Schlagwort: Alltagserfahrungen

im Exil / in der Heimat

  • Überleben in einem Arabisch-Laden

    Du kommst nicht um einen Besuch beim Arabisch-Laden herum, wenn du Teil dieser Ethnie bist. Es ist auch gar nicht so schlimm, denn es handelt sich ja nicht um ein Horror-Kabinett. Allerdings helfen dir gewisse Charaktereigenschaften bei der Motivation für einen zweiten Besuch:

    • Geduld
    • Kommunikationsfreude
    • Keine Angst, vermutlich an Diabetes erkranken zu können

    Ob Letzteres ein Charakterzug ist, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Aber ich besitze definitiv keines der drei genannten Dinge.

    Ganz anders als im kommerziellen Supermarkt

    Der Laden ist in keiner Weise mit unseren kommerziellen Supermärkten zu vergleichen, in denen uniformierte Verkäuferinnen genervt mit dem Zeigefinger in die ungefähre Richtung zeigen, in der sich die von dir begehrte Ware zu befinden hat. Sie erkennen auch nicht die Odyssee in deinen Augen, die du gerade hinter dir hast: wie ein Geier hast du den Ort, an dem du den Bio-Honig zu wissen glaubst, umkreist. Gefunden hast du ihn allerdings nicht. Zu diesem Zeitpunkt hast du bereits geschätzt 8000 Schritte gemacht. Dabei hast du mehrmals das Blickfeld anderer genervter Kunden durchkreuzt. Und da du von ihnen nicht verflucht und als Dummdödel betitelt werden willst, gehste halt lieber fragen…

    An der Kasse muss es schnell gehen. Du kaufst einen Beutel aus Naturfaser zu 3,50 dazu, denn du willst kein Umweltsünder in den Augen der genervten Schlangestehenden sein. Im Kassenbereich gibt´s Himbeerdrops. Du überlegst sie zu kaufen. Dann denkst du an die abgelaufene Rolle Pfefferminz-bonbons, die du beim Staubsaugen des Fahrgastraumes deines Autos gefunden hast und du beschließt, erstmal diese aufzubrauchen.

    Ich weiß gar nicht, ob es eigentlich wirklich „Arabisch-Laden“ heißt. Mein Feras sagt jedenfalls immer mit seinem niedlichen arabischen Akzent: „Ich fahre noch zum Arabisch-Laden;  wegen Saubohnen und Halumi. Muss das gekauft sein.“ Jedenfalls wirst du dort bereits draußen, also vor dem Laden, vom rauchenden Inhaber begrüßt; mit breitem Lächeln und Bussi-Bussi. Dir wird das Gefühl vermittelt, als hätte er dich vor fünf Jahren schon einmal gesehen und dich seither ehrlich vermisst.

    Arabisch müsste man können

    Erstmal müssen hier und jetzt Neuigkeiten ausgetauscht werden. Ob es aus Kannen regnet oder die sengende  Sonne dir auf die Rübe scheint, ist nebensächlich. Der Inhaber spricht nur ein paar Brocken Deutsch. Du selbst sprichst nur ein paar Bröckchen Arabisch. Also lächelt er dich einfach nur an, während er deinem Feras auf Arabisch Fragen über dich stellt. Dieser platzt vor Stolz und erzählt deine Bio in typisch arabischer Manier: wild gestikulierend, laut sprechend und ohne einmal Luft zu holen.

    Du lächelst auch und hoffst, dass tatsächlich über dich und in positiver Weise gesprochen wird. Aber dann hörst du ein paar bekannte Orte aus dem Dialog heraus, zum Beispiel dein Geburtsort, dein Arbeitsort und du nickst eifrig wie ein Idiot zur Bestätigung. Dir wird klar: du musst unbedingt Arabisch lernen.

    Probieren muss sein

    Drinnen geht das Gespräch zwischen den beiden weiter. Du guckst dich derweil um und bist erstaunt, wie so viele Sachen auf so engem Raum untergebracht werden können. Der leckere Halumi-Käse schwimmt hier in einem auf dem Boden stehenden Fass. Du freust dich, weil du dich dann zuhause nicht mit einer der Hygieneverordnung unterworfenen Umverpackung aus Plaste herumschlagen musst. Gleichzeitig bist du besorgt, dass dieser nette Laden vielleicht wegen Missachtung derselben geschlossen werden könnte. Aber wer Halumi kennt, der weiß, dass die ihn umgebende Salzlake ihn praktisch steril hält.

    Überhaupt fragst du dich, wie hier mit wenig Klimatechnik eine Konservierung der Waren aufrechterhalten wird. Diese Frage wird beantwortet, wenn man die kunstfertigen Gebäckstücke eines Arabsich-Ladens betrachtet. Denn sobald du neugierig vor eben jenen stehst, wirst du genötigt, sie zu probieren. Jawohl, ich sage GENÖTIGT. Das Probieren der Ware abzulehnen, ist nämlich nur unter folgenden Voraussetzungen erlaubt:

    • Es ist Ramadan und die Sonne scheint noch
    • Das Produkt enthält Schwein, oder Teile davon (aber hier eher unwahrscheinlich)
    • Es enthält Alkohol (auch unwahrscheinlich, wenn es sich nicht um ein Kosmetikprodukt handelt)
    • Jetzt, hier, sofort würde dich das Produkt bei Verzehr durch eine metabolische Azidose töten und ein Imam kann das glaubhaft bestätigen

    Und Zeit muss man mitbringen

    Mein Feras bestärkte mich ebenfalls darin, das Gebäck zu kosten und unmittelbar nach dem Zubeißen wird dir schlagartig klar, warum hier kein Hightech zur Konservierung vonnöten ist. Denn das Gebäck selbst scheint ein Konservierungsmittel zu sein. Auch weißt du jetzt, warum die Koronare-Herzkrankheit und Diabetes Mellitus ausgerechnet in den arabischen Ländern die meisten Menschen dahinrafft. Du kommst um den Kauf herum, indem du glaubhaft versicherst, diese Gebäck bereits gestern Nachmittag von arabischen Freunden geschenkt bekommen zu haben. Denke dir keinen Zeitraum aus, der länger als 24 Stunden zurückliegt. Denn für Araber ist es absolut untypisch, dass Süßigkeiten länger als einen Tag unverzehrt zuhause lagern. Du verlierst also deine Glaubwürdigkeit.

    Bringe ausreichend Zeit mit. Im Arabisch-Laden wird an der Kasse ausgiebig geplaudert. Der hinter dir Stehende steigt irgendwann ins Gespräch mit ein. Der hinter ihm Stehende auch, und so weiter und so fort… Scheue dich auch nicht, von deiner Pilzinfektion im Zehenbereich zu erzählen. Hier hat immer irgendjemand irgendeinen Tipp oder kennt zumindest jemand, der die Schwägerin des Cousins der Oma seiner Schwester ist und sich damit auskennt.

    „Nur mal schnell“ dauert manchmal etwas länger

    Deine Waren werden in einer apricotfarbenen Plastiktüte verpackt. Du willst bei den Arabern nicht als ein Snob verschrien sein. Also trage diese Tüte mit Stolz nach Hause, nachdem du bar (!) bezahlt hast. Trinke unmittelbar nach deinem Besuch ausreichend Wasser. Dein Körper wird vom vielen Probieren dehydriert sein.

