Schlagwort: Asylrecht

Frag Angelika!

  • Können Geflüchtete einer Partei beitreten?

     

    Antwort

    Lieber Ratsuchender,

    Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Die Parteien spielen bei uns im politischen System eine zentrale Rolle und erfüllen sehr wichtige Aufgaben. Durch Artikel 21 des deutschen Grundgesetzes ist dies verfassungsrechtlich abgesichert. Weitere Bestimmungen, vor allem im Parteiengesetz und im Steuerrecht, konkretisieren und ergänzen  diesen Artikel des Grundgesetzes. Regelungen auf der europäischen Ebene ergänzen den Artikel 21 ebenfalls. Diese rechtlichen Regeln definieren formale Voraussetzungen sowie Rechte und Pflichten. An diese müssen sich die Parteien von ihrer Gründung bis hin zu ihrer möglichen Auflösung bzw. ihrem Verbot halten. Die Parteien müssen diese in ihrem Innenverhältnis beachten. Sie sollen die Parteien bei der Erfüllung ihrer Funktionen unterstützen.

    Mitgliedschaft in einer Partei

    Jeder kann Mitglied in einer Partei in Deutschland werden. Man füllt einen Antrag auf Mitgliedschaft aus, der dann an die Partei geht. Wenn man Mitglied ist, muss man einen monatlichen Mitgliedsbeitrag bezahlen. Einige Parteien haben eine Liste von Ausschlusskriterien (d.h., wenn man einer der in der Liste aufgeführten Vereinigungen angehört, wird man nicht aufgenommen). Politische Parteien müssen nicht jeden aufnehmen. Es steht ihnen frei, Aufnahmeanträge abzulehnen. Sie müssen auch nicht begründen, warum sie jemanden nicht aufnehmen wollen( §10 PartG).
    Auch Minderjährige und Ausländer können Mitglieder einer Partei werden.
    Viele etablierte Parteien bemühen sich um Mitglieder mit Migrationshintergrund. Wenn du dich also in einer Partei engagieren möchtest, trete ihr bei, wenn dir deren Ziele und Vorgaben zusagen.

     

  • Syrische Dokumente für Hochzeit abgelaufen – was nun?

     Antwort

    Lieber Ratsuchender,
    der Weg bis zur Hochzeit für einen syrischen Geflüchteten mit einer deutschen Staatsangehörigen ist wirklich schwierig und kann dauern.

    Offensichtlich ward ihr schon beim Standesamt und man hat euch gesagt, dass der syrische Geflüchtete verschiedene Dokumente, eine Geburtsurkunde, ein Ehefähigkeitszeugnis und einen gültigen Reisepass, seines Heimatlandes vorlegen muss. Das Ehefähigkeitszeugnis darf tatsächlich nicht älter als 6 Monate sein. Das Dokument von 2015 ist damit nicht mehr gültig.

    Anmeldung zur Eheschließung

    Ihr könnt jetzt versuchen, bei einem anderen Standesamt die Anmeldung zur Eheschließung zu stellen. Manchmal ist die Heirat bei einem Standesamt leichter als bei einem anderen. Das hängt vom zuständigen Standesbeamten ab. Es kann aber auch von der Erlasslage im jeweiligen Bundesland abhängen. Ihr könnt also zum Standesamt am Wohnsitz der deutschen Freundin oder zum Wohnsitz des Geflüchteten gehen. Unter Umständen kann es sogar empfehlenswert sein, sich umzumelden, um zu einem besseren Standesamt wechseln zu können. Grundsätzlich kann man bei jedem deutschen Standesamt heiraten. Man muss dann aber damit rechnen, dass für die Anmeldung zusätzliche Gebühren anfallen.

