Schlagwort: community

  • Weil kohero vielfältige Perspektiven sichtbar macht

    Hallo liebe*r Leser*in,

    unsere Mission ist in Gefahr! Bis zum 1.7. brauchen wir 1.000 Memberships – bist du dabei?

    Ganz ehrlich: Als ich vor ungefähr 4 Jahren zu kohero gekommen bin, habe ich nicht verstanden, wie wichtig kohero und unsere Mission ist. Damals war ich in der Journalismus-Ausbildung und dachte mir, dass ich mein erlerntes Wissen aus dieser Ausbildung an meine*n Schreibpartner*in weitergeben könnte. Ich erinnere mich noch sehr genau an mein erstes Gespräch mit Hussam und dass er mich an diesem Tag –  wie gesagt, ich wollte eigentlich nur im Schreibtandem unterstützen – direkt in die Redaktion geholt hat. So arbeitete ich eine Weile ehrenamtlich bei kohero, schrieb ein paar Artikel und unterstützte meine Schreibpartnerin im Tandem bei ihren Texten. Von ihr habe ich inzwischen deutlich mehr gelernt, als sie von mir. Aber dazu später etwas mehr.

    Ungefähr 1.000 redigierte Texte, 3 Journalismuskonferenzen, 20 Workshops, unzählige Gespräche mit Kolleg*innen und ein ¾-Journalismus-Masterstudium später bin ich überzeugt, dass es Medien wie kohero braucht, um Demokratie zu schützen. Um Journalismus zu machen, der relevant für alle Bürger*innen ist und einen öffentlichen Diskurs zu haben, in den vielfältige Perspektiven einbezogen werden. 

    Und das ist, wenn du dir das aktuelle politische Geschehen und die stärker werdenden rechten und rechtsextremen Gruppen anschaust, so wichtig wie nie zuvor. Journalismus und die Demokratie sind eng verwoben, das hat man zuletzt nach der Correctiv-Recherche “Geheimplan gegen Deutschland” gemerkt. Als das Magazin das geheime Treffen von Rechtsextremen und ihren Vertreibungsplänen aufgedeckt hat, haben Hunderttausende für die Demokratie demonstriert.

    Das ist gut und richtig, doch wenn es keine Medien gibt, die Betroffene selbst zu Wort kommen lassen und ihre vielfältigen Erfahrungen auf homogene Vermutungen reduziert werden, verfehlen wir als journalistische Medien unseren Sinn und Zweck. In unserer Gesellschaft ist es unerlässlich, ALLE Stimmen zu hören, um ein umfassendes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen unserer Zeit zu entwickeln. Um wirklich repräsentativ zu sein, muss Journalismus alle Facetten unserer Gesellschaft erfassen – und das schließt migrantische Stimmen ein.

     Über 25 % der Menschen in Deutschland haben einen sogenannten Migrationshintergrund – ihre Perspektiven und Meinungen in die Öffentlichkeit zu bringen, ist koheros Mission. Weil uns das so wichtig ist, sind wir für alle Menschen, die diese Geschichten teilen wollen, zugänglich. Während andere deutsche Medien nur davon sprechen, diverser werden zu wollen, tun wir was dafür: 

    Wir beschäftigen Praktikant*innen und Autor*innen, die überwiegend noch nie professionell im Journalismus gearbeitet haben. Um trotzdem unseren Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, geben wir Workshops und coachen sie. 

    Im Schreibtandem arbeiten Teams aus migrantischen Menschen und solchen, die Deutsch als Muttersprache oder sehr gut sprechen, zusammen. So ist es auch Menschen ohne perfekte Deutschkenntnisse möglich, ihre wichtigen Perspektiven in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Im Schreibtandem zeigt sich außerdem, welche Chance ein Miteinander auf Augenhöhe birgt und wie viel wir voneinander (!) lernen können. 

    Durch kohero habe ich gelernt, wie vielfältig migrantische Geschichten sind. Dass Herausforderungen und Diskriminierungen in Deutschland existieren, die ich als Mensch ohne eigene Migrationserfahrung nicht geahnt hätte. Ohne kohero hätte ich mich nie so intensiv mit meiner eigenen Familienhistorie und ihrer Gastarbeitsgeschichte auseinandergesetzt. Wir alle können noch so viel von anderen koheroes und ihren Geschichten lernen – egal ob selbst migriert, geflüchtet oder in Deutschland geboren.

    Aber diese Geschichten sichtbar zu machen, kostet Aufwand, Zeit und Geld – doch das ist es uns wert. Und ich hoffe, dir auch! Mit deinem Membership gewährleistet du, dass weiterhin Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte ihre Perspektiven in einem journalistischen Medium teilen können und fair für ihre Arbeit bezahlt werden. Sei ein koHERO und schließe jetzt eine Membership ab!

