Kategorie: Kultur

Kultur – was ist das eigentlich? So bunt wie der Begriff ist auch unsere Kategorie. Essen, Musik, Literatur oder Alltagserlebnisse, die kulturelle Unterschiede und vor allem auch Gemeinsamkeiten deutlich machen. All das findest du hier.

  • A Dry Mouth – Miteinander statt Gegeneinander, Bewegung statt Stillstand

    Die Fenster stehen offen, Regen prasselt auf den Betonboden eines fast leeren Raums. Das kahle weiß der Wände wirkt steril, fast trotzig. Auf dem Boden: Objekte, die nicht erklären wollen, was sie sind. Ist das eine Leiter? Holz? Metall? Ich stehe im mittleren von drei Räumen. Sie bilden die Ausstellung „A Dry Mouth“ im Hamburger Frappant e.V., einer Zusammenarbeit von Razan Sabbagh, Remi Alkhiami und Laura Mahnke.

    Der Raum, aus dem ich komme: rot. Der Raum, der vor mir liegt: grau. Gerade als ich mich umdrehe – weg vom Fenster, hin zu dieser fast-Leiter –, passiert es: Das Regenprasseln schwillt plötzlich stark an. Ich drehe mich um – das Geräusch kommt nicht mehr nur von draußen. Aus zwei kleinen schwarzen Lautsprechern, ein riesiges leuchtend blaues Kissen flankend, strömt Ton. Und was für einer. Der Regen wird zum Fluss, zur Welle, zur Flut. Stimmen mischen sich unter das Wasser – Nachrichtenschnipsel, Warnungen, Zitate: “Migration Wave”, “Decolonization”, “Crisis” wiederholt, mal verzerrt, mal geflüstert, mal fast geschrien. Es ist der erste von vielen Momenten in dieser Ausstellung, in denen ich denke: Ich verstehe nicht ganz, was ich bei dem Sonic Essay von Razan Sabbagh „Bodies of Waves“ sehe und höre – aber ich fühle etwas. Später erfahre ich, genau das ist die Idee.

    Ein Titel voller Dissonanz

    Der Ausstellungstitel „A Dry Mouth“ weckt Assoziationen von Trockenheit, Sprachlosigkeit, Staub – und steht im Kontrast zur sinnlichen Klangflut, die einen empfängt. Genau diese Reibung ist beabsichtigt: Der trockene Mund steht symbolisch für Erschöpfung, für das Gefühl, in der politischen Gegenwart nichts mehr sagen zu können. Die Ausstellung versteht sich als Gegenflut – aus Klang, Bewegung, Erinnerung und politischen Impulsen.

    Ziel ist nicht sofortiges Verstehen, sondern emotionales Erleben: Irritation, Empathie, Unruhe, Nähe. Die Kunst stellt Fragen und gibt keine Antworten. Sie will berühren und anregen, zeigen: Auch ein trockener Mund kann Wellen schlagen.

    Drei Künstlerinnen – drei Perspektiven

    Razan Sabbagh und Remi Alkhiami kommen aus Syrien, Laura Mahnke aus Deutschland. Was sie eint, ist das gemeinsame Bedürfnis nach solidarischem Miteinander – nicht trotz, sondern wegen ihrer unterschiedlichen Biografien. Sie fragen: Wie können wir einander zuhören? Was bedeutet Solidarität in einer politischen Dürre?

    Im ersten Raum, dem roten, fällt ein großformatiges Textilbanner ins Auge: „Decolonization looks good on white walls“ steht in kräftigem Rot auf schwarzem Stoff. Daneben, auf dem Boden, präsentiert Laura Mahnke rätselhafte Fake-Lederabdrücke keramischer Objekte – reduziert, fast bizarr. Razan sagt über Laura: „Sie hat diese Illusion in ihrer Arbeit: Man guckt drauf und weiß nicht so recht: Was ist das, was ich da sehe?“ 

    Im mittleren, weißen Raum arbeitet Razan mit Ton, Sprache und Klang. Ihr Werk hat politische Tiefe, ist poetisch und vielschichtig. In ihrem „sonic essay“ verarbeitet sie historische Tonquellen, Medienbilder und die Kritik an Kolonialismus zu einer vielstimmigen Klanginstallation. Ein Lied aus den 1920ern, gesungen von versklavten Menschen in den USA als geheimes Signal zur Flucht, bildet einen der vielen Ankerpunkte. „Wade in the water“ wird zur Erinnerung an Widerstand.

    „Scheinwort“, 2025, Material Dimensions, Razan Sabbagh.

    Remi Alkhiami erzählt über Kopfhörer ihre Fluchtgeschichte. Ihre Arbeit berührt durch Stille und Reduktion – und die leise Präsenz von Verlust. Symbolisch steht auf dem Boden eine Holzschublade aus Syrien, die nur zwei Gegenstände enthält: einen Schlüssel und einen syrischen Pass. Remi erzählt, dass dieser Schlüssel für sie lange einen Garanten der Rückkehr bedeutete, als sie vor Jahren gezwungen war, ihr Zuhause in Syrien zu verlassen.

    "Der Schlüssel", 2021, Remi Alkhiami. Wooden Drawer, Syrian Passport, keys, Audio in Arabic and German
    „Der Schlüssel“, 2021, Remi Alkhiami. Wooden Drawer, Syrian Passport, keys, Audio in Arabic and German

    Im grauen Raum treffen zwei Arbeiten aufeinander: Razans „Walk for it“ und Lauras „Clouds II“. 2022 ging Razan auf die Straßen Hamburgs und projizierte den Satz „I can’t believe I’m still protesting this shit.” auf die Straßen und lief hinter ihm her. Für dieses Projekt hat sie 100 Fotografien aus dem Internet zusammengetragen, die handgefertigte Schilder mit dem Satz „I can’t believe I’m still protesting this fucking shit!“ zeigen – ein Spruch, der bei Protesten für Frauenrechte, Menschenrechte, LGBTIQ-Rechte und verschiedenste Befreiungsbewegungen weltweit verwendet wurde. Nach dem Sammeln der Bilder digitalisierte sie die Fotografien, schnitt den Originaltext sorgfältig aus und platzierte ihn auf farbige Hintergründe. Für Razan geht es vor allem ums Gehen, ums Lautwerden: „Ich spaziere mit all diesen Sätzen, geschrieben von Menschen, die vor mir protestiert haben. Damit zeige ich ihnen Respekt.“ Razan erzählt, dass der Satz sehr offen ist und die Leute auf der Straße zu ihr kamen und gefragt haben, wofür sie protestiere. Jede*r habe den Satz anders interpretiert. Einer dachte, sie protestiere gegen die Invasion Russlands in die Ukraine, der nächste dachte, sie demonstriere für Frauenrechte. „Jeder hat etwas Anderes gesehen. Es sind die unterschiedlichsten Diskussionen entstanden und das ist das Tolle.“, sagt Razan. 

