Kategorie: Persönliche Geschichten

Hier erzählen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte vom Ankommen und Leben in Deutschland, von ihren Problemen, Träumen und Erfolgen. Denn Vielfalt braucht echte Geschichten.

  • Im why not? habe ich meinen Platz gefunden

    „Wir halten zusammen“

     Angefangen habe ich hier im Jahr 2009 als Assistentin einer Lehrkraft im Bereich Flüchtlingsarbeit mit Jugendlichen. Ein Projekt, welches zum Beispiel von der Budnianer Hilfe gefördert wurde. Mittlerweile bin ich mehr so „Mädchen für alles“.
    Ich springe auch mal ein, wenn jemand krank ist oder unterstütze mein Team, sollte sehr viel zu tun sein.

    Ich arbeite wirklich gerne hier, denn es ist ein sehr weltoffenes, tolerantes und inspirierendes Arbeitsumfeld. Ich selber betrachte mich als Weltbürgerin und vertrete die Auffassung, dass jeder Mensch das Recht hat, in Freiheit und Demokratie zu leben.

    Durch meine Tätigkeit im why not? bekomme ich viel positives Feedback. Das kann ein nettes Lachen sein oder aber man gibt mir das Gefühl, dass ich gewollt bin und dass ich angenommen werde, wie ich bin. Im why not? muss ich mich nicht verstellen, ich kann ich selbst sein.

    Neben meiner Arbeit im Büro gebe ich auch Einzelnachhilfe in Deutsch. Zu meinem Unterricht kommen wirklich ganz unterschiedliche Geflüchtete. Ich helfe ihnen zum Beispiel bei den Prüfungsvorbereitungen oder bei den Hausaufgaben. Das ganze Projekt muss natürlich mit dem Arbeitsamt abgesprochen werden.

    Besonders gut an meiner Arbeit im why not? gefällt mir unser gemeinsames Mittagessen, denn ich verbringe gerne Zeit mit meinen Kollegen. Vor der Mahlzeit beten wir zusammen, das bedeutet mir viel, denn ich bin Christin. Unsere Gemeinschaft ist wirklich bemerkenswert, wir halten zusammen, egal was passiert.

    „Wir leben Integration“

    Und wir leben Integration, denn wir bieten Deutschkurse an. Integration kann nur funktionieren, wenn die deutsche Sprache beherrscht wird. Nur dann können die Flüchtlinge an unserem Leben teilhaben. Und Integration fängt im Kleinen an.

    Zuerst lernen die Geflüchteten sich beispielsweise in ihrem Deutschkurs zu orientieren. Dort lernen sie die Sprache, können Fragen stellen, können sagen, was sie möchten. Danach werden die Kreise immer größer und irgendwann bekommen sie sogar einen Job oder einen Ausbildungsplatz.
    Durch die Arbeit im why not? habe ich meinen Platz in der Gesellschaft gefunden.
    Und das fühlt sich sehr gut an.

    Text und Foto: Sophie Martin

  • Später möchte ich Künstler werden

    Meine Lieblingsfächer sind Kunst und Sport. Besonders liebe ich es, zu schwimmen und vom Dreimeterbrett zu springen. Es gefällt mir an der Schule, nur manchmal ist es zu laut in der Klasse. Ich bin ein ruhiger Mensch und mag, wenn es leiser ist.

    Wir sind 25 Schüler in unserer Klasse. Meine Freunde kommen aus verschiedenen Ländern: Deutschland, Türkei, Russland, Polen, Portugal und Afghanistan. Ich mag meine Lehrer: Herrn Meyer und Frau Sieg. Wir lernen auch viele Sprachen: Deutsch, Englisch und ab der 7. Klasse auch Französisch. Aber ich lerne schon jetzt ein bisschen Französisch im Internet. Zu Hause sprechen wir Arabisch.

    In Damaskus bin ich zwei Jahre in die Schule gegangen. Deswegen kann ich schon auf Arabisch schreiben und lesen. Und auch ein wenig auf Russisch. Dann kam der Krieg und meine Familie flog nach Dubai. Dort blieben wir drei Jahre lang. In Dubai regnete es fast nie. Vielleicht nur einmal im Jahr.

    Ich durfte dort nicht in die Schule. So habe ich angefangen, zuhause zu malen und zu basteln. Ich habe ein Modell vom Burj Khalifa, dem größten Turm der Welt, gebaut. Ein Ticket für Besucher im Burj Khalifa kostet ungefähr 100 Dirham. Ich habe auch andere Miniaturen vom Eiffelturm, Kreml, der Freiheitsstatue in NY, Big Ben in London, Christusstatue in Rio gemacht. Ich baue gerne sehr kleine Modelle, zum Beispiel Häuser mit Möbeln, Musikinstrumente, Obst und Gemüse in Körben. Es gibt in Hamburg ein Museum, das Miniatur Wunderland. Da möchte ich unbedingt hin! Später möchte ich Künstler werden. Mein anderer Wunsch wäre es, Geige zu spielen und zu singen.

