Kategorie: Persönliche Geschichten

Hier erzählen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte vom Ankommen und Leben in Deutschland, von ihren Problemen, Träumen und Erfolgen. Denn Vielfalt braucht echte Geschichten.

  • Ein Ritter im Kampf gegen die Windmühlen

     Nach dem Kaukasuskrieg in 2008 wurde ich wegen meiner politischen Ansichten verfolgt. 2012 musste ich nach mehreren Gerichtsverfahren meine Heimat verlassen und nach Deutschland fliehen. Eine Menschenrechtsorganisation aus Hamburg hat mich unterstützt.

    Hier in Hamburg habe ich zwei Jahre lang eine Umschulung im IT-Bereich gemacht. Ich hoffe, ich kann bald einen Job als IT-Spezialist finden. Ich bin gerade auf der Suche und mache viele Bewerbungsgespräche. Mein Deutsch ist nicht ideal, aber auch nicht schlecht. Nun, es gibt leider Menschen, die deswegen voreingenommen sind. Ich versuche, diese schlechten Erfahrungen zu ignorieren. Dafür brauche ich eine gesunde Menge Schnurzegal-Einstellung.

    Ich möchte mich nicht mehr als Ausländerin fühlen. Am Anfang war das sogar schön, alles war neu: neues Land, neue Sprache, neue Leute und ich mag alles Neue. Fünf Jahre war ich nicht in meiner Heimat. Jetzt fühle ich mich auch dort als Ausländerin. Aber ich möchte mich wieder mal wie zu Hause fühlen!

    Vielleicht sollte man nicht die alte Heimat hier suchen, sondern eine neue aufbauen. Ich wünsche den Neuankömmlingen und Migranten, dass sie nicht verzagen, nicht verbittern und niemandem die Schuld geben. Den Einheimischen wünsche ich weniger Angst vor dem Neuen, z.B. vor einer anderen Kultur, anderen Menschen. Alles Neue kann man positiv sehen. Kommt raus aus der Komfortzone, dann kann man die Welt verändern!

    Ich will, dass es in der Zukunft keine Flüchtlinge mehr gibt. Ich wünschte, ich könnte in meine Heimat zurück. Ich würde alles Gute aus Deutschland dort in die Gesellschaft integrieren. Und das Beste aus meiner Kultur versuche ich schon jetzt hier zu integrieren. Jeden Tag ein Stück. Es klappt nicht immer, aber ich leide nicht und mache weiter so gut ich kann.
    Wie ein Ritter im Kampf gegen die Windmühlen.

  • Eindrücke aus dem Nea Kavala Camp

    Kannst du kurz erklären, wie du darauf gekommen bist, im Camp zu arbeiten und uns ein paar grundlegende Informationen darüber geben?

    Es hat damit angefangen, dass ich meine Masterarbeit über die Flüchtlingskrise geschrieben habe. Zur selben Zeit haben die Probleme ihren Lauf genommen und ich wollte irgendwie helfen. Da bin ich auf die Organisation „A Drop in the Ocean“ gestoßen, mit der ich dann in Griechenland war. Sie hat ihre Arbeit an den Stränden von Lesbos angefangen, als die Entwicklung der Krise dort begonnen hat. Die Organisation hatte eine Stellenanzeige für KoordinatorInnen für das Nea Kavala Camp veröffentlicht.

    Es ist kein Notfalllager, das Leute direkt von den Booten aufnimmt. Die BewohnerInnen sind in Idomeni gestrandet, als die Grenzen geschlossen wurden, also sind alle jetzt schon etwas über ein Jahr im Camp. Es ist jetzt eine kleine Gemeinschaft geworden, mit vielen Familien. Vielleicht ist es unvermeidbar, dass Leute versuchen, ein Gefühl von Normalität zu schaffen, wenn sie über eine ganze Zeit hinweg zusammen an einem Ort leben müssen.

    Ida Eri Sorbye

    Kannst du ein bisschen die Atmosphäre beschreiben?