    Wenn kein aktuelles Ehefähigkeitszeugnis vorhanden ist, kann man beim Oberlandesgericht einen Antrag stellen, um von der Einreichung dieses Dokuments befreit zu werden. Diesen Antrag müsst ihr über das Standesamt stellen. In manchen Städten weigern sich die Standesämter, Anträge an das Oberlandesgericht weiterzuleiten. Dann müsst ihr einen Anwalt einschalten.

    Vorlage eines gültigen Reisepasses


    Die Vorlage eines gültigen (verlängerten) syrischen Reisepasses ist grundsätzlich nicht erforderlich: Die Rechtsprechung akzeptiert, wenn der Geflüchtete einen abgelaufenen Pass vorlegen kann. Es muss aber eine gewisse zeitliche Nähe zwischen dessen Ausstellung, dem Ablauf und der Anmeldung zur Eheschließung bestehen. Der Standesbeamte kann in einem solchen Fall die Aufenthaltsgestattung heranziehen, aus der sich Identität und Staatsangehörigkeit ergeben.

    Eintragen einer Lebenspartnerschaft


    Der Weg zur Heirat kann sehr beschwerlich sein. Das hängt vom Herkunftsland des ausländischen Ehepartners und den vorhandenen Papieren ab. Als ersten Schritt muss man sich beim Standesamt erkundigen, welche Dokumente man braucht.

    Die Eintragung einer Lebenspartnerschaft regeln die Bundesländer unterschiedlich. In den meisten Ländern ist auch dafür das Standesamt zuständig, in anderen der Notar.
    Das Standesamt informiert darüber, welche Dokumente du vorlegen musst und welche die Deutsche Botschaft im Heimatstaat legalisieren muss. In der Regel handelt es sich um die Geburtsurkunde, das Ehefähigkeitszeugnis, den Reisepass und den Staatsangehörigkeitsausweis. Je nach Herkunftsland, gilt dies noch für zusätzliche Dokumente.

    Formale Echtheitsprüfung

    Diese Papiere muss man im Herkunftsland beschaffen. Bei manchen Herkunftsländern muss man die Dokumente noch der Deutschen Botschaft zur Legalisation vorlegen. Gesetzlich beschränkt sich diese Legalisation gemäß § 13 Konsulargesetz auf die formale Echtheitsprüfung.

    Seit 2001/2002 allerdings wird diese formale Echtheitsprüfung bei vielen Herkunftsländern nicht mehr vorgenommen, da angeblich das Dokumentenwesen in diesen Ländern zu unzuverlässig ist. Das gilt für  die meisten westafrikanischen Länder und Vietnam. Die Botschaft legalisiert in diesen Fällen nur noch nach umfangreicher inhaltlicher Untersuchung.

    Wenn man einen sogenannten Vertrauensanwalt einschaltet, der hieran viel Geld verdient und daher kein Interesse hat, die Arbeit schnell zu beenden, werden die familiären Verhältnisse des ausländischen Ehepartners ausgeleuchtet. Dies dauert in einigen Ländern so lang, dass eine Heirat in Deutschland dadurch fast unmöglich wird. Diese Überprüfung nimmt die Amtshilfe vor, wenn das Heimatstandesamt eine inhaltliche Überprüfung für notwendig hält.

    Einschalten eines Anwalts

    Besonders vorsichtig muss man sein, wenn das Standesamt die Einleitung des Verfahrens davon abhängig macht, ob man  die Dokumente komplett einschließlich des Reisepasses vorglegen kann. Wenn dadurch die Abschiebung droht, etwa weil der Aufenthalt des Verlobten nur deshalb geduldet wird, weil keine Heimreisepapiere vorliegen, schaltet man besser einen ausländerrechtlich erfahrenen Anwalt ein. Der kann vielleicht eine Abschiebung während des laufenden Verfahrens verhindern.

    Wenn das Heimatrecht kein Ehefähigkeitszeugnis kennt, muss das zuständige Oberlandesgericht eine „Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis“ erteilen. Dazu leitet das Standesamt die Papiere an das Oberlandesgericht weiter, welches dann die Befreiung erteilt. In manchen Städten weigern sich die Standesämter, Anträge an das Oberlandesgericht weiterzuleiten. Auch dann sollte ein Anwalt eingeschaltet werden.