    Hier gibt es ein kleines privates Video mit Mohammad für einen Eindruck über seine Kunst :

    Mohmmad der Künstler 

  • Begleitung in die Integration

    Nach 45 schönen und erfolgreichen Berufsjahren habe ich mich entschlossen in Rente zu gehen. Aber mit dem Ziel, nicht auf der faulen Haut zu liegen, sondern aktiv etwas Sinnvolles zu tun.

    Per Zufall hat mich eine befreundete Ärztin im Februar 2016 angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, eine syrische Flüchtlingsfamilie in der Anschlussunterbringung zu betreuen. Nachdem wir die Familie besucht hatten, musste ich nicht lange überlegen und habe dieser neuen Herausforderung zugesagt. Und jetzt bin ich quasi mitten drin in der Betreuung von aktuell drei syrischen Familien (alle aus Aleppo). Die Arbeit macht sehr viel Spaß und soll ja bekanntlich „jung“ halten.

    Bei zwei Familien war die Wohnungssuche und der Einzug abgeschlossen. Bei der dritten Familie war Muskelkraft angesagt. Denn es galt Haushaltsgeräte zu beschaffen und aktiv mit zu helfen, die Möbel von A nach B zu bringen.

    Unterstützung und Vertrauen

    Meine eigentliche Aufgabe begann dann damit, zunächst zu den Familien ein Vertrauen aufzubauen und ihnen meine Unterstützung anzubieten. In den vielen Gesprächen wurde mir immer mehr bewusst, dass diese Menschen einfach dringend Hilfe von außen benötigen. Alleine die Schilderungen, unter welchen Voraussetzungen sie die Flucht aus ihrem Heimatland angetreten haben, ihre Erlebnisse auf der Flucht und die finanziellen Opfer, die sie aufbringen mussten, waren für mich sehr schockierend.

    Daher ist es für mich selbstverständlich die Menschen auf ihrem Weg in eine vernünftige Integration zu begleiten und ihnen bei der vielfältigen Aufgaben-Bewältigung zu helfen bzw. sie zu unterstützen:

    ● damit sie schnellstmöglich einen Sprachkurs machen zu können

    ● die schriftlichen Aufforderungen seitens der Behörden zu beantworten

    Wolfgang Lindner

    ● beim Ausfüllen von Anträgen der Behörden und Krankenkassen zu helfen

    ● sie zu verschiedenen Behörden, Haus- und Fachärzten zu begleiten

    ● Vermieter bei anstehenden Wohnungsfragen oder -problemen zu kontaktieren

    ● Abklärungen mit Kindergärten / Schulen / Vereinen

    ● bei der Suche nach Arbeit (Praktikum, Ausbildung)

     

    Verschiedene Arten der Betreuung


    In manchen Kommunen werden diese Aufgaben von verschiedenen Personen dezentral erledigt und
    durch einen Koordinator entsprechend organisiert. Das bedeutet dann, dass sich z.B. zwei bis drei Personen um Arztbesuche und zwei bis drei Personen um Klärungen bei Behörden kümmern. Der Vorteil hier ist, dass sich der Zeitaufwand in Grenzen hält, während man bei der kompletten Einzelbetreuung mehr zu tun hat. Dafür aber, für meine Begriffe, einen deutlich besseren Bezug zur betreuten Person oder Familie hat.

    Diese Art der Einzelbetreuung wird in meiner Kommune bisher praktiziert. Aber es gibt leider nur einen kleinen Kreis von Personen, die Flüchtlinge aktiv unterstützt. Das Bewusstsein für ein Engagement in der Flüchtlingshilfe stößt bei Bevölkerung, Kommune und Mandatsträgern im Gemeinderat auf wenig Interesse. Im April 2016 war geplant das „Netzwerk Zell“ zu gründen, nachdem es hieß, dass eine Gemeinschaftsunterkunft kommt. Bei den ersten Gesprächen waren viele Interessenten anwesend und haben signalisiert zu helfen.

    Da die Unterkunft nun doch nicht kommt, haben sich auch die Interessenten zurückgezogen. Ein von mir verfasstes „Weckruf-Schreiben“ an alle damaligen Interessenten (ca. 30) und die Stadtverwaltung war für mich sehr enttäuschend. Ich bekam nur von zwei Personen eine Antwort (leider Absage). Daher muss ich für mich feststellen, dass ich quasi weiterhin als einer der wenigen Einzelkämpfer unterwegs bin, um Flüchtlingen bei ihrer Integration zu helfen. Schade!!

    „Als Zwischenfazit kann ich über die syrischen Familien nur Positives berichten“

    Wenn man sich quasi um fast alle Belange kümmert, so ist der Zeitaufwand ohne Zweifel nicht gering. Es wäre oft einfacher, wenn sich die Behörden auch mal Gedanken darüber machen würden, dass die Papierflut dringend reduziert werden muss. Anstatt Fragen und Rückmeldungen einfach und verständlich auf eine DIN A4 Seite zu bringen, sind oft drei bis fünf Seiten auszufüllen. Ich selbst stoße da hin und wieder an Grenzen und halte die gestellten Fragen für mich nicht nachvollziehbar und verständlich. Und wie sollen das Personen verstehen, die wenig Deutschkenntnisse haben?

