Kategorie: Persönliche Geschichten

Hier erzählen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte vom Ankommen und Leben in Deutschland, von ihren Problemen, Träumen und Erfolgen. Denn Vielfalt braucht echte Geschichten.

  • In Hamburg habe ich schwimmen gelernt

    Ar-Raqqa ist eine schöne Stadt am Fluss Euphrat. Die Stadt umgibt eine historische Mauer, sie stammt aus der Zeit des Abbasiden Kalifats. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die wunderschöne Burg Qalʿat Dschaʿbar, sie liegt auf einer Insel in einem Stausee, der durch eine Talsperre am Euphrat entstanden ist.

    In Aleppo habe ich  Englisch und Literatur studiert und ein pädagogisches Diplom erworben. Ich mag klassische Literatur wie „Homer“ oder englische Klassiker von Charles Dickens. Ich lese auch gerne den Dramatiker Christopher Marlowe, insbesondere seine „The Tragicall History of Dr Faustus“.
    In Syrien habe ich drei Jahre als Lehrer gearbeitet. Eigentlich wollte ich noch ein Jahr studieren und einen Masterabschluss als Übersetzer machen. Aber es war nicht möglich, da der Krieg in Syrien ausbrach und es in Aleppo gefährlich wurde. Im Krieg habe ich als Übersetzer bei „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet und war bei IRC (International Rescue Committee) bei „Cash for Work“ als Beobachter tätig. Letztes Wochenende war ich übrigens in Berlin bei der Mitgliederversammlung „Ärzte ohne Grenzen“.

    Mein Fluchtweg nach Europa lag auf dem Wasser. Wir waren ca. 50 Menschen in einem Motorboot, darunter Kinder. Ich hatte Angst, da ich nicht schwimmen konnte. Als einmal der Motor aussetzte,  dachte ich: hier muss ich sterben. Aber das Boot hielt durch. Danach ging es über Land: Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn… In Ungarn habe ich meinen Flucht-Kameraden aus der Augen verloren. Später hat er sich aus Bayern gemeldet. Am 2. Juli 2015 erreichte ich Hamburg.

    Ich habe dann in Hamburg schwimmen gelernt. Im August mache ich noch einen Kraultechnik-Kurs.

    Letzte Woche habe ich meine Unterlagen für das Anerkennungsverfahren aus Syrien bekommen. Vielleicht mache ich später ein Studium im Bereich Sprachwissenschaft und Literatur. Mein Traum ist es, ganz Deutschland zu bereisen und ein Tagebuch über diese Reise zu führen.
    Vielleicht wird später ein Buch daraus?

  • Wir können viel von einander lernen

    Ich arbeitete dort bei einer Zeitung als Nachrichtenjournalist auf Freelancer-Basis. Seit drei Monaten lebe ich in Hamburg. Am Anfang hatte ich Angst, wegen meiner Hautfarbe rassistisch behandelt zu werden.

    Jetzt mache ich mir keine Sorgen mehr. Die Deutschen sind nicht so. Sie nehmen Dinge ernst und arbeiten sehr hart, das gefällt mir sehr. Wir können viel von einander lernen.

    Ich mache jeden Tag einen Eintrag in meinen Tagebuch, wo ich alle neuen Dinge beschreibe, die ich hier kennengelernt habe.

    Wenn ich bleibe, möchte ich später gerne eine Tätigkeit im Bauwesen ausüben.

  • Praktische Tipps für mehr Kontakt

    Aber wie kommt man in Kontakt?

    Aus meiner Erfahrung möchte ich hier einige Beispiele nennen.

    Da ich in Duisburg lebe und mein soziales Umfeld hier habe, kenne ich mich natürlich am besten mit Aktivitäten vor Ort aus. Viele der genannten Informationen lassen sich aber auch auf andere Städte übertragen.

    Eine Möglichkeit ist, sich einem Verein anzuschließen, denn viele Deutsche sind in einem Verein aktiv. Es gibt Vereine für jedes nur denkbare Interesse, die meisten sind jedoch Sportvereine. Und manche bieten innerhalb ihres Vereins noch verschiedene Sportarten an, so wie der Polizeisportverein Duisburg, der sich bereits beim Frühstück der Flüchtlingshilfe Neudorf, auf das ich gleich noch zu sprechen kommen werde, vorstellte. Dort kann man von Karate über Fußball und Futsal bis Volleyball so ziemlich alles machen, was das Sportlerherz begehrt.