    Beschaffen eines Reisepasses

    Häufig ist es schwierig, einen Reisepass zu beschaffen.  Nach § 5 Personenstandsverordnung (PStV) kann man die Staatsangehörigkeit des ausländischen Ehepartners durch Reisepass oder einen Staatsangehörigkeitsausweis nachweisen. Für Flüchtlinge im Asylverfahren ist die Beschaffung eines Passes oft nicht möglich, weil sie die Botschaft nicht betreten wollen. Der Reisepass kann aber durch einen anderen Identitätsnachweis und ein Staatsangehörigkeitszeugnis ersetzt werden. Oft genügt auch ein abgelaufener Pass.

    Anmelden zur Eheschließung

    Die meisten Städte nehmen die Anmeldung zur Eheschließung nur dann an, wenn der oder die Ausländer*in noch irgendein gültiges Aufenthaltspapier oder einen Grenzübertrittsschein hat. In anderen Städten genügt die Aufenthaltsbescheinigung. Es ist wichtig, sich hierüber rechtzeitig zu erkundigen. Wenn man keinen Weg findet, aus der Statuslosigkeit heraus zu heiraten und auch keine kurzfristige Relegalisierung möglich ist, kann man nur noch im Ausland heiraten. Sämtliche weiteren Schritte für eine Beschaffung von Dokumenten für eine Heirat in Deutschland können eingestellt werden.

    Wenn jedoch alle Dokumente vorhanden sind, wird das Standesamt einen Termin zur Eheschließung bestimmen. Es gibt kein Aufgebotsverfahren mehr. Der Standesbeamte kann die Eheschließung verweigern, wenn er Gründe dafür hat, anzunehmen, dass beide Ehepartner die Eheschließung beantragen, ohne dass sie wirklich eine eheliche Lebensgemeinschaft eingehen wollen (sogenannte Scheinehe), § 1314 Abs.2 Nr.4 BGB. Hierbei müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Dass einer der zukünftigen Ehepartner Asyl begehrt, lässt diesen Schluss nicht zu. Diese relativ neue gesetzliche Regelung wird anscheinend selten angewendet. Viele Standesbeamte wollen sich nicht  als Schnüffler betätigen oder den Verlobten jedenfalls nichts unterstellen.

    Ausnahmen

    • In Ausnahmefällen kann man die Bescheinigung durch eine eidesstattliche Versicherung ersetzen. Zum Beispiel wenn der ausländische Partner als Asylbewerber nicht in sein Heimatland reisen kann, weil er dort verfolgt wird.  Oder wenn die dortigen Behörden sich weigern, die Ledigkeitsbescheinigung auszustellen, um den Asylanten zur Rückkehr zu zwingen. Auch Kriegswirren oder Bürgerkriege können dazu führen, dass man die Ledigkeitsbescheinigung nicht erbringen kann und durch eine Versicherung ersetzen muss.

    • Auch Absatz 2 des § 1309 BGB befasst sich mit dem Thema. Der Präsident des Oberlandesgerichts des Bezirks, in dem das Standesamt der Eheschließung liegt, kann davon befreien, ein Ehefähigkeitszeugnis vorzulegen. Das wird immer dann gemacht, wenn es kein Ehefähigkeitszeugnis im Heimatland gibt oder wenn es sich um einen Staatenlosen handelt. Wenn man von der Vorlage des amtlichen Ehefähigkeitszeugnisses befreit ist, kann man eine Ledigkeitsbescheinigung aus dem Heimatland oder eben die eidesstattliche Versicherung, dass man nicht verheiratet ist, hinzuziehen.