    Einst ergab es sich, dass mein Feras „nur mal schnell“ in den Arabisch-Laden springen wollte. Ich glaube, wir benötigten lediglich eine Dose Saubohnen, aber das tut hier nichts zur Sache. Da wir ohnehin gerade mit dem Auto unterwegs waren und ich die Worte „nur mal schnell“ in meiner deutschen Naivität wörtlich nahm, parkte ich gegenüber im Parkverbot und Feras eilte hinüber. Solltest du in dieselbe Situation kommen und obendrein das Pech haben, der im Auto Wartende zu sein, hier die Überlebensregeln:

    • Vergiss die oben genannten Worte mit den Anführungszeichen in Kombination mit Arabisch-Laden (vergiss überhaupt die Worte im Kontext mit allem Arabischen)
    • Dein Handy sollte gute Akkuladung haben, damit du dir die Wartezeit mit Daddeln vertreiben kannst.
    • Du kannst auch Bücher in deinem Auto horten. Ein Thriller kommt gut, wenn du warten musst, während es regnet
    • Eine Kuscheldecke und ein in einer Thermokanne vorbereitetes Heißgetränk bewahren dich vor dem Erfrierungstod bei Außentemperaturen unter 8 Grad Celsius
    • Wenn das Ordnungsamt kommt: Simuliere ein Nickerchen und überzeuge die Politessen davon, ein vorbildlicher Bürger zu sein, indem du lieber im Parkverbot hältst und schläfst, als weiterzufahren und vom Sekundenschlaf überwältigt zu werden.
    • Im Hochsommer: raus aus dem Wagen (auch mitgeführte Haustiere), ab zum Eisstand um die Ecke und schau zu, wie dein Auto abgeschleppt wird
    • Der beste Tipp: Beachte den ersten Punkt und halte dich daran.
  • Weihnachten bedeutet Hoffnung – ein Gespräch

    Susanne: „Fröhliche Weihnacht überall“ – so beginnt ein Weihnachtslied, was man schon seit Tagen an vielen Orten hört. Weihnacht – wirklich überall? Wie geht es dir mit Weihnachten, Hussam? Hat das Fest für dich eine Bedeutung? Erst jetzt hier in Deutschland oder auch schon in Syrien?

    Hussam: Weihnachten bedeutet für mich vor allem: Zeit mit der Familie. In Syrien habe ich das nicht wie hier gefeiert. Aber auch dort ist es ein Feiertag, der für viele Familien-Zeit bedeutet. Da wird zusammen gegessen und zusammen Fernsehen geguckt. In Deutschland habe ich das zuerst auch nicht richtig gefeiert – bis ich meine Liebste kennenlernte. Seitdem lade auch ich zu Weihnachten an meinen Tisch ein. Und ich erlebe es ebenso als gemeinsame Zeit: mit Kirche, gemeinsamem Essen, mit Baum und vielen Geschenken. So bleibt für mich die familiäre Bedeutung von Weihnachten wichtig.

    „Schenken soll mit Freude geschehen“

    Interessant finde ich den im Deutschen gebräuchlichen Begriff Bescherung. Ich habe nachgeschlagen: Er kommt vom mittelhochdeutschen Wort „beschern“. Das bedeutet „verhängen“ oder „zuteilen“. Das Wort wird auch ironisch verwendet. Bei unangenehmen Überraschungen sagt man manchmal: So eine (schöne) Bescherung! Ich mag die Geschenke bei der Bescherung. Ich gebe und ich nehme mit Freude.

    Aber in der Innenstadt sehe ich an einem Samstag im Dezember viele Leute, die Stress haben. Viele kaufen Geschenke, die sie kaufen sollen, aber vielleicht gar nicht kaufen möchten. Hier hat sich die Bedeutung vom Schenken verändert. Dabei geht das Schenken als Brauch am Weihnachtsabend wohl auf Martin Luther zurück. Bis dahin war es nur der Heilige Nikolaus, der den Kindern am 6. Dezember die Nikolausgeschenke brachte.

    Susanne: Richtig, jedenfalls vermutet man, dass dem Reformator die Heiligenverehrung zum Nikolaus ein Dorn im Auge war. Daher wohl die Verlegung des Schenkens aufs Weihnachtsfest.

    Gern würde ich mich mit dir noch weiter über die religiöse Bedeutung des Festes austauschen. Denn vor ein paar Wochen erzählte mir eine Erzieherin in einem städtischen Kindergarten, der von Kindern aus verschiedenen Ländern und Religionen besucht wird: „Die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel ist bei uns kein Thema. Das passt für uns nicht. Viele Kinder bei uns kommen ja nicht aus christlichen Familien.“

    Was meinst du dazu, Hussam? Siehst du das auch so? Oder gibt es für dich persönlich etwas in der Geschichte von der Geburt Jesu, was dich anspricht und berührt – vielleicht auch, was dir fremd ist oder einfach nichts bedeutet?

    Hussam: Leider habe ich die Bibel bis jetzt nicht gelesen. Aber die Geschichte von Jesu Geburt, die kenne ich gut. Wir haben ja im Islam fast die gleiche Geschichte über diese heilige Geburt. Und zu Maria, die im Arabischen Maryam heißt, gibt es eine Sure, die ich besonders liebe.  Sure, das ist der Begriff für die Kapitel des Korans, der heiligen Schrift des Islams. Diese Sure also erzählt die Geschichte von Maria und Jesus. Da heißt es in deutscher Übersetzung  so:

    (16)Und gedenke im Buch Maryams, als sie sich von ihren Angehörigen an einen östlichen Ort zurückzog

    (17)Sie nahm sich einen Vorhang vor ihnen. Da sandten Wir Unseren Geist zu ihr. Er stellte sich ihr als wohlgestaltetes menschliches Wesen dar.

    Maria ist ein Symbol für die Mutter und für die Frauen – hier nicht als Menschen, sondern als Idee, die für alle Menschen wichtig ist. Ohne Maria gibt es keinen Jesus. Diesen Teil der Geschichte sollten wir nicht vergessen.

    Susanne: Da sprichst du etwas Wichtiges an. Es gibt viele Ähnlichkeiten und einige Unterschiede zwischen der Geburtsgeschichte in der Bibel und im Koran. Und was die Maria betrifft, wie sie in der Bibel beschrieben wird: Da finde ich besonders ihren Lobgesang faszinierend (Lukas 1, 46-55). Das ist ein starkes Befreiungslied, in dem vieles aus den älteren Befreiungsliedern der hebräischen Bibel anklingt. Darin ist also zugleich die jüdische Tradition lebendig.

    Maria singt es in der Zeit ihrer Schwangerschaft. Ihr wird bewusst, dass die Unterdrückung ein Ende haben wird und eine Zeit der Gerechtigkeit beginnen soll. Und sie selbst erfährt dabei Ermutigung und Anerkennung, weil sie in einer aktiven Rolle ganz elementar mit dieser Hoffnung verbunden ist. Darin erlebt sie ihre Würde als Frau. Ist Weihnachten für dich auch mit einer Hoffnung verbunden?

    Hussam: Ja, die Geschichte von Weihnachten bedeutet für mich selbst Hoffnung.  Sie ist sowas wie eine Erneuerung für meinen Glauben. Dabei ähneln sich die Geschichten von Mohammed und Jesus. Gott oder Allah – das ist für mich derselbe, der alles gut macht.

    „Ein Kind kann die Welt verändern“

    An Jesus und Mohammed wird für mich deutlich: Ein Kind kann die Welt verändern. Da denke ich auch an die Kinder, die jetzt auf die Straße gehen und demonstrieren für den Schutz der Umwelt. Jesus ist gekommen, um Liebe und Frieden zu verbreiten. Und seine Geburt bestärkt uns darin, den Frieden auf der Welt zu schützen.

    Susanne: Frieden – da gibst du wieder ein wichtiges Stichwort, Hussam. Als Christin denke ich da zu Weihnachten auch an Franz von Assisi. Das war einer, der zu Weihnachten das Bild der Krippe als Ort der Liebe und der Lebendigkeit inmitten der Schöpfung besonders wichtig fand und das im Krippenspiel erfahrbar werden ließ.

