Kategorie: Persönliche Geschichten

Hier erzählen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte vom Ankommen und Leben in Deutschland, von ihren Problemen, Träumen und Erfolgen. Denn Vielfalt braucht echte Geschichten.

  • Ich darf nicht festwachsen?!

    Ich lebte 21 Jahre in Pakistan und auch dorthin war ich mit meiner Familie geflüchtet. Ich habe Medizin in Peschawar studiert. Aber leider konnte ich das Studium nicht beenden, weil ich nicht in Pakistan bleiben durfte. Ich musste nach Afghanistan zurückkehren. Von 2010 bis 2012 lebte ich in Afghanistan und studierte Wissenschaft auf der amerikanischen Universität und arbeitete in der US-Botschaft.

    Doch dann wurde es für mich in Kabul zu gefährlich und ich musste nach Schweden ausreisen. Ich lebte fünf Jahre lang in Schweden. Ich habe mir selbst die schwedische Sprache beigebracht, weil ich nicht zur Schule gehen durfte. Und ich habe dort 3,5 Jahre in unterschiedlichen Restaurants gearbeitet.

    Nach fünf Jahren bekam ich den Abschiedebescheid nach Afghanistan. Ich musste also ein anderes Land finden, um in Sicherheit leben zu können. 2016 habe ich Deutschland gefunden. Ich habe Asyl beantragt und ich warte nun auf den Bescheid. Ich habe auch einen Deutschkurs absolviert und warte auf das Ergebnis meiner B2 Prüfung.
    Ich mache jetzt eine Qualifizierung in einem Restaurant. Weil ich Zeit habe und bereits viel Erfahrungen im Gastronomie-Bereich sammeln konnte.
    Nächsten Monat habe ich einen Termin um mich für eine Ausbildung zu bewerben. Ich möchte Krankenschwester lernen.   

    Ich bin hier alleine und ich habe den Kontakt zu meiner Familie in Afghanistan verloren. Ich habe keine Ahnung, wo sie sind. Ob sie in Sicherheit sind.
    Ich war und bin alleine und das macht mich sehr stark. Ich habe immer sehr viel Hoffnung und denke nur an die Zukunft. Aber ich habe auch sehr viele Fragen.

    Ich spreche Dare, Englisch, Schwedisch und Deutsch. Aber ich habe kein Land, ich darf nicht festwachsen. Ich darf mir keine Zukunft aufbauen, ich muss immer neue Pläne für mich entwickeln. Warum? Weil ich eine Geflüchtete bin, weil ich eine Frau bin, weil ich alleine bin.         

    Was ich mir wünsche: Ich wünsche mir etwas abschliessen zu können, um den nächsten Schritt zu machen. Ich möchte an einem Ort bleiben dürfen. Ich möchte zu einem Ort gehören.

    Ich wünsche mir, dass die Kriege auf der Welt beendet werden. Damit jeder in seinem Land bleiben kann.

  • Die Menschen müssen offen sein

    Zeit für geflüchtete Menschen – ein Geben und Nehmen

    Im Café Leet Hub in St.Pauli arbeite ich ehrenamtlich drei Stunden pro Woche. Ich gebe gerne meine Zeit den geflüchteten Menschen, um ihr Leben ein wenig einfacher zu machen, denn ich trage eine soziale Verantwortung und habe auch ein kulturelles Interesse daran.

    Bisher habe ich trotz manchmal fehlender Verständigung positive Erfahrungen gemacht, neue Freundschaften geschlossen, meine Grenzen überwunden und meine Hemmungen im Kontakt mit Geflüchteten abgebaut. Ich bin offener für die muslimische Kultur geworden. Im Gegensatz erwarte ich dafür eine Wertschätzung auf Augenhöhe.

    Meine schönste Erfahrung war, die Familienzusammenführung einer geflüchteten syrischen Familie mitzuerleben.

    Offenheit als erster Schritt in die richtige Richtung

    Die Menschen müssen offen sein und die Politik muss die Gegebenheiten schaffen, sodass auch für Geflüchtete die Chance besteht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

    Ich denke, Integration bedeutet, Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen in die Gesellschaft aufzunehmen und sie als Gleichberechtigte anzuerkennen. Eine multikulturelle Gesellschaft besteht aus vielen unterschiedlichen Menschen verschiedener Herkunft, aber sie ist offen und tolerant.

  • Kinder sind unsere Zukunft

    Ich gehe jeden Tag zum Deutschkurs: Will die Sprache, die Grammatik und alles, was noch dazu gehört, lernen und vertiefen. Die Prüfung für das Niveau B1 habe ich bereits geschafft, nun ist B2 als nächstes dran. Ich bin nervös, denn die deutsche Sprache ist wirklich schwer. Man muss immer am Ball bleiben, sich tagtäglich mit ihr beschäftigen.

    Fußball und Kinder – eine neue Berufung für Majed?

    Zurzeit biete ich Fußballtraining für Kinder und Jugendliche an – ehrenamtlich. Vor zweit Jahren habe ich damit begonnen und mein Angebot wird wirklich gut angenommen. Darüber freue ich mich sehr. Bereits in Syrien habe ich Kinder trainiert und schon damals war ich mit Spaß und Leidenschaft bei der Sache. Meine Mutter ist Lehrerin, vielleicht liegt es mir einfach im Blut, mit Kindern zu arbeiten, sie zu unterrichten. Kinder sind unsere Zukunft.
    Momentan betreue ich zwei Mannschaften: die des Vereins SC Victoria und eine weitere in der Hafencity. Die Kids dort sind noch recht klein, das Alter liegt zwischen sieben und zehn Jahren. Beim SC Victoria spielen Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren.

    Sprachbarrieren als Herausforderung

    Für die Kinder ist Sport wichtig, er ermöglicht ihnen, sich auszupowern, Frust und Ärger abzubauen. Denn die meisten von ihnen haben wirklich sehr, sehr viel Energie. Das Fußballspielen schafft einen Ausgleich. Natürlich gibt es manchmal auch Konflikte, kleine Streitereien. Aber dann reden wir darüber und klären die Angelegenheit sachlich. Vor allem die Sprache bereitet ab und an Probleme. 25 Kids aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen zu trainieren, ist eine richtige Herausforderung für mich. Einige sprechen Farsi und Dari, andere Kurdisch oder Arabisch. Damit die Kinder mich verstehen, mache ich die Übungen vor und sie machen sie dann einfach nach. So kann man auch ohne Worte, ohne Sprache kommunizieren.