    Einige Flüchtlinge aus meinem Stadtteil Duisburg-Neudorf spielen auch bei unserem Stadtteilverein, der Tura88, Fussball.

    Dann haben wir um die Ecke noch einen sehr netten Schwimmverein, den DSV98. Dort kann man schwimmen, Wasserball spielen oder Triathlon machen. Dieser Verein sucht übrigens auch noch Trainer für die verschiedenen Bereiche, also falls jemand Interesse hat…

    Soziales Netzwerk für Nachbarn

    Letztendlich gibt es noch ein neues soziales Netzwerk, mit dessen Hilfe man seine Nachbarn besser kennenlernen kann. Dieses ist mittlerweile in sehr vielen deutschen Städten aktiv. Da jeder dort aber nur seine eigene Nachbarschaft sehen kann, kann ich nur für Duisburg-Neudorf sprechen. Hier gibt es jeden Monat einen Stammtisch, bei dem man sich gegenseitig kennenlernen kann. Auch dies ist eine gute Gelegenheit, Kontakt zu Deutschen zu knüpfen.
    Darüber hinaus hilft man sich gegenseitig, unternimmt etwas zusammen, etc.
    Diese Nachbarschaftsplattform nennt sich nebenan.de

    Kommen wir schließlich zum Nachbarschaftsfrühstück, einem Gemeinschaftsprojekt der Flüchtlingshilfe Neudorf und der Künstler vom Kultursprung e.V., das sich mittlerweile zu einer festen Institution im Stadtteil Neudorf entwickelt hat. Hier treffen sich jeden 1. Samstag im Monat Flüchtlinge und Alteingessene, um gemeinsam zu frühstücken, über Gott und die Welt zu plaudern und sich besser kennenzulernen. Oft treten auch Künstler auf oder es stellen sich Vereine und Initiativen vor.

    Teilnehmen kann jeder, der möchte. Man sollte lediglich einen Beitrag zum Büfett (was genau, ist jedem selbst überlassen) mitbringen und es wäre natürlich genial, wenn sich jemand bereit erklärt, beim Auf- oder Abbau zu helfen. Das Frünstück selbst geht von 10 bis 13 Uhr und die Ersten finden sich zum Aufbau ab 9 Uhr ein.

    Ich hoffe, ich kann mit diesen Informationen dem einen oder anderen weiterhelfen.

  • Meine Botschaft an die anderen Geflüchteten

     Der Anbau von Weizen und Nussbäumen ist ja unsere Landwirtschaft. Ich habe eine große Familie, meine Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder. Ich bin alleine nach Deutschland gekommen, mein Bruder ist gerade im Iran. Die restliche Familie blieb in Afghanistan. Ich habe Kontakt zu ihnen, aber die Internetverbindung ist dort leider sehr schlecht.

    Ich durfte nur bis 6. Klasse die Schule besuchen, dann hat sich die politische Lage in Afghanistan geändert und es war nicht mehr möglich, weiter zu studieren. Später, als ich 17 Jahre alt war, ging ich in den Iran. Ich habe dort 10 Jahre lang als Mechaniker für Heizungs- und Sanitäranlagen gearbeitet. Englisch habe ich auch dort gelernt. Mit dem verdienten Geld habe ich meiner Familie geholfen.

    Ein Jahr und 4 Monate bin ich schon in Hamburg. Am Anfang war alles kompliziert für mich. Wir saßen im Camp und kamen nur kurz zum Einkaufen nach draußen. Die Polizei war zu Besuch und hat uns über das deutsche Gesetz aufgeklärt. Das fand ich ziemlich interessant. Allgemein waren die Leute freundlich zu uns. In Hamburg mag ich die gut organisierten öffentlichen Verkehrsmittel, die deutsche Pünktlichkeit. So braucht man kein Auto in der Stadt. Mit der deutschen Küche bin ich nicht so vertraut, ich koche gerne Kabuli Pulao, ein typisches Reisgericht von zuhause, mit Huhn oder Lamm, Karotten und Rosinen.