    Für unser Gespräch ist das deshalb interessant, weil für diesen Franz von Assisi auch die Begegnung und der Dialog mit Andersgläubigen von großer Bedeutung war. Berichtet wird von einer Begegnung im September 1219 zwischen ihm, dem kleinen Mann aus Assisi, und dem Sultan Muhammad al-Kâmil, dem Oberherrscher der islamischen Welt. Die heute noch stattfindenden Friedensgebete der Weltreligionen in Assisi knüpfen an diese Erfahrung an.

    Wenn es für Franz von Assisi also wichtig war, die Weihnachtsgeschichte mit Krippe, Tieren und Menschen als etwas ganz Natürliches und Lebendiges am liebsten draußen in der Natur zu erzählen und ganz sinnlich zu erleben, dann wollte er damit vermutlich auch eine Geschichte über Frieden und gegenseitigen Respekt erzählen. Die Realität heute sieht leider anders aus.

    Was meinst du, Hussam: Kann man heute überhaupt noch von einem Frieden in den Religionen sprechen?

    Hussam: Leider haben die Menschen die Religionen gegeneinander benutzt. Sie sagen, dass die eine Gruppe besser sei als alle anderen, weil sie an eine bestimmte Religion glauben. Hinter der Geschichte von Jesu Geburt steht für mich auf jeden Fall Frieden zwischen Menschen und Tieren, zwischen reichen und armen Menschen, zwischen Menschen, die verschieden glauben.

    Die Menschheit hat sich so entwickelt, dass viele nur noch an das Materielle glauben, an das, was sie sehen. Ihre Bilder sind Fotos, aber die symbolische Bedeutung von Bildern haben sie mit der Zeit vergessen.

    „Die Menschen sollten in Balance leben“

    Die Religion braucht unser Nachdenken und unsere Vorstellungskraft, nicht das Gewöhnliche. Wir entscheiden uns oft für das Gewohnte, weil wir uns keine Zeit zum Nachdenken lassen. Einerseits nutzen wir die alten Bilder, um uns an die Geschichte zu erinnern. Andererseits aber trauen wir nur dem Materiellen. Dann vergessen wir die Geschichte wieder und bleiben ganz auf der Seite der Materie. Die Menschen sollten in Balance leben. Nicht zu viel und nicht zu wenig auf der einen oder anderen Seite.

    Susanne: Mich interessiert noch eine letzte Frage zur Weihnachtsgeschichte, Hussam. Am Ende müssen Maria und Josef mit dem Kind nach Ägypten fliehen. In der Bibel wird erzählt: Drei Sterndeuter aus dem Morgenland folgen einem rätselhaften Stern und treffen dabei auf den listigen König Herodes. Der will den prophezeiten neugeborenen König töten lassen. Aber als die Weisen das Kind in der Krippe sehen, beschließen sie, seinen Aufenthaltsort vor Herodes geheim zu halten und retten so das Leben von Jesus. Die Familie schafft es, der Verfolgung zu entkommen.

    Auch hier wird nicht eine historisch sicher belegte Geschichte erzählt, sondern eine Geschichte von Solidarität, Rettung und Aufbruch. Die Jesus-Geschichten in der Bibel sind ja selten glatt und einfach. Gefahren, Hindernisse und Bedrohungen gibt es immer wieder. Ganz menschlich. Entscheidend bei all diesen Geschichten ist vielleicht, warum es immer wieder wichtig ist, mutige Entscheidungen zu treffen. Warum es wichtig ist, anderen dabei zu helfen, dem Unrecht zu entkommen und andere Wege zu wagen.

    So jedenfalls lässt sich die Geschichte im Sinne der christlichen Ethik deuten. Aber vermutlich nicht nur nach der christlichen Ethik?

    Gibt es im Koran auch solche Geschichten von Flucht und Hilfe, Gefahr und Bewahrung? Wie wäre deine Deutung dazu? Und siehst du darin eine Verbindung, vielleicht eine Hilfe oder Hoffnung für Fluchtgeschichten heute?

    Hussam: Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich einen Artikel für das Harburger Blatt geschrieben, den man im Flüchtling-Magazin noch nachlesen kann – mit dem Titel: Jesus war auch Flüchtling. 

    Danach ist mir aufgefallen, dass Mohammed und Mose auch Geflüchtete waren. Sie sind vor dem Hass geflüchtet – für Liebe und Respekt. Fluchtgeschichten bedeuten immer: einen neuen Anfang machen, eine neue Kultur entdecken. Sie sind eine Suche nach dem, was uns zusammenbringt.

    „Die Beziehung der Menschen ist geschwisterlich“

    Auf jeden Fall lehrt der Islam auch, dass wir Armen und Geflüchteten helfen sollen, weil die Beziehung der Menschen untereinander geschwisterlich ist. Die Geschichte der Wanderung von Mohammed und seinen Freunden (arabisch: Hidschra) von Mekka nach Medina hat großen Einfluss auf unsere Überzeugung, dass wir Geflüchteten helfen sollen. Diese Geschichte hat eine große Wirkung gezeigt im Umgang der Syrer mit Geflüchteten aus dem Irak 2003 und aus dem Libanon 2006 und aus Somalia oder dem Sudan oder Afghanistan. Aber leider haben die politischen und traditionellen Entscheidungen oder Gründe oft eine noch größere Wirkung als die religiösen Gründe. Deswegen haben die Palästinenser, die in Syrien leben, ein Problem in der syrischen Gesellschaft.

    Zum Schluss möchte ich nochmal sagen: Als gläubiger Mensch sehe ich, dass aus allen Religionen eine Hoffnung auf Frieden unter den Menschen kommt. Und ich wünsche der Menschheit eine Frohe Weihnachten.

     

  • Ihr Kinderlein, kommet

    Markus, ein kleiner Junge aus Kurdistan, sitzt auf dem Schoß seiner Erzieherin im Kindergarten und weint. Eigentlich weint er jeden Tag, zu jedem Anlass und beinah möchte man glauben, auch ohne Grund. Aber dem ist ganz und gar nicht so. Markus weint, weil er weder deutsch spricht, noch verstehen kann, warum er bis späten Mittag im Kindergarten bleiben muss, wo er doch viel lieber zuhause bei seiner Mama wäre.

    Ich kenne seine Mutter nicht. Weiß nur, dass die Familie aus Kurdistan flüchten musste und nun ein neues Zuhause in Deutschland gefunden hat. Spricht man ihn an, schaut er einen aus verweinten Augen an. Das lässt niemanden kalt und manchmal muss ich den Drang ihn in den Arm zu nehmen, wenn ich meinen Enkel in den Kindergarten bringe oder abhole, schlichtweg unterdrücken. Ein in-den-Arm-nehmen würde ihm nicht helfen. Es würde seinen Schmerz noch vergrößern.

    Drei Kinder – drei Schicksale

    Was Markus braucht, ist Leichtigkeit und Normalität, die für uns so selbstverständlich ist. „Je weniger wir auf sein Weinen eingehen, umso schneller gewöhnt er sich an seine neue Situation“, antwortete mir die Erzieherin und fügt noch ein „Schlussendlich weinen auch deutsche Kinder, in den ersten Tagen“ hinzu.

    Rilon, ein vierjähriger Junge sitzt alleine auf dem Boden und spielt mit Bausteinen. Klar, ist das kein ungewöhnliches Bild. Das tun andere Kinder auch. Und doch ist Rilon kein Kind wie die anderen. Ja, Rilon ist nicht einmal mit Markus zu vergleichen und das, obwohl beide Kinder aus Flüchtlingsfamilien sind. Rilon und seine Eltern mussten aus ihrer Heimat flüchten, weil sie Verfolgte waren. Verfolgt, von fanatischen Fundamentalisten, die für sich das Recht beanspruchten nur ihr Glauben sei der wahre Glaube ihrer Heimat.