    Fußball als Rettung und Familienersatz

    Fußball bedeutet mir wirklich viel, er ist meine Passion, ist mehr als nur ein Hobby. Als Kind begann ich mit dem Fußballspielen und habe seitdem immer gespielt. Mein Vorbild ist Ronaldo, den bewundere ich.
    Unsere Mannschaft ist für die Kinder wie eine Familie geworden. Viele sind alleine hier, die Eltern sind entweder tot oder noch in Syrien, Afghanistan oder dem Iran. Sie fühlen sich oft einsam, sind auf sich allein gestellt. Der Verein vermittelt ihnen Halt und Orientierung.
    Ich liebe meinen Job. Er gibt mir das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Und die Kinder mögen mich, sie respektieren mich. Natürlich habe ich oft eine Vorbildfunktion für sie. Aber das macht mich stolz. Ich trage diese Verantwortung gerne.

  • Ist das menschlich, wenn ich von meiner Familie nur träumen darf?

    Seit Oktober 2015 bin ich in Deutschland. Ich habe subsidiären Schutz im September 2016 bekommen und wohne im Zweitaufnahmeheim. Meine Familie, zwei Töchter, acht und sechs Jahre alt und meine Frau, leben noch in Syrien. Ich habe meine Familie seit März 2015 nicht gesehen. Ich habe 6 Monate in Istanbul gelebt und gearbeitet, aber ich konnte meine Familie nicht zu mir in die Türkei holen. Dann kam ich nach Deutschland in der Hoffnung, meine Familie nachholen zu dürfen. Aber die deutsche Regierung hat im März 2016 ein neues Gesetz, mit dem uns das Recht auf Familiennachzug genommen wurde, verabschiedet. Wegen dieses Gesetzes muss ich bis März 2018 auf meine Frau und Kinder warten.

    Ich will selbst Geld verdienen

    Ab Mai 2016 habe ich in einem asiatischen Geschäft als Verkäufer gearbeitet, weil ich nicht vom Geld des Jobcenters leben möchte und weil ich nicht nur schlafen will und sonst nichts. Ich muss arbeiten, das sagt mir mein Verstand.

    Als ich subsidiären Schutz bekommen habe, habe ich sogar nachgedacht, nach Syrien zurückzufahren. Weil das bedeutet, dass ich noch zwei Jahre warten muss. Wie kann ich noch zwei weitere Jahre warten?

    meine Familie fehlt mir

    Ich vermisse meine Töchter, ich vermisse meine Frau, ich bin ein Niemand ohne meine Familie. Ist das menschlich, wenn ich von meiner Familie nur träumen darf? Ich versuche mehr Geduld zu haben, ich lenke mich mit meiner Arbeit ab. Weil ich keine andere Wahl habe. Ich bin ein Flüchtling.

    Und jetzt hat die CDU ein anderes Gesetz vorgeschlagen, dass wir Flüchtlinge bis März 2020 auf unsere Familien warten müssen. Mit Tränen möchte ich den Innenminister fragen, was sind denn eines Vaters Gefühle ohne seine Kinder, ohne seine Familie? Ist das fair? Ist das menschlich?

    Es gibt viele Deutsche, die mich gefragt haben, warum kamen nur Männer nach Deutschland und haben ihre Familien im Krieg gelassen? Weil wir nach Deutschland für unsere Familien und unsere Kinder kamen. Wir haben unser Leben riskiert in der Hoffnung, dass wir hier ein sicheres Leben für unsere Familien finden. Aber leider haben wir ein großes Gefängnis gefunden, wir sind in Sicherheit, aber unsere Familien sind im Krieg. Wie können wir so leben? Wir sind hier, aber unsere Seelen sind in Gefahr. Wir müssen die Sprache lernen und Integration schaffen. Wie können das alles schaffen?

    Wir möchten in Frieden leben

    Zum Schluss möchte ich noch sagen: Wir kamen nicht nach Deutschland, weil wir Hunger hatten, sondern weil wir Sicherheit und Frieden für unsere Kinder brauchen. Weil wir im Frieden mit unseren Familien leben möchten.

  • Schritt für Schritt Heimat finden

    Im Dez. 2015 sind in die Erstaufnahmeeinrichtung in unserem Ort ca. 45 Syrer und 45 Pakistaner angekommen. Seitdem bin ich in der Flüchtlingsarbeit tätig. In unsrem Ort gibt es einen Arbeitskreis für Geflüchtete, in den ich eingebunden bin. Ca. 50 Menschen helfen in Begleitungsgruppen, Sprachgruppe, Freizeitgruppe etc. Wir sind untereinander gut vernetzt, wodurch der Informationsaustausch schnell läuft und die Aufgaben gut verteilt werden können und wir arbeiten eng mit der Sozialarbeiterin der AWO zusammen. Dadurch schaffen wir es bei wichtigen Behördengängen die Geflüchtet gut zu begleiten, viele von uns inzwischen auch mit einem beachtlichen know-how.

    Was mich betrifft, gehe ich fast täglich ins Camp. Manchmal gibt es Fragen, wegen der Papiere, manchmal kleinere oder größere Alltagsprobleme, manchmal einfach ein motivierendes Gespräche und oft  ist es einfach auch ein schönes Zusammen sein. Fahrten zum Arzt oder Begleitung zu Ämtern stehen natürlich auch immer wieder an.

    Die Bewohner sind zwischen 19 und 33 Jahre alt. Ein paar wenige Ältere gibt es auch.

    Warum haben einige Deutsche Angst von den Geflüchteten?

    Wir Deutschen haben Angst vor Gewalt und Chaos. Diese Angst ist sehr elementar geprägt durch die zwei großen Weltkriege, besonders durch die Hitlerzeit.