    Gerade wegen solcher Dinge ist es sehr wichtig, dass die Flüchtlinge Unterstützung bekommen. Allein gelassen haben sie es wirklich schwer, sich im Dschungel der Behörden zurecht zu finden. Glücklicherweise habe ich in der Zwischenzeit einen relativ guten Kontakt zu Behörden aufgebaut und so bekomme ich auf Fragen auch zeitnah eine Antwort. Das war leider nicht immer so und zu Beginn gab es doch die eine und andere, nicht gerade freundliche, E-Mail.

    Als Zwischenfazit kann ich über die syrischen Familien nur Positives berichten und ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich sehr gut in Deutschland integrieren werden. Ich habe die Gelegenheit neue Personen und eine neue Kultur kennenzulernen. Die Flüchtlinge schätzen meine Arbeit und geben mir auch ein Stück „innere Zufriedenheit“ zurück. Meine Frau und meine Kinder haben großes Verständnis für meine Aufgaben und unterstützen mich sehr.

    Wohnungssuche ist schwierig

    Sehr traurig ist die Tatsache, dass die Wohnungssuche für Flüchtlinge fast schon einem Drama gleichkommt. Im Rahmen einer möglichen Familienzusammenführung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings, bin ich seit Wochen auf der Suche nach Wohnraum für eine fünfköpfige Familie. Wenn ich mich auf Inserate melde und erkläre, dass ich Wohnraum für Flüchtlinge suche, ist die Leitung schnell tot bzw. die Anbieter finden alle möglichen Ausreden und sagen schlussendlich ab.

    Ich bin sehr gespannt, wie diese Angelegenheit der Familienzusammenführung ausgehen wird und kann gerne zu einem späteren Zeitpunkt etwas dazu berichten.

  • Subsidiärer Schutz, aber keine Rechte

    Ich hatte ein Problem mit dem Jobcenter und mein Vertrag wurde gekündigt. Ich musste schnell Arbeit finden und bekam einen  Job im Café Schmidt in Altona. Dort arbeite ich nun am Wochenende. Jetzt lerne ich Deutsch und am 31. August habe ich meine Prüfung.

    In Syrien musste ich zur Armee gehen und mit Waffen hantieren, aber irgendwie konnte ich das nicht machen. Ich lebte dort mit Kaninchen und Vögeln und habe von diesen Tieren gelernt, dass wir nur mit Liebe miteinander leben können.

    Ich habe in Syrien eine Ausbildung zum Veterinär gemacht, hier in Deutschland würde ich gerne eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolvieren. Dazu müsste ich ab September ein Praktikum in einem Krankenhaus antreten. Ich bin auf der Suche, habe aber leider noch nichts gefunden.

    Mein Bruder wohnt in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Er ist 17 Jahre alt, aber er kann nicht zu mir nach Hamburg ziehen, weil ich keine Wohnung habe. Ich wohne im Asylheim und darf auch nicht nach Bad Segeberg ziehen, da ich subsidiären Schutz bekomme. Wenn man subsidiären Schutz bekommt, hat man keine Rechte. Die Regierung darf uns unsere Rechte nehmen.

    Aber ich möchte mich in jedem Fall bei allen Deutschen für das tolle und schöne „Willkommen“, das sie uns Geflüchteten entgegenbringen, bedanken.

    Mein Deutsch ist nicht so gut. Ich kann ein wenig verstehen, aber nicht so gut sprechen, weil ich wenig Kontakt zu Deutschen habe. Ich suche Freunde, aber mein Deutsch ist nicht gut genug für eine Freundschaft. Aber trotzdem habe ich Hoffnung, dass ich in der Zukunft Freunde finden werde.

  • Ich warte auf meine Familie

    Ich bin verheiratet und habe vier Kinder. Meine älteste Tochter heißt Isra, sie ist 15 Jahre alt und geht jetzt zur Schule in Jordanien. Auch mein zweite Tochter, Nur, 13 Jahre, ist Schülerin. Ausserdem habe ich zwei Söhne: Abd Allah ist neun Jahre alt und besucht die Grundschule. Der Kleinste heißt Ghaith, er ist 2 Jahre alt. Ich bin Schneider, seit 1987 arbeite ich in diesem Beruf.
    Ich habe ebenfalls fast zwei Jahre in Jordanien gelebt. Ich hatte immer viel Geduld und habe darauf gewartet, dass der Krieg endet, damit ich nach Syrien zurückkehren kann. Aber nach zwei Jahren war ich mit meiner Geduld am Ende. Ich floh nach Deutschland, kurz nachdem mein kleiner Sohn auf die Welt kam. Ich sah ihn nur 25 Tage lang.

    Also kam ich nach Deutschland in der Hoffnung, dass ich meine Familie zusammenführen kann. Nach einem Jahr, zwei Monaten und 20 Tagen und nach langem Warten bekam ich subsidiären Schutz. Das bedeutet, ich habe eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr bekommen. Danach muss mein Status erneut geprüft werden. Deswegen kann ich die Familienzusammenführung nicht beantragen. So beschloss ich, wieder nach Jordanien zurückfliegen. Aber unglücklicherweise liess mich die Sicherheitsbehörde nicht zu meiner Familie, weil ich keinen Aufenthaltstitel hatte. Sie sperrten mich zwei Tage lang ins Gefängnis. Zum Glück durfte ich meine Familie sehen, bevor ich wieder das Flugzeug nach Deutschland zurück nahm. Aber nur für eine halbe Stunde und durch eine Trennwand aus Glas.