    Hassan, ebenfalls gerade vier Jahre alt teilt das gleiche Schicksal, wie Markus und Rilon. Auch er ist ein Flüchtlingskind. Geboren in Syrien, mit der gleichen Hoffnung aller Eltern, dass er ein langes und zufrieden Leben leben wird. Dass er eines Tages mit seiner Familie aus der Heimat flüchten und sein zweites Lebensjahr in einem Auffanglager erleben muss, hat keiner geahnt. Schaut Hassan einen an, so sieht man in traurige und glanzlose Augen. Manchmal, wenn ich ihn sehe, frage ich mich, welches Leid dieses kleine Wesen hat schon über sich ergehen lassen müssen?

    Markus, Rilon und Hassan stehen stellvertretend für all die Kinder, die hier in Deutschland eine neue Heimat gefunden habe. Sie stehen für Leid, Krieg und Vertreibung – für eine Welt, die für Millionen Kinder heute nicht mehr sicher scheint.

    Sicherheit, was ist das?

    Sicherheit, was ist das? Ist es unsere westlich geprägte Welt, sind es unsere Kindergärten, in denen jeder sich bemüht es diesen Kindern so leicht wie nur irgend möglich zu machen, oder ist Sicherheit nur ein Trugschluss, weil es überhaupt nirgends mehr Sicherheit gibt? Ich möchte gerne glauben, dass wir hier in Deutschland ein sicheres Land sind und die vielen geflüchteten Familien wirklich ankommen und gewollt sind. Sich sicher sein können, dass ihnen hier nichts geschieht.

    Selbstredend führen wir hier keinen Krieg. Jedenfalls keinen mit Waffen und Bomben. Und dennoch scheint unser Land gespalten zu sein und Sicherheit scheint mittlerweile etwas zu sein, was nicht in jedem Teil unseres Landes auch gewährleistet wird.

    Von Willkommenskultur und Nächstenliebe

    Unsere Willkommenskultur hat sich in manchen Teilen geradezu in Luft aufgelöst. Ersetzt durch Fremdenhass und rechtes Gedankengut. Vielerorts hört man, dass es aufhören muss, mit den Flüchtlingsfluten, dass wir unterwandert werden von Andersdenkenden und man sieht schon gar unsere deutsche Kultur in Gefahr.

    Wenn ich so etwas höre, denke ich an Markus, Rilon und Hassan. Sehe, diese kleinen verletzten Seelen und mehr als einmal frage ich mich, was treibt Menschen an, um so sehr zu hassen und andere ihrem Schicksal zu überlassen?

    Die Welt, will diese traurigen, verletzten und traumatisierten Mütter, Väter und Kinder nicht. Dabei wäre es unsere menschliche Pflicht, für diese leidtragenden Seelen, einen Ort zu finden, wo sie zur Ruhe kommen und gesunden können. Wir aber lassen sie in viel zu engen, stinkenden Lagern, mit desolaten hygienischen Zuständen verrotten und dahinvegetieren, wie unliebsame und räudige Hunde. Verwehren Flüchtlingsbooten die Einfahrt in rettende Häfen. Lassen es zu, dass Menschen im Mittelmeer wie Ratten ersaufen. Wir verschließen tagtäglich unsere Augen vor dem Leid anderer.

    Die westlichen Industrieländer, sollten, müssten und dürfen sich für ihre HUMANITÄT an Unschuldigen gerne in Grund und Boden schämen. Doch, was tun wir? Wir diskutieren lauthals über Flüchtlinge, verdammen die Willkommenskultur, prangern Menschen an, die sich genau dafür einsetzen und anstatt Flüchtlinge in unsere Mitte aufzunehmen, schieben wir sie an den Rand der Gesellschaft. Sie bleiben Fremde in einem für sie fremden Land.

    Ist es da ein Wunder, dass Markus weint, Rilon keinen Anschluss findet und Hassan nach wie vor aus traurigen Augen in die Welt blickt? Wahrlich nicht! Unsere Nächstenliebe, ist weit von dem entfernt, was uns unser eigener christlicher Glaube vorschreibt.

    In der Haut des Anderen

    Manchmal wünschte ich mir, es wäre eine Pflicht für jeden, sich einmal vorzustellen, wie es ist, wenn man unter Bomben und Kriegszuständen leben muss. Wenn man tagtäglich Angst hat, den neuen Tag nicht mehr erleben zu können, wenn man aus Angst verfolgt zu werden nächtelang kein Auge zu bekommt und sich jeden Tag aufs Neue fragen muss, wie die eigenen Kinder all dieses Leid psychisch und physisch unbeschadet überleben sollen. Sich hinzusetzen und für ein paar Minuten die Augen zu schließen und seine sichere Welt für einen Moment zu verlassen könnte vielleicht zum Umdenken animieren.

    Niemand flüchtet, weil er flüchten will. Niemand verlässt seine Heimat, die Menschen, die er liebt und die Kultur, die er kennt einfach so. Flüchtlinge kommen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt und narzisstische Herrscher ihr Land in Schutt und Asche verwandelt haben. Sie kommen, weil ihnen unser Land sicher erscheint und ihnen Hoffnung gibt auf ein besseres Leben.

    Die Weichen stellen

    Es liegt an uns, an jedem Einzelnen, diese Hoffnung nicht schon im Keim zu ersticken und unsere Welt wirklich zu einem besseren Ort zu machen. Es wird Zeit, dass wir uns alle daran erinnern, dass Krieg nicht nur etwas ist, was andere treffen kann. Kriege gab es immer und überall auf der Welt. Nichts verführt Menschen so sehr dazu zu glauben, dass sie in Sicherheit leben und macht sie bequem, gesättigt und gleichgültiger, als lange Zeiten des Friedens.

    Wir sind die Maden im Speck. Es ist an der Zeit, all denen, die kommen oder noch kommen werden, ein Stück vom Speck abzugeben. Wir werden daran nicht verhungern. Aber vielleicht gesunden und eines Tages unseren Kindern eine bessere Welt hinterlassen. Eine, wo ein Miteinander mehr gilt, als ein Gegeneinander. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Ausgrenzung stattfindet und Fremdenhass noch länger hofiert wird.

    Die Weichen müssen wir heute stellen- denn morgen kann es vielleicht schon zu spät sein.

  • Nicht mit der Tür ins Haus fallen

    Ein typischer syrischer Gast sollte normalerweise pünktlich ankommen! Auf keinen Fall! Er wird immer 10-20 Minuten nach dem Zeitpunkt eintreffen, wenn es einen klaren Zeitpunkt gibt. Ein etwas verspätetes Eintreffen wird als Höflichkeit angesehen, da die Gastgeber so noch etwas Zeit haben, sich vorzubereiten, wenn sie zu spät in ihren Vorbereitungen waren.

    Stellen Sie sich einen Meter vor die Tür, nachdem Sie an die Tür geklopft haben. Nein! Tuen Sie das bitte nicht! Es wäre höflich, zwei bis drei Meter von der Tür entfernt zu stehen und der Tür den Rücken zuzukehren. Falls eine Frau die Tür öffnete, würde man ihr nicht zu nahe treten und falls ein Kind die Tür öffnete, weil die Leute im Haus vielleicht mit dem Aufdecken noch nicht fertig sind, würde der Fremde sie nicht in Verlegenheit bringen.

    Es ist immer wichtig, die Hände stark zu schütteln, oder? Nein! Denken Sie bitte daran, nicht so schnell mit dem Händeschütteln zu beginnen. Es gibt einen gewissen Prozentsatz von Muslimen, Frauen und Männern, die Menschen unterschiedlichen Geschlechts nicht die Hand geben. Sie würden sich verlegen fühlen, wenn sie gezwungen wären, das zu akzeptieren oder sogar abzulehnen. Versuchen Sie beim Händeschütteln immer, die Stärke des Handgriffs an Ihren Gastgeber anzupassen. Ein starker Handgriff wird eher als forsch empfunden und weniger als Zeichen des Vertrauens.