    Hier möchte ich weiter eine Ausbildung in dem Bereich Mechanik und Kinematik machen. Ich werde ein Praktikum für 6 Monate anfangen. Die Handwerkskammer Hamburg bietet einen Aufbaukurs und auch einen berufsbezogenen Deutschkurs B2, ich habe mich dort angemeldet. Danach suche ich einen Job, einen Ausbildungsplatz und werde meine Abitur nachholen. So ist mein Plan.

    Ich bin überzeugt, dass man eigene Initiative entwickeln, selber Kontakte und Pläne machen soll, die vielen Möglichkeiten für die Weiterbildung nutzen und die Sprache lernen muss. Ich habe über www.start-with-a-friend.de zwei Tandem-Partnerinnen gefunden, um die Sprache zu üben. Und dies ist meine Botschaft an die anderen Geflüchteten.

     

  • Es ist unmöglich ohne Papiere hier zu leben

    Vor 3 Jahren kam ich als Asylsuchende nach Deutschland. Das Geld reichte nur soweit, dass ich nur einen Sohn mitnehmen konnte. Das zweite Kind blieb mit meinem Mann zu Hause in Ghana.

    Zur Zeit wohne ich in einem Asylbewerberheim, dort nehme ich an einem B1- Deutschkurs teil, sowie hier, in der Friedenskirche St. Pauli. Ich möchte gerne in Deutschland bleiben, studieren, einen Beruf lernen, vielleicht Krankenpflegerin oder Krankenschwester.

    Alle drei Monate werden unsere Papiere verlängert. Wir werden hier nur geduldet, einen Aufenthaltstitel gibt es nicht. Warum? Ich bin doch nicht kriminell. Es ist unmöglich ohne Papiere hier zu leben.

    Wir sind Christen und singen hier in der Kirche im Chor mit Pastor Michael. Wir singen Lieder in unserer oder in englischer Sprache. So lernen wir von einander und tauschen uns aus.

  • Ist das hier ein Café oder eine Quizshow?

    Zu Hause in Damaskus habe ich eine Ausbildung im Bereich erneuerbare Energien gemacht, danach habe ich ein kleines Geschäft mit Elektrowaren betrieben. Ich finde meine Kenntnisse als Verkäufer perfekt. Mein Geschäft wurde im Krieg zerstört. Ich hatte viele Ziele- aber die habe ich auch im Krieg verloren.

    Ich habe auch viele Hobbies. Ich liebe Fotografieren, schreibe Texte und Gedichte und mache Pantomime. Meine Familie war aber gegen die Schauspielerei, deswegen habe ich das nicht beruflich gemacht.
    Weil ich auf meine Eltern hören will.

    In meinen Träumen sehe ich mich in Deutschland, habe vielleicht ein eigenes Geschäft und arbeite im Bereich Umwelttechnik und erneuerbare Energien.

    Und zum Schluß eine witzige Geschichte über einen Mann in Deutschland, der in ein Café geht:

    Ich: Guten Tag, ich hätte gern einen Kaffee, bitte.
    Kellnerin: Kaffee, Cappuccino, Latte Macchiato oder Espresso?
    Ich: Hmmm…Kaffee, bitte.
    Kellnerin: Normal oder koffeinfrei?
    Ich: Normal, danke.
    Kellnerin: Große Tasse oder kleine?

    Ich: Große.
    Kellnerin: Mit oder ohne Milch?
    Ich: Mit Milch und Zucker, bitte.
    Kellnerin: Zucker oder Süßstoff?
    Ich: Neiiiiiin danke, ich möchte Zucker!
    Kellnerin: Möchten Sie gleich zahlen oder erst später?
    Ich: Lieber sofort.
    Kellnerin: Bar oder Karte?
    Ich: Ooooooooohhh nein! Sagen Sie, ist das hier ein Café oder eine Quizshow?
    Kellnerin: Wir haben hier eben nicht nur Kaffee. Sondern Cappuccino, Latte Macchiato, Espresso,…
    Ich: Okay, okay, stopp! Ich brauch nichts mehr! Tschüss!