  • Weil kohero dich jetzt braucht

    Salam,

    letzten Monat haben wir uns an dich gewendet, weil wir wissen wollten, ob du eine kohero Mitgliedschaft abschließen würdest. Und unsere kommunity hat uns ein wichtiges Zeichen gesendet: Über 70 % haben gesagt, dass sie uns unterstützen möchten.  Unser Ziel ist es, 1.000 Memberships bis zum 01.07. zu gewinnen, um unsere Finanzierung zu sichern. Bist du bereit? Wenn du noch Fragezeichen im Kopf hast, möchte ich dir hier erklären, warum wir die Memberships einführen: Als ich im Jahr 2015 nach Deutschland kam, hatte ich etwas zu sagen. Doch es war einfacher für mich, eine eigene Online-Plattform zu gründen, als eine Stelle im deutschen Journalismus zu finden. Wegen der damaligen Willkommenskultur und mit viel Unterstützung von neuen Freund*innen und Bekannten habe ich es irgendwie geschafft. 

    2017 baute ich somit das Flüchtling- Magazin auf. Ziel war es, ein Magazin zu haben, wo Menschen mit Fluchtgeschichte selbst ihre Geschichten und Meinungen erzählen können. Über die Jahre erweiterten wir das Ziel: kohero sollte eine Plattform für alle Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte werden.

    Anfangs hatte ich keine Ahnung, wie sich ein Magazin überhaupt finanzieren kann. Ich war neu in Deutschland und wusste nicht, wie man Kontakte für Investitionen findet. Erst nach zwei Jahren Ehrenamt bekam ich mein erstes kohero Gehalt. 2018 hatten wir nämlich eine große Crowdfunding-Kampagne gestartet, an der mehr als 500 Leute teilnahmen und mit der wir 25.000 € sammelten – vielleicht warst du damals ja schon dabei.

    Durch diese erfolgreiche Kampagne wurde mir schwarz auf weiß bewusst, dass kohero nur durch die Unterstützung der Community existieren kann. Denn 2018, 2019 und 2020 stellten wir zwar viele Förderanträge, bekamen aber leider meistens Absagen. Das ist aus heutiger Sicht vielleicht gar nicht schlecht für unsere Entwicklung gewesen, da wir unabhängiger von Fördergeldern wachsen und uns ausschließlich auf koheros kommunity konzentrieren konnten.

    So ist es bis heute: kohero wächst langsam, aber stetig weiter und erhält das meiste Geld durch Spenden. 2020 erhielt kohero große Spenden für zwei Jahre, mit denen wir neue Teammitglieder begrüßen und viele neue Formate entwickeln konnten.

    Wir sind sehr dankbar für unsere Spender*innen, ob große oder kleine, denn nur durch sie haben wir es bis hierhin geschafft. Und gleichzeitig müssen wir sagen: Das Geld reicht leider nicht aus. Unregelmäßige Spenden machen es schwer, zu planen – wir wissen heute nicht, wie viel Geld wir dieses Jahr noch bekommen werden und welche Formate wir damit planen können. Seit vier Jahren denke ich zum Ende des Jahres immer: Reicht das Geld? Werden wir noch ein Jahr überleben? 

    Bisher ist die Antwort immer “Ja” gewesen, dank unserer Spender*innen. Dafür sind das gesamte Team und ich von ganzem Herzen dankbar. Es gibt uns Motivation und Hoffnung. 

    Trotzdem bleibt es dabei: Wir können nicht mit neuen Formaten planen, Kooperationen zusagen oder neue Stellen schaffen, weil wir unsicher sind, ob wir uns das leisten können. Deshalb haben wir uns dieses Jahr entschieden, andere Ideen auszuprobieren. Wir veranstalten Workshops und Veranstaltungen und haben unseren eigenen Shop eröffnet, in dem wir unsere Printprodukte und unsere kreativen Arbeiten verkaufen können, wie zum Beispiel den Migrantischen Kalender, unsere Salam-Poster und andere Ideen, die wir weiterentwickeln möchten.

    Diese neuen Produkte machen uns viel Spaß, bedeuten aber auch mehr Arbeit, ohne dass sofort Geld auf unser Konto kommt. Aber genau das brauchen wir! Denn kohero möchte weiter wachsen. Wir haben viele Ideen und möchten sie gemeinsam mit dir umsetzen. Wir wollen gemeinsam mit dir auch einen besseren Community-Journalismus machen. Das erfordert viel Arbeit, Zeit und Geld.