    Daneben breitet sich Lauras „Clouds II“ als gewaltige Pfütze über den Boden aus. Es ist verflüssigtes Porzellan, das langsam trocknet und Risse bekommt. Auch ihre Arbeit soll eine Projektionsfläche für verschiedene Perspektiven sein und auf Transformation verweisen. Ihre zweite Arbeit, „A Dry Mouth“, lehnt daneben an der Wand und zeigt eine rötliche, organisch wirkende Masse. Bei längerer Betrachtung wirkt es tatsächlich wie ein Mund. Für Laura steht dahinter die Botschaft: „Take the stage“ – auch wenn es schwerfällt. Ein Sinnbild für das Sprechen trotz Angst.

    „A Dry Mouth“, 2025, Laura Mahnke, Stoneware, red iron dust 10 x 14 x 4 cm

    Wasser als Metapher für Migration

    Wasser zieht sich als Leitmotiv wie ein Fluss durch die Ausstellung – als Klang, Bild und Projektionsfläche. Die Künstlerinnen greifen es instinktiv auf – als Kontrast zur politischen Trockenheit. Razan analysiert kritisch das von Medien geprägte Bild von Migration, das stark mit Wasser assoziiert ist: Flüchtlingswelle, Flut, Boote. In ihrem Klangessay stellt sie die Frage: Wie sähe unser Bild von Migration aus, wenn die Medien anders berichtet hätten?

    Sie verknüpft diese Sprache mit kolonialer Geschichte – etwa dem Suezkanal, einst Route des Imperialismus, heute Fluchtroute. Während Migrant*innen über Wasser nach Europa gelangen, transportieren Schiffe in entgegengesetzter Richtung Waffen. Wasser wird so zur Projektionsfläche – für Angst, Hoffnung, Macht und Widerstand.

    Solidarität als gelebtes Prinzip

    Kern der Ausstellung ist die Idee des Miteinanders. Solidarität erscheint nicht als große Parole, sondern als fragile, gelebte Praxis – durch Zuhören, durch Raum für vielfältige Stimmen.

    Auch in der Organisation zeigt sich dieses Prinzip: Statt sich an die etablierte Kunstszene zu wenden, laden die Künstlerinnen gezielt Menschen ein, die sonst wenig Zugang zu Kunst haben – etwa aus Frauenhäusern, Selbsthilfegruppen oder Geflüchteteninitiativen. „Kunst ist für alle“, sagt Razan, „nicht nur für eine Elite.“

    Die Ausstellung A Dry Mouth ist kein Erklärraum, sondern ein Erfahrungsraum. Keine fertige Botschaft – sondern ein „semi-fiktionales Rollfeld“, auf dem sich Realität und mögliche Zukünfte begegnen. Ihre Einladung: zuhören, mitfühlen, weiterdenken.

    Öffnungszeiten: samstags und sonntags 14-19 Uhr
    Workshop Automatisches Schreiben mit Laura Mahnke: Donnerstag 12.6., ab 18 Uhr
    Finissage mit Lesungen und Performances: 15.6., ab 16 Uhr

  • Hadsch 2025 – Die erste Generalversammlung der Vereinten Nationen

    Die Hadsch – die jährliche Pilgerfahrt, an der fast drei Millionen Musliminnen und Muslime aus rund 180 Ländern teilnehmen – steht wieder bevor. Menschen aus allen Teilen der Welt kommen zusammen, und dieses heilige Ritual des Islam bleibt bis heute die größte Versammlung der Menschheit. Es ist meiner Meinung daher nur angemessen, sie als die erste Generalversammlung der Vereinten Nationen zu bezeichnen – ein Ort, an dem Menschen aus allen Regionen der Erde in Demut, Gleichheit und Hingabe zusammenstehen.

    Während der Pilgerzeit halte ich inne und erinnere mich an die Abschiedspredigt des Propheten Muhammad im Jahr 632, gehalten auf dem Berg Arafat in der Nähe von Mekka. Muslime glauben, dass er der letzte Gesandte Gottes an die Menschheit war. Seine letzte Ansprache am Ende der Hadsch besitzt bis heute universelle Gültigkeit und war im sozialen Kontext des siebten Jahrhunderts eine radikale Botschaft. Zwar hat die Menschheit enorme Fortschritte gemacht, doch viele Aspekte seiner Rede sind noch unerfüllt und verweisen auf tief verwurzelte soziale Krankheiten wie Rassismus, Sexismus und ausbeuterischen Kapitalismus. Sie fordern uns auf, aktiv gegen Ungerechtigkeit, Leid und Unrecht in vielen Bereichen des Lebens vorzugehen.

     

    Rassismus

    „Alle Menschen stammen von Adam und Eva ab; ein Araber ist einem Nicht-Araber nicht überlegen, noch ist ein Nicht-Araber einem Araber überlegen. Ebenso ist ein Weißer nicht besser als ein Schwarzer, noch ein Schwarzer besser als ein Weißer – außer durch Frömmigkeit und gute Taten. Lernt, dass jeder Muslim ein Bruder des anderen ist und dass die Muslime eine einzige Bruderschaft bilden. Nichts soll einem Muslim rechtmäßig gehören, was einem anderen Muslim gehört – es sei denn, es wurde freiwillig und aus freiem Willen gegeben.“

    In einer zutiefst tribalen und ethnisch hierarchischen Gesellschaft war dies eine revolutionäre Aussage. Die Predigt brach mit den rassischen und ethnischen Hierarchien des vorislamischen Arabiens, indem sie den Wert des Menschen nicht an Abstammung, Ethnie oder Hautfarbe, sondern an ethischem Verhalten maß.

    Heute – angesichts des fortbestehenden Rassismus in seinen systemischen, institutionellen und kulturellen Formen – ist dieser Aufruf dringlicher denn je. Die Worte des Propheten fordern moderne Gesellschaften auf, über symbolische Gleichheit hinauszugehen und sich mit den Strukturen und Hinterlassenschaften rassistischer Ungerechtigkeit auseinanderzusetzen, wie Kolonialismus, Sklaverei, Apartheid und Racial Profiling.

     

    Sexismus

    „O Menschen, es ist wahr, dass ihr gewisse Rechte gegenüber euren Frauen habt, aber sie haben auch Rechte über euch.

    In einer Gesellschaft, in der Frauen kaum oder keine Rechte hatten, war die Anerkennung der Frau als gleichberechtigte Partnerin mit gegenseitigen Rechten bahnbrechend. Der Prophet forderte die Männer auf, Frauen mit Güte zu behandeln und erkannte ihre moralische und spirituelle Gleichwertigkeit an.

    Trotz bedeutender Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter kämpfen moderne Gesellschaften weiterhin mit patriarchalen Strukturen, geschlechtsspezifischer Gewalt, Lohnungleichheit und kulturell verankerter Frauenfeindlichkeit. Die Predigt betont gegenseitige Würde, Fairness und moralische Verantwortung – eine Herausforderung sowohl für traditionelle als auch moderne Systeme, die Frauen entmenschlichen oder marginalisieren.