    Ihr kommt aus Ländern, in denen Gewalt den Alltag mitbestimmt, sei es durch Krieg, Terror, Attentate, Geheimdienste oder einfach unsichere Verkehrswege…. Das verunsichert uns zutiefst, denn wir sind ein sicheres, kalkulierbares Leben inzwischen gewöhnt und sicher fürchten viele, dass ihr die Konflikte Eurer Länder mit zu uns bringt. Zu Teilen ist diese Sorge ja auch nicht ganz unbegründet.

    Und warum haben Sie keine Angst?

    Mich haben schon immer andere Kulturen interessiert und ich bin viel in islamischen Ländern gereist. Außerdem habe ich mich, zumindest in Teilen, mit der Geschichte des Nahen Ostens und des Islams beschäftigt. Die Reisen und die Beschäftigung mit dem Islam nimmt die Angst, weil das Fremde nicht mehr so fremd ist und vor allem, weil man die Dinge differenzierter betrachtet.

    Aber es öffnet auch den Blick dafür, wie verschieden die kulturellen Prägungen sind. Damit umzugehen, genau das ist die Herausforderung für uns alle. Wo können wir voneinander lernen, wo werden wir den anderen nie verstehen und müssen uns in Toleranz üben, und in welchen Bereichen müssen wir miteinander diskutieren, auch streiten, uns aneinander reiben, damit ein friedliches Zusammenleben gelingen kann und etwas neues entsteht. Insofern hatte ich keine Angst vor den Menschen.

    Das heißt aber nicht, dass ich keinerlei Angst hatte, als in so kurzer Zeit so viele Menschen in unser Land kamen. Nicht die Menge der Menschen war das Problem, die Menge in so kurzer Zeit machte mir Sorgen.

    Die Geflüchteten haben eine andere Kultur, als die Deutsche Kultur. Haben Sie ein Beispiel?

    Begrüßung eines Deutschen per Handschlag: Blick in die Augen, lächeln, fester Händedruck.

    Begrüßung eines Geflüchteten: Kurzer Blick in die Augen, lächeln, zarter Händedruck.

    Beide versuchen höflich zu sein und beim anderen kommt ganz was anderes an.

    Ich habe ein Weilchen gebraucht, bis ich verstanden habe, wie schwierig die Umstellung für viele Neuankömmlinge ist, sich so direkt in die Augen zu schauen, wie wir Deutschen es tun. Und das mit dem Händedruck hat mir ein Syrischer Freund erklärt, als ich ihn darauf ansprach. Einer Frau die Hand zur Begrüßung fest zu drücken, gilt als extrem unhöflich – gegenüber der Frau!

    Für uns hingegen ist ein lascher Händedruck irritierend und wer dem anderen nicht in die Augen sehen kann, hat wohl was zu verbergen.

    Also eine einfache Geste wie die Begrüßung zwischen Menschen, kann schon zu Missverständnissen führen.

    Haben Sie mit den Geflüchteten Missverständnisse gehabt?

    Klar, ständig, in kleinen Alltagsgeschichten. Aber mit Humor und Einfühlungsvermögen lässt sich das sehr gut bewältigen und meistens lernt man beim darüber sprechen, warum etwas anders gemacht wird, als es bei uns üblich ist und da kann man viel voneinander lernen.

    Was ist Ihre Erfahrung mit den Geflüchteten?

    Meine Erfahrungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf syrische Geflüchtete, da die pakistanischen Geflüchteten in unserer Stadt inzwischen in einem anderen Camp sind.

    Meine Wahrnehmung war:

    Ihr kommt nach Deutschland in eine sehr fremde Kultur und hinter Euch liegen Krieg, Flucht, Angst, Tod …… und ihr findet Euch wieder in einem camp mit vielen anderen Nationen oder „nur“ mit der Eigenen. In einem camp mit vielen verschiedenen Nationen krachen natürlich die verschiedenen kulturellen Prägungen ungefiltert und in einer Ausnahmesituation aufeinander. In einem Camp mit nur einer Nation, sind auch alle politischen und religiösen Strömungen, des jeweiligen Landes vertreten und damit auch ähnliche Probleme.

    Das kann dann schon mal zu Spannungen führen. Nachdem ich mehr verstanden habe, wie das alles zusammenhängt, hat es mich eigentlich eher gewundert, dass es nicht mehr Spannungen gab. Da habe ich wirklich Respekt bekommen.

    Man muss sich die Situation einfach vor Augen führen: Warten das etwas geschieht, eine zerstörte Vergangenheit hinter sich, die Zukunft nicht in Sicht und der Zimmernachbar von der anderen politischen Richtung. Da können die Nerven schon mal durchgehen. Passierte aber eher selten.

    Dafür gab es Panikattacken, Depressionen, Verschiebung des Tag- Nachtrhythmus, chronische Kopfschmerzen etc.

    Nach der Ankunft im Camp seit ihr sofort mit einem sehr sonderbaren bürokratischen System, genannt Asylverfahren, konfrontiert. Man kann auch sagen, aus der Flucht wird ziemlich schnell ein Stau und manchmal bewegt sich gar nix mehr. Gut, wenn man dann nicht verheiratet ist und seiner Familie erklären muss, dass die Familienzusammenführung gar nicht so einfach und schon gar nicht schnell geht.

    „Verdammt viel Zeit zum Nachdenken und genügend Zeit die Motivation zu verlieren“

    Aber auch wer dieses Problem nicht hat: ab dem Moment, in dem man im Asylverfahren ist, ist man eigentlich nicht mehr Herr seiner selbst. Das bestimmt bürokratische Abläufe notwendig sind, ist eine Sache. Dass die Auswirkungen dieses bürokratischen Systems oft unmenschlich sind, eine andere. Es gab Phasen, in denen ich mich gefragt habe, wie es sein kann, dass Deutschland  den Ruf hat, super gut organisiert zu sein.