    Denken Sie daran, kein Essen mitzubringen. Das Essen würde oft als Beleidigung empfunden werden, als ob sie zu arm wären, um ihren Gästen das passende Essen anzubieten. Nur Süßigkeiten sind eine Ausnahme. Kleine Souvenirs passen auch immer gut.

    Anleitung für ein typisches Gastfreundschafts-Programm

    Ein typisches Gastfreundschafts-Programm für einen zweistündigen Besuch könnte folgendermaßen aussehen:

    Erste Moment: Nichts! Ja, nichts! Denn ein sehr schnelles Angebot würde als Hinweis empfunden werden, dass man vielleicht in 20 oder 30 Minuten wieder los gehen muss!

    Nach 15 bis 30 Minuten: Obst

    Denken Sie daran, nicht mehr als ein oder zwei Stück zu essen, auch wenn viel angeboten wird.

    Nach einer Stunde: Saft und arabische Süßigkeiten

    Handgemachte arabische Süßigkeiten sind eine große Ehre, wenn sie angeboten werden. Dafür muss man sich zwei- bis dreimal bedanken. Ja, zwei- bis dreimal, ich weiß!

    Wenn der Gastgeber den Besuch beenden möchte, würde er Kaffee anbieten, was bedeutet, dass der Besuch in 20 bis 30 Minuten beendet sein sollte.

    Sie könnten um eine weitere Tasse Kaffee bitten, aber nur einmal.

    Auch auf die nonverbale Kommunikation achten

    Sehr wichtig zu beachten:

    Araber sind im Allgemeinen sehr großzügig und gastfreundlich, auch wenn sie arm sind oder sich in einer schlechten Situation befinden. Wenn Sie in ihren Häusern sind, werden sie es vermeiden, komplett Nein zu sagen. Sie werden möglicherweise nicht antworten, die Frage meiden. Deshalb ist es auch wichtig, nicht nur ihre Worte zu hören, sondern ihre nonverbale Kommunikation zu beobachten.

    Wenn Sie während der Einladung zum Abendessen eingeladen wurden, sagen Sie einfach nein. Sie könnten Sie einmal einladen, weil sie sich sozial verpflichtet fühlen. Wenn sie die Einladung jedoch dreimal wiederholt haben, ist dies eine echte Einladung.

    Großzügigkeit und Höflichkeit sind zwei Werte, die in der arabischen Gesellschaft im Allgemeinen und in bestimmten Gastlichkeits-Ritualen eine große Rolle spielen. In kleinen Dörfern ist es immer noch eine Tugend, Gäste für drei Tage zu Hause zu beherbergen. Passagiere zu unterstützen ist überall eine Tugend.

    In meinem nächsten Text will ich über meine Erfahrungen damit sprechen, meine deutschen Freunde zu beherbergen.

     

  • Blicke und andere Missverständnisse – 3. Teil

    In diesem 3. Teil der Reihe mit Missverständnissen stellen die Autoren abermals Beispiele aus dem Alltag vor:

    Zum Beispiel: In den Ruhestand verabschiedet

    Vor einigen Jahren bin ich in Pension gegangen, erzählt Susanne Krüger, und die Hochschule, mein letzter Arbeitsplatz, hat unter der Überschrift: „In den Ruhestand verabschiedet“ auf der Homepage darüber geschrieben und über mein Leben an der Hochschule berichtet.

    Ein früherer Bekannter aus Uganda, der jetzt wieder in seiner Heimat lebt, hat wohl meinen Namen gegoogelt und die Nachricht falsch verstanden. Er meinte, ich wäre gestorben! Er hat dann sehr nett über mich geschrieben. Mein erster Nachruf!

    Zum Beispiel: Was Blicke sagen…

    Viele von uns glauben, dass die Unterschiede zwischen Gesellschaften einfach sind. Doch wenn wir ohne Diskussionen das praktizieren, was in einer Kultur üblich ist, kann es zu großen Missverständnissen führen.
    Meine chinesische Freundin Uning erzählte mir, dass sie in Deutschland manchmal unter Missverständnissen leidet, wenn sie mit einem Deutschen spricht.  Sie hatte vor einiger Zeit bemerkt, wie verschieden Gespräche in beiden Kulturen ablaufen, aber nicht gewagt zu fragen.

    In der chinesischen Tradition sollte der Zuhörer, wenn eine Person mit einer anderen spricht, nicht direkt in die Augen des Sprechers schauen.  Das Betrachten der Augen des Sprechers bedeutet Missachtung oder Skepsis gegenüber dem, was dieser sagt. Daher sollte der Hörer nur zuhören und den Redner von Zeit zu Zeit nur kurz ansehen.

    Im Gegenteil zu China, sollte in Deutschland der Zuhörer sich auf den Redner  konzentrieren und mit ihm kommunizieren, indem er ihn ständig ansieht. Denn die mangelnde Rückversicherung stört ihn und ist ein Mangel an Respekt und Interesse am Sprecher.

    Natürlich ist es üblich, dass ein Redner in China häufig nicht auf Rückmeldungen oder Diskussionen wartet, sondern er weiß genau, was er sagen möchte. Er fordert nur die Zuhörer auf, zuzuhören und sich auf das zu konzentrieren, was er sagt.  Während der Redner in Deutschland daran interessiert ist, dem Zuhörer und dessen Reaktionen zu folgen, bemerkt er doch somit das Ausmaß der Akzeptanz seines Vortrags und es ermutigt ihn, fortzufahren oder anzuhalten.

    Zum Beispiel: Musiker oder Bettler

    Nach unserer Ankunft in Deutschland vor vier Jahren und nachdem ich erste Schritte unternommen hatte, um die erstaunlichen Straßen und Gärten Hamburgs zu erkunden, wurde ich auf das Phänomen der Musiker auf den Straßen und der umgekehrten Hüte aufmerksam, in die einige Passanten ihnen Münzen mit unterschiedlichem Wert gaben.

    Musik war die einzige Sprache, die ich mit Passanten geteilt hatte. Doch ich hielt die Musiker für arbeitslos, eine Art Bettler.  In unserer Stadt, in der ich in Syrien lebte, habe ich ein solches Phänomen nicht erlebt. In den großen Städten waren Bettler verbreitet,  die so tun als wollten sie helfen und dann Geld verlangen.

    An einem Tag vor ungefähr einem Jahr, wo ich auf meinem täglichen Weg zur Sprachschule die Fußgängerbrücke überquerte, hatte ich das Gefühl, dass die Straße leer war, obwohl sie mit Fußgängern überfüllt war.  Dann bemerkte ich, dass der Gitarrist, der mit seiner Gitarre voller Leben und Vertrautheit war, heute abwesend war.

    Am nächsten Tag kam ich mit einem Lächeln auf ihn zu und er antwortete mit einem Lächeln, das ausreichte, um mich den ganzen Tag glücklich zu machen.

    Mehr Artikel dazu
    Beinbrüche und andere Missverständnisse.1 Teil 
    Beinbrüche und andere Missverständnisse. 2. Teil

    *Dieser Artikel wurde im Schreibtandem mit  Angham Mezher* Tilla Lingenberg geschrieben. 

  • Das Gefühl ein Flüchtling zu sein

    Beschreibung einer Depression

    Nicht nur als Flüchtling gibt es dieses Gefühl: du bist am Wochenende zu deiner Lieblingsfamilie eingeladen. Die ganze Woche über hast du dich darauf gefreut und darüber nachgedacht, welche Kleidung du tragen willst, welche Farben zueinander passen. Du hast dir vorgestellt, wie ihr zusammen Erinnerungsfotos macht. Und du hast dich gefragt, was du mitbringen sollst, Kekse oder Blumen. Aber dann, wenn der Tag kommt, kannst du nicht nach draußen. Du fühlst  dich verschlossen, fühlst du dich so, als ob dich jemand festgenommen hätte.  Du kannst nicht vom Bett aufstehen, bleibst einfach den ganzen Tag liegen. Dieses komische Gefühl, dass du nicht atmen kannst, heißt Depression.