    Was ich im Camp bemerkt habe ist eine frustrierte Stimmung, weil die Leute schon so lange dort sind. Natürlich wollen sie weiterkommen im Leben und es so normal wie möglich verbringen. Sie haben Asylinterviews hinter sich, manche auch zwei. Die brauchen sie, bevor sie umziehen können. Also müssen die Menschen vor allem eines: warten. Manche arbeiten auch für die Organisationen, die dort aktiv sind. Um das zu tun, braucht man aber ein gutes Englischlevel. Wenn man das nicht hat, gibt’s ganz schon viel Zeit zu verbraten. Dass man nichts zu tun hat und nicht für seine Familie sorgen kann, sind wahrscheinlich die zwei härtesten Dinge.

    Kannst du die Alltagsaufgaben zusammenfassen?

    Eine Aufgabe ist das Kleider- und Essenverteilen. Ein Bestandteil davon ist der ‚Kleidermarkt‘: Wir haben eine Art Laden dafür aufgebaut. Die Camp-BewohnerInnen können die Klamotten, die sie möchten, mit einer virtuellen Währung namens „Drops“ erwerben. Die Leute bekommen jede Woche „Drops“, um mit ihnen einkaufen zu gehen. Man muss ins Geschäft gehen und Preise und Ausgabemöglichkeiten berechnen. Auf der einen Seite kann die Erfahrung so würdevoll vonstattengehen, andererseits haben wir damit sichergestellt, dass nicht mehr genommen als tatsächlich gebraucht wird.

    Das Essen, das wir verteilen, funktioniert mehr wie ein Zusatz. Die Armee, die das Lager leitet, stellt drei Mahlzeiten pro Tag zur Verfügung. Die Qualität ist aber nicht sehr gut, weshalb die Menschen unsere Ausgabe von Gemüse und getrockneten Lebensmitteln sehr geschätzt haben. Auf diese Weise konnten sie auch mal selbst kochen und auch dadurch ein bisschen Normalität herstellen.

    Gab es kürzlich irgendwelche Entwicklungen im Camp?

    Kinder können jetzt zur Schule gehen. Und es gibt einige davon, etwa 150. Das war ein großer Schritt, vor allem für die Eltern, um zu wissen, dass etwas passiert, was für sie einen extrem hohen Stellenwert besitzt – dass ihre Kinder keinen Nachteil davontragen. Viele von ihnen konnten in der Türkei, wo ein großer Teil über Jahre hinweg gewohnt hat, nicht die Schule besuchen. Syrische Kurden werden dort zum Beispiel sehr diskriminiert.

    Kannst du sagen, was die Leute im Lager vor allem brauchen?

    Ich denke, wenn du sie fragen würdest, würden sie wahrscheinlich antworten mit: ein normales Leben – ein Haus und eine Arbeit, der wir nachgehen können. Der Mangel an Normalität, der ist wichtig. Sie wollen das Leben, das wir für selbstverständlich halten – und, dass die Warterei ein Ende nimmt. Ich glaube, sie haben es echt satt, in Containern zu wohnen und sich immer angemessen anzuziehen, einfach nur, um auf die Toilette zu gehen. Zudem war der Winter sehr kalt, und es gab eine Zeit lang kein Wasser…all diese zusätzlichen Dimensionen, an die wir gar nicht denken.

    Was ist dir am meisten aufgefallen, während du als Freiwillige tätig warst?

    Wenn du weißt, dass du nach Griechenland fährst, um dort in einem Flüchtlingslager zu arbeiten, konzentrierst du dich vor allem darauf. Was mich vor Ort allerdings wirklich schockiert hat, war die wirtschaftliche Krise, in der die GriechInnen leben. Für mich ist es mittlerweile ein entscheidener Teil der ‚Flüchtlingskrise’, dass es auch vielen GriechInnen schlecht geht. Es ist etwas, über das wir in den Medien eigentlich nichts mehr hören.