    Jeden Monat benötigen wir etwa 15.000 €. Das klingt erstmal nach einer Menge, aber im Vergleich zu dem, was wir veröffentlichen und produzieren, ist es relativ wenig. Wir setzen uns mit vollem Einsatz dafür ein, weil kohero und viele von uns als Team eine Vision haben, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken. Und das können wir nur gemeinsam mit dir erreichen.

    Mit den meisten dieser Gelder müssen wir Gehälter und Honorare für unsere Kolleg*innen und Autor*innen bezahlen, sowie auch mein eigenes Gehalt und die Miete. Dazu kommen die vielen neuen Formate, wie neue Community-Podcasts, Newsletter und weitere Entwicklungen in Zusammenarbeit mit unserer kohero kommunity.

    Deshalb haben wir ein Membership-Konzept entwickelt, bei dem du uns monatlich oder jährlich mit Geld unterstützen kannst. Unsere Inhalte bleiben weiterhin kostenlos, aber durch deine Unterstützung können wir Pläne für die Zukunft schaffen und gemeinnützigen und vielfältigen Journalismus stärken.

    Mit einem Beitrag von 5 (wöchentlich fast nur 1 €), 10 (jede Wochen nur 2,5 €) oder 30 € (jeden Tag 1 €) im Monat, oder im Jahr 60, 100 oder 365 €, unterstützt du uns langfristig. Natürlich kannst du auch mehr bezahlen, wenn du möchtest. Aber das wäre dann eine (einmalige) Spende, dafür bekommst du eine Spendenbescheinigung.

     

    Deine Vorteile als kohero Member: 

    • Du bekommst exklusive Rabatte in unserem Shop und je nach Membership auch kostenlos unsere Printprodukte zugeschickt
    • Du bekommst Zugang zu unserem slack-Kanal, worüber wir in Kontakt miteinander stehen. Du kannst Formatideen mit uns besprechen, direkt Feedback geben oder dich mit anderen kohero Members austauschen und vernetzen.  
    • Du kannst unser Büro für deine Workshops oder Veranstaltungen in Hamburg vergünstigt nutzen
    • Du kannst unsere Veranstaltungen und Workshops vergünstigt besuchen

     

    Was passiert, wenn wir die 1.000 Memberships nicht bekommen? 

    Wir haben Geld bis August, danach wissen wir nicht, was wir bekommen werden. Natürlich arbeiten wir auch an Plan B, C, und D, aber diese Pläne dienen nur dazu, uns ein paar Monate zu überbrücken. Unser Plan A ist jedoch derjenige, mit dem wir gedeihen und wachsen möchten. 

    Wir möchten zusammen mit dir blühen, um den Duft des Zusammenhalts in der gesamten Gesellschaft zu verbreiten, genauso wie der Frühling jetzt die Blumen blühen lässt. Du bist unser Frühling, wenn du dich dazu entscheidest, ein Membership bei uns abzuschließen.

    Sei ein koHERO! Schließe jetzt ein Membership ab und unterstütze uns, denn kohero braucht dich jetzt!

    shukran und Dankeschön. 

     

    Liebe Grüße

    Hussam Al Zaher

     

    Mehr Informationen zu den Memberships bekommst du hier. Noch Fragen? Schreib uns eine Mail an team@kohero-magazin.de

     

  • 2022 wrapped – Über Highlights & Learnings

    Was war unsere bisherige Lieblingsfolge? Und welche Themen hätten wir 2022 eigentlich im Podcast thematisieren müssen?
    In diesem persönlichen Q&A beantworten wir Fragen aus unserer Community und sprechen über unsere Veranstaltung, die Fußball-WM und warum wir im nächsten Jahr alle mehr Ruhe brauchen. Außerdem hört ihr, warum es nicht immer einfach ist, mit der Schwester zu arbeiten und wie es im neuen Jahr mit uns weitergeht.
    Danke für euren Support! Wir möchten an Hand eures Feedbacks dazulernen & Impulse sammeln, was ihr euch wünscht. Füllt dazu gerne diese Umfrage aus.
    Das neue kohero Printmagazin gibt es hier.
    Ayesha Khans Artikel zur WM in Katar kannst du hier lesen.

  • kohero fokussiert sich auf die Community

    Hallo, Guten Abend, herzlich Willkommen!

    Endlich treffen wir uns persönlich wieder. Danke, dass ihr gekommen seid und mit kohero feiern möchtet.

    5 einhalb Jahre gibt es kohero nur wegen euch, wegen Freundinnen und Freunden, wegen Tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit und großen und kleinen Geldspenden. Danke euch allen.