     

  • Arab Filmclub: kultureller Austausch im Kino

     

    Ich bin Mahmud Zake, aber, wie ich schon gesagt habe, alle nennen mich Wallat. Ich bin 28 Jahre alt und komme aus Nordsyrien. Ich habe in Syrien Zahntechnik studiert. Wir haben Zahnbrücken, Prothesen, Kronen und Zahnspangen gemacht. Jetzt mache ich in Hamburg meine berufliche Anerkennung. Die Teilanerkennung habe ich schon bekommen, danach mache ich 6 Monate Praktikum, um die volle Anerkennung zu bekommen. Ich bin seit 2 Jahren und 3 Monaten in Deutschland und seitdem auch in Hamburg. Durch das OHH Hilfsprogramm habe ich einen Kurs an der Uni bekommen.

    Mahmud Zake

    Außerdem mache ich beim Arabischen Filmclub die Untertitel. Wir zeigen den Deutschen unsere Filme, unsere Kultur. Wir zeigen auch deutsche Filme, damit die Flüchtlinge die deutsche Kultur kennenlernen. Damit jede Seite die Kultur des Anderen sieht. Ich arbeite dort mit- in der Gruppe nennen sie mich den Präsidenten. Und der Bundeskanzler ist Bernard. Er ist sehr lustig und er hat mit dieser Idee angefangen.

    Er fragte: Was sagst du dazu? Machen wir einen Arabischen Filmclub? Und wir haben gesagt: Ja, das machen wir. Dann haben wir uns zusammen gesetzt und schließlich eine Gruppe zusammengebracht. Organisiert haben wir das mit dem B-Movie, das ist ein kleines Kino in Sankt Pauli. Es gibt ganz viele Leute: Omar, Murat, Hamsa, Dorothea, Sara, Wissan, Jasper. Dorothea, Jasper und Bernard arbeiten meistens an den Untertiteln.

    Ich und Omar machen auch mit. Wir untertiteln jeden Film. Dafür brauchen wir immer einen Deutschen und einen Syrer. Die Syrer erklären, was sie im Film sagen und die Deutschen finden den besten Satz dafür, weil die arabische Sprache ein bisschen schnell ist. Manchmal braucht man auf Deutsch einen ganzen Satz und auf Arabisch ist es nur ein Wort. Deswegen gibt es Schwierigkeiten beim Untertiteln. Das braucht viel Zeit.

    – Wie lange arbeitet ihr dafür?

    Manchmal  zwei oder drei Monate für einen Film. Je nachdem, was für ein Film das ist. Fünf Minuten brauchen manchmal 6 Stunden Arbeit.

    – Welche Filme habt ihr schon untertitelt?

    Bis jetzt haben wir zwei Filme untertitelt. Und einen Kurzfilm. Der erste Film hieß „Die kleinen Väter“. Das ist eine Geschichte darüber, wie wichtig Familie in Syrien ist. Der zweite Film heisst „Die Grenze“. Es ist ein sehr berühmter Film. Dieser Film handelt von der Lüge von der „Arabischen Einheit“. Weil die Araber sagen, wir sind ein Land, wir sind alle Brüder, wir sind zusammen, aber „Die Grenze“ zeigt, dass es eine Lüge ist. Die Papiere sind wichtiger als die Person. Das ist ein Film von Duraid Lahham. Der dritte war ein 10-minütiger Kurzfilm mit dem Schauspieler Mashuk. Gezeigt wurde er mit zwei anderen deutschen Kurzfilmen. Das war unser erster Tag im B-Movie und das war ein großer Erfolg.

    – Welche Bedeutung hat Familie in Deutschland? Ist das Familienleben anders?

    In Syrien bleibt die Familie zusammen. In Deutschland ist man mit 18 Jahren für sich selbst verantwortlich. Die Kinder gehen in eine eigene Wohnung, finden ihr eigenes Leben. In Syrien bleiben wir in der Familie bis wir 30-40 Jahre alt sind. Wenn wir nicht verheiratet sind, gehen wir nicht in eine andere Wohnung. Der Film „Die kleinen Väter“ spricht über eine Familie aus Syrien. Die Mutter ist gestorben, und die Kinder versuchen den Traum ihrer Mutter zu erreichen: der Vater soll weiter Jura studieren, um eine bessere Arbeit zu bekommen. Die Kinder sammeln das Geld für die Bücher und der Vater vollendet so das Studium.