    Täglich quälen mich diese Fragen: wie kann ich meine Familie treffen, wann kann ich meinen kleinen Sohn sehen? Warum muss ich warten? Weil ich ein Flüchtling bin, und die Geflüchteten haben keine Rechte.
    Ich kann nicht nach Jordanien zurückkehren und meine Familie kann nicht nach Deutschland kommen. Wir dürfen nicht nach Ägypten, in die Türkei, nach Saudi-Arabien, in den Libanon und viele andere Ländern fahren. Ich würde auch in einer Wüste leben, damit ich mit meiner Familie sein kann.
    Es ist nur wichtig, dass wir zusammen sind.

  • Der Unterschied der Kulturen

    Vier Jahre studierte ich Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Damaskus. Jetzt bin ich 27 Jahre alt. Ich erzähle das, weil man in Syrien nicht erwähnt, wann man Geburtstag hat. Nur die Kinder feiern ihn.

    In Berlin war ich zum Geburtstag einer Freundin eingeladen. Ein anderer Freund sagte mir, dass ich ihr nicht vor Mitternacht gratulieren sollte. “Alles Gute zum Geburtstag“ sagt man wirklich erst dann, wenn die Person seinen bzw. ihren Geburtstag hat. Das fand ich sehr interessant, denn als es Mitternacht wurde, gingen wir alle zu ihr und gaben ihr unsere Geschenke.

    Ich hoffe, dass ich später, wenn ich wieder in Syrien zurück bin, meinen Freunden in der Heimat darüber berichten kann.

    In Syrien habe ich drei Jahre in einer Firma als Buchhalter gearbeitet. Ich habe viel Erfahrung in der Buchhaltung, in der Verwaltung von Finanzmitteln sowie in der allgemeinen Büroarbeit. Ich möchte hier in Deutschland gerne als Buchhalter arbeiten, aber ich habe auch den großen Wunsch, Politik zu studieren, weil ich das in meinem Land nicht studieren konnte.

    Ich bin sehr glücklich, dass ich in Berlin wohne. Berlin ist eine wunderbare internationale Stadt. Ich mag den Unterschied der Kulturen hier. Ich denke, dass ich viele gute Erfahrungen gemacht haben werde, wenn ich nach Syrien zurückgehe .

    Ich habe viele Freunde aus der ganzen Welt und kenne verschiedene Kulturen. Leider kenne ich wenige deutsche Freunde, weil ich ein bisschen Angst habe, Deutsch zu sprechen oder Deutsch nicht zu verstehen.

    Als ich neulich Abends nach Hause fuhr, sagte der Straßenbahnfahrer ein paar Worte- aber nicht die üblichen. Ich verstand ihn nicht genau. Ich schaute aus dem Fenster und sagte mir dabei, dass alles kommen wird- und beim nächsten Mal werde ich verstehen, was er sagt.

  • Der Ankerplatz St. Pauli unterstützt Geflüchtete

    Was ist „Ankerplatz“ und wie ist die Idee für den „Ankerplatz“ entstanden?

    Rebecca Piatek: Wir sind der Ankerplatz St. Pauli eV. und haben uns vor gut 2 Jahren gegründet.
    Entstanden ist die Idee, weil Susanne Pfeifer, die in der Kirchengemeinde arbeitet, bereits Flüchtlinge aus der Lampedusa-Gruppe betreut hat. Gabi lernte sie kennen und ich bin wiederum mit Gabi befreundet. So kamen wir drei zusammen. Und wir beide haben uns gedacht, dass Susanne Unterstützung benötigt. Dann haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, was wir machen können und relativ schnell entschieden, dass wir einen festen Tag haben wollen, an dem wir hier einen Treff stattfinden lassen. Das fing so an, dass wir uns jeden Mittwoch vor der Kirche mit einem VW-Bus hingestellt haben, und aus dem VW-Bus Spenden verteilt haben, die wir bei Freunden und Bekannten gesammelt hatten. Irgendwann wurden aus den Kleiderspenden auch Lebensmittelspenden, die wir bei EDEKA gesammelt haben. Als dann immer mehr Leute zu uns kamen, beschlossen wir einen Verein zu gründen. Damit wir eine besser organisierte Struktur haben und an Spendengelder kommen können, z.B. aus Stiftungen.