    Als ich dort war und einfach mit Leuten vor Ort geredet habe, war es ziemlich unglaublich, wie sie mit diesem Problem umgegangen sind. Die meisten GriechInnen, mit denen ich geredet habe, haben nichts gegen Flüchtlinge – sie stehen ihnen recht gleichgültig gegenüber. Für sie stellt es eher ein Problem dar, wenn sie sehen, dass wir alle nach Griechenland strömen, um den Geflüchteten zu helfen, zusätzlich zu all dem Geld, dass dafür in das Land fließt. Sie nehmen eventuell auch wahr, dass den Flüchtlingen durch die Unterstützung ein besseres Leben bevorsteht, an dem sie keinen Anteil haben werden. Viele fühlen sich von der EU, von Deutschland, alleine gelassen.

    Mir scheint es immer wichtiger, diesen Aspekt nicht zu vergessen, wenn man das geflügelte Wort der “Krise” in den Mund nimmt. Manchmal schäme ich mich ein bisschen, wenn ich mit GriechInnen spreche und ich dann sagen muss: Ich bin aus Norwegen. Und ich fühle mich so oft dazu gezwungen zu sagen, dass es mir Leid tut, dass der Rest Europas sie im Stich lässt.

    Hast du irgendwelche Tipps für junge Leute, die – so wie du selbst – aktiv werden möchten?

    Es gibt verschiedene Arten zu helfen – und verschiedene Orte. Eine Möglichkeit besteht darin, ein Flugzeug oder ein Auto zu nehmen und als FreiwilligeR tätig zu werden. Die werden immer gebraucht. Auch Geld spenden ist ein Weg, wenn man gerade ein wenig davon übrig hat. Wenn man jünger ist und nicht so viel auf dem Konto hat, kann man auch einfach dort aktiv werden, wo man gerade ist. Einer der Jobs in Europa, der ständig an Bedeutung gewinnt, ist die aktive Teilnahme an Integrationsarbeit: das heißt, Verantwortung im eigenen Land übernehmen, die Neuankömmlinge empfangen und ihnen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind. Und sie zu unterstützen, ein neues Leben anzufangen.

    Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.

  • Ich suche Freundschaft im neuen Land

     Ich war ungefähr ein Jahr dort, länger durfte ich nicht bleiben, weil ich aus Syrien komme. Ich musste Saudi-Arabien verlassen und flüchtete nach Deutschland.

    Ich lebe seit ungefähr zwei Jahren hier. Erst war ich eineinhalb Jahre im Erstaufnahmelager Schnackenburgallee, aber vor zwei Monaten habe ich ein Zimmer in einer Wohnung gefunden. Ich lebe jetzt im Hamburger Stadtteil Harburg. Ich finde Harburg schön, weil es ein multikultureller Stadtteil mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern ist.

    Ich lerne jetzt deutsch und ich möchte eine Ausbildung als Buchhalter machen. Mein Wunsch wäre es, bei einer Bank zu arbeiten, und mit Deutschen Freundschaft schliessen zu können.

    In einem neuen Land brauchen wir Freunde! Ich versuche immer deutsche Menschen kennenzulernen.

     

  • Refugee Canteen- Integration in der Küche

    Kulinarisch ist bei Benjamin seit 30 Jahren alles dabei. Von afghanischer bis zu thailändischen Küche, von Besteck über Stäbchen oder einfach nur von der Hand in den Mund – das Essen war sein größter Verbündeter in seiner Kindheit und öffnete Türen zu Menschen und Kulturen, die sein Leben geprägt haben.

    Benjamins Herz ist zu vergleichen mit einem T-Bone Steak. Eine Seite hat sich der Gastronomie verschrieben. Seit über zehn Jahren von der Branche fasziniert, hat er viele unterschiedliche Stationen durchlaufen. In den letzten Jahren hat er sich vor allem mit Prozessen und dem Aufbau von Events, Caterings oder Restaurants beschäftigt. Das Filet ist geprägt von sozialer Arbeit. Nach beruflichen Reisen durch Malawi, Indonesien und Palästina war es nur eine Frage der Zeit, dass er die Gastronomie mit dem Sozialen verbindet.

    -FM: Was ist Refugee Canteen?