     

    Kapitalismus

    „Gott hat euch den Zins (Wucher) verboten, daher sollen alle Zinsverpflichtungen von nun an aufgehoben sein … Hütet euch vor Satan, zum Schutz eurer Religion. Er hat jede Hoffnung aufgegeben, euch in großen Dingen noch in die Irre zu führen – also seid wachsam bei den kleinen.“

    Diese Aussage war ein direkter Angriff auf ausbeuterische Finanzsysteme, insbesondere den Wucher, der Armut und Ungerechtigkeit zementierte. Mit seiner Ablehnung traf der Prophet den Kern ungerechter ökonomischer Beziehungen.

    Heute spiegelt der unregulierte Kapitalismus viele dieser ausbeuterischen Dynamiken wider: Lohndiebstahl, räuberische Kreditvergabe, Monopolbildungen, Zwangsarbeit und eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Die Predigt ruft dazu auf, Wirtschaftssysteme zu schaffen, die ethische Verantwortung, Gerechtigkeit und soziales Wohl über Gewinnmaximierung stellen.

    Die Abschiedspredigt des Propheten ist nicht bloß ein historisches Dokument – sie ist ein moralischer Kompass. Sie lädt Menschen aller Glaubensrichtungen ein, über Gerechtigkeit, Würde und die gemeinsame Menschlichkeit nachzudenken, die wir allzu oft inmitten von Spaltung und Gier vergessen. Diese Predigt liest sich wie eine Menschenrechtserklärung – Jahrhunderte vor modernen Chartaformeln. Sie spricht von der Unantastbarkeit von Leben und Eigentum – niemandes Leben, Besitz oder Ehre darf verletzt werden. Sie ruft zur universellen Gleichheit und Einheit auf: Alle Menschen sind Teil einer einzigen Familie. Sie erinnert an moralische Verantwortung und dass jeder Einzelne für seine Taten verantwortlich ist. Sie mahnt zu Gerechtigkeit und Maß: Kein Übermaß, kein Schaden – weder im Reichtum, noch im Geschlecht, noch in der Macht.

    Auch wenn die Menschheit in vielerlei Hinsicht vorangekommen ist, zeigt die Botschaft dieser Predigt, wie weit der Weg noch ist. Sie ist ein zeitloser Aufruf, Rassismus und Vorurteile zu überwinden, patriarchale Unterdrückung zu beenden, ausbeuterische Wirtschaftssysteme zu reformieren und Gesellschaften zu bauen, die auf Mitgefühl, Gerechtigkeit und gemeinsamer Verantwortung beruhen. Wenn wir sie ernst nehmen, bleibt die Abschiedspredigt ein revolutionäres Manifesto für unsere fragmentierte Welt.

  • Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt – eine Rezension

    Usama Al Shahmani kam als Geflüchteter aus dem Irak in die Schweiz und wurde dort heimisch – heimisch in der Landschaft, in den Wäldern, an den Ufern der Flüsse und Bäche und heimisch in der deutschen Sprache. „Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt“ ist der dritte Roman von Usama Al Shamani. Er folgt auf „In der Fremde sprechen die Bäume arabisch“ und „Im Fallen lernt die Feder fliegen“.

    Auch in diesem Roman verwebt Usama Al Shahmani eigene Erfahrungen der Flucht, des Ankommens in einer für ihn fremden Welt, Rückblicke in die Heimat und in seine Familiengeschichte – alles überschattet von Krieg und Terror. Und doch bleibt in ihm ein Kern von Hypomone, der inneren Standhaftigkeit, ohne die er all die Widrigkeiten der Flucht und der Zustände im Exil nicht hätte bewältigen können. Hilfreich waren ihm dabei die in der Schweiz entdeckte Liebe zur Natur, seine Wanderungen durch die Wälder, seine Nähe zu den Bäumen und den Vögeln und immer wieder zu fließenden Gewässern.

     

    Alles fließt und nichts bleibt

    Flüsse wurden für Al Shahmani Orte der Erneuerung. Die Betrachtung des Wassers gab ihm Kraft und Hoffnung, ganz im Sinne von Heraklits Flusslehre und Platons berühmtem Zitat: Panta rhei. Alles fließt und nichts bleibt. Es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln.

    An dem Protagonisten Dafer Schiehan ist dieses Werden und Wandeln nachvollziehbar beschrieben. Den Ängsten des Krieges, der Flucht mit Schleppern, der Bürokratie des Gastlandes ausgesetzt, in dem er fast wie ein Welpe das Leben neu lernen musste, mit all seinen Unwägbarkeiten. Und auch seine innere Zerrissenheit: Was ist Heimat?

    Er musste das unbewältigte wortlose Trauern der Familie um seinen verschwundenen Bruder Gabrieb und das Verschwinden von Freunden verarbeiten. Trotzdem findet Dafer seinen Weg, wenn auch nicht seiner Ausbildung gemäß in akademischen Kreisen, sondern als Tellerwäscher, aber mit einem offenen respektvollen Chef, der ihm auf Augenhöhe begegnet und ihm neue Chancen bietet.

    Trotz aller unterschwelligen Tristesse ist es ein Roman der Hoffnung. Und wir können hoffen, dass Al Shahmani nach Abschluss dieses „Dreigestirns“ zu neuen Ufern aufbricht. Sich erzählerisch treiben lässt vom Fluss des Lebens.

     

    „Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt“

    Limmat Verlag, ISBN 978-3-03926-042-3

  • Singen für die mentale Gesundheit: Der Dopamin-Chor Hamburg

    An einem Samstagnachmittag im April trifft sich der Dopamin-Chor in Altona – ihr regulärer Proberaum im Schorsch-Center ist wegen der Osterfeiertage nicht verfügbar. Doch schnell wird deutlich: Der Ort spielt keine Rolle. Entscheidend sind die Menschen. Rund 20 Sänger:innen sind anwesend, es wird gelacht, musiziert, erzählt. Die Atmosphäre erinnert an eine Familienfeier.

    Zwischen den Proben erzählt Fidaa, die Gründerin des Chors, wie alles begann: Als psychosoziale Beraterin will sie geflüchteten Menschen nicht nur Gespräche anbieten, sondern auch Räume für Selbstwirksamkeit und Freude schaffen: „Viele Menschen, die zu uns kommen, sind einsam. Sie haben Schlimmes erlebt. Hier im Chor geht es nicht um schöne Stimmen, es geht um die Stimmung“, sagt sie. Fida ist vor 25 Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen.

    Rund 30 Menschen aus zwölf arabischen Ländern kommen regelmäßig im Dopamin-Chor zusammen. Die Lieder erzählen von Frieden, Liebe und Lebensfreude; politische oder religiöse Inhalte bleiben bewusst außen vor. Gesungen wird ausschließlich auf Arabisch – und doch ist die Botschaft für alle verständlich. „Musik ist eine Sprache, die jeder versteht“, so Chorleiterin Fidaa.

     

    Das Glück in der Gemeinschaft: Der Verein Dopamin Hamburg e.V.

    Der Chor ist Teil des gemeinnützigen Vereins Dopamin Hamburg e.V., der sich für psychosoziale Gesundheit, Empowerment und Teilhabe von Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung einsetzt. Der Name ist dabei Programm: Dopamin – das Glückshormon – steht sinnbildlich für die positive Energie, die aus Gemeinschaft, Kreativität und zwischenmenschlicher Verbindung erwächst. 

