Schlagwort: Demonstration

  • Lützerath aus meiner Perspektive

    Als koheros Redaktionsleitung – Natalia, Sarah und ich- diese Woche diskutiert hat, welches aktuelle Thema es für diese kohero_Kolumne gibt, kamen wir immer wieder auf die Demonstrationen rund um Lützerath. Es wurde sehr viel in den Medien dazu diskutiert, aber wir haben uns die Frage gestellt: passt dieses Thema zu koheros Fokus auf Flucht, Migration und Zusammenleben?

    Sarah sagte dazu: Doch, wieso sollte es nicht passen? Dafür spricht zum Beispiel, dass eine der Sprecherinnen der Initiative “Lützerath lebt”, Dina Hamid, im Interview sagte: “Wir müssen uns klarmachen, schon heute sterben Menschen an der Klimakrise (…) vor allem geht es darum, Leben zu schützen von Menschen, die am stärksten darunter leiden und das ist im globalen Süden. Wir erinnern uns auch daran, dass ein Drittel von Pakistan im letzten Jahr unter Wasser stand und das ist erst der Anfang. Wir rasen auf Kipppunkte zu…” (ZDF, ab 03:00).

    Wenn wir uns der globalen Klimakrise bewusst sind, ist das natürlich auch ein Thema für kohero. Es geht um die Auswirkungen der Klimakrise, die auch für viele Grund zur Flucht sind. Das zeigte auch unser Fokus auf das Thema Klimakrise als Ursache von Flucht im November 2021.

    Welchen Platz hat Lützerath auf der Prioritätenliste?

    Gleichzeitig ist es meine persönliche Erfahrung, dass die Art und Weise, wie in Deutschland und in deutschsprachigen Medien über die Klimakrise diskutiert und dagegen demonstriert wird, nicht inklusiv ist.

    Ich habe selber die Demonstrationen rund um Lützerath nicht so intensiv verfolgt, auch weil ich mich als Syrer in Deutschland von dem Aktivismus nicht angesprochen fühle. Und die Demonstrationen waren auch nicht unbedingt ganz oben auf meiner Liste von Prioritäten. Im Alltag beschäftigt mich die humanitäre und wirtschaftliche Krise, die bis heute Syrer*innen leiden lässt.

    Oder ich sorge mich um meine Familie in Syrien, die nur eine Stunde Strom am Tag bekommt, und ob sie Solarstromanlagen kaufen können oder ob auch das zu teuer ist. Hier eine Notiz: Aktuell werden viele Wohnungen und Häuser in den von Assad kontrollierten Gebieten mit Solaranlagen ausgestattet. Aber nicht, weil es ein großes Bewusstsein für erneuerbare Energien im Land gibt, sondern weil das syrische Regime sich einfach nicht mehr um die Stromversorgung für die einfache Bevölkerung kümmert.

    Wie für viele andere Geflüchtete in Deutschland gibt es für mich also Themen im Alltag und in der Zukunft, die mich mehr beschäftigen als Klima-Demonstrationen. Zum Beispiel, wie ich mit meinem abgelaufenen syrischen Pass umgehe, da die Hamburger Behörden mir keinen Ersatzpass für Ausländer ausstellen möchten. Oder um die gestiegenen Heizkosten und die Inflation, da wir bei kohero leider (noch) nicht einen Inflationsausgleich an mich und meine Kolleginnen zahlen können.

    Herkunft und Lebenswandel

    Aber weil ich auch viel Zeit mit Deutschen ohne Migrationsgeschichte verbringe, weiß ich, dass nach dem Wetter die Klimakrise ein Top Gesprächsthema ist. Durch diese Diskussionen habe ich auch viel gelernt, zum Beispiel was jede individuelle Person für oder gegen den Klimawandel tun kann. Als Kind einer Mittelschicht-Familie aus dem globalen Süden (oder ist es der globale Osten?) glaube ich, dass mein persönlicher CO2 Fußabdruck kleiner ist, als der von den meisten Aktivist*innen, die hier in Deutschland aufgewachsen sind. Aus finanziellen Gründen haben wir weniger Fleisch gegessen und sind als Familie nicht außerhalb von Syrien verreist.

    Als ich vor kurzem mit einem Bekannten über dieses Thema, Reisen und CO2-Fußabdruck gesprochen habe, hat er gesagt, er sei im letzten Jahr ‘nur’ acht Mal geflogen. Als ich dann fragte, ob er hin und zurück als zwei Flüge zählt, war er überrascht und sagte nein. Ich fragte mich danach: Und du? Wie viele Male bin ich im Flugzeug geflogen? Bis jetzt waren es vier Flüge – in meinem Leben.

