung.

    Von dem Nachweis, 60 Monate Rentenversicherungsbeiträge gezahlt zu haben sind u.a. befreit:

    • Personen, die sich in einer Ausbildung zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Abschluss befinden (§ 9 Abs.3 S.2 AufenthG)
    • Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge (§ 9 Abs.3 AufenthG)

    Aber leider nicht subsidiär Schutzberechtigte!

    Wenn bereits vor 2005 eine Aufenthaltbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis bestand, müssen die 60 Monate Rentenversicherungszeiten auch nicht nachgewiesen werden.

    Für Selbstständige ist eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung möglicherweise auch aufenthaltsrechtlich sinnvoll. Bis zum 31.3. des Folgejahres können Beiträge nachgezahlt werden und damit fehlende Monate ausgeglichen werden. Zur Zeit beträgt der Mindestbeitrag € 83,70 monatlich.

    WEITERER TIPP: die Einbürgerung nach §§ 8,10 Staatsangehörigkeitsgesetz. Hier werden nicht Rentenversicherungs- und Versorgungsansprüche gefordert. Unter bestimmten Konstellationen kann daher eine Einbürgerung leichter sein.

    Du kannst also bei deiner Rentenversicherung anfragen, ob für Dich eine freiwillige Zahlung von Rentenbeiträgen möglich ist, um schneller die 60 Monate zu erreichen.

    Viel Erfolg bei allem!

  • Geburtsurkunden fehlen – was tun?

    Antwort

    Lieber Ratsuchender,

    ein Kind ausländischer Eltern erwirbt mit seiner Geburt in Deutschland neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Nach Vollendung des 21. Lebensjahres muss das Kind sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit entscheiden (Optionspflicht), es sei denn, es ist in Deutschland aufgewachsen oder es besitzt neben der deutschen nur die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Staates oder der Schweiz. Dieses Geburtsortprinzip gilt seit dem Jahr 2000.

    In § 10 Staatsangehörigengesetz heißt es dazu u.a.:

    (1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn er….[…]

    (2) Der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

    Wir wissen jetzt nicht, wie alt die Kinder des syrischen Ehepaares sind und wann die Eltern eingebürgert wurden. Aber eigentlich müssten die Kinder bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, wenn die Eltern zur Zeit der Geburt bereits eingebürgert waren oder 8 Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt haben.

    Die syrischen Eltern mussten doch bestimmt auch ihre Geburtsurkunden bei der Einbürgerung vorlegen. Dann müssen sie den Behörden bekannt sein. Sollten die Geburtsurkunden der Kinder gemeint sein, wäre es ausreichend einen Auszug aus dem Geburtenregister vorzulegen, wenn es keine Geburtsurkunden gibt.

    Unsere Empfehlung wäre, sich nochmals mit der zuständigen Einbürgerungsbehörde (meistens die Ausländerbehörde) in Verbindung zu setzen.

    Viel Erfolg!

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