  • Aufenthaltstitel verlängern ohne gültigen Pass

    Antwort

    Lieber Khalel,

    zunächst die gute Nachricht: Du musst nicht zur syrischen Botschaft nach Berlin, um dort einen neuen syrischen Pass beantragen oder deinen alten Pass verlängern lassen.

    Du hast ja bereits einen Aufenthaltstitel ( subsidiären Schutz), der verlängert werden soll. Nach § 5 Abs. 3 S. 1 AufenthG ist von der Erfüllung der Passpflicht abzusehen, wenn ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 S. 1 2. Alt AufenthG (subsidiärer Schutz) oder 25 Abs. 3 AufenthG erteilt oder verlängert wird (vgl. § 8 Abs. 1 AufenthG). Die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG abhängig zu machen.

    Das Bundesministerium des Inneren hat dieses aufgrund einer Anfrage noch einmal klargestellt: „ In der Regel müssen Ausländer einen Pass vorlegen, um einen Aufenthaltstitel zu bekommen (§ 5 Absatz 1 Nr. 4 AufenthG).
    Dies gilt allerdings nicht für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 (§ 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG). Diese sind kraft Gesetzes von der Pflicht zur Erfüllung der Passpflicht für die Erteilung der Aufenthalterlaubnis ausgenommen. Der Aufenthaltstitel ist somit ungeachtet dieser Erteilungsvoraussetzung zu erteilen.“

    Reise ins Ausland

    Wenn du allerdings ins Ausland reisen möchtest, brauchst du ein Reisedokument.
    Subsidiär Schutzberechtigte können einen Reiseausweis für Ausländer beantragen. Dieser Reiseausweis wird nur erteilt, wenn der Ausländer keinen Pass besitzt und ihn nachweislich auch nicht auf zumutbare Weise erlangen kann (§ 5 AufenthV). Nach dem geltenden Recht ist subsidiär Schutzberechtigten die Beantragung eines Nationalpasses bei den nationalen Behörden des Herkunftsstaates unter Umständen auch zumutbar. Welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt die Ausländerbehörte nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.

    Die eine Unzumutbarkeit begründenden Umstände müssen grundsätzlich durch den Ausländer gegenüber der Ausländerbehörde dargelegt und nachgewiesen werden (vgl. OVG NW, Beschluss vom 17.05.2016 – 18 A 951/15). Dies können geforderte Schmiergeldzahlungen sein oder weil die Angehörigen im Heimatland gefährdet werden könnten.

    Du solltest also zur Ausländerbehörde gehen und auf der Verlängerung deines Aufenthaltstitels um weitere 2 Jahre bestehen – auch wenn dein syrischer Pass nicht mehr gültig ist.

     

    Wenn es bei der Ausländerbehörde trotzdem Schwierigkeiten geben sollte, müsstest du einen Rechtsanwalt aufsuchen.

    Also viel Erfolg!

  • Duldung und unbefristeter Arbeitsvertrag – Härtefallersuchen?

     

    Antwort:

    Lieber Leser,

    Zunächst einmal Glückwunsch, dass dein Freund einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen hat.

    Geduldete Ausländer sind Personen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben (wie hier z.B. abgelehnte Asylbewerber) nach §60a Abs.4 AufenthG.

    Bei einem Mindestaufenthalt von 15 Monaten in Deutschland kann auch ein Geduldeter nach § 32 Abs.5 Nr. 2 BeschV ein Arbeitsverhältnis eingehen. Ich gehe davon aus, dass die Ausländerbehörde darüber informiert wurde.

    Die Ausländerbehörde hat wahrscheinlich eine Ermessensduldung nach § 60a Abs.2 S.3 AufenthG ausgesprochen, wonach dein Freund bis 2020 auf jeden Fall in Deutschland bleiben kann, sofern er nicht einen Pass seines Heimatlandes (Irak) hat, mit dem er dort wieder einreisen könnte (dann erlischt seine Duldung hier unverzüglich).