    Refugee Canteen ist eine Akademie für Menschen, die geflüchtet sind, für Menschen mit Migrationsbiografie. Eine Akademie, die Menschen ausbildet für die Gastronomie. Wir machen das in zwei Modulen: 7 Wochen Akademie, 7 Wochen Praktikum. Das Ziel ist immer, dass die Menschen danach in eine Ausbildung gehen oder in einen festen Job, also keine Hilfsarbeit, sondern wirklich einen festen Arbeitsplatz bekommen oder eine Ausbildung.

    Wir machen das nicht nur für Geflüchtete, Refugee Canteen ist ein Projekt für alle Menschen, für Deutsche, Iraner, Syrer, Afrikaner, für jeden, der Lust hat. Weil wir glauben: Das ist Integration. Ein Deutscher in einer Küche, ein Syrer in einer Küche, ein Afghane, ein Mensch aus Ghana, alle zusammen in einer Küche, das ist Integration.

    -Warum heißt es dann Refugee Canteen und nicht Human Canteen?

    2015 gab´s ein Projekt von einer Stiftung und die Stiftung hat mich gefragt: Hast du eine Business-Idee, was wir mit Geflüchteten machen können? Und ich habe gesagt: Ja, ich habe eine Idee und die Idee ist: Refugee Canteen. Ich mache eine Kantine, wo Geflüchtete kochen lernen, Service lernen, Bar lernen, alles was sie brauchen.

    Und dann habe ich irgendwann gedacht, nur Geflüchtete ist nicht gut, weil das ist keine Integration. Ich sagte, ich mache das Programm auf. Hauptsächlich suche ich Geflüchtete, aber wenn ein Deutscher kommt und sagt, ich möchte das auch machen, finde ich es gut.

    -Wie bist du das erste Mal auf diese Idee gekommen?

    Ich war in Indonesien, ich habe dort gearbeitet und dann bin ich nach Deutschland gekommen. Als ich die ganzen Messehallen, mitten in der Stadt, die ganzen Flüchtlingserstaufnahmeunterkünfte gesehen habe, hab ich mich gefragt: Wie kann ich helfen? Ich wollte nicht Fußball spielen oder einkaufen gehen. Das fand ich alles sehr langweilig. Ich wollte Menschen einen Job geben. Deswegen hab ich gesagt: Ich mache eine Kochschule auf. Ich zeige ihnen wie das Kochen geht, damit sie einen Job kriegen.

    – Arbeitest du auch als Koch?

    Ich bin kein Koch, aber ich habe zwei Köche, zwei Trainer. Hier können immer 16 Leute arbeiten und zwei Trainer. Sie arbeiten drei Monate hier, drei Monate im Praktikum, danach sollen sie einen festen Job bekommen oder eine Ausbildung. Besser wäre eine Ausbildung. Das bedeutet, im Jahr sind das hier ungefähr 50 Leute in der Akademie.

    – Was muss ein Mensch machen, um hier teilzunehmen?

    Jeder, der hier mitmachen möchte, muss beim Jobcenter sein, keine Sozialbehörde. Jeder kann eine Mail schreiben oder hierher kommen und sagen: Ich möchte hier mitmachen. Dann führen wir mit ihnen unser eigenes Gespräch und fragen: Warum möchtest du mitmachen, möchtest du wirklich bei der Gastronomie mitmachen?

    Dann gehen wir mit ihm zum Jobcenter und er bekommt dort einen Gutschein. Dann kann er das machen. Es ist sehr, sehr einfach. Er muss mindestens Sprachniveau A2 oder B1 haben, B1 ist besser. Bei uns sprechen alle auf Deutsch. Einmal pro Woche machen wir ein bisschen Sprachtraining, keinen Deutschunterricht. Wir lernen Sachen auszusprechen: Das ist eine Pfanne, das ist ein Sparschäler. Mit richtigem Akzent, damit man verstanden wird. Die ganze Akademie ist auf Deutsch. Und das ist sehr wichtig, dass man Deutsch lernen kann. Wenn einer was nicht versteht: Wir können alle auch Englisch.