    Mit Sprachkurs konnte man auch nicht gleich loslegen, denn dazu musste man ihn ja erst mal beantragen und auf die Bewilligung warten, was zum Teil drei bis vier Monate dauerte und dann muss es noch einen freien Kurs bei der VHS geben. Da können mal ganz schnell 6 – 8 Monate ins Land ziehen ohne Sprachkurs. Gerne auch mehr. Verdammt viel Zeit zum Nachdenken und genügend Zeit die Motivation zu verlieren. Dazu kommt, dass manche Nationen gar keinen Anspruch auf einen Sprachkurs haben, obwohl klar ist, dass sie über Jahre hinaus in Deutschland bleiben werden, selbst wenn sie am Ende wieder gehen müssen. Wie soll das gehen ohne Sprache und zwar für Fremde als auch für Einheimische?  

    Manche Geflüchtete sind in dieser Zeit in ein Loch der Lethargie und Depression gefallen, andere haben die Kraft gefunden (falls WLAN vorhanden) übers Internet Deutsch zu lernen.

    Um ehrlich zu sein, ich habe oft die Geduld und Genügsamkeit der Geflüchteten bei uns im Ort bewundert.

    Haben Sie etwas besonderes mit den Flüchtlingen gefunden?

    Mein Bild von Syrien und Pakistan hat sich vollkommen verändert.

    Und die Erkenntnis, dass man, wenn man sich mal durch die kulturellen Unterschiede einigermaßen durchgearbeitet hat, am Ende vor einem Menschen steht, der einem entweder sympathisch ist oder nicht, egal aus welcher Nation er kommt.

    Warum hilft sie/er Geflüchteten?

    Für mich, die Geflüchteten und mein Land.

    Für mich, weil ich neugierig auf andere Lebensweisen bin und viel über mich lerne in der Begegnung.

    Für die Geflüchteten, weil sie ohne Unterstützung und Begegnung mit Deutschen hier nicht ankommen und sich neu beheimaten können. Das aber müssen sie, denn sie können nicht zurück nach Syrien, die Meisten jedenfalls.

    Für mein Land, weil, wenn wir den Geflüchteten nicht helfen und begegnen, Integration weder gelingen kann noch wird und dann haben alle Beteiligten in spätestens 20 Jahren ein richtige großes Problem.

    Was bedeutet Hilfe?

    Hilfe selbst aktiv werden zu können. Direkten Kontakt zu Deutschen.

    Das ist übrigens auch der schnellste und einfachste Weg zur Integration.

    Es gibt zwei Formen der Hilfe.

    Die eine ist sehr konkret. Hilfe durch den bürokratischen Dschungel zu kommen. Gute und exakte Information zu geben. Begleitung durch Deutsche bei Amtsangelegenheiten und zu Ärzten. Unterstützung in Alltagsfragen (Wie eröffne ich ein Bankkonto, was muss ich bei einem Mietvertrag beachten…. ) Vorbereitung zur Anhörung…..

    Eine andere Form der Hilfe ist – fragen und zuhören. Oft macht sich Hoffnungslosigkeit und Resignation breit. Hier immer wider zu motivieren oder einfach nur zuhören, ist auch eine Form der Hilfe. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder Mut zu machen und Möglichkeiten zu geben, etwas für die eigene Zukunft zu tun.

    Was bekommt sie/er zurück?  Was hat sie/er gelernt?

    Ich lerne viel über mich. Ich lerne viel über andere Länder und eine andere Art Gemeinschaft zu leben, was wir in Deutschland manchmal verloren haben. Und natürlich: es tut immer gut, das Gefühl zu haben, etwas sinnvolles zu tun, für sich, für andere und für das eigene Land. Und mir wird viel Freundlichkeit und Freundschaft entgegen gebracht. Ich erlebe spannende neue Dinge, bekomme auch einen ganz neuen Blick auf unser Leben hier.

    Wie viel Nähe kann man zulassen? Wo sind die Grenzen?

    Als Frau habe ich bisher die Erfahrung gemacht, dass ich immer respektvoll und höflich behandelt werde. Da muss ich keine besonderen Grenzen ziehen, bzw. ziehe sie genauso, wie ich es bei Deutschen Freunden, Bekannten oder Fremden tun würde.

    Das heißt, es gibt Menschen, die einem sympathischer sind und mit denen langsam eine Freundschaft entsteht und bei anderen eben nicht.

    Was sind die Erwartungen? Wurden sie bislang erfüllt, enttäuscht?

    Die Erwartungen sind an alle gerichtet, an Deutsche und Geflüchtete gleichermaßen.

    Wir leben in einer Welt, die immer globaler wird. Wir haben zwar alle nationale und religiöse Eigenarten und Traditionen, aber schlussendlich werden wir alle mit nationalistischen religiösen Haltungen in dieser globalen Welt nicht mehr durchkommen.

    Wenn wir lernen uns als Freunde wahrzunehmen, dann werden wir uns deshalb nicht unbedingt verstehen, aber dann respektieren wir uns gegenseitig, können die Andersartigkeit des Anderen schätzen, zusammen leben und voneinander lernen. Das verändert dann notgedrungen beide Seiten. Diese Offenheit und Bereitschaft wünsche ich mir von allen Geflüchteten, aber auch von meinen eignen Landsleuten.

    Meine Erwartung oder besser, Hoffnung ist, dass wir alle keine Angst vor Veränderung haben.

    Wer festhält am Alten, sei er Einheimischer oder Geflüchteter, stellt sich eigentlich gegen das Leben, denn Leben ist Veränderung, immer und jeden Tag und Leben ist Weiterentwicklung.

    Ich wünsche mir, dass wir die Angst hinter uns lassen, uns einbringen und gemeinsam Zukunft gestalten. Wenn wir das tun, haben wir wenigstens die Chance, dass es eine gute Zukunft werden kann, in der alle leben können. Wenn wir am Alten krampfhaft festhalten, wird es wie immer enden, nämlich in Unfrieden und Leid.

    Worin bestehen die größten Schwierigkeiten?

    Kommunikation!

    Oft fehlt es an der gemeinsamen Sprache. Aber selbst, wenn bei den Geflüchteten schon genügend deutsche oder englische Sprachkenntnisse vorhanden sind, klappt die Verständigung nicht immer. Ich habe lange gebraucht, um ein Gespür dafür zu entwickeln, wann der andere mich wirklich inhaltlich verstanden hat, was ja z.B. bei Amts- und Papiersachen sehr wichtig ist.