    Gabi Goldammer-Büttner: Es ist ein dauerhafter, sich entwickelnder Prozess. Angefangen, wie gesagt, mit einer kleinen Gruppe von Familien aus der Lampedusa-Gruppe, die wir unterstützt haben. Daraus haben wir auch unser Vereinsmotto kreiert. Wir haben gesagt: Das sind die geflüchteten Menschen, die durch das Raster fallen, die nicht in Integrationskursen sind oder diese nicht in Aussicht gestellt bekommen haben. Das war so der Start. Es fing an mit Spenden verteilen, aber eben auch mit rechtlicher Unterstützung, die wir durch Fluchtpunkt erhalten haben. Und dann hat sich auch durch die Entwicklung der Flüchtlingskrise/-welle (es ist nach wie vor ein schreckliches Wort, aber trotzdem benutze ich es jetzt einmal) eigentlich auch unsere Gruppe verändert. Also es sind junge Männer aus Syrien dazugekommen, Menschen aus Eritrea, eine afghanische Familie, die wir betreuen. Durch die Anforderungen an uns hat sich auch das verändert, was wir anbieten können. In der Zeit sind natürlich auch viele Menschen auf uns zugekommen, die gesagt haben: „Wir möchten uns auch engagieren, wir möchten auch gerne helfen“. Sie sind auch in unserer Gruppe hier am Mittwoch, machen Kinderbetreuung und geben Deutschunterricht. Wir haben versucht Patenschaften aufzubauen, das ist ein bisschen schwierig. Jetzt sind wir an dem Status, wo wir hauptsächlich junge Frauen aus Afrika, Nigeria und Ghana betreuen, die tatsächlich auch wieder durch das Raster fallen. Sie sind hier angekommen und sind in den Unterkünften. Sie haben kleine Babys oder sind schwanger, und ihnen fehlt eben einfach auch die Unterstützung. Und sie haben keine Zeit durch die Betreuung ihrer eigenen Kinder, sich um Deutschunterricht zu bemühen. Wir sagen ganz einfach, diese Menschen sind da, und sie brauchen Hilfe, und sie wenden sich hier an uns. Wir haben den ganz großen Vorteil, dass wir mit unserem Verein hier in der Kirchengemeinde sind und von der Kirchengemeinde eben auch sehr unterstützt werden, finanziell und mit der Lokalität hier. Das findet hier immer alles in der Friedenskirche statt.

    Rebecca Piatek: Es werden auch z.B. Benefizkonzerte veranstaltet, von denen wir auch profitieren, von den Spendengeldern. Da bekommen wir Vieles. Es gab schon Flohmärkte, die von der Kirche organisiert werden, wo die Erlöse an den Ankerplatz weitergegeben wurden. Wir bekommen ganz häufig einen Teil der Kollekte. Das heißt, ein Großteil unserer Finanzierung wird unterstützt durch die Kirche. Obwohl wir kein kirchlicher Verein sind aber doch eng zusammenarbeiten, und ohne diese Unterstützung könnten wir die Arbeit so in dem Rahmen gar nicht machen. Wir sind sehr dankbar, dass wir die Unterstützung haben und die Arbeit sonst gar nicht so leisten könnten.

    – Wie kann man Euch noch unterstützen?

    Rebecca Piatek: Also ganz niederschwellig brauchen wir zum Beispiel Sachen wie frisches Obst und Gemüse. Wenn wir Lebensmittelspenden bei EDEKA sammeln, dann können wir keine frischen Sachen nehmen, weil wir dann nicht wissen, wie lange die schon in den Kartons liegen. Da bitten wir nur um haltbare Lebensmittel, und wir sind sehr dankbar, wenn wir am Mittwoch frisches Obst und Gemüse bekommen. Dann freuen wir uns immer über Windelspenden, weil wir eben sehr viele Mütter haben und Windeln teuer sind.

    Gabi Goldammer-Büttner: Und wir freuen uns natürlich auch über Geldspenden, weil wir dann solche Dinge kaufen können.

    Rebecca Piatek: Wir haben ja den Unterricht, und der wird momentan von ein, manchmal zwei Lehrern bestritten. Das ist sehr schwierig, weil wir viele unterschiedliche Könnensstufen hier haben. Es sind also Leute dabei, die schon relativ gut Deutsch sprechen, die einen ganz anderen Unterricht benötigen als wiederum eine andere Gruppe, die noch gar kein Deutsch spricht. Es sind auch durchaus Leute dabei, die Analphabeten sind. Also drei unterschiedliche Könnensstufen, die wir mit einem oder zwei Lehrern gar nicht bedienen können. Da würden wir uns sehr darüber freuen, wenn wir qualifizierte Lehrer hätten, die ehrenamtlich am Mittwoch hier mithelfen könnten.

    – Wie funktioniert es mit den Patenschaften?

    Rebecca Piatek: Es muss gar nicht ganz offiziell laufen, sondern einfach z.B. eine Mutter, die Lust hat, sich mit einer andern Mutter, die ein Kind im gleichen Alter hat, zu treffen und ab und zu mal etwas gemeinsam zu unternehmen. Zum Zoo zu gehen, oder einfach auf den Spielplatz. Um Kontakt zu bekommen und auch, um die Sprache zu lernen. Das wäre für die Frauen ganz wichtig. Die haben gar nichts, die sitzen den ganzen Tag in ihrem Camp. Sie gehen natürlich auch raus, aber immer mit Leuten, die die gleiche Sprache sprechen. Und wenn es da Leute geben würde, die eine Art Patenschaft annehmen und sagen, ich beschäftige mich damit, ich freunde mich an mit einer anderen Mutter und wir unternehmen ab und zu etwas, Kaffee trinken gehen, etwas Schönes machen, das wäre toll. Das würde den Frauen sehr helfen.

    http://youtu.be/tAlaCsICmMI

    Gemeinsam mit dem Pastor Michael Schirmer von der Kirche St. Johannis in Altona, hat Ankerplatz einen Chor mit Geflüchteten gegründet.