    In den letzten Jahren haben wir uns vor allem mit unseren Inhalten beschäftigt. Vielfältige Geschichte zu erzählen, neue Perspektiven zu zeigen und Platz für Diskussion zu schaffen, das ist und bleibt koheros Aufgabe.

    Jetzt hat kohero auch das Ziel, mehr in Richtung Community-Journalismus zu gehen.

    Als wir kohero (damals Flüchtling-Magazin) 2017 gegründet haben, haben wir entschieden, dass wir unsere Inhalte nicht nur für euch machen, sondern auch mit euch und von euch. Was ich damals nicht wusste: Fünf Jahre später nennt sich dieser Weg Community-Journalismus und es ist jetzt fast ein Trend in deutschen Medien, besonders wegen der Corona-Zeit und wie sich der Medien-Markt verändert hat.

    Wir haben den Wert “unserer Community” mit dem Gründen des Magazins entdeckt. Als junges Magazin konnten wir nicht immer alles umsetzen, wovon wir geträumt haben – und auf jeden Fall sind wir nicht fehlerfrei durch die letzten fünf einhalb Jahre gekommen. Und auch nicht ohne meine Grammatikfehler!

    Was für mich jetzt wichtig ist: kohero möchte wieder unsere Community stärken. Wir sind im Prozess, wieder mehr Kontakte mit euch aufzubauen, nicht nur online, sondern auch offline mit Veranstaltungen wie dieser, damit wir uns persönlich treffen und austauschen. Und wir möchten neue Tools finden oder entdecken, wie koheros Redaktionsmitglieder mit euch regelmäßig in Kontakt bleiben können.

    Wir alle bei kohero haben in den letzten fünf Jahren sehr viel Neues probiert und dazu gelernt. Wir haben eine Idee von einem Geflüchteten damals zu einer neuen Multimedia-Plattform mit einer starken Community, nicht nur in Hamburg, sondern auch in vielen deutschen Städten geschafft.

    Wie ihr wisst, veröffentlicht kohero 2 Printausgabe pro Jahr und 3-5 Artikel regelmäßig online, alles, dank unserer vielen ehrenamtlichen Team-Mitglieder. Und einen lösungsorientierten Podcast, der heißt “multivitamin-Podcast”, neue Community-Podcasts wie curry on!, und wöchentliche Newsletter mit Zusammenfassungen der wichtigen Nachrichten rund um Flucht und Migration.

    Auf jeden Fall sind wir noch nicht fertig – kohero hat viele neue Ideen und mit euch werden wir diese umsetzen.
    kohero ist einfach euch.

    Am Ende sage ich wie immer, Dankeschön, shukran, dass ihr ein Teil von koheros Familie seid.

    Vielen Dank!

    Die aktuelle Printausgabe IN ARBEIT kannst du hier bestellen.

  • Asian Imposter?! – mit Fallon und Sina über asiatisch-deutsche Identität

    In dieser Folge diskutieren wir über Identitätskonstruktionen, die Herausforderung dabei, ein Community-Projekt zu sein und die Möglichkeiten, die eine asiatisch-diasporische Solidarität bietet.
    Mit welchen Stereotypen werden wir konfrontiert? Und woher kommt es, dass in Deutschland unter “Asien” oft nur China und Japan verstanden werden? Ihr erfahrt, warum Fallon sich manchmal als “Asian-Imposter” gefühlt hat und warum Sarah sich nach Orten sehnt, wo man mit anderen Deutsch-Asiat*innen einfach nur Spaß haben kann.
    korientation ist eine (post)migrantische Selbstorganisation für Asiatisch-Deutsche Perspektiven mit gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik. Mehr dazu: korientation.de
     

  • Der Friseur war auch ein Community- Ort

    An einem Samstag beschloss ich, zum Friseur zu gehen, um meine Haare schneiden zu lassen. Aber ein Friseurbesuch ist keine einfache Entscheidung für mich, weil ich darüber nachdenken muss, zu welchem Friseur ich gehe.

    Innerer Dialog

    Gehe ich zur Steindamm am Hauptbahnhof, wo es viele syrische Friseure gibt? Nein, zum Steindamm gehe ich nur, wenn ich mir dort etwas zum Essen kaufen möchte und das mit dem Friseurbesuch verbinden kann. Oder gehe ich zur Grindelallee? Da gibt es einen jungen Friseur, der nicht teuer ist. Na ja, aber das ist ein bisschen weit weg von mir. Für mich soll der Friseur ein Nachbar sein. Dann gehe ich doch zur Schanze, da wo ich jedes Mal hingehe, aber jedes Mal besuche ich einen neuen Friseur.