    Oft werden auch die Worte verstanden, aber nicht der große Zusammenhang, was meist daran liegt, dass wir aus vollkommen verschiedenen kulturellen Backgrounds und politischen Systemen kommen. Dafür ein Gespür zu entwickeln und den anderen da abzuholen, wo er steht und nicht da, wo ich denke, dass er steht – das ist gar nicht so einfach und gelingt auch nicht immer.

    Aber mit Geduld, Höflichkeit und Humor schaffen wir´s immer wieder.

    Was hat sich im Leben der Person geändert?

    – Die vielen fröhlichen Abende in den Gemeinschaftsräumen des Camps, bei denen Deutsche, Pakistaner und Syrer zusammen Tischtennis spielten, Musik machten, redeten und manchmal auch gemeinsam schwiegen.

    – 3 Jahre für einen guten Freund, der mehr als 18 Monate auf seine Anhörung warten musste.

    – Ein Geflüchteter und seine deutsche Frau haben gestern ihr erstes Kind bekommen und ich durfte es heute in den Armen halten. Ein Gefühl, als wäre ich Großmutter geworden.

    Was bedeutet Integration und wie kann man sie erreichen/umsetzen?

    Meine Erfahrungen führen mich zu dem Schluß: nur mit Offenheit, Neugierde und der Bereitschaft uns alle zu bewegen, werden wir von einander lernen und gut zusammen leben können.

    Mein Wunsch in Bezug auf Deutschland ist , dass wir eine freie und friedliche Gesellschaft bleiben und immer mehr werden und die verschiedene Nationen in unserem Land Schritt für Schritt hier Heimat finden. Dabei müssen weder die einen noch die anderen ihre Identität aufgeben, wobei der Anpassungsprozess für Geflüchtet sicher größer und schwieriger ist. Die Bereitschaft zur Veränderung werden aber sicher alle einbringen müssen. Integration ist keine Einbahnstraße, sie kann nur von beiden Seiten ausgehen.

    Wofür steht eine multikulturelle Gesellschaft?

    Eine Gesellschaft in der verschiedene kulturelle Identitäten friedlich zusammen leben können, weil sie die eigene Identität nicht verleugnen und die des anderen als gleichwertig respektieren und sich für das Fremde im Anderen interessieren. Das geht nicht ohne Reibung, das geht auch nicht ohne Konflikte. Wir werden uns unbequemen Fragen stellen müssen und ihr auch und daraus wird etwas Neues entstehen, was dann vielleicht so zusammenwächst, dass nicht mehr die Nation das wichtigste ist, sondern die Qualität als Mensch, die wir mitbringen.

  • Im Krieg kann man seine Träume nicht verwirklichen

    In Damaskus habe ich Pharmazie studiert und meinen Abschluss im Jahr 2014 erworben. Gleichzeitig war ich ehrenamtlich bei der Organisation Roter Halbmond tätig. Jetzt studiere ich „Master Molecular Plant Science“ in englischer Sprache an der Universität Hamburg.

    Im Krieg kann man nicht seine Träume verwirklichen, deshalb musste ich vor dem Krieg fliehen.
    Hier in Deutschland hat man viele Möglichkeiten, um die eigene Zukunft aktiv zu gestalten, man bekommt hier viel mehr Unterstützung.
    Mein Deutsch ist nicht so gut, weil die deutsche Sprache nicht ganz einfach ist. Ich versuche mit meinen Freunden auf Deutsch zu sprechen. Trotzdem ist es schwieirg, weil sie sehr schnell sprechen und ich nicht immer alles mitbekommen kann. An der Uni sprechen wir englisch, das macht es auch schwieriger zu üben.

    Ich habe Hamburg letztes Jahr besucht und fand, dass es eine sehr schöne Stadt zum Leben ist.
    Zum Glück bekam ich den Studienplatz hier, ich habe mich sehr darüber gefreut. Als ich hierher kam, war ich noch mehr überrascht von der Schönheit der Stadt. Hamburg ist toll, besonders gefällt mir die Elbe. Und auch das Regenwetter macht Hamburg sehr besonders.

    Ich wohne jetzt in einem Studentenwohnheim, das ist nicht immer einfach für mich. Ich bin es gewohnt, in einer familiären Atmosphäre zu leben. Doch hier macht jeder alles allein. Manchmal ist es schwer mit den anderen ins Gespräch zu kommen oder etwas gemeisnam zu unternehmen.

    In den Sommerferien wollte ich ein Praktikum in einer Apotheke machen, aber leider klappte es nicht. Denn hier dauern die Sommerferien ungefähr 3 Monate, aber ein Praktikum in einer Apotheke dauert mindestens sechs Monate.

    Ich wünsche mir, dass meine Familie auch hier sein kann. Ich würde sie gerne aus dem Krieg hierher holen und mit ihr meine Freude teilen. Meine Familie ist sehr wichtig für mich, und ich hoffe, dass ich sie bald sehen kann.
    Meine Seele ist immer in Damaskus, in der alten Stadt mit dem Jasmin, den alten Straßen und Gebäuden und der familiären Atmopshäre. Mein Wunsch ist, dass der Krieg in meinem Land beendet wird, damit ich zurückgehen kann. Ich möchte meine Stadt wiedersehen und in ihren Straßen laufen.

    Die Deutschen sind sehr hilfsbereit und nett. Nur manchmal ist die Kommunikation ein wenig schwierig. Doch ich möchte ihnen gerne sagen, dass wir – die Geflüchteten – nicht faul sind. Wir sind hierher gekommen, um die Gesellschaft mit zu gestalten. Doch dafür brauchen wir Verständnis und Hilfe.

  • Eine multikulturelle Gesellschaft ist wie ein Gemälde mit verschiedenen Farben

    Im Jahr 2011 habe ich die ehrenamtliche Gruppe Seyyah yarsdima giden yol gegründet. Das bedeutet soviel wie: Auf dem Weg zur Hilfe.
    Seit nun mehr als sechs Jahren bin ich mit weiteren Ehrenamtlichen in dieser Gruppe tätig. Wir sind vor allem für Hilfsaktionen in der Türkei verantwortlich.