    – Und der nächste Film?

    Wir versuchen gerade den Film „Morgan Ahmed Morgan“ von Adel Imam zu bekommen. Der Film zeigt die Korruption in unserem Land. Wir versuchen gerade die Vorführrechte zu bekommen. Und das ist echt schwierig. So wie für die alten syrischen Filme, zum Beispiel. Weil es die europäischen Rechte für syrische Filme nicht gab. Wir versuchen die Filiale zu kontaktieren, aber bis jetzt haben wir leider keinen Erfolg.

    – Arbeitet ihr alle ehrenamtlich?

    Ja. Murat und Wissan zum Beispiel arbeiten an der Bar, verkaufen dort Getränke. Mohammed kontrolliert mit uns die Karten, ich und Omar präsentieren die Filme und ausserdem Jasser- er spricht auf Arabisch und ich auf Deutsch. Was gibt es noch? Wir haben jetzt einen Kontakt mit OKAZ, eine Organisation aus Österreich, so ähnlich wie unsere. Sie machen Arabische Abende in Wien. Vielleicht tauschen wir Filme mit einander aus, besuchen sie in Wien und zeigen unsere Filme dort- und sie zeigen ihre Filme im B-Movie.

    – Du hast gesagt, ihr möchtet auch deutsche Filme untertiteln?

    Ja, wir versuchen einen deutschen Film zu untertiteln.

    – Wie lange arbeitet ihr schon an diesem Projekt?

    Ungefähr 6 oder 7 Monate. Wir zeigen auch viele arabische Filme mit englischen Untertiteln. Sie handeln zum Beispiel von der Bürokratie in Syrien, oder der Arbeit der Schauspieler in Syrien, oder wie das Leben in Syrien in 50-60er Jahren war.

    Unser nächster Film heißt „Zanajid“. Das ist aber noch nicht sicher, das diskutieren wir morgen in unserer Gruppe. Es geht darum, wie das Leben in Syrien während der Zeit unter Präsidenten Gamal Abdel Nasser war, über die Einheit von Syrien und Ägypten  (während der Zeit der Vereinigten Arabischen Republik). Wir zeigen das Leben und die Kultur in Syrien von früher. Jeden Monat zeigen wir einen Film, immer am Sonntag, wenn das B-Movie Platz für unseren Film hat.

    Wir haben auch mit Bernard A. Homann gesprochen, er ist ebenfalls Mitglied des Arabischen Filmclubs.

    – Wie sei Ihr auf die Idee gekommen?

    Ich komme vom Film, ich bin Bühnenbildausstatter. Da liegt es einfach nahe, zu sagen: arbeiten wir mit den Flüchtlingen mit Film, weil Film immer so was Übergreifendes ist. Das versteht man in jeder Kultur und es ist klar, dass ich als Deutscher keine arabischen Filme verstehe. Trotz

    Bernard-A. Homann

    dem bin ich interessiert an der arabischen Kultur, wie sie jetzt ist, wie sie vorher war, oder an der kurdischen Kultur…

    So entstand die Idee, selbst zu untertiteln. Einer aus der Embassy (das internationale Café „Embassy of Hope“) hatte ein Untertitelprogramm, und dann haben wir einfach angefangen. Erst mit dem Kurzfilm, den Mohammed mitgebracht hat. Das war so zu sagen der Testballon, und da haben wir festgestellt: Ja, es geht, es klappt, es bringt Spaß.

    Man muss miteinander sprechen. Dann haben wir den ersten langen Film, der heute hier gezeigt wird, untertitelt. Und dann wurde das immer größer, größer, größer. Dann hat Wien angeklopft, das Österreichische-Arabische Kulturzentrum. Die wollen mit uns kooperieren. Jetzt haben wir auch das „Arsenal: Arabisches Filmfestival Berlin“ im Boot, die wollen auch kooperieren.
    Und wir werden gefördert von den AG Kino. Ich hoffe also, dass wir weiterwachsen.

    – Übersetzt Ihr gemeinsam ? Die Geflüchteten vom Arabischen ins Deutsche und Sie? Von Deutsch auf Deutsch?