    Keiner möchte Flüchtling sein

    Eine Frau hat gesagt, ich hasse Flüchtlinge. Ich habe gesagt, ja! Flüchtlinge hassen auch, dass sie Flüchtlinge sind. Das ist nicht unser Lieblingsname oder unser Lieblingswort. Ich hasse es auch. Aber wir sind gezwungen, Flüchlinge zu sein und Flüchtlinge genannt zu werden. Flüchtling zu sein macht mir keinen Spaß. Ich bin hier alleine, meine Mutter ist in Berlin alleine. Wir sind von unserer Familie, unseren Verwandten und unseren Freunden getrennt. Unsere Heimat ist fern.

    Eigentlich müsste ich in meinem Alter anfangen zu arbeiten, aber ich habe gerade erst mit dem Studienkolleg begonnen. Ich kann meine Tante oder meinen Onkel nicht besuchen, wenn mir langweilig ist. Unsere zwei Feste muss ich hier allein feiern. Ich bin nicht schuld an dem, was passiert. Dieses Wort – Flüchtling – trägt alle Schuld. Wie kann ich dieses Wort mögen? Ich hasse dieses Wort genauso wie du…

    Und es ist weder deine Schuld, dass ich Flüchtling bin, noch ist es meine Schuld. Das ist einfach Politik und ihr Spiel.

  • Beinbrüche und andere Missverständnisse – Teil 02

    Hier haben Ayoub und seine Freunde bereits die ersten Missverständnisse geschildert. In diesem Artikel geht es weiter.

    Vegetarische deutsche Frau in Südafrika

    Leonie ist eine Freundin von mir aus Frankfurt. Sie erzählt mir von ihrer Zeit als Au-Pair in Südafrika. Als sie 2011 für ein Jahr dort war, hatte sie viele Schwierigkeiten mit ihrer Gastfamilie wegen ihrer Essgewohnheiten. Leonie aß nur vegetarisches Essen. Dort war das Hauptgericht jedoch jeden Tag mit Fleisch gekocht. Natürlich aß sie kein Fleisch. Ihre Gastfamilie ärgerte sich sehr darüber und sie konnte nicht verstehen, warum.

    Leonie merkte selbst, dass das nicht in Ordnung war und sie fragte sich, warum. Ihre südafrikanische Freundin verriet ihr, dass es in Südafrika unfreundlich ist, wenn die Gäste kein Fleisch essen. Trotzdem konnte Leonie das Fleisch nicht essen. Sie versuchte mit ihrer Gastfamilie darüber zu sprechen, aber erfolglos. Nach einem Monat fand sie eine Wohnung und Arbeit und wollte nicht mehr bei einer Familie in Südafrika leben.

    Libanon, Syrien und der Kaffee

    Wenn ein/eine Syrer/in ihre  Verwandten im Libanon besucht, muss er/sie viele Traditionen beachten. Die Gastgeber in Libanon bieten ihrem Besucher eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser an. Das ist in Libanon die Geste um Gäste willkommen zu heißen. In unserer Stadt Alswidaa ist die Situation dagegen absolut anders und so kann es Missverständnisse geben:

    Dort bietet der Gastgeber seinem Besucher zuerst Matate (ein spezieller Tee) an, dann etwas Kaltes oder Obst und manchmal Essen und am Ende kommt der Kaffee. Wenn man in Syrien seinen Besucher zuerst einen Kaffee anbietet, bedeutet das, dass der Gastgeber keine Zeit zum Besuch hat und wir deshalb nur Kaffee trinken können.

    Hasan und seine Kollegen im Dorf

    Hasan, ein Freund von mir, hat mir von seinem Besuch in einem kleinen Dorf in Süd-Syrien erzählt. Als Hasan die Wohnung seines Kollegen erreichte, empfing ihn der Vater seines Kollegen und führte ihn zum größten hellen Zimmer. Im Gästezimmer bat er Hasan Platz zu nehmen. Hasan nahm Platz und unterhielt sich mit dem Mann.

    Der setzte sich nicht und alle fünf Minuten sagte er ihm: Willkommen. Nach fast einer halben Stunde kam sein Kollegen und fand seinen Vater noch immer stehend. Er hat sehr gelacht. Dort muss der Gastgeber stehen bleiben und solange „Willkommen“ wiederholen, bis der Gast ihn bittet, sich hinzusetzen!

    Um niemanden zu enttäuschen ist es wichtig, miteinander zu sprechen. Häufig können sich damit kleine Missverständnisse leicht klären lassen.

  • Frühstück in Deutschland – so köstlich!

    Immer wenn ich durch Europa reise, erhalte ich Einladungen zum Frühstück, die ich auch jedes Mal gerne annehme. Nicht, weil ich das Frühstück besonders liebe, nein, im Gegenteil! Ich bin jemand, der eigentlich zum Frühstück nur einen guten Tee braucht. Aber die Frühstückskultur in Europa sollte man einmal genauer betrachten, insbesondere das deutsche Frühstück ist ein sehr besonderes.

    In den südeuropäischen Ländern ist das Frühstück eine kurze und schmerzlose Angelegenheit: An der Bar gibt es einen kleinen starken Kaffee – jeder Nicht-Südeuropäer nennt ihn Espresso – und dazu gibt es ein weiches Buttercroissant. Die nicht ganz so weiche italienische Version des Croissants kann auch nicht so richtig überzeugen…

    Karg wie in Italien oder üppig wie in England?

    Das klassische englische Frühstück mit allem Drum und Dran ist wahrscheinlich das bekannteste: mit Schinken (für Muslime mit Halal Putenschinken), Eiern, Bohnen, Würstchen, gebackenen Tomaten oder Porridge.

    Bitte nicht falsch verstehen! Mit “das bekannteste Frühstück” meine ich, dass wir alle Zutaten kennen. Für einen nicht englischen Magen kann es eine Weile dauern, bis er sich an dieses opulente Frühstück gewöhnt hat.

    Ich persönlich finde das deutsche Frühstück am besten. Einfach, weil man so lange essen kann, wie man möchte und man immer wieder neue Zutaten entdeckt.

    Löffel in vier verschiedenen Größen

    Während man in England das englische Frühstück von einer mehr oder weniger freundlichen Kellnerin serviert bekommt – alles auf einem Teller! – ist in Deutschland der Tisch mit allen Köstlichkeiten gedeckt. Bei solchen Gelegenheiten bewundere ich die höchst kultivierte geometrische Ausrichtung aller Zutaten zum Frühstück, angefangen mit den kleinen Löffeln in vier verschiedenen Größen, dem Eierschneider, dem Tischabfallbehälter, dem Käsehobel. Wenn dann auch noch die essbaren Zutaten hinzukommen, verdient der Import-Export Weltmeister Deutschland zu Recht seinen Titel!.

    Insbesondere das Hotelfrühstück kann eine facettenreiche Komposition sein aus lokalen Köstlichkeiten wie z.B: hausgemachten Mehrkornbrötchen, Bretzeln, bis zu importiertem Lachs aus Norwegen, exotischen Früchten oder ähnlichem. Früchte spielen eine große Rolle, je exotischer desto besser. Je mehr Früchte und Käsesorten bei einem Frühstück im Hotel angeboten werden, die ein Durchschnittsgast nicht benennen kann, desto besser erscheint die Frühhstücksqualität des Hotels.

    Mysteriöse Müslis mit geheimnisvollen Zutaten

    Das Frühstücksangebot in Deutschland umfasst natürlich auch das traditionelle englische Frühstück mit Eiern und Schinken, die nordamerikanischen Bagels, Muffins und Waffeln mit Ahornsirup, französische Croissants und andere süße Köstlichkeiten. Es gibt Schüsseln voller verschiedener Müsli – nicht nur Cornflakes! Schokoladen- und Waldbeeren-Müsli, ballaststoffreiche Weizenkleie, Zimtbälle, Honigsnacks oder andere mysteriöse Müslisorten mit geheimnisvollen Zutaten.