    Der Friseur in Syrien als Treffpunkt

    Als ich dann endlich beim Friseur saß, überlegte ich, dass ich doch darüber einen Artikel  schreiben könnte, weil der Friseurbesuch für mich viel mehr ist als nur eine neue Frisur. Das Friseurgeschäft war für mich und meine Nachbarn auch immer ein Ort, um sich zu treffen. Wenn uns langweilig war, gingen wir dorthin und unterhielten uns miteinander.

    Die Friseure waren ein Cousin und ein Nachbar. Wir waren alle zwei Wochen dort zum Haareschneiden und fast jeden Tag, um uns zu unterhalten und um zu erfahren, was es Neues gab in der Nachbarschaft. Der Friseur war für viele so etwas wie eine Presseagentur. Wir haben ihn immer Al Jazeera genannt, wie der große arabische Sender Al Jazeera. Dieser war – vor dem arabischen Frühling – für viele arabischsprachige Menschen eine verlässliche und uneingeschränkte Quelle. 

    Wenn du aber etwas über Nachbarschaft und lokale Nachrichten wissen wolltest, gingst du zum Friseur und fragtest dort. Manchmal musstest du gar nicht fragen, weil er von alleine erzählte. Er erzählte dir alles, während er dir die Haare schnitt oder den Bart rasierte. Jeder syrischer Friseur, den ich kenne, war ein großer Erzähler. 

    Die Gespräche beim Friseur vermisse ich sehr. Seit sechs Jahren gehe ich in unregelmäßigen Abständen zum Friseur und ich kann mich an keine Unterhaltung erinnern. Vielleicht, weil ich fast nur zu türkischen Friseuren gehe und wir uns beide nicht sicher in der deutschen Sprache fühlen? Vielleicht auch deshalb, weil ich jedes Mal zu einem anderen Friseur gehe? Ich weiß es nicht.

    Der Friseur in Deutschland

    Eine deutsche befreundete Familie spricht oft über den Friseur der Familie. Dieser Friseur kennt die Familie seit 15 Jahren und die Männer dieser Familie gehen regelmäßig zu ihm. Ich höre zu und bin fast ein bisschen eifersüchtig. Sie erzählen über ihn und über seine große Erzählung, die manchmal auch Quatsch sein darf. 

    Die Menschen in Deutschland, die in einem Dorf leben, kennen diese Beziehung zu ihrem Friseur auch. Aber in der Stadt, besonders in einer großen Stadt, ist diese Beziehung für viele junge Menschen bedauerlicherweise abwesend. Denn das Leben ist schnell und im kapitalistischen System ist es wichtig, wie viel Geld am Ende des Tages verdient wird. 

    Allerdings gilt das kapitalistische System auch auf dem Dorf – auch da müssen die Friseure Geld verdienen. Trotzdem haben sie einen persönlichen Kontakt zu ihren Kund*innen. Vielleicht weil sie am Ende nur bestimmte Kund*innen haben, um die sich kümmern sollten, damit sie regelmäßig kommen. Und auch weil der Friseur seine Kund*innen sehr gut kennt, verbinden sie Beziehung und Geschäft.

    Der Friseur nur für einen Mann?

    Ich erinnere mich an eine große Diskussion 2016. An der Tür eines Friseurgeschäfts, in dem ein geflüchteter Friseur arbeitete, hing ein Zettel.  Darauf stand, dass dieses Geschäft nur für Männer geöffnet hat, weil er einen neuen Mitarbeiter aus Syrien hatte, der nur einen Mann frisieren kann. Es war ein großes Thema, warum sie keine Frauen akzeptierten. Das wurde als ein Verstoß gegen die Gleichberechtigung gesehen und es wurde gesagt, dass die Geflüchteten die Gesellschaft veränderten.

    Ich glaube, das Hauptproblem war, dass es in Syrien zwei Möglichkeiten gibt, Friseur zu werden. Die erste Möglichkeit ist, bei einem Friseur zu arbeiten und dort langsam das Friseurhandwerk zu lernen. Wenn sie es gelernt haben, können sie sich beim Friseurverband anmelden und dort eine Prüfung ablegen. Das machen viele Jüngere mit 15 Jahren, weil sie nicht mehr zur Schule gehen wollen. Weil sie bei einem Friseur gelernt haben, zu dem nur männliche Kunden kommen, haben sie nicht das Handwerk eines Friseurs für Frauen gelernt.

    Die zweite Möglichkeit ist, einen Intensivkurs zu machen, in dem man lernt Haare zu schneiden. Hier gibt es zwei verschiedene Kurse: Einen für männliches Haar und Bart und einen für weibliches Haar und Make-up. Viele möchten möglichst schnell fertig werden und machen deshalb nur einen Kurs.