    – Kochen die Teilnehmer auch internationales Essen?

    Sie lernen hier internationales Essen. Wir haben hier eine Kooperation mit 20 Hotels. Alles, was sie in Hotels kochen, also sehr internationales Essen, das zeigen wir. Kein arabisches Essen. Weil in einer Ausbildung, da lernst du kein arabisches Essen. Deutsch, Französisch, Italienisch. Wir wollen zeigen, wie es am besten geht, damit sie es können. Ich glaube, sie können alle sehr gut arabisch kochen. Sie müssen lernen, wie wir kochen.

    – Wie kann man Euch unterstützen?

    Wir sind eine gemeinnützige Firma, wir können immer gut Spenden gebrauchen, aber nicht nur Geld, vielleicht kennt jemand ein Restaurant, das noch Auszubildende braucht, das Mitarbeiter braucht. Oder noch ein anderes Restaurant, das Hilfe braucht, so können wir die Leute dort hinschicken. Oder einen guten Gemüsehändler, dem wir sagen, wir können einen Special Deal machen. Das sind Arten, wie man uns unterstützen kann. Wir bekommen unser Geld vom Jobcenter. Das Jobcenter bezahlt unsere Arbeit.

    – Macht Ihr auch Party oder Events?

    Wir machen immer wieder mal „Tag der offenen Türe“, also Open House, Open Days. Wir laden sehr viele Freunde zu uns ein, gehen manchmal in die Hotels mit allen Schülern, sie können sich das anschauen. Wir haben keine speziellen Events, weil das eine Akademie ist, ein Training. Keine Eventlocation. Aber wir freuen uns, wenn jemand sagt: Ich hab eine Idee. So in drei Wochen, da kommt Food Swap hierher und wir machen mit Food Swap hier draußen eine Party. Dann machen wir ein Special Event. Wenn das Wetter gut ist, dann machen wir solche Sachen.

    – Ist das momentan der erste Kurs?

    Das ist die erste Runde, nächste Woche gehen alle Schüler in ein Praktikum, danach ist die zweite Runde. 12 oder 16 Leute. Gemischt, aber im Moment mehr Geflüchtete.

    – Wie ist Deine Bilanz nach einem Jahr Arbeit?

    Wir wollen dieses Jahr viel wachsen, wir haben ein paar Anfragen in anderen Städten. Wir bleiben in Hamburg, bei dieser Küche, aber wir werden bald auch nach Kiel gehen, Hannover, Berlin, Düsseldorf. Da, wo überall Menschen Hilfe brauchen, wollen wir sein. Jeder Schüler, der hier bei uns ist, wird noch ein Jahr betreut.

    Das heißt, wenn er Probleme hat in der Ausbildung, im Job, im Leben, kommt er zu uns und sagt: Ich hab ein Problem, mit meinem Chef funktioniert es nicht, mir geht es nicht so gut, ich brauche vielleicht einen Arzt, oder ich brauche Nachhilfe, so betreuen wir Menschen. Aber wir wollen in einem Jahr drei neuen Küchen in anderen Städten aufbauen!

    – Was ist Deine Meinung über die Integration hier?

    Ich glaube, dass Bildung, Qualifizierung, Lernen der wahre Weg für Integration ist, das ist der Erfolg. Ich glaube, wenn man arbeitet, kann man sehr viel, sehr schnell lernen. Weil, man muss sprechen. Wenn man zu Hause studiert, studiert man für sich alleine, bei der Arbeit muss man mit Menschen sprechen. Ich glaube, das ist sehr wichtig und es ist sehr wichtig für unsere Partner zu verstehen, dass Refugees auch Menschen sind. Und Gastronomie gab es schon immer mit vielen Geflüchteten, in jeder Küche, überall auf der Welt.