    Und wenn ich meine deutschen Frühstücksgastgeber studiere, dann bin ich immer wieder beeindruckt, wie wichtig ihnen jede kleine Einzelheit auf dem Tisch zu sein scheint. Jedes gerade geleerte Glas wird sofort wieder durch ein neues ersetzt. Es gibt nur eine Sache, die ich mir wünsche: irgendein vernünftiges Getränk als Begleitung dieses wunderbaren Frühstücks.

    Neues Frühstücksgetränk gesucht!

    Leider liegt der deutsche Kaffee weit hinter dem der südeuropäischen Bewerber und der Tee kann überhaupt nicht mit dem englischen mithalten..

    Frische Obstsäfte, die durchaus eine Alternative sein könnten, waren noch nie eine deutsche Stärke. Ich bevorzuge heiße Schokolade!

    Ich hoffe, dass Deutschland ein neues Frühstücksgetränk entwickelt und damit zur Frühstückskönigin weltweit wird. Jedem, der nach Deutschland reist, empfehle ich, das Abendessen ausfallen zu lassen und dann am nächsten Morgen hungrig zum Frühstück zu erscheinen.

    Diese Bericht wurde auf Englisch verfasst und von Angelika Bauer übersetzt.

  • So viele Möglichkeiten und so wenig Zeit

    Je länger ich Deutsch lerne, desto größer wird die Auswahl an Möglichkeiten. Viele Möglichkeiten zu haben ist sehr positiv, aber es hat auch eine negative Seite. Wie sieht ein Tag für einen Menschen aus, der Deutsch lernen will und im Zeitalter der tausend Möglichkeiten lebt?

    Ein Tag voller Möglichkeiten, aber nur 24 Stunden Zeit

    Morgens gehst du in den Deutschkurs, da bekommst du viele Arbeitsblätter und Aufgaben. In der Straßenbahn auf dem Weg nach Hause machst du natürlich eine von den hundert „Deutsch-Lern-Apps“ auf deinem Handy. Wenn du zu Hause angekommen bist, bist du immer noch motiviert und beginnst die Hausaufgaben und Übungen. Plötzlich merkst du, dass es nicht so leicht ist, wie du gedacht hast. Macht ja nichts, du fragst deine Freunde!

    Das Problem ist aber, dass du auch schnell wieder vergisst, was dir deine Freunde erklärt haben. Macht nichts, es gibt ja auch noch Lernvideos auf Youtube. Jetzt bist du im Internet, du musst dich entscheiden: Ein deutsches Lernvideo oder doch lieber eine arabische Erklärung? Dann hast du ungefähr fünfzig Videos zum Thema „Grammatik“ gemacht und fünfzig, um neue Wörter zu lernen.

    Jetzt hast du schon so viel gemacht, die Hausaufgaben sind immer noch nicht fertig, aber du brauchst jetzt erst mal eine Pause. Da fällt dir aber ein, du könntest ja ins Kino gehen. Du hast gehört, deutsche Filme schauen sei sehr gut, um die Sprache zu lernen. Ist der Film vorbei, fragst du die anderen, um was der Film denn eigentlich ging.

    Daheim angekommen, musst du nach der langen Pause natürlich wieder an die Schulaufgabe. Du versuchst, die Aufgaben endlich fertig zu machen. Da kommt dir die Idee: Dir hat jemand empfohlen, deutsche Audios zu hören. Alles was man hört, kann man sich besser merken…

    Oh je, wie konnte das passieren. Du bist eingeschlafen und musst schon wieder ganz schnell in den Kurs. Dort zu spät angekommen, denkt dein Lehrer du bist verantwortungslos und faul. Zum Schluss fragt er dich dann: „Warum hast du keine Hausaufgaben gemacht?“

    Wie sieht ein Tag im Deutschkurs aus?

    Manchmal sieht der Unterricht im Kurs so aus: Der Lehrer war sehr fleißig und hat für jeden Schüler 15 Arbeitsblätter ausgedruckt. Es gibt ein großes Angebot an Arbeitsblättern. Arbeitsblätter mit Lernverben, Grammatik, neuer Wortschatz, Übungen für gleich, Übungen als Hausaufgabe. Man bekommt so viele Blätter, weil das Buch alleine nicht ausreicht, so heißt es! Das ist bestimmt gut gemeint. Zuhause hat man digitales Chaos in Youtube und in der Schule Blätterchaos.

    Im Kurs gibt es viele verschiedene Menschen in einer Klasse. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass der große Altersunterschied in einer Lerngruppe oft schwierig ist. So sind die jungen Schüler meist ganz schnell mit den Aufgaben fertig und langweilen sich während sich die älteren schlecht fühlen, weil sie nicht so schnell verstehen wie die jungen. Dann gibt es noch Menschen im Kurs, die zuhause nie eine Schule besucht haben. Nicht nur eine andere Sprache ist also neu für sie, auch das Lernen in der Schule selbst.

    Problematisch ist auch, dass viele Lehrer zuvor nur Muttersprachler unterrichtet haben. Dass jetzt so viele Leute in Deutschkurse gehen müssen, bedeutet auch, dass Lehrer ohne DaZ-Erfahrung unterrichten (DaZ: Deutsch als Zweitsprache). Während der verschiedenen Kurse konnte man noch andere Unterschiede bei den Lehrern feststellen. Viele von ihnen stammen selbst nicht aus Deutschland und haben beispielsweise brasilianischen oder russischen Akzent. Das macht das Hörverständnis und das Sprechen-Lernen noch schwieriger für die Schüler. Meist wurde im Tandem unterrichtet. Das bedeutet, dass eine Klasse abwechselnd von zwei Lehrern unterrichtet wird. Heute lernst du also etwas, das morgen vielleicht schon wieder falsch ist, weil sich die Lehrer nicht einig sind.

    Eine neue Sprache lernen ist wie kurzfristig stumm sein

    Manchmal fragt man sich, was man die letzten zwei Jahre gelernt hat. Man ist jeden Tag zum Kurs gegangen und hat alle Stunden gemacht. Es gibt aber Momente, in denen man sich stumm fühlt. Zum Beispiel sitzt du in einer Gruppe und die Leute reden miteinander. Man kann sie aber trotzdem nicht verstehen. Alles, was man gelernt hat, scheint nicht genug zu sein.

    Dann ist es aber auch so, dass man manchmal etwas sagen will, die passenden Wörter lassen sich jedoch nicht finden. Wenn man also in Deutschland beginnt, die Sprache zu lernen, dann ist das so als ob man stumm oder taub wäre. Du fängst an zu beobachten, wie die Menschen sprechen. Was machen deren Augen, Hände, also die Mimik und Gestik. Jemand möchte vielleicht die Computermaus von mir haben. Ich kenne das Wort nicht, aber ich erkenne es an dem Blick des anderen.

    Bis heute, auch wenn mein Deutsch besser wird, habe ich mir das beibehalten. Ich kann mich mittlerweile sehr gut in Menschen hineinversetzen, die aus körperlichen Gründen nicht kommunizieren können.

    Nur weil man Deutsch kann, ist man nicht unwissend

    Es kann beim Deutschlernen auch passieren, dass die Leute vergessen, dass du „nur“ eine neue Sprache lernst. Ich weiß, dass der Mensch beim Atmen Sauerstoff einatmet und Kohlenstoff aus. Ich kenne nur die deutschen Begriffe nicht. Aber wenn du die Begriffe nicht kennst, dann kann es dir passieren, dass du den gesamten Atemprozess erklärt bekommst. Deutsch nicht zu können, verwechseln die Leute oft mit mangelndem Wissen im Generellen. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass die Menschen mir etwas erklären, weil ich Deutsch lerne. Sie geben mir ein Beispiel, damit ich die Wörter lerne und nicht weil ich die Atmung nicht verstanden habe.