    Der Friseur war in meiner Heimat, ein Treffpunkt, ein Community-Punkt für viele Männer und dieser Community- Punkt oder Ort fehlt leider im Exil. Das ist nicht nur mein Problem, sondern für viele Männer besonderes mit Migrationsgeschichte, die neu in eine Stadt oder in ein neues Land kommen. Sie suchen einen Ort, wo sie sich treffen und austauschen können und glauben, dass sie den beim Friseur finden.

    Besonders groß ist dieses Problem mit dem Friseurbesuch jedoch bei Frauen, die ein Kopftuch tragen. Nicht nur, weil viele Friseur*innen deren Bedürfnisse nicht spüren, sondern auch deshalb, weil der Friseur ein sicherer Ort für sie sein soll. Bei uns war ein Friseurgeschäft ein Treffpunkt und für viele Frauen ein sicherer Raum, in dem sie ohne Kontrolle durch Männer und die Gesellschaft miteinander reden und ihre Probleme und Gesellschaftsdruck austauschen konnten.

    Am Ende möchte dich fragen, welche Erfahrung hast du beim Friseur? Findest du, dass die Friseure ein Community-Ort sein könnten? Gerne teile mit mir deine Erfahrung hier als Kommentar. Ich freue mich auch auf Vorschlage von dir, worüber ich nächste Woche schreiben sollte.

     

  • Deutsche Sprache ist, was wir gemeinsam haben

    Ich hatte das Bedürfnis nach Spiritualität in unserer materialistischen Gesellschaft. Bei den Muslimen ist Freitag der heilige Tag und weil ich Vollzeit arbeite, kann ich nur in eine Moschee in der Nähe gehen. 

    Dschumma bedeutet auf Deutsch Freitag und viele Muslime kennen diesen Begriff. Dschumma kommt wahrscheinlich von dem Wortstamm dschem, was so viel wie zusammentragen, zusammenbringen bedeutet.

    Welche Moschee kann ich besuchen?

    Zur arabischen Moschee am Hauptbahnhof kann ich nicht gehen, auch nicht zu der neuen großen Moschee, der Al-Nour Moschee in Hamburg. Auch wenn die umgebaute Moschee sehr schön sein soll. Immerhin hat der Umbau der ehemaligen Kapernaumkirche nach Angaben der Gemeinde fünf Millionen Euro gekostet. Aber leider dauert der Weg von mir aus dorthin eine Stunde und so lange ist meine Pause nicht. Dieses Problem haben viele berufstätige Muslime.

    In St. Pauli gibt es zwei Moscheen, beides sind türkische Moscheen. Ich dachte, ja, warum nicht, in allen Moscheen findet man seinen Gott Allah. Das Problem ist aber, dass der Imam nur Türkisch spricht und ich deshalb das Freitagsgebet, die Khutba, nicht verstehe.

    Das Freitagsgebet

    Beim Freitagsgebet gibt es manchmal vorher eine Art Unterricht. Der Imam erzählt eine Geschichte oder etwas aus dem Koran. Es war ein türkischer Imam, der nur Türkisch sprach. Viele ältere Menschen aus der Türkei waren da, aber auch sehr viele junge aus unterschiedlichen Ländern. Neben mir saßen ein Mann aus Ghana und ein Mann aus Marokko. Wir saßen alle da, aber konnten nicht verstehen, was der Imam sagte.

    Ich kann die Verantwortlichen der Moschee nicht bitten, Arabisch zu sprechen, weil die Mehrheit der Besucher dort nicht Arabisch spricht und die Moschee vom Türkischen Verein Hamburg gegründet wurde. Umgekehrt wäre es auch so. Ein türkischer Mann, der eine Moschee in seiner Nähe besuchen will, in der Arabisch gesprochen wird, würde auch nicht den Imam bitten, Türkisch zu sprechen. Auch Muslime aus anderen Ländern, die weder Türkisch noch Arabisch sprechen, können den Imam nicht darum bitten, in ihrer Sprache zu sprechen. Ist Deutsch also auch unsere gemeinsame Sprache in der Moschee? 

    Entwicklung des muslimischen Lebens in Deutschland

    1915 wurde die erste Moschee für die ca. 30.000 muslimischen Kriegsgefangenen gebaut, allerdings wurde diese schon zehn Jahre später wieder abgerissen. 1925 folgte dann die Moschee einer pakistanischen Ahmadiya-Gemeinde im Berliner Stadtteil Wilmersdorf. Aus dieser Moschee-Gemeinde folgte 1939 auch die erste Übersetzung des Korans in die deutsche Sprache. 