    Neben dem Chor bietet der Verein auch weitere Projekte an, um Personen mit Fluchterfahrung zu helfen. Zu den Angeboten zählen Ohr-Akupunktur und traumasensibles Yoga. Der Chor ist eines von mehreren Projekten des Vereins und ein besonders klangvolles Beispiel dafür, wie kulturelle Teilhabe gelebt wird.

     

    Stimmen aus dem Chor

    Frau Bara, wie sich die Tunesierin selbst nennt, ist seit sieben Monaten dabei. Sie habe, bevor sie Teil des Chors wurde, nicht gesungen und erst dort herausgefunden, wie sehr ihr das Singen Spaß mache und wie viel es ihr gebe. Für sie ist der Chor „wie eine Therapie“. Und zwar nicht nur für sie selbst: „Das macht Spaß für alle – wie eine Therapie für alle.“ Im Chor habe sie Freundschaften geschlossen, kulturelle Vielfalt erlebt und neue Kraft geschöpft. „Wir sind wie eine Familie“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln.

    Für Mohammad, einen Musiklehrer aus Syrien, ist Musik mehr als ein Hobby – sie ist sein Anker. „Wenn ich Musik mache, dann bin ich ruhig und mein Kopf ist gesund“, sagt er. Musik helfe, Traumata zu verarbeiten: „Musik ist gut für die Seele, sie macht den ganzen Stress weg.“ Auch für ihn bedeutet der Chor Gemeinschaft, Heilung und Lebensfreude. In seinen Worten spiegelt sich wider, was viele der Teilnehmenden empfinden: „Wir syrischen Menschen haben unsere Familie verloren, hier haben wir eine neue Familie dazugewonnen.“

    Der Chor tritt regelmäßig auf – beim Weltfrauentag, bei den Arabischen Kulturwochen oder dem Bergedorfer Chorfest. Damit schlagen sie eine musikalische Brücke zwischen Kulturen – mal leise, mal laut, aber immer mit Gefühl. Am Ende erklingen nicht nur Lieder, vielmehr werden Geschichten erzählt und Lebensfreude geteilt.

  • Sahra: „Das Beste aus zwei Welten“

    Sobald man die Tanzfläche des Lido’s in Berlin-Kreuzberg betritt, vibriert der Bass durch den ganzen Körper. Auf der Tanzfläche schreit eine Gruppe Frauen zu einem House-Remix von Nancy Ajram mit. Als der nächste Song mit einem Dabke-Rhythmus einsetzt, bildet sich ein großer Kreis, in dem die Menge gemeinsam tanzt. Die Energie ist ansteckend.

    Diese Energie trägt einen Namen: Sahra – arabisch für Ausgehen. Die queer-feministische Partyreihe findet regelmäßig in Berlin statt und ist eine der ersten ihrer Art, die arabische Popmusik, elektronische Beats und queere-feministische Werte miteinander verbindet. Gründerin Nour hat mit Sahra einen Raum für Sichtbarkeit und Empowerment geschaffen.

    „The best of both worlds“

    Sahra begann als eine Reihe von Geburtstagspartys. Mittlerweile hat sich die Party zu einer festen Größe im Berliner Nachtleben entwickelt und wurde 2024 sogar mit dem Berliner Club Award für Newcomer ausgezeichnet. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach: Viele Clubs hatten zunächst Bedenken, ein Event mit arabischer Musik an einem Wochenende zu hosten. Doch Nour und ihr Team haben sich nicht entmutigen lassen und schufen mit Sahra eine einzigartige Veranstaltungsreihe.

    Die Partys vereinen elektronische Musik mit arabischem Pop und traditionellen Rhythmen – „the best of both worlds“, wie Nour es nennt. Aber Sahra ist weit mehr als nur Musik. Die Partys sind auch ein Ort der Begegnung und Kreativität. Mit einem Line-up aus arabischen DJs aus Berlin und der internationalen Szene entsteht eine besondere Atmosphäre. Eine Atmosphäre in der Melodik, Bass und Nostalgie verschmelzen. Sahra prägt ein neues internationales Musikgenre: „Electro Swana‘“ –  ein Begriff, der die Region Südwestasien und Nordafrika (Swana) aus einer antikolonialistischen Perspektive beschreibt.

    Teil des Sahra-Kollektivs ist Hiba Salameh, eine DJ und Musikproduzentin aus Haifa. Laut dem Musikmagazin Mixmag gehört sie zu den palästinensischen DJs, die man unbedingt kennen sollte.  Auch Rizan Said, ein syrischer Komponist und Produzent, hat die Bühne von Sahra bereits betreten. Seine Stücke prägen die syrische Musikszene bis heute, und er hat in der Vergangenheit eng mit der Musikikone Omar Souleyman zusammengearbeitet.

    Doch es sind nicht nur bekannte Namen, die Sahra ausmachen. Besonders stolz ist Nour auf eine Veranstaltung, bei der das gesamte Line-up aus Frauen bestand: „Kommt für eine Nacht vorbei und hört arabischen Frauen zu! Sie machen ihr Ding und haben den Club ausverkauft.“ Es geht um Sichtbarkeit!

    Ein sicherer Raum für alle

    Was Sahra so besonders macht, ist der Raum, der erschaffen wird: ein sicherer Ort für Menschen, die in der Clubszene oft marginalisiert werden. Hier können sie frei und ohne Vorurteile sie selbst sein. Ein ausgebildetes Awareness-Team sorgt dafür, dass alle Gäste sich sicher und respektiert fühlen.

    Seit der Entstehung von Sahra war die Vision, einen solchen Raum zu schaffen, ein zentraler Bestandteil des Konzepts. In dem angespannten politischen Klima, das in den letzten Monaten in Deutschland zunimmt, ist die Schaffung solcher Räume so wichtig. Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen fällt es vielen von uns schwer, sich jeden Tag aufs Neue zu motivieren und die Hoffnung nicht zu verlieren.

    Durch einen Abend bei Sahra lösen sich diese Ängste und Sorgen vielleicht nicht vollständig auf, aber er schenkt uns Momente, in denen wir Teil einer Gemeinschaft sind – gesehen, gehört und respektiert. Es ist dieses Gefühl von Zusammenhalt, das Kraft und Motivation gibt. Nur als Community, nur gemeinsam, können wir diesen Zeiten begegnen und einen Weg nach vorne finden. Sahra ist ein Ort der Hoffnung in einer Zeit, in der Gemeinschaft und Solidarität hart auf die Probe gestellt werden.

    Sahra beendet das Jahr mit einigen Highlights: einem Festival, der ersten internationalen Veranstaltung in Paris und einer Kollaborationsparty mit der amerikanischen Partyreihe Disco Tehran. Für das kommende Jahr können wir uns auf viele spannende Projekte freuen!
    „Wir haben große Pläne für Bookings, Events und internationale Kollaborationen“, verrät Nour begeistert.