    Nee, von Deutsch auf Deutsch … Das wäre zwar auch ganz lustig! Von Deutsch auf Bayerisch! Aber es geht darum die Geflüchteten zu integrieren- und das geht am Besten über Sprache und über Kultur. Wir haben festgestellt, dass man wirklich sehr gut lernt beim Untertiteln! Denn die Deutsche Sprache ist schon etwas komplizierter. Es gibt wahnsinnig viele Füllwörter, die dazwischen gesetzt werden, um einen Redefluss aufrecht zu erhalten Man sagt nicht einfach nur: Ich habe Hunger, sondern: Ich habe schon wieder Hunger, Mann, was ist denn da los! Elend lang!

    Das lernt man, glaub ich, gut beim Untertiteln, dass es nicht nur darum geht, zu sagen: Die Frau hat gesagt, ich liebe dich! Sondern es geht darum, zu erkennen: Die Frau guckt glücklich und dann sagt sie: Oh, ich liebe dich so wahnsinnig! Das ist schon mehr als: Ich liebe dich. „Oh, ich liebe dich so wahnsinnig“ ist Deutsch. „Ich liebe Dich“, das ist Untertitel.

    – Machen Sie auch mit beim Thalia-Theater?

    Der Arabische Filmclub kooperiert mit dem Thalia Theater, wir sind sozusagen Brüder. Und eigentlich ist die Mutter des Arab Filmclubs das B-Movie in Sankt Pauli. Da treffen wir uns und da zeigen wir die Filme. Und wenn die Filme erfolgreich sind, brauchen wir einen größeren Saal. Das B-Movie hat, glaube ich, nur 50 Plätze. Und hier hat man noch ein ganz anderes Publikum. Das B-Movie ist eher so ein Off-Kino, wo man normalerweise keinen Eintritt zahlt, es wird kein „James Bond“ dort gezeigt, sondern Off-Produktionen.

    Das Thalia ist das zweitgrößte Haus in Hamburg nach dem Schauspielhaus, und es ist eine Kulturinstitution. Es ist schon sehr toll, dass wir es geschafft haben, in einer wirklich funktionierenden und existierenden Kulturinstitution unseren Platz zu haben. Das Thalia unterstützt uns auch mit dem Buffet zum Beispiel.

    – Was ist Euer Ziel in der Zukunft?

    Ich kann nur von meinem Ziel sprechen. Ich möchte, dass alle bleiben. Und ich möchte, dass wir uns gegenseitig bereichern. Das wäre doch schön, oder? Der Arabische Filmclub ist erst mal der Anfang. Wir sind zum Filmfest Hamburg eingeladen, das im Oktober stattfindet. Es ist nicht so groß wie die Berlinale, aber schon das drittgrößte Filmfest in Deutschland.

    Wir möchten auch andere Nationalitäten dazu bitten, die jeweils einen Film aus ihrem Heimatland aussuchen, diesen untertiteln und auf dem Filmfest dem Hamburger Publikum vorstellen, das ist der nächste Schritt. Und wenn wir es dann noch schaffen, der AfD in den Arsch zu treten, dann ist alles erreicht. Dann haben wir eine gute Welt. Wir brauchen auch jeden Daumendruck, dass es weitergeht.

    Das Projekt Hajusom

    Hajusom, das sind drei Vornamen: Hatice, Jusef und Omied. Es ist ein Projekt für Geflüchtete. Sie machen Theater, sie machen Musik, sie tanzen und kochen. Wenn man sie googelt, dann kommt man auch gleich auf die Seite.

    Wir haben Murad Khalaf getroffen, auch er ist Mitglied im Arab Filmclub:

    ich heiße Murad Khalaf

    Murad Khalaf

    , ich bin 28 Jahre alt und Philosophielehrer. Ich bin seit 18 Monaten hier in Deutschland. Ich habe den Deutschkurs B1 gemacht. Ich arbeite im Arab Filmclub mit, wir zeigen arabische Filme, syrische Filme und wir untertiteln sie. Meine Freunde und ich arbeiten auch in der Bar im B-Movie und manchmal untertiteln wir die Filme alle zusammen.

    – Hast du heute alles hier organisiert?