    – Wie ist die Idee für den Chor entstanden?

    Pastor Michael Schirmer: Ich habe die Anfangszeiten und die Initiativen der drei Frauen, die den Ankerplatz gegründet haben, indirekt miterlebt. Und habe mich dann immer erkundigt, wie es läuft. Wie viele Leute kommen, und was man so miteinander macht. Und da ich denke, dass Musik eines der Medien ist, wo man am leichtesten, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht, zu einander in Kontakt kommt, habe ich einfach irgendwann einmal gefragt: „Was habt Ihr für Musik?“ Und dann stellte sich zweierlei heraus, nämlich erstens, dass die allermeisten aus der Gruppe Christinnen und Christen sind. Die haben oder hatten ihre Gemeinden, und sie haben demzufolge auch ihre Lieder. Ich habe einfach in der ersten Phase nur zugehört und mal versucht, mit der Gitarre harmonisch und melodisch aufzunehmen, was sich da so abspielt. Dann habe ich auch mal gefragt, worüber das Lied handelt, damit man auch inhaltlich ein bisschen weiß. Manche Lieder kamen zum Beispiel aus Gana, waren auch in der Landessprache und nicht auf Englisch. Daher ist es auch eine sehr interessante Erfahrung gewesen, welche Lieder da mitgebracht worden sind.

    – Ist der Chor schon einmal aufgetreten?

    Der kleine Chor hat auch schon zweimal im Gottesdienst in der St. Johannis Kirche gesungen, was mich sehr gefreut hat. Einmal beim Ehrenamtlichenfest und dann in einem Gottesdienst, wo eine Taufe gefeiert wurde. Und es sind ja auch viele Kinder hier am Ankerplatz, vielleicht wird das ja auch mal ein Thema, was wir weiterverfolgen.

    – Freuen sich die Frauen darüber?

    Ich merke schon, dass sie fröhlich und manchmal sehr beschwingt nach Hause gehen. Ich weiss, wenn auch nicht in allen Details, dass ihr Leben über die Woche überwiegend nicht so einfach ist, und ich sehe auch als Musiker was z.B. der Rhythmus mit ihnen macht. Wie man es ja auch auch zumindest aus Filmen oder eigenem Erleben mit afrikanischer Musik und Sängerinnen kennt. Dass, sobald da Rhythmus mit im Spiel ist, sich sofort die Atmosphäre im Raum verändert. Und das nehme ich da auch wahr.

    – In welchen Sprachen sing der Chor?

    Ich hatte letztes Mal einen aktuellen Gospel von Andrae Crouch mitgebracht: „Soon and very soon we are going to see the King“ und das kannten sie überwiegend. Manches geht in einer afrikanischen Sprache, da kann ich halt zuhören und versuchen so über die Phonetik ein bisschen mitzumachen, ohne jetzt Wort für Wort zu wissen, worum es da geht. Deutsch haben wir noch nicht versucht, aber das ist sicherlich eine Idee.

     

     

  • Die Heimat unserer Kinder ist jetzt Deutschland

    Ich bin verheiratet und habe drei Kinder: meine Tochter Tala ist vier Jahre alt, mein Sohn Elias zweieinhalb Jahre und das Baby Linda ist seit neun Monaten auf der Welt. Seit Mai arbeite ich in Hamburg bei Irey Dental Technik.

    Ich habe meinen Beruf in Syrien gelernt und arbeite seit 1995 als Zahntechniker. Ich habe auch lange Zeit in Libyen gearbeitet. Dort konnte man damals gutes Geld verdienen, umgerechnet etwa bis zu fünftausend Dollar pro Monat. So gut verdiente man in meinem Beruf nirgendwo sonst.

    Als der Krieg ausbrach, musste ich mit meiner Familie aus dem Land flüchten. Ich konnte ein kleines Boot für uns organisieren – das aber leider nicht unbedingt sicherer war – und wir flohen über das Mittelmeer. Meine Frau war schon mit unserem zweiten Kind schwanger. Zuerst sind wir in Mailand angekommen, wo wir 10 Tage verbrachten. Danach ging es nach Deutschland, in ein Heim. Wir wohnen zur Zeit in Neubrandenburg.

    Da ich meinen Job in Hamburg gefunden habe, muss ich täglich vier bis fünf Stunden mit dem Bus oder Zug pendeln. Das ist auf die Dauer sehr anstrengend. Auch für meine Familie. Es wäre toll, eine kleine Wohnung in Hamburg oder Umgebung zu finden! Vielleicht in einer Stunde Entfernung von meinem Arbeitsort. Wir können bis zu 900 Euro Miete bezahlen.

    Meine Frau Waad hat in Syrien Landwirtschaft studiert, jetzt bleibt sie bei dem Baby zu Hause. Meine beiden jüngeren Kinder sind in Deutschland geboren, gehen hier in den Kindergarten, lernen Deutsch. Sie haben Syrien nie gesehen, sie kennen Syrien nicht. Deutschland ist ihre Heimat geworden. Die Kinder verbinden uns mit diesem Land.