    Klimakrise, Dürre und Syrien

    Obwohl viele Syrer*innen wie ich wegen unseren seltenen Reisen, oder der Art, wie wir aufgewachsen sind, die Umwelt mit weniger CO2 belastet haben, weiß ich, dass wir doch Aufmerksamkeit für dieses Thema brauchen. Denn wir leiden auch unter der Klimakrise, die Armut verursacht und Menschen in die Flucht treibt. Es gibt auch Diskussionen und Theorien über die Rolle einer jahrelangen Dürre in Syrien als einer der Auslöser der Revolution. Es war meiner Meinung nach nicht der Hauptgrund, aber es hatte in den Jahren vor 2011 viele Menschen innerhalb des Landes von den ländlichen Regionen in die Städte vertrieben. So hatte sich große Enttäuschung  in der Landbevölkerung verbreitet.

    Mit diesem Kommentar versuche ich auch, mir selber mehr bewusst zu werden, dass es nötig ist, die Klimakrise auch in meinem Kontext zu verstehen. Auch wenn es langfristig erscheint, Menschen fühlen weltweit die Konsequenzen der Klimakrise. Deswegen sollten wir alle – ob geflüchtet, zugewandert, hier aufgewachsen oder nicht – dagegen kämpfen, so wie wir können. Damit kämpfen wir für unsere Familien, unsere Freund*innen und ehemalige Nachbar*innen, und die Länder, wo unsere Wurzeln und Heimaten sind. Und für unsere Kinder, damit sie nicht die größten Verlierer von allen werden.

  • Neues aus Afghanistan im Oktober

    Neue Militärbasis

    In der Provinz Ghazni im Bezirk Jaghori  wurde die Taliban verstärkt. Sie haben die Moschee, die Bibliothek, die Schulen und die öffentlichen Einrichtungen zu ihrer Militärbasis gemacht. Und die Menschen werden sogar gezwungen, ihnen Lebensmittel zu bringen.  Das Gleiche gilt für eine Bibliothek im Bezirk Dawood in der Provinz Ghazni, die von niemandem betreten werden darf.

    Armut

    Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) hat mitgeteilt, dass 79 % der afghanischen Haushalte in diesem Winter keinen Zugang zu Heizungsanlagen haben werden. 79 % der afghanischen Haushalte müssen ihre Häuser im Winter reparieren. Und die Armutsrate in Afghanistan ist um 97 % gestiegen.

    Das Welternährungsprogramm (WFP) hat ebenfalls in einem Tweet bekannt gegeben, dass 9 von 10 Menschen nicht genügend Lebensmittel zu sich nehmen und Eltern nicht in der Lage sind, ihre Kinder gesund zu ernähren.

    Abschiebung aus dem Iran

    Quellen in der Provinz Nimroz haben berichtet, dass der Iran im letzten Monat 23.399 Einwanderer abgeschoben hat, die über den Landhafen von Nimroz nach Afghanistan eingereist sind. Unter ihnen sind 3.937 Familien und 19.462 Einzelpersonen, die zwangsweise abgeschoben wurden.

    Keine Einreise für Hamid Karzai

    Hamid Karzai, der ehemalige Präsident Afghanistans, darf nicht nach Deutschland reisen, obwohl er in Berlin an einem Treffen teilnehmen sollte. Es ist immer noch unklar, warum er daran gehindert wird. Außerdem ist es ihm untersagt, in andere Länder zu reisen.

    Situation an den Universitäten

    Die weiblichen Studentinnen werden daran gehindert, bestimmte Fachrichtungen an der Universität für den Masterabschluss zu wählen. Es gibt keine Quote für weibliche Teilnehmerinnen in den Bereichen Ingenieurwesen, Informatik, Verwaltung, Handel und Landwirtschaft. Das Bildungsministerium der Taliban hat auch bestimmte Bereiche von der gewünschten Auswahl an Studienfächern für Studentinnen ausgeschlossen, wie z. B. Landwirtschaft, Ingenieurwesen, Veterinärmedizin, Öl und Gas, Bergbauexploration und Bergbaugeologie.

    Die Gewerkschaft der Privatuniversitäten in Afghanistan erklärte, dass die Zahl der Student*innen an den Privatuniversitäten seit dem politischen Wandel um 50 Prozent zurückgegangen sei. Dieser Rückgang sei aufgrund wirtschaftlicher Probleme und politischer Veränderungen  zu verzeichnen. Tolo

    Tote und Verletzte

    Am Freitag wurden bei einer Explosion in der Nähe der Wazir Akbar Khan Moschee in Kabul mehr als 14 Menschen verletzt und mehr als 4 getötet.  Tolo

    In Kandahar wurde ein junger Einwohner von den Taliban getötet, weil er sich weigerte, während einer Hochzeitszeremonie Musik zu spielen.

    Demonstration

    Frauen und Studentinnen gehen am Samstag auf die Straße und fordern die Wiedereröffnung der Mädchenschulen ab der 6. Klasse

    Hier könnt ihr die Afghanistankolumne von September lesen.

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