    Ja. Vielleicht machen wir das jeden Monat. Das Thalia-Theater bezahlt auch für das Kochen. Vielleicht machen wir ein anderes Mal etwas mit Musik oder Tanzen. Hier ist noch ein anderer Freund Ahmed Al Zaher, er kocht sehr gut. Und ein anderer Freund Ahmad Nejib auch. Wir haben heute typisches syrisches Essen: gebackene Süßigkeiten, Fleisch, Reis, Taboule und ein typisches syrisches Getränk Tamarindi. Das ist sehr lecker. Das mache ich mit Wallat.

    – Was sind deine Ziele für die Zukunft?

    Im Oktober nehmen wir an dem Hamburger Filmfest teil. Das müssen wir noch gut besprechen. Im September zeigen wir einen Film in der Luruper Hauptstrasse in einer Halle. Wir kochen und machen Aktivitäten um den Kontakt zwischen Deutschen und Leuten aus anderen Ländern zu fördern, zum Beispiel ein Buch vorlesen oder eine Geschichte für Flüchtlinge erzählen.

    Wir sehen also: wenn die Geflüchteten in Deutschland angekommen sind, sind Sie mit Ihren Kulturen angekommen. Hier lassen sie die Deutschen an ihrere Kultur teilhaben. So verstehen wir Integration. (Anm. der Redaktion)

  • Hier habe ich Hoffnung für meine Zukunft

    Ich bin 21 Jahre alt. Ich habe noch drei Brüder. Als Jüngster musste ich meiner Mutter im Haushalt helfen, so ist die Tradition bei uns. Meine Mutter arbeitete als Frauenärztin und mein Vater ist Apotheker. Leider wurde die Apotheke im Krieg zerbombt. Dann sind wir geflohen. Ich und zwei meiner Brüder. Mein Zwillingsbruder blieb bei meinen Eltern in Syrien, sie sind schon alt und krank. Ich weiß nicht, was schlimmer war: der Krieg oder auf der Flucht zu sein.

    Ankommen in Deutschland

    So bin ich mit einem meiner Brüder in Hamburg gelandet, der andere ist in Flensburg. Wir leben zur Zeit im Flüchtlingscamp, im Container. Ich mache jetzt den Deutsch- und Integrationskurs B1. Leider ist das Lernen im Camp sehr schwierig, da wir keinen Zugang zum Internet, kein Fernsehen und kein Radio haben. Früher gab es nur Zelte im Flüchtlingscamp. Und es war sehr kalt im Winter. Keine Heizung und lange Warteschlangen im Bad und bei der Essensausgabe. Dann gab es Probleme mit meinem Bescheid und der Aufenthaltserlaubnis. Ich habe eine Anwältin bekommen und sie hat sich um die Sache gekümmert. Jetzt habe ich Schulden, denn ich muss der Anwältin 500 Euro zahlen.

    Aber das schaffe ich. Ich bekomme 400 Euro pro Monat Geld vom Jobcenter und bezahle in Raten, 50 Euro pro Monat.
    Die Hälfte habe ich schon abgezahlt.

    Gerade sind mein Bruder und ich auf Wohnungssuche. Das stresst mich sehr, da ich Angst vor einer Absage habe. In meiner freien Zeit komme ich zum „Ankerplatz Flüchtlingshilfe“. Ich helfe hier und betreue Kinder von anderen Flüchtlingen. Dieses Angebot bekam ich von einem meiner Freunde, Abud. 

    Ich bin trotz aller Schwierigkeiten und Probleme für alles sehr dankbar. Zu Hause müsste ich sofort zum Militär. Ich müsste dann vielleicht Menschen töten oder würde selber getötet. Alles ist besser als das.

    Hier habe ich Hoffnung für meine Zukunft.

  • Mein Traum: ein Ausbildungsplatz bei Mercedes

    Ich habe bis zur 7. Klasse studiert und dann in einer Autowerkstatt gearbeitet und meine ersten Erfahrungen in dem Bereich Elektrik im Auto gesammelt. Später möchte ich KFZ-Mechatroniker werden.