    Es gibt viele Vorurteile gegen Ausländer in Ostdeutschland. Und wenig Möglichkeiten die Sprache zu üben. Das macht die Integration nicht gerade einfach. Deswegen finde ich es wichtig, in die Migrationszentren zu gehen und die soziale Beratung in Anspruch zu nehmen. Sie helfen bei der Wohnungssuche und bei den Sprachkursen. So habe ich auch meinen jetzigen Job in Hamburg über meine Deutschlehrerin gefunden.

  • Comune im Gängeviertel- ein Raum für alle

    Die Comune ist ein neuer soziokultureller Projektraum mit Mittagstischangebot im Gängeviertel, der von Studierenden des ACO Studiengangs der HFBK konzipiert wurde. ACO bedeutet Artistic and Cultural Orientation, es ist ein Vorstudien-Programm für an einem Kunststudium interessierte Migranten.

    Das einsemestrige Programm ACO der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) richtet sich an Asylsuchende und Geflüchtete, die an künstlerischen und/oder gestalterischen Fragestellungen in den Bereichen Film, Fotografie/Video, Design und Malerei/Bildhauerei interessiert sind und sich später möglicherweise für ein Studium der Bildenden Künste bewerben wollen. Die Studierenden haben diesen Raum für einen Kulturaustausch konzipiert mit dem Ziel, gemeinsame Momente zu schaffen. Abseits von Herkunft, Sprache, Bildung, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung der Menschen.

    Gefördert von »FREIRÄUME!« Fonds für kulturelle Projekte mit Geflüchteten und dem Bezirksamt
    Hamburg-Mitte.

    Wir haben Paula Erstmann, Tilman Walther und Filomeno Fusco, die diesen Ort und Veranstaltungen organisieren, interviewt.

    Wie kam die Idee für die Veranstaltung?

    Erstmal ging es ja um den Raum. Er wurde von den ACO-Studierenden entworfen. Der ACO-Studiengang dauert sechs Monate. An dem Projekt ungefähr sind 14-15 Studierenden beteiligt. Es gibt an HFBK Kunst, Fotografie, Film, Social Design. Das Projekt läuft unter Social Design und wurde letztes Jahr im Oktober während des Seminars entwickelt. Es hat sich so ergeben, dass hier dieser Raum frei war. Da der Wunsch immer lauter wurde, dass eine Küche rein soll, haben wir angefangen uns zu überlegen was man machen könnte. Dann gab es diesen Lehrauftrag an der Hochschule und wir haben mit dem Designseminar hier den Raum entworfen.
    Wir wollen versuchen zu erklären, wie an der HFBK über Kunst und über Design gesprochen wird. Dass man nicht nur am Computer arbeitet, sondern es wird auch ganz viel diskutiert: warum machen wir den Raum so? Macht es Sinn hier eine Shisha-Bar aufzumachen oder lieber einen soziokulturellen Raum? Und der ganze Inhalt kam eigentlich durch die Diskussionen mit den Studierenden. Wir haben mit ihnen Exkursionen in Museen und diverse andere Sachen gemacht.

    Paula Erstmann, Tilman Walther, Filomeno Fusco.

    Macht Ihr jeden Monat eine Veranstaltung?

    Es war eine Semesteraufgabe, eine Veranstaltung zu machen. Die Studenten machen heute diese Veranstaltung, dann wird es noch eine am 26. Juli geben. Dann bekommen sie hier mehrere Räume: den Ausstellungsraum, unseren Raum, den Veranstaltungsraum. Sie können sich da austoben wie sie möchten: mit Ausstellung, mit Kunst, mit Design, mit Musik und so weiter. Das ist ein Teil der Semesteraufgabe. Aber das hört auch nicht auf, wenn das Semester vorbei ist. Den Raum gibt es jetzt, der Raum ist für alle. Diese Veranstaltung heute ist quasi auch der Auftakt zu sagen, dass der Raum für alle gedacht ist.  Es gibt auch immer wieder mal Veranstaltungen von HFBK dann hier im Raum, aber das ist kein Hochschulort, sondern es ist ein freier Ort. Hier treffen sich unterschiedliche Gruppen, sehr unterschiedliche. Man kann den Raum für einer Vorlesung, einen Vortrag oder für Filmvorführung nutzen. Es gibt auch einen Buchraum, es gibt hier Bücher zu lesen. Die Idee ist, dass die Leute reinkommen können, nur nach einem Glas Wasser fragen oder einfach nur lesen. Man hat auch keinen Konsumzwang!

    Wie kam die Idee das Zuckerfest hier zu gestalten?

    Das war die Idee von den Leuten aus unserem Seminar. Es kam der Wunsch auf, das Fastenbrechen hier zu feiern. So wie ich das verstanden habe, trifft man sich in diesen Tagen mit seiner Familie oder seinen Freunden. Aber es gibt viele Leute, die entweder keine Familie oder noch keine Freunde hier haben. So kam die Idee, wir machen einfach Fest für alle, sollen alle zusammen kommen und feiern. Wir haben den Raum, um genug Leute aufzunehmen. Wir haben es auch selbständig organisiert, wir haben gestern gebacken.

    Wie finanziert Ihr den Raum?