    Zu helfen, das ist etwas Menschliches. Hierzu bedarf es meiner Meinung nach keinen besonderen Grund. Und wir dürfen nicht vergessen, dass eine gelungene Integration nicht nur den Flüchtlingen das Leben erleichtert, sondern uns ebenfalls. Wenn wir also alle friedlich zusammen leben möchten, dann müssen auch wir als Einheimische etwas dafür tun.


    Hilfe zu geben, das heißt für mich vor allem Teilen. Das Essen teilen, den Kummer und das Leid, aber auch die Freude. Also, ich betrachte nicht nur finanzielle Unterstützung als Hilfe, sondern viel mehr das füreinander da sein.
    Und dafür bekomme ich eine Menge zurück! Ein großes Pack an Freude, Liebe und inneren Frieden. Und darüber hinaus die Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen.

    Denn jeder neue Kontakt bringt eine neue Erfahrung mit sich. So lernt man zum Beispiel einige neue Wörter in einer anderen Sprache. Und man lernt, dass es möglich ist, von Null aus wieder ein neues Leben aufzubauen, solange Hoffnung und Entschlossenheit da sind.

    Ich persönlich finde es nicht richtig, schon vorab gesonderte Grenzen gegenüber Flüchtlingen zu stellen, wobei man ja auch gleichzeitig irgendwie versucht, diese Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Und ich habe gegenüber jedem Menschen, ob Flüchtling oder nicht, zunächst eine gewisse Distanz, bis ich diese Person näher kennenlerne. Je besser ich diese Person dann kenne, desto mehr baut sich die Grenze ab. Durch mein ehrenamtliches Engagement habe ich Flüchtlinge kennengelernt, die mittlerweile zu meiner Familie gehören.

    Ich erwarte ein reibungsloses Zusammenleben – egal welcher Kultur, welchem Glauben man angehört oder welche Sprache man spricht. Natürlich gibt es immer wieder Vorfälle, die entäuschend sein können. Aber die sollten uns nicht daran hindern, die Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft, auf das, was da kommt, zu verlieren.
    Die größten Schwierigkeiten liegen in der Sprache. Wir verstehen die Sprache der Flüchtlinge nicht und sie verstehen unsere nicht. Gerade am Anfang macht dies die Verständigung echt kompliziert und schwierig.

    Aber es gibt auch immer wieder sehr schöne Erlebnisse. Eines hat mich besonders berührt:
    Bei einem unserer Besuche in einer Flüchtlingsunterkunft haben wir den Kindern Straßenkreide mitgebracht. Da die Kinder erst seit einigen Monaten in Deutschland waren, konnten sie unsere Sprache noch nicht. Daher haben wir dann einfach gemeinsam mit den Kindern auf dem Hof etwas gemalt.

    Unter den Kindern war ein siebenjähriges Mädchen. Sie hatte im Krieg ihren Vater verloren und von ihrer einst so großen Familie war leider nicht mehr sehr viel übrig. Jedes der Kinder sollte nun mit der Kreide seinen Wunsch aufzeichnen. Maria, so hieß das Mädchen, zeichnete ein großes Herz mitten auf den Hof. Zu unserer Übersetzerin sagte sie, dass sie sich wünsche, dass der Krieg endlich aufhöre und Liebe einkehre.

    Das hat mich wirklich sehr gerührt, dass ein so junges Mädchen, welches gerade der Hölle entkommen ist, mit so großer Hoffnung der Menschheit Frieden wünscht. Denn sie hatte alles verloren, aber den Glauben an die Liebe nicht.

    Seit meiner ehrenamtlichen Aktivität bin ich dankbarer für alles, was ich besitze. Und ich versuche, mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Sachen, die ich früher als Problem betrachet habe, kommen mir heute viel belangloser vor.

    Intergration bedeutet für mich, Teil einer Gesellschaft zu werden. Es soll aber nicht bedeuten, dass man seinen Glauben, seine Kultur oder seine Sprache aufgibt. Sondern, dass man seinen Platz in der Gesellschaft findet. Damit dies funktioniert, muss die Gesellschaft ersteinmal kennengelernt werden. Nur so können Vorurteile abgebaut und Integration begonnen werden.

    Eine multikulturelle Gesellschaft ist für mich wie ein Gemälde mit verschiedenen Farben. Jeder Mensch besitzt seine eigene Farbe, ob es nun die Sprache, die Religion oder die Kultur ist. Diese Farben sollte man als einen Reichtum für die Gesellschaft sehen und nicht als eine Benachteiligung. Erst mit diesem Bewusstsein können wir die multikulturelle Gesellschaft genießen und in Frieden leben.

  • Hier ist Frieden

    Im Iran habe ich als Sekretär gearbeitet. Eine Arbeit, die mir viel Spaß gemacht hat und die ich hier manchmal auch vermisse. Aber ich bin gerade dabei, mich beruflich neu zu orientieren. Ich schreibe Bewerbungen, möchte gerne ein Praktikum entweder in einem Altersheim oder einem Kindergarten machen. Mir ist es wichtig, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Ich glaube, das liegt mir. Ich hoffe sehr, dass ich eine Rückmeldung bekomme und vielleicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde.


    Die größte Herausforderung für mich in hier in Deutschland ist definitiv die Sprache! Ich versuche, mich jeden Tag zu verbessern, beschäftige mich viel mit der deutschen Sprache, insbesondere mit der Grammatik. Und ich lerne Vokabeln, immer wieder aufs Neue. Vor ungefähr sechs Wochen habe ich meine Prüfung für das Niveau B2 Plus abgelegt. Noch habe ich leider kein Ergebnis, aber ich hoffe so sehr, dass ich bestanden habe!

    Meine Muttersprache ist übrigens Persisch. Ich verwende sie aber nicht mehr so häufig in meinem Alltag, denn mir ist es wichtiger, Deutsch zu sprechen.