    Als ich nach Deutschland kam, war ich für ungefähr acht Monate in einer Unterkunft in Ostenfeld in Schleswig Holstein untergebracht. Wir waren sechs Personen in einem Haus, zu zweit in einem Zimmer. Aber das war nicht das Problem. Es war kalt, Winter, und der Bus fuhr nur selten. Später bin ich nach Husum umgezogen, wo ich in einer WG wohnte und meinen B1 Deutschkurs an der Schule gemacht habe. Ich habe immer noch Kontakt mit den ehemaligen Mitbewohnern, sie leben jetzt in verschiedenen Ländern, in der Schweiz, Spanien, Dänemark und Norwegen.

    Wenn ich einen Rat an alle Neuankömmlinge geben könnte: Lernt Deutsch, wenn man die Sprache spricht, hat man Alles! Ich höre jeden Tag Radio und schaue mir die Nachrichten im Fernsehen an, das hilft, die Aussprache zu verbessern. Ich selber muss immer 100 Prozent sicher sein bevor ich ein neues Wort verwende.

    Und eine Frage an die Einheimischen: Haben Sie Kontakt mit Geflüchteten? Sie brauchen Ihre Unterstützung zum Üben der Sprache.

    Bald fange ich mit einem weiteren Deutschkurs B2 an. Momentan mache ich meinen Führerschein.

    Ich liebe Autos, besonderes gut finde ich Mercedes. Ich habe einen Bericht über einen Mann im Internet gesehen. Da reiste ein Deutscher, Gunther Holtorf und seine Frau Christine, sieben Jahren um die Welt in einem alten Mercedes. Das Auto hielt die ganze Reise durch! Nach dem Deutschkurs möchte ich gerne einen Ausbildungsplatz bei Mercedes bekommen. Das wäre mein Traum.

    Irgendwann in der Zukunft möchte ich meine eigene Werkstatt eröffnen. Und ein Auto kaufen. Natürlich einen Mercedes!

  • Ich habe drei Länder in meinem Herzen

    Mein Vater und meine Mutter kommen aus Palästina. Wir lebten im Al Yarmouk Camp in Damaskus, wo auch viele Palästinenser untergebracht waren. Obwohl es ein Flüchtlingslager war, lebten wir in richtigen Häusern und konnten arbeiten und studieren. Ich habe an der Universität in Damaskus Englisch und Literatur studiert und danach noch eine Ausbildung als Buchhalterin gemacht. Danach habe ich beim Ministerium für Energie, im Bereich Import und Versicherungen, als Buchhalterin und Übersetzerin gearbeitet.

    Als der Krieg in Syrien ausbrach und das Al Yarmouk Camp von ISIS eingenommen wurde, musste meine Familie fliehen. Meine Mutter, meine zwei Schwestern und ich sind über die Türkei und Griechenland im August 2015 nach Deutschland gekommen, andere Familienmitglieder nach Holland und Saudi-Arabien.

    Jetzt bin ich hier und lerne Deutsch. Ich finde die Sprache sehr schwierig, das Lernen fällt mir schwer. Ich bin immer noch bei der B1-Stufe. Ich versuche mit den Anderen zu üben. Ich mache momentan auch ein Volontariat als Übersetzerin aus dem Arabischen, bei einer Rechtsberatung für Flüchtlinge.

    Zusammen mit den anderen Frauen geben wir Sonntags Kinderunterricht im Flüchtlingsheim. Ich unterrichte dort Englisch. Vielleicht kann ich später als Englischlehrerin für alle Altersklassen arbeiten oder als Übersetzerin in einem Büro.

    Im Sommer war ich jeden Tag in Hamburg spazieren, bin in Museen gegangen. Mir gefällt es hier sehr, besonders mag ich den Elbstrand und die Hafencity- oder mit der Fähre zu fahren. Ich fahre auch gerne Rad, mache regelmäßig Fitness.

    Zu Hause hatten wir ein gutes Leben. Und jetzt hoffen wir auf ein gutes Leben hier. Wer möchte schon getötet werden? Deutsche Kultur ist ganz anders und es braucht Zeit, sie zu begreifen, sich zu integrieren. Die Freiheit, das ist hier gut.

    Ich habe drei Länder in meinem Herz: Syrien, Palästina, meine Heimat und jetzt Deutschland.

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