    Unterschiedlich. Wir bekommen eine Förderung von der Hamburgischen Kulturstiftung aus dem Fonds „Freiräume“, ein bisschen Geld vom Bezirk Hamburg-Mitte und den Rest zahlen wir selbst. Die HFBK half uns finanziell beim Umbau.

    Rabe Alsayd ist ein Künstler aus Damaskus, er ist seit zweieinhalb Jahren in Deutschland, davon sechs Monate in Hamburg.

    Remi Alkhiami,Rabe Alsayd, Roshan Shikh Saleh, Firas Sabbagh

    Er studiert jetzt an der HFBK, vorher machte er eine Ausbildung in Dresden. Rabe Alsayd malt Bilder im impressionistischen Stil. „Remi Alkhiami, Firas Sabbagh, Roshan Shikh Saleh und ich haben diese Veranstalltung organisiert. Mit dieser Veranstaltung möchten wir zeigen, wie wir in Syrien das Fest Ramadan feiern: mit arabischen Süßigkeiten, Halawat Aljabn, Warabat bialqushta und arabischem Kaffee und Tamarindensaft. Wir feiern zusammen im Comune-Raum, wir haben selbst gebacken und gekocht. Kunst und Musik und Süßigkeit und Feiern- was brauchen wir mehr um glücklich zu sein?“

    Yasser Aljuhne kommt aus Syrien und ist seit zweieinhalb Jahren in Deutschland.

    Yasser Aljuhne

    „Ich bin kein Geflüchteter, aber ein Studierender. Ich  mache meinen Master in Hydropgraphie an der Hafencity Universität.
    Ich bin Musiker und spiele die Laute ”Eawad”. Ich habe das nicht in einer Musikschule gelernt, sondern es mir selbst beigebracht.
    Ich arbeite jetzt ab und zu, um Geld zu verdienen. Das ist schwierig, weil mein Deutsch schlecht ist, und ich deswegen nicht viel Auswahl habe. Ich möchte gerne als Musiker arbeiten, aber leider kann ich damit nicht genug verdienen. Mit meinen Freunden würde ich gern eine Band gründen. Ich habe heute an dem Fest teilgenommen, weil ich sagen möchte, dass wir in Syrien auch Kultur und Musik und Frieden haben, nicht nur Krieg und Tod. Wir wollen unsere orientalische Kultur den Deutschen zeigen,
    miteinander
    diskutieren, um Integration zu schaffen.

  • „Make love, not war!“

    Wir gehen zurück zu unseren Anfängen und veröffentlichen Portraits aus unserem Archiv. Viele Geflüchtete haben uns ihre Geschichten erzählt, als sie noch nicht lange in Deutschland waren. Gerade jetzt, wo auch Geflüchtete sich in der Corona-Krise solidarisch zeigen und unsere Gesellschaft stützen, wollen wir sie nochmal in den Mittelpunkt stellen – als Menschen und unsere Nachbarn.

    Von Heiderose Gerberding

    Neues Leben, neues Studium

    Meine Name ist Nawar Kashkash. Ich bin 22 Jahre alt und komme aus der Stadt Homs in Syrien. Homs ist flächenmäßig die größte Stadt Syriens. Die Stadtmauer in Lübeck, die auf dem Foto zu sehen ist, erinnert mich an meine Heimatstadt.

    In Syrien habe ich sechs Semester Landwirtschaft studiert. Mein Wunsch ist es, in Hamburg Fahrzeugbau zu studieren. Nach dem Studium möchte ich gern als Ingenieur bei Audi oder BMW arbeiten. Nach Ende des Ramadan werde ich ein Praktikum bei ATU beginnen.

    Wohnungssuche nicht ohne Vorurteile


    Ich lebte sieben Monate in einer Flüchtlingsunterkunft am Rande Lübecks, wo es nicht mal eine Straßenbeleuchtung gab. Inzwischen teile ich mir mit meinem syrischen Studienfreund eine Wohnung. Er wird ab August eine Ausbildung als Mechatroniker bei der Lübecker Firma Dräger anfangen können.

    Leider habe ich aber auch unschöne Erfahrungen bei der Wohnungssuche gemacht: in einer WG hatte ich als einer von 35 Bewerbern eine Zusage erhalten. Kurze Zeit später kam dann doch eine Absage, weil der Vermieter keine Ausländer in seinen Wohnungen haben wollte. Das sagen leider viele Vermieter, ohne uns überhaupt kennenlernen zu wollen. Das tut weh.

    Der Wunsch nach Frieden


    Ich finde Lübeck schön und freue mich, schon viele deutsche Freunde zu haben. Ich lerne gern neue Menschen kennen. Nur das Wetter in Lübeck gefällt mir nicht. Ich mag keinen Regen.

    Einen Wunsch habe ich für mein Leben in Deutschland: dass ich nie wieder Krieg erleben muss. Homs war zur Hälfte zerstört, als ich die Stadt verließ. Deshalb ist meine Bitte an die Deutschen: „Make love, not war!“.

    Und ich bin dankbar für alles, was Deutschland für die Flüchtlinge tut.

    Wenn ich traurig bin, fahre ich ans Meer. Das erinnert mich an Lattakia – die Stadt, in der ich studiert habe. Dann geht es mir besser.

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