    In Dubai sind Deutsche in der Küche, sind Chinesen in der Küche. Wichtig ist die Kommunikation. Und jeder Mensch ist gleich, egal woher er kommt, das ist wichtig. Und jeder Mensch muss auch gleiche Chancen haben. Wir möchten nicht, dass Geflüchtete an der Spüle arbeiten. Ich möchte, dass jeder Geflüchtete, jeder Mensch, der Koch werden will, Koch werden soll. Und nicht, weil er nicht so gut Deutsch spricht, nur Teller spült. Das ist falsch. Jeder Mensch soll eine Chance bekommen.

    – Du machst auch ganz viel über Social Media? Denn jeder kennt Refugee Canteen!

    Wir machen das hier, damit alle Menschen sehen, dass Geflüchtete keine schlechten Menschen sind und genauso viel Spaß haben. Viele rufen mich an und fragen: Gibt es ein Problem? Sind das schwierige Menschen? Ich sage: Warum? Das sind nur Menschen! Wenn ich nur darüber rede und sage: Heute haben wir in der Küche gekocht, hat keiner ein Bild im Kopf.

    Aber wenn ich ein Bild zeige, wo alle glücklich sind, alle Respekt vor einander haben, ist das sehr gut. Ich glaube, Social Media ist auch deswegen gut, weil sie nicht nur in Hamburg ist, die ganze Welt kann sehen was wir machen. Wir sind auf Instagram, Facebook und Twitter. Instagram ist das stärkste Medium für uns, es geht dort sehr sehr schnell.

     

     Hannah Hillebrand von der Refugee Canteen:

    Hannah Hillebrand

    Die Menschen, die in der Küche arbeiten, stehen für Hannah an erster Stelle. Nach Reisen auf dem afrikanischen Kontinent, vielen Erfahrungen im Bereich der sozialen Arbeit und einem Psychologie-Studium wollte sie etwas “mit den Händen machen”: ganz einfach mehr Praxis, mehr Kollegen, weniger Theorie!

    Geleitet von ihrer Leidenschaft, dem Kochen, machte sie eine Ausbildung zu Köchin. Hier erfuhr Hannah, was ihr wirklich Spaß macht: für jeden Menschen die richtige Motivation finden, die richtige Aufgabe, die richtigen Worte. Ihre beiden Leidenschaften kann sie in unserem Projekt kombinieren, denn Menschen begleiten und zu sehen, wie sie Freude an einer Tätigkeit entwickeln, sodass sie über sich hinauswachsen – das ist ihre Motivation.

    -Warum machst Du mit bei Refugee Canteen?

    Ich habe Psychologie studiert und danach eine Kochausbildung gemacht. Ich hab das Gefühl, dass ich hier meine beiden Leidenschaften kombinieren kann. Ich kann hier mit Menschen arbeiten, die gerne in der Gastronomie arbeiten möchten und    ein bisschen Hilfe brauchen bei den ersten Schritten. Das ist eine gute Arbeit, die mir gefällt.

    – Wie steht es hier um die Integration?

    Integration in den Arbeitsmarkt gelingt in diesem Fall sehr gut. Bei uns lernen die Geflüchteten die Grundlagen, die sie benötigen, um irgendwann einen guten Job anfangen zu können. Aber sie lernen noch viel mehr, was wichtig ist. Man muss Karotten schälen können, aber man muss vor allem auch ein Gespür für sich selber und seine Arbeit bekommen.

    Ich glaube, dass wir hier für diese Maßnahme die Zeit haben, den Leuten etwas Raum zu geben. Sie können hier erst mal ankommen und können dann weitere Schritte machen. Aber hier sind sie erst mal in einem geschützten Raum. Das finde ich wichtig.

    – Also macht Refugee Canteen Integration?

    Durchaus! Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft. Für mich ist egal, wer da vor mir steht, ob Deutscher, Syrer, Türke oder Holländer, ist mir ganz egal. Wir möchten, dass alle Menschen, die in der Gastro arbeiten möchten, sich hier integrieren können. Wir sind ein festes Team. Das ist die Integration, die hier anfängt. Deswegen sagen wir nicht nur Geflüchtete, sondern wir sagen: Menschen.

    – Warum heißt es dann Refugee Canteen?