    Wenn ich aber zurückblicke auf meine erste Zeit in Deutschland und nun diesen fertigen Artikel sehe, den im ich Tandem geschrieben habe, darf ich sagen, dass ich doch schon ganz schön viel gelernt habe.

    Dieser Artikel entstand in einem Schreibtandem. Du interessierst dich dafür, gemeinsam mit anderen zu schreiben? Hier geht’s zum Projekt.

  • Warum sind die deutschen Frauen so kalt?

    Ist der Titel dieses Beitrags eine Verallgemeinerung? Ja, das ist er. Und Sie können argumentieren, dass Verallgemeinerungen nicht richtig sind, selten stimmen und nicht weiterhelfen. Ich stimme Ihnen zu. Ich glaube, dass jede Gesellschaft einen breiten Regenbogen von Menschen hat, und dass wir Menschen nicht stereotypisieren können.

    Menschen sind verschieden – aber es gibt Trends

    In jeder Gesellschaft gibt es jedoch einen Trend. So ist es wahrscheinlich, dass die Mehrheit der Deutschen pünktlich kommt oder sie sich zumindest melden, wenn sie nicht pünktlich sind. Im Gegensatz dazu ist dies im Süden von Europa eher nicht der Fall. Sie könnten auch feststellen, dass die Mehrheit der syrischen Frauen es als ihre wichtigste Aufgabe empfinden, dass ihre Wohnungen und Kinder sauber und ordentlich bleiben.

    Die meisten Zivilisationen haben eine Art gemeinsamer Verhaltenstendenzen. Diese Trends werden nicht von allen Menschen gelebt, aber sind in der Gesellschaft deutlich wahrzunehmen. Was mich in den letzten zweieinhalb Jahren fasziniert hat, ist die Beobachtung von typischen zwischenmenschlichen Herausforderungen bei unterschiedlichen Kulturen.

    Aber wie entwickeln sich konkrete Beziehungen zwischen zwei Menschen, die beide aus diesen unterschiedlichen Kulturen stammen? Ich möchte Ihnen dazu Geschichten erzählen, die auf wahren Begebenheiten basieren. Ich habe sie selbst erlebt. Details wurden ein wenig geändert, um die Identität der Menschen zu schützen. Die erste Geschichte handelt von Katharina und Imad:

    Ein Ja verstehen, wenn ein Nein gemeint ist

    Katharina ruft Imad am Dienstag an, um ihn zu fragen, wann genau sie sich treffen könnten. Imad antwortet Katharina, dass er seine Verfügbarkeit nicht bestätigt hat! Und er sagt, dass er nicht verfügbar sei. Katharina ist sehr verärgert. Sie denkt, dass sie für ihn nicht wichtig genug sei. Imad spürt, dass Katharina ihn zu einem Treffen drängt und so Druck auf ihn ausübt. Er wird sogar am Ende zum Termin kommen, auch wenn es zu spät ist.

    Zwei Wochen später ruft Imad bei Katharina an. Er vermisst sie so sehr. Er fragt sie, wann sie sich nächste Woche treffen können. Katharina antwortet, dass sie so viel zu tun habe und zur Tanzschule gehen müsse. Sie entschuldigt sich und sagt, sie habe leider keine Zeit. Für Katharina ist alles gut. Aber für Imad ist Katharina in diesem Fall selbstsüchtig, unhöflich und einfach nur kalt.

    Höflichkeit heißt: nicht Nein sagen

    Dies ist ein Beispiel für Missverständnisse zwischen West und Ost, die durch direkte und indirekte Kommunikation verursacht werden. Die Mehrheit der Menschen aus dem Nahen Osten wurde jahrelang darin unterrichtet, nicht Nein zu sagen. Aber sollten wir immer Ja sagen? Bis zu einem gewissen Punkt ja. Für uns heißt das Höflichkeit. Und wir werden unser Bestes geben, um die Erwartungen unserer Lieben zu erfüllen.

    Aber in dem Moment, in dem es überhaupt keinen Grund gibt, Ja zu sagen, werden wir ablehnen, ohne Nein zu sagen. Wie das geht? Einfach das Thema wechseln. Über etwas anderes reden. Über ein anderes Datum in der folgenden Woche sprechen.

    Eigene Bedürfnisse klar kommunizieren

    Katharina wird einfach nur Ja oder Nein sagen, basierend auf ihrem Kalender. Und zwar unter Berücksichtigung einer angemessenen Anzahl von Stunden für ihre Hobbys und den nötigen Schlaf. Andererseits wird Imad immer versuchen, ein Treffen zu der Zeit zu ermöglichen, nach der Katharina ihn fragt. Und wenn es für ihn wirklich unmöglich ist, wird er nicht Nein sagen. Er wird das Thema wechseln. Katharina deutet dies anders: Imad hat nicht klar Nein gesagt. Also deutet sie es als Ja. Sie wird das Treffen fest einplanen und einen Tag vorher nach Einzelheiten fragen. Damit wird sie ihn schockieren, der (unbewusst) nicht an seiner Absage zweifelt, da er einfach das Thema gewechselt hat.

    Viele Männer aus dem Nahen Osten würden die Bedürfnisse ihrer Mütter oder Ehefrauen als wichtiger ansehen, als ihre eigenen. Sie würden unter Druck geraten und vermeiden, Nein zu sagen, wenn sie nach etwas gefragt werden. Im Gegenteil dazu, konzentrieren sich die meisten deutschen Frauen (der heutigen Zeit) auf ihre eigenen Bedürfnisse. Sie kommunizieren diese sehr klar und hinterlasse bei Imad und seinen Freunden den Eindruck, dass sie die Beziehung nicht schätzen und dass sie fast keine Gefühle für ihn haben.

    Männern Respekt entgegen bringen

    Auf der anderen Seite verstehen Frauen aus dem Nahen Osten unbewusst ihre Rolle im Leben ihrer Männer.  Sie spüren, dass es viele Männern gibt, die durch die Worte ihrer Frauen oder Mütter selbstbewusst werden.

    Diese Frauen werden versuchen, ihren Männern Respekt und Interesse entgegen zu bringen. Auch wenn sie es nicht glauben. Sie tun dies, um die Beziehung zu wahren, die in den Werten des Nahen Ostens vor allem für Frauen so wichtig ist. Imad vermisst unbewusst dieses Verhalten in Katharinas Haltung. Deshalb hat er eher das Gefühl, dass sie sich nicht wirklich für ihn interessiert. Oder er denkt einfach nur: Alle deutschen Frauen sind kalt!“

    Was hilft: Auf und Ab reflektieren

    Ich bin der Meinung, dass beide Partner sich ihrer Prioritäten bewusst sein sollten. Sie sollten klar kommunizieren, was sie in einer Beziehung erwarten. Wenn sie eine Beziehung eingegangen sind, sollten sie einmal im Monat das Auf und Ab reflektieren und die Auswirkungen verschiedener Kommunikationsmethoden in die Diskussion mit einbeziehen. Wie ist das?

    Sie sollten ihre Erfahrungen in einem Buch notieren und die folgenden drei Fragen monatlich beantworten:

    Was war gut im letzten Monat und warum?

    Was war im letzten Monat nicht gut und warum?

    Was erwarten wir voneinander?

    Ich habe in der Geschichte von Katharina und Imad versucht zu erklären, wie es zu der Annahme des Titels kommen kann. Es gibt natürlich auch solche Annahmen zu Männern: Warum sind Männer aus dem Nahen Osten so aggressiv? Aber das ist schon die nächste Geschichte. Fortsetzung folgt.

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