    Mit der Migration der Gastarbeiter ab 1961 begann sich das muslimische Leben in Deutschland aber erst richtig zu entwickeln. Die Muslime waren lange Zeit darauf angewiesen, ihren religiösen Verpflichtungen, wie dem Gemeinschafts- oder Freitagsgebet, in Gebetsräumen nachzukommen, die zuvor Fabrikhallen, Gewerberäume und ähnliches waren. Meistens lagen diese in Industriegebieten.

    Eine Moschee für jede Community

    Das Problem fing an, weil die deutsche Regierung und Politiker*innen den  Muslimen in Deutschland nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben. So haben die Muslime alleine eine Lösung entwickelt. Viele Muslime haben Vereine gegründet, Spenden gesammelt und haben auch Kontakte in ihrer Heimat geknüpft. So konnten in Deutschland viele Moscheen gebaut oder eingerichtet werden. 

    Jede Community hat ihre Moschee für sich gebaut, z.B. die türkische oder arabische Community. Und weil der Islam viele Richtungen hat, hat danach jede Community  ihre Moschee gebaut, die Ahmadiyya, die sufische, oder auch die salafistische. 

    Aber das Problem ist, dass die Muslime aus unterschiedlichen Ländern kommen und es auch nicht nur einen Islam gibt. Der Islam in Saudi Arabien ist anders als der in Syrien, wieder anders der in der Türkei oder im Iran.

    Die Bedeutung der Sprache

    Auf jeden Fall ist und bleibt die Community ein Punkt für viele Muslime. Und in diesem Punkt sollte die Sprache, die die Community spricht, eine Rolle spielen. Aber weil die Muslime in Hamburg auch in Deutschland keine gemeinsame Sprache sprechen außer Deutsch, könnte die Moschee auch eine Community Ort  für viele Muslime sein. Wir Muslime glauben, dass die arabische Sprache eine gemeinsame und heilige Sprache ist, vergleichbar mit dem Lateinischen im Christentum. Aber leider ändert sich das immer mehr, weil viele junge Menschen nicht Arabisch lernen. Sie können deshalb die Freitagsgebete nicht verstehen und auch nicht sprechen.

    Syrische Muslime wie ich, afghanische Muslime, die Kinder von türkischen oder arabischsprachigen Eltern, die hier aufgewachsen sind, der Mann aus Ghana oder Nigeria, der Marokkaner, wir können uns nur auf Deutsch unterhalten und verstehen. Wir leben in Deutschland und unsere gemeinsame Sprache ist Deutsch.

    Die Al-Nour Moschee und andere Moscheen versuchen die Khutba in zwei Sprachen zu machen, auf Arabisch und auf Deutsch. Mit dieser Lösung können sie mehr Muslima erreichen, die nicht arabisch sprechen, vielleicht auch mehr jüngere Gläubige. Gleichzeitig verdrängen sie auch nicht diejenigen, die auf arabisch ihr Freitagsgebet verrichten wollen. 

    Auf jeden Fall ist das Beten in der Fremdsprache anders, als wenn man in seiner Muttersprache betet.

    Appell

    Und ich sage hier, dass die Moschee in zwei Sprachen beten oder mindesten die Khutba so sprechen sollten.  Nicht, damit wir die deutsche Mehrheit, die nicht Muslime sind, erreichen, sondern damit wir die jungen Muslime erreichen, die hier geboren wurden und auch deutsch sind.

    Denn die deutsche Sprache ist, was wir als Muslime gemeinsam haben. 

  • Wie die Pandemie die Integration bedroht

    Seit zwei Jahren leben wir in einer Pandemie und wiederkehrenden Lockdowns. Die Coronakrise hat unterschiedliche Lebensbereiche drastisch beschädigt. Der Anteil der Armut und die Arbeitslosigkeitsquoten sind gestiegen. Viele Menschen haben ihre Jobs verloren oder mussten mindestens in Kurzarbeit gehen. Für Bildung ist die Lage nicht besser, denn viele Kinder und Jugendliche mussten in Homeschooling oder hatten gar keine Schule.

    Während sich die politischen Debatten auf Gesundheit, Bildung und Wirtschaft konzentrieren, bleibt das Thema Integration unter dem Radar. Geflüchtete und Einwandere sind hart von der Corona-Pandemie betroffen. Die Folgen der Coronakrise auf dem Arbeitsmarkt und die Bildung gefährden die Integration und werden den Integrationsprozess von Geflüchteten verlangsamen.