    Für die Zukunft wünsche ich mir, dass ich meine Freundschaften, die ich hier in Hamburg geschlossen habe, weiter vertiefen kann, denn diese Menschen sind wirklich sehr wichtig für mich geworden. Und ich möchte mein Deutsch perfektionieren, um es irgendwann einmal richtig fließend zu beherrschen. Und natürlich hoffe ich, dass ich bald Arbeit finde, das ist mir ebenfalls sehr wichtig.

    Ich bin dankbar, dass ich hier in Deutschland, in Hamburg leben darf. Denn hier ist Frieden, anders als in meinem Heimatland. Ich weiß das sehr zu schätzen, Tag für Tag.

  • Ich wünsche mir Frieden auf der ganzen Welt

    Die Stadt liegt im Norden von Syrien, aber sie ist jetzt zerstört. Ich habe in Syrien Abitur gemacht und danach als Dekorateur gearbeitet.

    Am 08. September 2015 bin ich nach Deutschland gekommen. Hier möchte ich lernen und später arbeiten. Also nicht nur zu Hause sitzen und Geld vom Staat bekommen.

    Seit acht Monaten besuche ich nun einen Sprachkurs, denn ich möchte später gerne eine Ausbildung machen. Ich bin jetzt Flüchtling in Deutschland. Meine Erfahrungen, speziell die Tatsache, dass ich dem Krieg in meinem Heimatland entkommen bin, haben mir geholfen, mein Talent weiterzuentwickeln. So kann ich durch das Malen meinen Gefühlen über die Flucht, aber auch über Hoffnung Ausdruck verleihen.

    Ich wünsche mir Frieden auf der ganzen Welt, nicht nur in meinem Heimatland. Es ist eine Botschaft an alle. Wir haben zwar eine Heimat, doch wir können nicht unter diesen Kriegsbedingungen leben. Ich möchte gerne arbeiten und wie schon gesagt, in Frieden leben.

    Und ich finde, dass der Kontakt zwischen Deutschen und Geflüchteten sehr wichtig ist. Aber leider leben hier auch einige Flüchtlinge gerne isoliert. Das finde ich nicht gut.

    https://www.facebook.com/ghazwanassaf/videos/vb.100002091251220/1435958496483845/?type=2&theater

    Viele Menschen fragen mich, warum ich hier bin. Ich bin wegen des Kriegs in meinem Heimatland geflohen, denn ich bin ein Mensch, der nicht im Krieg leben kann. Hass und Gewalt sind schlimm. Und ich weiß auch, dass meine Bilder nicht viel ändern.

    Das Malen habe ich nicht gelernt. Erst vor vier Monaten habe ich angefangen, mit Ölfarbe zu malen. Meine Bilder versuchen, den Krieg zu erklären. Dafür nehme ich verschiedene Farben. Mit Schwarz drücke ich meine Gefühle und das Erlebte aus, mit den hellen Farben zeichne ich Frieden und Hoffnung.

  • Fluchtort Hamburg 5.0: Ein Dialog muss stattfinden

    Die Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnet Integration als „die gesellschaftliche Eingliederung von Personen, die sich durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Sprache unterscheiden“. Bitte definieren Sie den Begriff Integration in eigenen Worten.

    „Mir persönlich gefällt der Begriff Integration nicht. Vom soziologischen Blickwinkel heraus betrachtet, bedeutet der Begriff Integration ursprünglich, dass ein neuer Mensch auf eine schon bestehende Gruppe trifft. Dieser Neuankömmling muss dann immens viel Kraft und Energie aufbringen, um in diese Gruppe aufgenommen zu werden.“

    Wie kann man dem Neuankömmling in diesem Prozess unterstützen?

    „Da sind wir eigentlich – von der Definition her – bei der Inklusion. Denn auch die schon bestehende Gruppe muss sich öffnen, muss den Neuankömmling aufnehmen, muss also selbst aktiv werden. Doch momentan ist die Definition des Begriffes Integration eher schwammig geworden, die Grenzen sind nicht ganz klar. Zwar muss die Gruppe, in die der Neue integriert werden soll, auch etwas tun, aber im Grunde bedeutet Integration immer noch, dass der neu ankommende Mensch derjenige ist, der Arbeit aufbringen muss, um in die Gruppe aufgenommen zu werden.“

    Sie arbeiten für das Netzwerk Fluchtort Hamburg 5.0. Wodurch leistet dieses Netzwerk seinen Beitrag zur Integration?

    „Integration wird in der deutschen Gesetzgebung maßgeblich durch zwei Faktoren bestimmt. Einmal ist es das Erlernen der Sprache, hinzu kommt dann später die Teilnahme am Arbeitsleben. Wenn ein Mensch neu in Deutschland ankommt, muss er unsere Sprache lernen, um seinen Integrationswillen zu zeigen.

    Daran führt kein Weg vorbei. Und natürlich ist Arbeit der nächste wichtige Aspekt, um klar machen zu können, dass man ein Teil der Gesellschaft werden will. Daher versuchen wir hier beim Netzwerk Fluchtort Hamburg 5.0 möglichst viele Menschen aus der ganzen Welt in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir kümmern uns beispielsweise darum, dass Qualifikationen, wie Diplome oder Abschlusszeugnisse, anerkannt werden.

    Und wir vermitteln Praktika. Denn durch Praktika können die Geflüchteten schon mal ein wenig in die Arbeitswelt reinschnuppern. Oft ergeben sich daraus später auch Arbeitsplätze, wenn es dem Praktikanten gelingt, seinen zukünftigen Arbeitgeber zu beweisen, dass er fit und motiviert ist. Darüber hinaus vermitteln wir Plätze in Sprachkurse.“

    Mit welchen Schwierigkeiten sehen Sie sich in Ihrer täglichen Arbeit konfrontiert?

    „Vorurteile spielen hier leider eine große Rolle. Der Arbeitgeber für ein Praktikum denkt beispielsweise, dass eine Qualifikation aus Afghanistan nichts wert sei. Das ist die eine Problematik. Hinzu kommt, dass es mitunter sehr lange dauert, bis die Qualifikationen auch tatsächlich anerkannt werden. Die Kammer benötigt in etwa drei bis vier Monate. Aber schon im Vorfeld muss das Zeugnis überhaupt erstmal beschafft werden, dann muss es übersetzt und im nächsten Schritt beglaubigt werden. Das alles braucht sehr viel Zeit.