    Der Artikel war eigentlich schon fertig und dann kam das plötzliche Update aus Syrien: Das Assad Regime ist gefallen. Nun ist das unvorstellbar passiert: die erste Sahra Party in Damaskus im Januar 2025. Nour berichtete von ihrer Erfahrung: „Selbst als die Veranstaltung begann, war es schwer zu glauben, dass wir wirklich dort waren – zurück in Damaskus, einer Stadt, die viele von uns seit über einem Jahrzehnt nicht mehr betreten hatten. So lange hatten wir nicht geglaubt, dass dieser Moment jemals eintreten würde, und doch waren wir da und tanzten zu den Liedern der Revolution im Herzen der Hauptstadt. SAHRA in Damaskus war mehr als ein Fest; es war ein Akt der Zurückgewinnung von Raum und Identität, bei dem sich Freude, Trauer und Hoffnung vermischten. Gemeinsam ehrten wir die Vergangenheit, feierten die Freiheit und hielten an dem gemeinsamen Traum von einer besseren Zukunft fest.“

  • Neuaufgelegt: Willkommen im Paradies

    Der 1999 erschienene, 2024 im Schweizer Lenos Verlag neu aufgelegte Roman „Willkommen im Paradies“ („Cannibales“ im französischen Original) des marokkanischen Schriftstellers und Malers Mahi Binebine ist aktueller denn je.

    Der Autor selbst hat ein wechselvolles Schicksal. Einer seiner Brüder war unter Hassan II 18 Jahre im berüchtigten Gefängnis Tazmamart inhaftiert. Binebine studierte Mathematik und lebte als Lehrer in Paris, bis er anfing, zu schreiben und autodidaktisch zu malen. Einige seiner Bilder sind Bestandteil des Guggenheim Museums in New York. Er lebte in New York und in Madrid, kehrte erst 2002 in die Heimat zurück.

    Binebine gelingt es meisterhaft, die Lebensgeschichten, angefüllt mit Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Enttäuschung und zugleich Hoffnung der einzelnen Protagonisten, die am Strand von Tanger auf die Überfahrt nach Spanien harren, lebendig werden zu lassen. Er setzt Asûs als seinen Erzähler, seinen Dolmetscher ein.

    Und so bekommen die Maghrebiner*innen Nuara und ihr Kind, ihr Mann Sulaimân, Jûssuf und sein zwergenhafter Zwilling Momo, Mûrad und Kâssim Dschûdi, die beiden Malier*innen Pafadnam und Yarcé sowie die Europäer*innen, die Schwestern Bénédicte und Odette und der Lehrer Monsieur Romanchef, ein menschliches Gesicht. Denn jeder Mensch hat eine ganz eigene Geschichte, die sich zudem noch in Vorgeschichten, mit ihren sozialen, religiösen und kulturellen Strukturen verästelt.

    Das schmale Buch von Binebine könnte zum Nachdenken anregen, was denn unser Gesicht, unsere Geschichte und Vorgeschichte wären, wenn wir unser altes Leben verlassen würden für ein neues menschenwürdiges.

    Die Festung Europa ist regressiver und repressiver denn je. Rechtspopulistische Regierungen und ihre Trittbrettfahrer übernehmen das Zepter. Und die großen Worte von Menschenrechten und der Würde eines jeden einzelnen werden zu verbalen Hülsen im Einheitsbrei der Information. Niemand interessiert sich für die, die ihre Heimat verlassen haben, aus welchen Gründen immer: Krieg und Verfolgung, Hungersnöte, Überschwemmungen, Ausweglosigkeit im eigenen Leben. Niemand interessiert sich für die im Mare nostrum Verschollenen, Ertrunkenen. Im Mittelmeer soll es Fische geben, die besonders prall und fett seien …

    Niemand sieht sie als Einzelwesen, sondern immer nur als menschliche Masse. Die Maghrebiner*innen. Die Syrer*innen. Die Muslim*innen.

    Vielleicht sind es irgendwann „Die Europäer*innen“?

     

  • Moin und Salam – wie ein Bildband muslimisches Leben repräsentiert

    Das Projekt beginnt damit, dass Julius Matuschik, Fotojournalist und damaliger Empfänger des Praxis-Fellowships an der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG), sich mit dem Anliegen an die AIWG wendet, muslimisches Leben, so wie es wirklich ist, durch seine Fotografien abbilden zu wollen. Es sollen Fotos entstehen, in denen sich die meisten Muslim*innen wiederfinden können. Er reflektiert über die Repräsentation des Islam in der deutschen Gesellschaft: „Für mich als Fotojournalist ist die Frage nach meiner Verantwortung als Medienschaffender von großer Bedeutung, insbesondere die Frage danach, wie Fotografien wirken.“ Die Idee zu „Moin und Salam“ ist geboren.

    Was als Blog beginnt, wird über ein zusätzliches Publikationsvorhaben erweitert, wodurch im April 2024 der Bildband im Kerber Verlag veröffentlicht wird. Raida Chbib, Wissenschaftlerin und Geschäftsführerin der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt, liefert den Kontext und formuliert die Texte.  Julius Matuschik steuert das Bildmaterial bei. Die Autor*innen wollen ein differenziertes Bild von Muslim*innen präsentieren und begeben sich dazu auf eine Reise durch die historischen Anfänge muslimischen Lebens in Deutschland bis hin zum Leben in der muslimischen Community heute.

    Statt Stereotype zu bedienen, sollen echte Lebensrealitäten Raum finden. „Erschreckend war für mich, wie sehr die mediale Darstellung muslimischen Lebens in Deutschland von der Realität abweicht“, bemängelt Julius Matuschik die oft einseitige und negativ geprägte Repräsentation in den deutschen Medien. Dass der Islam und Muslim*innen längst ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft sind, wird oft unterschlagen.

     

    Polarisierung führt zu Anfeindungen und Übergriffen gegen Muslim*innen

    Durch politische Debatten konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit häufig auf problematische Aspekte in Verbindung mit dem Islam. Radikalisierung und Terrorismus finden in den Medien eine Überrepräsentation und verstärken so Vorurteile gegenüber Menschen muslimischen Glaubens und dem Islam. „Leider gerät dadurch das weitgehend gelungene gesellschaftliche Alltagsleben der Mehrheit der Muslim*innen in Deutschland in den Hintergrund“, kritisiert Raida Chbib. Das kann schnell gefährlich werden. Polarisierung führt zu Anfeindungen und Übergriffen gegen Muslim*innen. Das bestätigen auch zahlreiche Untersuchungen, zuletzt die Studie der Europäischen Grundrechteagentur FRA zur Diskriminierung von Muslim*innen in der EU, wie Raida Chbib erwähnt.

    In einer Pressemitteilung vom Juni 2024 verzeichnet die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM) einen Anstieg von antimuslimischen Straftaten um 114 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Raida Chbib verweist auf den „Religionsmonitor 2023“ der Bertelsmann Stiftung und eine Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, die beide eine Zunahme antimuslimischer Einstellungen und islamfeindlicher Straftaten in Deutschland zeigen. Auch die 2020 veröffentlichte Studie „Muslimfeindlichkeit“ vom Bundesinnenministerium bestätigt den Zusammenhang zwischen negativ verzerrten Generalisierungen in den Medien und der zunehmenden Wahrnehmung von Muslim*innen als Bedrohung.