    Wir dachten erst, dass wir nur mit Flüchtlingen arbeiten möchten. Das war am Anfang die Idee, dann hatten wir aber auch Anfragen von z.B. Deutschen. Wir sagten: Warum sollen wir ein Programm machen nur für Syrer, Afghanen, Eritreer? Der Name war die erste Idee, danach haben wir unsere Idee weiter entwickelt. Jetzt haben wir den Namen, aber eigentlich geht es um die Menschen.

    Kamal Ameri von der Refugee Canteen

    Kamal Ameri

    Ich heiße Kamal Ameri, ich komme aus Afghanistan. Ich bin seit drei Jahren hier in Deutschland. Ich bin in Afghanistan geboren, aber aufgewachsen im Iran. Ich mache seit fast drei Monate beim Kochkurs mit. Auch in Zukunft möchte ich weiter als Koch arbeiten. Ich werde dann für die Menschen ein leckeres Essen zubereiten können. Hier gibt es viele Möglichkeiten bei der Refugee Canteen. Das war wie ein Hobby für mich und ich hoffe, dass es weiter gut geht.

    – Was hast du hier gelernt?

    Ich habe viele Rezepte gelernt. Zum Beispiel heute haben wir gelernt, wie man Kroketten macht. Oder Ciabatta, das ist ein Brot aus Italien, oder Osso Buco oder Sushi. Verschiedene Suppen haben wir auch zubereitet. Eierspeise, Fenchelbrot und noch mehr Sachen. Und wir werden noch mehr lernen.

    – Was möchtest du in der Zukunft machen?

    Koch werden und einen gutes Restaurant haben, gutes Essen machen.

    – Internationales Essen oder afghanisches Essen?

    Internationales Essen, aus vier verschiedenen Ländern: Iran, Afghanistan, Deutschland, Griechenland. Weil ich die Sprachen kenne, ich habe auch dort gelebt.

    – Was ist deine Nachricht für die Deutschen und die Geflüchteten?

    Dass die Menschen, egal wo sie herkommen, die Geflüchteten, versuchen, weiter zu machen: viel lernen und mit Herz lernen. Die deutsche Sprache erlernen. Und ihre Zukunft aufbauen. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten in vielen verschiedenen Bereichen. Zum Beispiel als KFZ-Mechaniker oder Koch.

    Es gibt viele Möglichkeiten, aber man muss es auch wissen. Miteinander sprechen, Kontakte knüpfen, in die Gesellschaft rein kommen, sich nicht zurückhalten. Einfach fragen. So geht es. Und die Leute helfen. Die Deutschen helfen. Flüchtlinge müssen sich auch überlegen, was sie hier machen können. Und Hoffnung haben. Das ist meine Nachricht.

    Mit Eugenia Loginova hat diesen Artikel geschrieben.

  • Die Geschichte der geflüchteten Frau

    Mein Weg von Kabul nach Hamburg

    Ich war 19, als Hamid Karzai Premierminister wurde und wir daraufhin vorläufig nach Afghanistan zurück gingen. Um mein Studium fortzusetzen, verließ ich unsere Heimat aber erneut und ging nach Indien. Es war nicht einfach ohne meine Familie zurecht zu kommen. Da ich studieren und hart arbeiten musste, vergingen die Jahre und ich kehrte nach Afghanistan zurück. Jedoch kannte ich mein Schicksal nicht, dass ich wieder einmal allein sein musste, wieder weit weg von meiner Familie. Ich fühle mich innerlich sehr schlecht. Ich vermisse meine Familie und ich fühle mich schuldig und schlecht dafür, dass ich nichts für sie tun kann.

    Als Frau war es keine einfacher Weg für mich. In meinem Land hatte ich viele Probleme wegen derer ich floh: politische, Sicherheits-, familiäre Probleme und Diskriminierung waren die grundlegenden Faktoren, die mich zwangen, mein Land zu verlassen. Nicht nur ich, sondern auch meine Mutter und drei meiner Schwestern verließen Afghanistan.