    Viele Sprachkurse mussten während des Lockdowns pausiert werden. Eine Möglichkeit auf Online-Unterricht gab es kaum oder in vielen Sprachschulen gar nicht. Die Besucher der heutigen Sprachkurse sollten voraussichtlich letztes Jahr ihre Sprachkurse beenden und in den Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem einsteigen. Nun müssen sie ein Jahr warten, bis sie fertig mit der Sprache sind. Außerdem ist der Einstieg in den Arbeitsmarkt schwieriger geworden. Auch in den Universitäten und Hochschulen wurden die Geflüchteten benachteiligt und mussten die Herausforderungen des Studiums online bewältigen.

    Auf dem Arbeitsmarkt gibt es auch harte Auswirkungen. Viele Menschen haben ihre Jobs verloren, unter anderem viele Flüchtlinge, und müssen heute noch mal von vorne anfangen. Laut einer Studie der Friedrich-Alexander-Universität: „Zwischen März und Juli 2020 stieg die Arbeitslosenquote unter Drittstaatler*innen in Deutschland um 5,2%, davon um 13,4% bei Personen aus den typischen Asylherkunftsländern“.

    Corona und kulturelle Teilhabe

    Nicht nur Bildung und Arbeit erleben die Auswirkungen der Pandemie, sondern andere Bereiche wie kulturelle Teilhabe sind auch betroffen. Seit 2017 arbeitet das syrische interkulturelle Kollektiv „Schu Fi Ma Fi“ in Düsseldorf daran, die Syrer zusammenzubringen und auszutauschen.

    Basel Al Ali studierte Informationstechnik an der Universität Heinrich Heine in Düsseldorf und arbeitet nun mit anderen 5 syrische Flüchtlinge im Kollektiv. „Schu Fi Ma Fi ist eine normale Reaktion auf das Ankommen von syrischen Flüchtlingen nach Deutschland und vor allem nach Düsseldorf. Wir wollen einen sicheren Raum für Syrer schaffen, damit sie sich selbst darstellen und ausdrücken können“ sagte Basel.

    Vor der Coronakrise hat das Kollektiv mehrere Veranstaltungen organisiert, wie z.B „Hakayat“ (auf Deutsch: Erzählungen). Dabei wurden syrische Autor*Innen eingeladen, um ihre Texte zu lesen und ihre Gedanken und Hoffnungen mitzuteilen. Das Kollektiv organisierte auch ein syrischen sozialen Salonkultur unter den Namen „Iwan“ und brachte zahlreiche syrische Flüchtlinge zusammen, um sich über unterschiedliche Themen zu unterhalten, nicht nur über Flucht, Sprachelernen und Integration, sondern auch über syrische relevante Themen wie Krieg, Korruption und Demokratie.

    Die Coronakrise hat die kulturelle Teilhabe massiv eingeschränkt. Das Kollektiv musste viele Veranstaltungen im Lockdown absagen, andere wurden online gehalten z.B auf Clubhouse. „Die soziale Plattformen wie Clubhouse und YouTube sind für uns ein alternativer Weg wegen der Pandemie geworden. Allerdings sind sie mit dem persönlichen Treffen nicht zu vergleichen“ sagte Basel.

    Das Kollektiv wird vom Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (Zakk) in Düsseldorf unterstützt. Dabei bietet Zakk logistische Hilfe für das Kollektiv, wie den Ort für die Veranstaltungen. Die Ideen werden von Basel und seine Freunde entwickelt.

    Sorgen um die Zukunft

    Basel macht sich Sorgen um die Zukunft des Kollektivs „Viele von uns müssen jetzt ihre Prioritäten setzen und an ihre eigene Zukunft denken. Wir wollen gerne weitermachen und den anderen helfen, aber Corona spielt gegen uns“.

    Nun erholt sich das Kollektiv von dem langen Lockdown und organisiert weiter kulturelle Veranstaltungen in Düsseldorf. Im Oktober hat Schu Fi Ma Fi eine erfolgreiche Veranstaltung mit dem syrischen YouTuber Bisher Najjar organisiert. Andere Veranstaltungen hat das Kollektiv auch auf dem Plan, solange es keinen Lockdown gibt.

    Das Kollektiv Schu Fi Ma Fi und andere Vereine und Organisationen von Geflüchteten sind ein wichtiger Baustein für die Integration. Denn sie bieten den Geflüchteten die Möglichkeit, sich in der Gesellschaft zu integrieren. Experten warnen davor, dass alle Errungenschaften im Bereich Integration über die letzten Jahren von den Folgen der Pandemie bedroht sind. Nun steht Deutschland kurz vor einer vierten Welle und einem neuen Lockdown, trotzdem bleibt dieses Thema wenig thematisiert in den politischen Debatten.

kohero-magazin.com