     

    „Eine der häufigsten Fehlannahmen ist, dass Menschen muslimischen Glaubens eine homogene Gruppe mit einheitlichen Werten und Verhaltensweisen seien, die im Widerspruch zur deutschen Gesellschaft stünden“

     

    Den politischen Debatten liegt oft auch die Fehlannahme zugrunde, dass Muslim*innen generell mit Migration gleichzusetzen seien. Muslimische Deutsche sind aber längst Teil der deutschen Gesellschaft, betont auch Raida Chbib. Im öffentlichen Diskurs wünscht sie sich deshalb mehr Differenzierung für eine vielfältige Gemeinschaft. „Eine der häufigsten Fehlannahmen ist, dass Menschen muslimischen Glaubens eine homogene Gruppe mit einheitlichen Werten und Verhaltensweisen seien, die im Widerspruch zur deutschen Gesellschaft stünden“, kritisiert Raida Chbib. Dabei unterschieden sich Muslim*innen deutlich in kulturellen Hintergründen und der Art, wie sie ihren Glauben auslegen und ausleben.

     

    AIWG/Aynur Caglar

    Bei der Arbeit am Bildband hat Julius Matuschik viele Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass der Islam nicht erst mit den sogenannten Gastarbeiter*innen nach Deutschland gekommen ist. „Zu sehen, dass es historische Bezüge ins Mittelalter und darüber hinaus gibt, hat mich sehr überrascht“, gesteht Julius Matuschik. Und nicht nur ihn. Auch Raida Chbib war von der fotografischen Dokumentation dieser Historie beeindruckt. Dass Julius Matuschik überhaupt so viel Zeit hatte, die Archive zu sichten, ist der Pandemie geschuldet. Was zunächst in Form von Beschränkungen als große Herausforderung beginnt, entwickelt sich zu einer spannenden Reise in die Vergangenheit. Etliches Bildmaterial muslimischen Lebens in Deutschland auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg weckt die Neugierde der Autor*innen.

     

    „Mich hat es jedes Mal beeindruckt, wie die Gläubigen es geschafft haben, hier eine spirituelle, andächtige Atmosphäre zu gestalten“

     

    Um die muslimische Vielfalt in Deutschland zu zeigen, fotografiert Julius Matuschik in allen Bundesländern und lernt etliche Moscheen kennen. Für eine Lieblingsmoschee kann er sich dennoch nicht entscheiden. Besonders berührt haben ihn zweckentfremdete Moscheen. Ehemalige Werkstätten, Büroräume, Kirchen, Wohnungen. Sogenannte Hinterhofmoscheen. Einmal fotografiert Julius Matuschik sogar eine Moschee in einer ehemaligen Tiefgarage. „Mich hat es jedes Mal beeindruckt, wie die Gläubigen es geschafft haben, hier eine spirituelle, andächtige Atmosphäre zu gestalten“, erzählt er.

     

    AIWG/Aynur Caglar

    Der Bildband soll vor allem neugierig machen. Man kann mal hier und mal da haften bleiben und sich in ein Thema vertiefen oder von Anfang bis Ende lesen. Wer mal eine Pause von der Lektüre braucht, kann sie ungeniert auf dem Kaffeetisch liegen lassen, denn schön ist der Bildband allemal.

    „Für mich bleibt ein Buch zeitlos“, beschreibt Raida Chbib ihre Motivation, das digitale Format des Blogs in ein analoges zu verwandeln. Drei Jahre lang arbeiteten die beiden an Blog und Bildband. Für Julius Matuschik bisher sein größtes Projekt als Fotojournalist. Jetzt freut er sich auf den Austausch mit den Leser*innen. „Es ist nicht meine erste Publikation, aber die schönste“, sagt Raida Chbib dazu. Diese jetzt in den Händen halten zu können, ist für sie ein besonderes Erlebnis.


     

    Den Bildband „Moin und Salam“ kannst du im Online-Shop von kohero kaufen. Aufgrund der deutschen Buchpreisbindung bezahlst du also nicht mehr, wenn du bei kleinen unabhängigen Shops wie unserem bestellst. Mit deinem Kauf unter https://kohero-shop.de/products/moin-und-salam unterstützt du gemeinnützigen Journalismus!

     

    Hier kannst du dich mit dem AIWG connecten:

    Facebook: https://www.facebook.com/AIWG.DE/

    Instagram: https://www.instagram.com/aiwg_frankfurt/

     

  • Wie die Welt Advent feiert: Reise durch Bräuche und Traditionen

    In Äthiopien, einem der ältesten christlichen Länder der Welt, beginnt der Advent nicht mit Kränzen oder Kalendern, sondern mit einer strengen Fastenzeit, die als „Tsome Nebiyat“ bekannt ist. Diese Fastenzeit dauert 43 Tage und endet am 7. Januar, dem Tag, an dem in Äthiopien Weihnachten gefeiert wird.

    Während dieser Zeit verzichten viele auf tierische Produkte und nehmen an täglichen Gottesdiensten teil. Kirchen spielen eine zentrale Rolle im Advent. Sie sind oft mit beeindruckender Architektur wie den Felsenkirchen von Lalibela ein spiritueller Anziehungspunkt. Hier versammeln sich Gläubige, in weiße Gewänder gehüllt, um gemeinsam zu beten. Die Atmosphäre ist geprägt von Gesängen und traditionellen Instrumenten, die eine fast zeitlose Stimmung schaffen.

    In ländlichen Gebieten wird der Advent auch genutzt, um Häuser zu reinigen und einfache Geschenke vorzubereiten, die am Weihnachtsfest mit Nachbar*innen geteilt werden. Gemeinschaft und Spiritualität stehen dabei im Vordergrund.

    Lebendige Straßenfeste und spirituelle Traditionen in Brasilien

    Auch in Brasilien verschmelzen katholische Bräuche mit afrikanischen und indigenen Traditionen zu einem einzigartigen Adventserlebnis. Besonders in Städten wie Salvador und Rio de Janeiro wird der Advent mit einem Mix aus Feierlichkeiten und Spiritualität begangen.

    In der Adventszeit sind Kirchen und Straßen festlich geschmückt, und viele Gemeinden veranstalten Prozessionen, bei denen Bilder von Maria und anderen Heiligen durch die Straßen getragen werden. Traditionelle Lieder und Tänze begleiten diese Ereignisse, oft untermalt von Trommelklängen, die afrikanischen Einflüssen entstammen.

    Ein besonderes Highlight sind die „Folia de Reis“ –, eine Tradition, die den Besuch der Heiligen Drei Könige nachstellt. Gruppen von Musiker*innen ziehen dabei von Haus zu Haus, singen Weihnachtslieder und bringen Segnungen. Oft werden sie von Gastgeber*innen mit Speisen und Getränken bewirtet, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt.

    Zur Vorbereitung auf Weihnachten gehört auch der Aufbau von kunstvollen Krippen, die in vielen Haushalten und Kirchen zu finden sind. Diese werden oft mit großer Hingabe gestaltet und erzählen die Weihnachtsgeschichte auf visuell beeindruckende Weise.