    Wir gingen über Pakistan in den Iran,  wo wir einen Monat blieben, weil wir einen Schlepper finden wollten, der weniger verlangte, so dass alle meine Familienmitglieder zusammen reisen konnten. Es gelang uns nicht. Meiner Mutter war es nicht möglich die Straßenroute zu benutzen. Sie blieb mit meinen drei kleinen Schwestern zurück.

    Die Reise allein

    Ich aber setzte meine Reise alleine fort.  Es war nicht einfach für mich, meine Familie zu verlassen- aber ich hatte keine andere Wahl. Ich brach in die Türkei auf und anschließend nach Griechenland, wo ich einige Wochen blieb. Dort fand ich mich zurecht durch die Begleitung einer Familie, die Töchter in meinem Alter hatte. Nach einer langen Wartepause verließ ich Griechenland mit einer anderen Familie in Richtung Europa. Wie andere illegale Reisende auch, hatten wir einen weiten Weg: größtenteils mit dem Schiff, anschließend per Auto, LKW und Zug, bis wir Europa erreichten.

    Auf dieser Reise und in dem Land, in dem ich Asyl beantragte, begegneten mir viele Probleme. Es ist keine einfach Entscheidung, als Frau eine illegale Reise anzutreten und die Erfahrungen, die ich auf meinem Weg und an meinem Ankunftsort machte, waren hart. Ich wurde mit körperlichem Missbrauch der Männer konfrontiert, die mit mir reisten. Auch verbale Beschimpfungen und Beleidigungen musste ich über mich ergehen lassen. Ich fühlte mich nirgends sicher und konnte auf der kompletten Reise nicht schlafen. Nicht nur ich, sondern alle Frauen, die mit mir waren, hatten diese Bedingungen. Wir hatten keinen anständigen Ort um zu Schlafen oder um ein Bad oder eine Toilette zu benutzen.

    Manchmal denken Männer, wenn eine Frau alleine ist, dann ist sie eine sogenannte „unanständige Frau“. Es ist ihr patriarchistisches Gedankengut, das ihnen das Recht gibt, alles was sie wollen zu sagen oder zu tun, während Frauen das in jedem Fall akzeptieren müssen. Aber nein, sie müssen daran denken, dass keine Frau freiwillig allein ist und keine Frau ihr Land verlässt, solange in diesem Land noch ein Platz für sie zu leben ist. Ich möchte hier ausdrücklich sagen: respektiert Frauen! Sie sind eure Mütter, eure Schwester, eure Ehefrauen, eure Töchter und eure Freunde.

  • Ich komme aus der Hauptstadt des Jasmin

    In den kleinen Gassen in Damaskus kann man den Duft der Blume einatmen und riechen.

    Ich bin erst 29 Jahre alt, aber ich habe bereits sehr viel erlebt in meinem Leben. Krieg und nun den Asylstatus. Bevor ich es vergesse, ich bin ein Flüchtling, aber ich bin in erster Linie ein normaler Mensch.

    In Damaskus habe ich Politikwissenschaften studiert, weil ich verstehen möchte, was in der Welt passiert. Ich habe geglaubt, dass die Politik der Grund für alles ist. Als Journalist habe ich gearbeitet, weil ich aus einer Journalistenfamilie komme. Ich habe zwei Brüder, die ebenfalls Journalisten sind. Ich möchte den Menschen mitteilen, was warum und wie in der Welt passiert ist und noch passiert.

    Ich lebte ein Jahr in Istanbul. Dort arbeitete ich jeden Tag fünfzehn Stunden in einer Kleiderfabrik. Istanbul hat mich an Damaskus erinnert, weil man in der Stadt auch den Duft einer Blume in der Nase hat. Es gibt aber keinen Jasmin in Istanbul, sondern Tulpen. Eine Freundin sagte mir, sie seien das Wahrzeichen der Osmanen.

    Seit eineinhalb Jahren bin ich in Hamburg. Die Stadt des Regens, aber auch der Möglichkeiten wie Berlin.

    Mithilfe meiner Freunde habe ich das Flüchtling-Magazin gegründet. Nun suche ich eure Unterstützung, und ich möchte gerne mit euch arbeiten.

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