    Er könnte eine Petition bei der Hamburgischen Bürgerschaft einreichen (Verfahren für ein Härtefallersuchen), dabei sollte er sich von einem kundigen Anwalt vertreten lassen.

    Ich sehe aber momentan keine Probleme bei einer Duldung, wenn er sich hier in Deutschland an die Gesetze hält, seinen Arbeitsvertrag erfüllt und sich weiter integriert.

    Viel Erfolg für Deinen Freund!

  • Aus Griechenland nach Deutschland als syrischer Geflüchteter?

    Antwort

    Lieber Leser,

    leider können wir dir und vor allem dem syrischen Flüchtling in Athen nicht helfen. Es gibt für syrische Flüchtlinge in Griechenland keine legale Möglichkeit, nach Deutschland einzureisen. Er hat keine Familie hier, keinen deutschen Ausbildungsvertrag etc. und hat daher nicht aufgrund gesetzlicher oder völkerrechtlicher Normen einen Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland.

    Wenn er eine Möglichkeit sieht – auf welchem Wege auch immer – nach Deutschland zu kommen, kann er hier einen Asylantrag stellen, über den wahrscheinlich auch positiv entschieden wird. Sollte er in Griechenland bereits registriert sein (Fingerabdrücke) oder einen Asylantrag gestellt haben, muss er nicht damit rechnen, wieder nach Griechenland abgeschoben zu werden (bei einem möglichen negativen Asylbescheid).

    Sorry, dass wir da nicht mehr helfen können. Versuche einfach, regelmäßig Kontakt zu ihm zu halten und ihn seelisch etwas aufzubauen. Zumindest ist er ja in Griechenland sicherer als in Syrien…..

    Dieser Artikel wurde  auch auf Englisch veröffentlicht.

    https://kohero-magazin.com/from-greece-to-germany-as-a-syrian-refugee/

  • Ausweispapiere bei Brand zerstört – was nun?

    Flucht

    Auf einem dreitägigen Fußmarsch floh ich von Syrien in die Türkei. Dort hielt ich mich nur ein paar Stunden auf und erreichte knapp vier Stunden später Bulgarien. Man nahm mir polizeilich meine Fingerabdrücke ab und steckte mich wie unter Arrest in ein Flüchtlingscamp, unter unmenschlichen Verhältnissen.

    Rudi

    Es gab kein Essen, kein Geld, schlechte Hygiene und nur sehr beengte Wohnmöglichkeiten. Arbeiten durfte ich nicht. Dort blieb ich sieben Monate lang, dank der knappen finanziellen Unterstützung meines Onkels aus Syrien.
    Dann fand ich gegen Bezahlung eine Möglichkeit mit anderen Flüchtlingen per Autotransport  über Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland zu gelangen.

    In München wurde ich von der Polizei angehalten. Es wurden mir erst mal sämtliche Ausweispapiere abgenommen und man schickte mich zwangsweise in ein naheliegendes Camp. Unter dem sehr rauen polizeilichen Ton und Handeln gingen mir dann leider die Nerven durch. Ich bekam große Angst und Sehnsucht nach einem vertrauten Menschen.

    So ging ich nicht ins Camp, sondern für 25 Tage zu meinem Cousin nach Leer in Ostfriesland.

    Ankunft in Hamburg


    Danach gab es einen Aufenthalt in Bielefeld zur ersten Kontaktaufnahme für den Antrag auf Asyl. Und von dort einen offiziellen Transfer nach Hamburg.
    Es folgten Aufenthalte in Alsterdorf (sechs Wochen im Camp), elf Monate im Camp Stellingen Arena und acht Monate in Wilhelmsburg. Dort bekam ich neue Ausweispapiere und einen gültigen Ausweis, mit dem ich hätte arbeiten können.