    Und es muss ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Wir reden hier von Kosten von bis zu 6000 Euro für eine Berufsanerkennung einer normalen Ausbildung. Das ist sehr viel Geld. Daher macht es Sinn, den Antrag erst zu stellen, wenn man schon beim Jobcenter registriert ist, denn in den meisten Fällen übernimmt dann das Jobcenter die Kosten.

    Aber leider nicht bei allen. Denn es kommt auch vor, dass das Jobcenter entscheidet, dass eine Anerkennung nicht notwendig sei. Weil die Chancen, dass in dem gelernten Beruf auch tatsächlich Arbeit gefunden wird, zu gering sind. Dann wird meistens eine Umschulung vorgeschlagen oder sogar eine komplett neue Ausbildung. Manchmal wird auch gar keine Qualifizierung benötigt, da es genügend Jobs gibt, die keine erfordern.“

    Was ist noch Bestandteil Ihrer Arbeit?

    „Unsere Hauptaufgabe ist ganz klar die Integration in den Arbeitsmarkt. Die Geflüchteten kommen zu mir in die Beratung und ich schaue mir erstmal ganz genau ihre Bewerbungsunterlagen an. Dann überlegen wir gemeinsam: Wo soll sich überhaupt beworben werden? Ist das Foto ansprechend und professionell? Danach muss ich dann sorgfältig schauen, ob eine Anerkennung überhaupt möglich ist. Ist das Ganze realistisch? Bedarf es überhaupt einer Anerkennung?

    Denn es kommt auch vor, dass eine Anerkennung gar nicht wichtig ist. Es gibt Berufe, die nicht reglementiert sind, wie zum Beispiel der Beruf des Automechanikers. Hier muss dann kein Anerkennungsverfahren eingeleitet werden. Sondern man kann direkt mit der Praktikumsplatzsuche losgelegen, damit der Flüchtling die Chance hat, zu zeigen, dass er motiviert und fit ist. Also schaue ich, wo es Praktikumsplätze gibt, schreibe Firmen an, trete mit ihnen in Kontakt und vereinbare ein erstes Kennenlernen. Es ist also viel Vermittlungsarbeit, aber in einigen Fällen klappt es danach sogar mit einer Anstellung. Ein weiterer Bestandteil meiner Arbeit ist die Vermittlung in Deutschkurse (ESF-BAMF).“

    Was glauben Sie, warum fällt es vielen Migranten so schwer, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren?

    „Ich glaube, dies ist eine beidseitige Sache. Und ich würde die Frage gerne umformulieren. Es müsste vielmehr heißen: Warum ist Integration ein so schwieriger Prozess? Ich denke, ein Problem sind hierbei definitiv die Medien und die Art und Weise, wie Flucht, Migration und auch Integration in den Medien dargestellt wird.

    Als das Ganze in etwa vor zwei Jahren hochkochte, war in den Medien immer wieder die Rede von der „Flüchtlingskrise“ oder von der „Flüchtlingswelle“.  Diese beiden Begrifflichkeiten schüren sofort eine Angst, denn die Menschen wissen nicht genau, was da überhaupt auf sie zukommt, sie sind verunsichert. Die Medien haben alles sehr aufgebauscht. Und das erschwert meiner Meinung nach massiv die Integration.

    Und die Menschen, die sich gegen Integration sperren, sind oft diejenigen, die am wenigsten mit den Geflüchteten zu tun haben. Es gibt gar keinen Grund, Angst zu haben, denn es sind Menschen wie du und ich. Die meisten wollen einfach nur ein gesichertes Auskommen, einen sicheren Platz zum Schlafen und einen Lebensraum für sich und ihre Familien.“

    Welche Verantwortung haben in diesem Zusammenhang der Staat und die Gesellschaft?

    „Der Staat muss einen besseren Zugang zu Deutschkursen gewährleisten, denn das ist die einzige Basis, auf der die Flüchtlinge später kommunizieren können. Und Integrationskurse sind wichtig, denn sie haben in gewisser Weise auch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Geflüchtete irgendwann als mündiger Bürger in der deutschen Gesellschaft agieren kann. Aber es mangelt an Ressourcen. Hier müsste wirklich etwas getan werden.

    Und ich bin davon überzeugt, dass mehr Menschen möglichst früh der Zugang zu den Deutschkursen gewährleistet werden müsste. Die deutsche Sprache muss so früh wie möglich gefordert werden. Die meisten Menschen, die zu mir in die Beratung kommen, haben wirklich Lust, nach Beendigung des Deutschkurses zu arbeiten. Sie wollen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wollen auch etwas zurückgeben. Und es muss mehr Austauschmöglichkeiten geben. Ein Dialog muss stattfinden, damit Ängste und Vorurteile abgebaut werden können.“

    Was sind Ihrer Meinung nach Voraussetzungen für eine gelungene Integration?

    „Der soziale Faktor spielt eine große Rolle. Neben der Sprache und der Arbeit darf dieser Integrationsfaktor nicht unterschätzt werden. Es muss wirklich aufgepasst werden, dass die Menschen nicht vereinsamen. Sie sind oftmals für Monate oder sogar Jahre nur unter sich in den Flüchtlingscamps, haben nur wenig Kontakt nach außen und sehr begrenzte Möglichkeiten am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das verhindert, dass sie hier in Deutschland richtig ankommen.

    Es müsste also mehr Angebote für Flüchtlinge geben, zum Beispiel Freizeitaktivitäten wie Stadtausflüge, Sport oder Kino- und Theaterbesuche. Es muss gemeinsam in den Austausch, in den Dialog gegangen werden. Man muss „andere Seite“ kennengelernen. Das ist der erste Schritt, damit eine Öffnung stattfinden kann. Diese Öffnung multipliziert sich dann nach und nach. Man lernt einen Flüchtling kennen, erzählt Freunden von dieser Begegnung, davon, was man gemeinsam erlebt hat. So können Vorurteile und Ängste abgebaut werden. Kontakt und Begegnung, das ist, was wirklich wichtig ist!“

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