    Fest der Lichter und der Gemeinschaft

    Doch auf den Philippinen, dem größten christlichen Land Asiens, beginnt die weihnachtliche Stimmung bereits im September. Die Adventszeit selbst, die Mitte Dezember in den Mittelpunkt Vordergrund rückt, wird besonders durch die „Simbang Gabi“ geprägt, eine Serie von neun Frühmessen.

    Die Messen finden oft vor Sonnenaufgang statt, und die Gläubigen versammeln sich mit handgefertigten Sternlaternen, den sogenannten „Parols“, die den Stern von Bethlehem symbolisieren. Diese Laternen gehören zu den wichtigsten Dekorationen der Weihnachtszeit und leuchten in allen Farben des Regenbogens.

    Ein besonderes Spektakel bietet das „Giant Lantern Festival“ in San Fernando. Hier präsentieren verschiedene Gemeinden riesige, kunstvoll gestaltete Laternen, die oft synchron zur Musik aufleuchten. Dieses Lichterfest zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher*innen an und symbolisiert Hoffnung und Freude.

    Auch die Kulinarik spielt eine wichtige Rolle. Nach den Frühmessen werden traditionelle Speisen wie „Puto Bumbong“, ein klebriger Reiskuchen, angeboten, die oft in geselliger Runde genossen werden.

    Ruhe und Spiritualität in Kerala

    In Indien wird der Advent besonders in Kerala gefeiert, wo eine lebendige christliche Gemeinschaft existiert. Hier vereinen sich die Traditionen der syrisch-orthodoxen Kirche mit lokalen Bräuchen, die Jahrhunderte zurückreichen.

    Während der Adventszeit bereiten sich die Gläubigen durch Fasten und Gebete auf Weihnachten vor. Kirchen erstrahlen in warmem Licht von Öllampen, und die Menschen kommen zu Gottesdiensten und gemeinsamen Gesängen zusammen.

    In den Familien wird besonderes Augenmerk auf Gemeinschaft gelegt. Mahlzeiten wie „Appam“ und „Stew“, die mit Gewürzen und regionalen Zutaten zubereitet werden, sind ein fester Bestandteil der Adventstradition. Am Abend versammeln sich Familien und Freund*innen, um Adventslieder zu singen und die festliche Stimmung zu genießen.

    Rollschuhe und Morgendämmerung

    Hingegen wird der Advent in Venezuela auf fröhliche und einzigartige Weise gefeiert. Ein besonderes Merkmal ist die Tradition der „Misas de Aguinaldo“ –, Frühmessen, die zwischen dem 16. und 24. Dezember stattfinden.

    Was diese Tradition besonders macht, ist die Anreise der Gläubigen zur Kirche – auf Rollschuhen. In den frühen Morgenstunden gleiten Kinder und Erwachsene durch die Straßen, die eigens für den Verkehr gesperrt werden. Entlang des Weges verteilen Anwohner*innen heiße Schokolade und traditionelle Speisen wie „Hallacas“ –, eine Art gefüllte Maistasche.

    Nach den Messen geht die Feier oft mit Musik, Tanz und geselligem Beisammensein weiter. Die fröhliche Atmosphäre unterstreicht die Bedeutung der Gemeinschaft und die Freude über das bevorstehende Weihnachtsfest.

    Einheit in Vielfalt: Was der globale Advent lehrt

    Die Adventstraditionen weltweit zeigen eine beeindruckende Vielfalt, die tief in den Kulturen der Menschen verwurzelt ist. Vom stillen Fasten in Äthiopien bis zu den lebhaften Straßenfesten in Brasilien, von den bunten Laternen der Philippinen bis zu den ungewöhnlichen Rollschuhprozessionen in Venezuela – überall steht der Advent für Besinnung, Hoffnung und Gemeinschaft.

    Diese Vielfalt lädt dazu ein, auch den eigenen Advent mit neuen Perspektiven und Impulsen zu bereichern. Ob durch spirituelle Rituale, kreative Traditionen oder das Öffnen für andere Kulturen – der Advent kann zu einer Feier der Einheit in der Vielfalt werden und eine universelle Botschaft von Zusammenhalt und Hoffnung vermitteln.

  • „Ich bin hier, bin nicht tot, noch nicht“ – eine Rezension

    Zehn palästinensische Autor*innen beschreiben in „Ich bin hier, bin nicht tot, noch nicht“ in Poesie und Prosa Stimmungen, Gedanken, Hoffnung, Verzweiflung, Träume, Ängste, Resignation. Sie schreiben gegen das Vergessen und gegen den prägenden Satz von Golda Meir „Es gibt kein palästinensisches Volk.“

    Aus objektiver so wie aus subjektiver Sicht kann man sich als Leser einfühlen, mitfühlen und die Zermürbung durch permanente Entwürdigung zutiefst nachempfinden. Zumindest im deutschen Grundgesetz heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

    Neben den immer wieder aufflammenden kriegerischen Handlungen mit Zerstörung und Vertreibung sind es die alltäglichen Herabsetzungen durch die „moralischste Armee der Welt“ (Ibtisam Azem: „Wir töten nicht und sind es nicht gewohnt zu töten, weil wir barmherzig sind. Wir leiden, wenn wir diejenigen töten, die uns töten wollen“).

    Bürokratische, papiertigerhafte Willkür ist ein weiteres Faktum der Macht. Für alles und jenes wird eine Genehmigung, ein Passierschein verlangt, jedoch viel zu oft verweigert. Emil Habibi fragt, ob man auch für das Verlassen des Mutterbauches eine Genehmigung benötige. Mahmud Darwish erzählt von einem Vater, dessen krankes Kind auf seinem Schoß verstarb, während sie auf einen Passierschein zur Klinik warteten. Farhat-Naser berichtet von den Leibesvisitationen an den Grenzübergängen: Frauen müssen sich vor den Soldatinnen nackt ausziehen und sogar ihre Binden wechseln. Frauen, die besseren Menschen?

    Jenseits aller politischen Polemik und Hybris werden uns Einblicke und Augenblicke in das Leben von Menschen gewährt, die diese Entwürdigung alltäglich erleben müssen. Sie bekommen in diesen kurzen Texten eine Stimme. Sie spüren Ohnmacht und Traumata auf. Aus der Psychologie weiß man, dass Traumata vererbbar sind. Sie prägen die Menschen, oft über Generationen hinweg. Das trifft auf beide Völker zu, gibt aber dem einen Volk nicht das Recht, das andere zu traumatisieren.

    Die Menschen sind Schachfiguren im Spiel der Mächte um Geopolitik und göttliche Versprechen. Sie sind Spielbälle, herausgefallen aus dem osmanischen Großreich und dem britischen Mandatsgebiet.

    Diese multiperspektivischen Textsplitter machen betroffen, berühren und ändern doch nichts außer angelesener Betroffenheit. Es wäre ein Tikum Olam – die Reparatur der Welt – erforderlich. Und die beginnt in den Köpfen. Erfordert Mut, Wachheit, Kompromisse. Und Widerstand.

    Und so kann man nur hoffen, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings eines Tages einen Friedensprozess auslösen wird. Und sich der gordische Knoten eines jahrzehntelangen Konflikts, der weit über die eigentliche Region hinausreicht, lösen lässt.