    Am 13.07.2015 gab es dann leider einen Großbrand im Containerdorf.
    Mehrere Container (darunter auch meiner) verbrannten samt Hab und Gut und Papieren- auch meine Ausweispapiere wurden vernichtet.
    Die Ausländerbehörde verweigerte mir neue Ausweispapiere auszustellen. Stattdessen musste ich ab diesem Zeitpunkt alle vier Wochen, später dann drei Monate, eine neue Duldung beantragen.

    Meine derzeitige Duldung mit Androhung zur Abschiebung nach Bulgarien wurde nur noch für 15 Tage ausgesprochen und endete am 02.06.17.

    Ich befinde mich derzeit in einem Krankenhaus in Hamburg und brauche therapeutische und psychologische Behandlung. Die Strapazen der letzten Jahre und natürlich auch die Sehnsucht nach meiner Familie, die ich vier Jahre nicht mehr sah, so wie das Wissen darüber, dass eine derzeitige Rückkehr in meine Heimat den sicheren Tod bedeuten würde, haben mir zugesetzt. Mein körperlicher und seelischer Zustand ist sehr angegriffen.

    Eine Reise bzw. Ausweisung wäre undenkbar. Können Sie mir helfen? Ich bitte dringend um ihren Beistand .

    Antwort

    Lieber Rudy,

    zunächst hast du grundsätzlich Anspruch auf Ausstellung neuer Aufenthaltspapiere. Leider ist mir nicht bekannt, ob du eine Anerkennung als Flüchtling hattest oder subsidiären Schutz. Solltest du dich noch im Asylverfahren befinden, hättest du eine Aufenthaltsgestattung bis dein Verfahren beim BAMF abgeschlossen ist.

    Da dir die Ausländerbehörde sagte, du solltest alle 4 Wochen einen Antrag auf Duldung stellen, befindest du dich wahrscheinlich nicht (mehr) im Asylverfahren. Oder du hast irgendwann einmal einen negativen Bescheid vom BAMF erhalten. Gegen einen negativen Bescheid gibt es die Möglichkeit, Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Die Fristen sind aber sehr sehr kurz.

    Dublin-Fall

    Da du deine Fingerabdrücke in Bulgarien offiziell abgegeben hast, bist du ein sogenannter “Dublin-Fall”. Das heißt, dass dein Asylverfahren in dem Land durchgeführt werden muss, innerhalb der EU, das du zuerst betreten hast (als Nachweis gelten deine Fingerabdrücke, die jetzt in der EURODAC Datei sind): und das war bei dir leider Bulgarien. Das BAMF prüft dann, ob du nach Bulgarien abgeschoben wirst. Und das scheint bei dir positiv ausgefallen zu sein.

    Mitteilung an BAMF und Ausländerbehörde

    Aber keine Angst! Als erstes musst du dem BAMF und der Ausländerbehörde hier in Hamburg unbedingt mitteilen, dass du im Krankenhaus bist und dort wegen deiner psychischen Verfassung behandelt wirst. Du kannst in einer eidesstattlichen Versicherung mitteilen, was dir alles in Bulgarien passiert ist. Oder du reichst Atteste und Gutachten deiner Ärzte ein. Anfang April 2017 hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dass eine Abschiebung nach Bulgarien wegen dortiger unmenschlicher und existenzbedrohender Behandlung verboten ist ( AZ 15B2468/17). Dieses Abschiebeverbot ist unanfechtbar und zeitlich unbefristet.

    Zur Zeit werden auch keine Zugehörige zu besonders verletzlichen Gruppen (Traumatisierte, psychisch Erkrankte etc.) nach Bulgarien abgeschoben. Ich würde dir empfehlen, Atteste/Gutachten deiner Ärzte, dem BAMF und der Ausländerbehörde zu übergeben und dir einen guten Anwalt im Asylrecht zu nehmen.

    Viel Erfolg und vor allem gute Besserung für dich!

    Dieser Artikel wurde auch auf Englisch veröffentlicht.

    https://kohero-magazin.com/identity-papers-destroyed-what-to-do-now/

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