    Danke an den Lenos-Verlag für die Veröffentlichung dieser „einsichtigen“ Texte.

     

  • Die Ellerstraße – Marokko im Herzen von NRW

    Wer die Ellerstraße besucht, taucht in eine Welt der Sinne ein: Der Duft von gegrilltem Lamm, süßem Minztee und Gewürzen erfüllt die Luft. Marktstände und Geschäfte säumen die Straßen und bieten eine bunte Vielfalt an Oliven, Datteln und traditionellen marokkanischen Produkten. Menschen unterhalten sich auf Arabisch und Tamazight, während sie durch die lebhaften Straßen schlendern. Doch ein Blick auf ein Straßenschild verrät: Wir befinden uns nicht in einem marokkanischen Souk, sondern mitten in Düsseldorf.

    Arabisch auf dem Straßenschild 

    Dieses Straßenschild der Ellerstraße trägt nicht nur den vertrauten deutschen Namen, sondern auch arabische Schriftzeichen: „شارع إلَرْ“. Es ist ein kleines, aber symbolträchtiges Detail, das zeigt, wie tief die marokkanische Kultur im Viertel Oberbilk verwurzelt ist. Oberbilk, Heimat vieler marokkanischer Familien, ist längst für seine arabisch und tamazigh geprägten Märkte, Restaurants und Geschäfte bekannt. Mit der offiziellen arabischen Beschriftung auf dem Straßenschild wird diese kulturelle Vielfalt nun auch im Stadtbild gewürdigt.

    Die Ellerstraße ist heute das Herzstück der marokkanischen und arabischen Gemeinschaft in Düsseldorf. Hier reihen sich dutzende Geschäfte, Restaurants und Cafés aneinander, die authentische Produkte aus der arabischen Welt anbieten. Besucher kommen aus umliegenden Städten wie Duisburg, Essen und Dortmund, um in den Läden einzukaufen und die vielfältige marokkanische Küche zu genießen. Die Restaurants servieren Spezialitäten wie Harira, die berühmte marokkanische Suppe, und Lamm-Tajine, was der Straße den Spitznamen „Nador-Straße“ eingebracht hat – benannt nach der nordmarokkanischen Stadt, aus der viele Ladenbesitzer*innen stammen.

    Das eigene Land mitgebracht 

    Für die marokkanische Gemeinschaft, die seit den 1960er und 1970er Jahren Teil der Stadt ist, ist die Ellerstraße weit mehr als nur ein Einkaufsziel. Sie ist ein Treffpunkt und ein Ort der Begegnung, an dem Traditionen gepflegt und weitergegeben werden. Das beobachtet auch Ladenbesitzer Mohammad. Er migrierte vor über 40 Jahren nach Deutschland. „Als ich damals kam, gab es hier nur ein Geschäft. Heute ist die Ellerstraße voll mit marokkanischen Cafés, Restaurants, Konditoreien, Büchershops bis zu Möbelgeschäften“, erzählt er. In seinem Laden gibt es neben Gewürzen, Arganöl sowie Olivenöl auch marokkanisches Kunsthandwerk – Produkte, die für viele eine wichtige Verbindung zu ihrer Heimat darstellen.

    Zwischen zwei Welten

    Die Geschichte der marokkanischen Migrant*innen in Düsseldorf begann vor mehr als einem halben Jahrhundert, als viele von ihnen als Gastarbeiter*innen in die Stadt kamen. Deutschland benötigte damals dringend Arbeitskräfte, und so machten sich viele Marokkaner*innen auf den Weg, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Was als vorübergehender Aufenthalt geplant war, entwickelte sich für viele zu einem dauerhaften Neuanfang. Heute sind die Kinder und Enkel der ersten Generation fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft, besuchen deutsche Schulen und Universitäten, während sie gleichzeitig ihre marokkanischen Wurzeln bewahren.

    Die Ellerstraße ist ein Ort, an dem diese Verbindung von Tradition und Moderne sichtbar wird. Hier leben Deutsche und Marokkaner*innen Tür an Tür, und die Grenzen zwischen den Kulturen verschwimmen zunehmend. „Unsere deutschen Nachbarn kommen oft in den Laden und kaufen Minze oder Olivenöl“, erzählt der Mitarbeiter Nabil lachend. „Manchmal sogar mehr als die Marokkaner!“

    Die Heimat im Herzen getragen 

    Neben den Geschäften und Restaurants gibt es auch Moscheen und Hammams, die im einzigartigen Flair der marokkanischen Architektur gestaltet sind. Besonders die Moscheen spielen eine zentrale Rolle im sozialen Leben der Gemeinschaft, da sie nicht nur religiöse Orte sind, sondern auch Räume für Hochzeiten, Feste und andere gesellschaftliche Anlässe bieten. „Die Moschee ist das lebendige Herz unserer Gemeinschaft – hier verschmelzen Glaube, Kultur und Leben zu einem Puls, der uns alle verbindet“, sagt Salim, ein regelmäßiger Besucher der Omar-ibn-Al-Khattab-Moschee.

    Ein weiteres Highlight des Viertels ist das „Café Mamounia“. Dieses Café am Beginn der Ellerstraße ist mehr als nur ein Ort, um Kaffee oder Tee zu trinken. Es ist ein Treffpunkt, an dem Menschen sich versammeln, um gemeinsam Fußball zu schauen, über aktuelle Ereignisse zu diskutieren oder einfach bei einem süßen Gebäck den Alltag zu vergessen. „Es fühlt sich an wie zu Hause“, sagt Mohammad, ein Stammgast, während er einen Minztee genießt.

    Tradition trifft Moderne

    In unmittelbarer Nähe hat sich zudem ein neues Highlight etabliert: ein traditioneller Hamam. Der Eingang ist kunstvoll aus Kupfer und andalusischen Ornamenten gestaltet. Hier können Besucher*innen bei Dampfbädern und traditionellen Massagen entspannen und die jahrhundertealte Badekultur hautnah erleben. „Sobald man die Türschwelle übertritt, fühlt man sich, als wäre man weit weg – mitten im Herzen des Orients“, schwärmt Khaled, ein begeisterter Gast.

    Die Kombination aus der Ellerstraße und der nahegelegenen Kölner Straße, die ebenfalls für ihre kulturelle Vielfalt bekannt ist, zeigt das multikulturelle Gesicht Düsseldorfs in seiner schönsten Form.

    In Zeiten, in denen das Thema Migration oft polarisiert, bietet die Ellerstraße ein anderes Bild: Sie zeigt, wie Kulturen friedlich und bereichernd nebeneinander existieren können. Die arabischen Schriftzeichen auf dem Straßenschild sind mehr als nur eine symbolische Geste. Sie stehen für die Verwurzelung der marokkanischen Kultur in Düsseldorf und erinnern daran, dass kulturelle Identität dynamisch ist – ein Prozess des ständigen Austauschs und der Weiterentwicklung. Hier in Oberbilk zeigt sich, dass kulturelle Vielfalt nicht nur Herausforderungen, sondern auch große Chancen und Bereicherungen für alle Seiten mit sich bringt.

     

kohero-magazin.com